Hallo ihr Lieben,
ich habe in den letzten Tagen einen kleinen Artikel für unsere Studentenzeitschrift "Pflasterstein" verfasst. Es geht um die Problematik Griechenland und wie die hiesige Presse, insbesondere BILD, das Thema bearbeitete. Ich hatte etwas recherchiert, war recht geschockt und hab den Zustand dann literarisch ausgeschimpft. Es ist mehr als eine Glosse, es ist vielmehr eine Polemik und dürfte deshalb ziemlich lustig zu lesen sein. Vielleicht seid ihr ja einer Meinung mit mir, vielleicht nicht, vielleicht findet ihr's auch zu derb. Ich finde es "angemessen". Aber wie auch immer: viel Freude daran!
Über den Griechen darf man zurzeit eine Menge hören oder lesen, was den Deutschen sehr verschreckt. Er prasste, der Grieche, und prasste und prasste und sparte nicht, im Gegensatz zu „uns“, wie die Medien stolz dem Bürger bescheinigen, was er eh schon seit Langem vermutet: dass der deutsche Michel löhnt wie keiner sonst im Dorf, und dass die da unten allesamt wahlweise faul beziehungsweise prinzipiell degeneriert sind. Wirklich gestört hat ihn das nicht; in kleinbürgerlicher Manier murrte er und würde noch immer murren, ließe man ihn doch nur, aber in diesem Fall lässt man ihn nicht: man hetzt ihn auf – oder versucht es zumindest. Dies wird offensichtlich, wenn man mitverfolgt, wie hierzulande über den „Fall Griechenland“ (focus.de) berichtet wird, woran appelliert wird und welches Vokabular, speziell durch die Springer-Presse, mal wieder aus der Mottenkiste gekramt wird. Dass Springers BILD das größte Drecksblatt überhaupt ist und Springers WELT nur wenig besser, darüber gibt es augenscheinlich einen seltsamen Konsens in der potenziellen und in der wirklichen Leserschaft. Dass man ab und an dennoch einen Blick hinein riskieren kann, scheint hingegen kaum verwerflich; selbst an der Universität liegt letzteres Pamphlet zum Klau bereit, was wundert, schließlich ist es doch die Norm, dass es an Toilettenpapier kaum mangelt – und trotzdem sind die bereit gestellten Nimm-mich-Kisten regelmäßig leer geräumt. Allgemein ist zu beobachten, dass die deutsche Presse Front macht gegen Griechenland, und dieses derart einstimmig wie sonst nur zu Zeiten Knuts des Eisbären.
BILD begreift den „Griechenland-Wahnsinn“ ( ebd.) als Chefsache, also als ihre eigene, nimmt sich ihrer an und verfolgt sie zwar mit wenig Akribie, was sie aber in altbekannter Weise durch ein Dreifaches an Elan und aufrechtem Volksgeist kompensiert. Von „uns“ ist da zu lesen, von „wir“ und von „Deutschland“, nicht selten mit „uns/wir Deutschen“ kreativ aneinander gereiht. Gleichzeitg wird ein Feindbild geschaffen, und zwar ein kollektives, was sein muss, schließlich ist dies das ABC des Demagogen von WELT und im Besonderen deren Wurmfortsatzes BILD. Aktuell sind es „die Griechen“, in gewohnt suggestiver Divistechnik des Öfteren die „Pleite-Griechen“, im frohen Tausch die „Griechenland-Pleite“, der erwähnte „Griechenland-Wahnsinn“ und auch mit den dortigen „Luxus-Rentnern“ hat BILD ein Problem: „Wir wollen nicht sparen!“ sei das tumbe Motto der Demonstranten, „Krise? Welche Krise?“, lässt sie sie fragen und übt sich selbst in unschuldiger Konspiration: „Was verschweigen uns die Griechen noch?“ Dass der Bürger daraufhin allerhand vermutet, nimmt sie gerne in Kauf, dient es doch der Verschleierung der eigentlichen Hintergründe – und der Auflage, bei BILD wie überall ein Hauptmotiv.
Wie korrupt BILD ist, beweist sie mit scheinheiligen „Hintergrundinformationen“. Auch hier konstatiert sie völkisch: „Griechen bepöbeln Deutsche!“ und unternimmt eine Feldstudie. Dass die Griechen primär die BILD-Redakteure bepöbeln, verschweigt sie ihren Lesern gerissen. Dass die Bepöbelung nicht ohne Grund geschah, geht aus BILDs Fazit ihrer Feldstudie allerdings deutlich hervor. Schleicht man sich nämlich irgendwo ein, gibt den dortigen Demonstranten „die Drachme zurück“, mit der „die Griechen“ von 1831 bis 2001 sehr gut fuhren, wie BILD nachforschte, und fragt „Habt ihr aus der Krise nichts gelernt?“, kann man davon ausgehen, mit einem „Verschwindet hier!“ bedacht zu werden. Trickreich suggeriert BILD einen kollektiven Volkszorn, indem sie ihre korrupten Laffen zum Sprachrohr der Nation stilisiert und so vermittelt, dass „die Griechen“ nun „die Deutschen“ hassen. „Wie viel Kohle sollen wir noch ins Land stecken?“, zumal in ein Land, das „uns“ offensichtlich hasst wie die Pest. Undankbares Pack!, mag der Leser denken, und möchte im Bund mit BILD strafen, indem er Griechenland aus der EU zu befördern trachtet.
Eigentlich sind die Bemühungen der Gosse ja putzig in ihrer Infantilität und gleichsam grausam in ihrer Perfidie: dass ein Europa ohne Griechenland postwendend umbenannt werden müsste, dass das Allermeiste, was BILD als hehres abendländisches Kulturgut verkauft, seinen Ursprung in Griechenland findet, dass selbst BILDs peinliche Volksbibel hellenische Landstriche durchqueren musste, bis dem deutschen Michel das gute Stück Literatur endlich mal übersetzt wurde, all das will BILD plötzlich vergessen haben – was sie natürlich nicht hat, sie weiß es sehr genau, sie leugnet es nur – und beweist ein erneutes Mal ihre unnachahmliche Korruptheit. Nebenbei bedient sie dümmlichste Ressentiments und schafft und etabliert wenigstens verlagsintern einen Prototypen „des Griechens“, den Phobienfreunde vermutlich in naher Zukunft mit „graecophob“ betiteln und durch Föjedong und Talkshows treiben werden. Doch auch der, der nicht zum Omniphobistenclub zählt, findet reichliches Gschmäckle am BILDschen Treiben. Ungute historische Parallelen eröffnen sich, wenn man sich die Stereotypisierung, die Hand in Hand mit Diffamierung und Kollektivhatz geht, vor Augen führt, und damit nicht genug: es scheint zu funktionieren wie eh und je, der Stammtisch ist dabei und Seit an Seit mit Bundestagsfraktionen und der deutschen Intellektuellenfront geht’s Zeusens Kinners an den Kragen – und zwar allen miteinand!
Denkt man nun an das, was BILD üblicherweise tut, z.B. Killerkeime vom Mars ankündigen, (mal wieder) „uns“ Papst nennen, Merkel hofieren, irgendetwas mit Hitler aufdecken, allerlei Sexgeschichten (gerne mit zuvor Genanntem im Zusammenhang) aufdecken, Kriminalfälle türcken und Volksschädlinge wahlweise Migranten beschimpfen, kommt einem zwar die Galle hoch und man möchte fluchen und die Damen und Herren zum 666fachen Volksbibelabschreiben verdonnern, manche gerne hinter Schloss und Riegel, aber da man das Leitmedium kennt, brüskiert man sich kurz oder lacht darüber. BILD ist Normalität und BILD betrifft jeden – denn was BILD schreibt, schreiben viele andere Zeitungen ab bzw. senden RTL und Co. in froher Vetternwirtschaft so ziemlich ungekürzt; der Bohlen hat ja das Glück, dass er im Fernseh gröbsten Bullshit labern kann, der dann durch die „Cloaca Maxima der öffentlichen Meinung“ (Karl Kraus) direktemang in die Köpfe der BILDungsbürger transferiert wird. Gossengoethe (Eigenbenennung) Franz Josef Wagner rührt's kräftig durch und zack, schon wurd ein jedes Volksgenossen Meinung vom Hause Springer aus gebildet. Wie es beim Topic „Griechenland“ geschah – und Franz Josef Wagner hat natürlich auch hierzu eine dezidierte Meinung, die sich zwar seltsamerweise vom Tenor der Zeitung abhebt, dabei aber dennoch wie gewohnt sturzbesoffen und grundlegend irre ist. Franz Josef Wagner schrieb am 25. April diesen Jahres:
„Liebes Griechenland,
8,4 Milliarden Soforthilfe von uns Deutschen? Meine Antwort ist „Ne“. „Ne“ ist das griechische Wort für Ja. Ich versuche mein „Ne“ zu begründen.
1. Wir verdanken Griechenland die Demokratie. Im 5. Jahrhundert v. Chr. sagte der Athener Staatsmann Perikles: „Wir sind eine freie Demokratie. Wir erachten den Mann, der sich aus öffentlichen Angelegenheiten raushält, als wertlos.“ Es erinnert mich an das Leipziger: „Wir sind das Volk.“
2. Der Tanz des Zorba. Zorbas Sohn ist tot. In seinem Schmerz steht Zorba auf und tanzt. Alle glauben, Zorba ist verrückt geworden. Zorba sagt: „Wenn ich nicht getanzt hätte, wäre ich verrückt geworden.“ Griechischeres gibt es wohl nicht.
3. Das Licht. Das Licht ist ohne Dunst wie ohne Luft. Land des Lichts wird Griechenland genannt.
4. Das Wasser (Nero). Wer einmal ein Glas Wasser aus einem natürlichen Brunnen getrunken hat, wird sich immer nach diesem Wasser sehnen. Es schmeckt einfach besser als Wasser.
5. Die Freundschaft. Viele Jahre bin ich in der Ägäis gesegelt. Wohin man auch hinkam, gaben sie einem zuerst ein Glas Wasser und danach eine Feige in Honig eingelegt. Ich habe nur wunderbare Griechen erlebt.
Deshalb sage ich: „Ne – Ja“.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner“
Das Licht ist ohne Dunst wie ohne Luft, Wagner ist per se ohne Dunst. Denn hier tun sich finsterste Abgründe auf. Neben Wasser und Licht, wofür Wagner Gott sei's gedankt nicht extra in der Ägäis herumdümpeln muss, der Feststellung, dass es durchweg griechisch ist, zu tanzen, um nicht verrückt zu werden, der Assoziation der Wertlosigkeit des Unpolitischen mit der DDR-Bürgerrechtsbewegung, die sich hingegen von der Überpolitisierung eines jeden Lebensbereiches distanzieren wollte, und einer auf Wasserglas und Honigfeige in gestrenger Reihenfolge beruhenden Sympathie, hat er keinerlei Ahnung, worum es überhaupt geht. Im Land scheint er wohl schon lange nicht mehr gewesen zu sein; sein Pseudo-Schrieb klingt statt nach Wasser und Licht viel eher nach Doppelkorn und tiefster Umnachtung.
Was BILD uns hier als Plädoyer für die Griechenlandhilfe verkauft, löst sich in Nichts auf und der Leser merkt das natürlich. Konfrontiert man Wagners Erguss mit den reißerischen Schlagzeilen, die sein Konterfei tagtäglich an den rechten Rand drängen, wirkt sämtliche Gegenargumentation zu den blöden Großbuchstaben wie eine tote Ratte, die einen Gorillakönig in Zaum bringen soll. BILD weiß das natürlich und missbraucht die glückliche Dummheit des Franz Josef als Antithese zu den eigenen Schlachtrufen, als Antithese, die hilfloser nicht sein könnte und die die Leserschaft nur noch überzeugter weitergeben lässt, was sie weitergeben soll.
BILDs sozialdemokratischer Genosse im Geiste, Thilo Sarazzin, möchte Griechenland vor die Hunde gehen lassen, als „abschreckendes Beispiel für alle übrigen unsoliden Staaten", wie er sagt, und weil's dem Vaterland durch Korruption und Hochverrat, am Wähler nämlich, nur wenig besser geht, pflegt er sein poppig-rassistisches Image und fügt an, dass es Deutschland und die Niederlande prinzipiell nicht erwischen kann, "weil sie eine andere Mentalität haben. Wir werden es am Ende immer irgendwie schaffen, unsere Haushalte solide zu gestalten." Sarazzins „irgendwie“ spiegelt wider, was den Mann kompetent genug macht, zu jedem Krimskrams interviewt zu werden: seine große Klappe. Dass die SPD ihn nicht zur Ordnung ruft, ihm nicht ordentlich den Kopf wäscht, ihm nicht beim Brüder, zur Sonne, zur Freiheit die alten Manifeste um die Ohren klatscht und sich anschließend lauthals von diesem Rassisten und Neofaschisten distanziert, spricht nicht unbedingt für die einst stolze und sogar einmal linke Arbeiterpartei – eine Bezeichnung, über die mittlerweile wohl sogar SPD-intern gelacht wird. SPON und Kollegen verbreiten indessen Sarazzins Idiotien, entweder nicht wissend um deren Wirkung auf die Menschen oder gezielt und bewusst kalkulierend, was gleichzeitig eine bodenlose Frechheit und – wieder mal – ein Zeichen für die Korruptheit der deutschen Leitmedien darstellt.
Sarazzins Verachtung der Erwerbslosen, der Migranten, der Studenten sowie der Linken im Allgemeinen stieß, wie wir uns erinnern, bei vielen Mitbürgern auf helle Begeisterung, sie freuten sich, weil sie endlich endlich wieder etwas gegen die Ausländer und die Asozialen, gerne und nach altem Brauch als „Schmarotzer“ betitelt, sagen durften, genauso wie sie sich damals bei Glück-ab-Möllemann freuten, dass sie endlich mal wieder was gegen die Juden sagen durften. Jetzt freuen sie sich, dass sie endlich was gegen „die Griechen“ und die übrigen EU-und-vor-allem-Deutschland-Parasiten sagen dürfen. Es ist dieselbe Schiene und es ist – auch – dieselbe Schiene wie eh und je, und es braucht nur einen dummen und bösen Menschen, genannt sei beispielsweise der Neurotiker Westerwelle, der durch die Cloaca Maxima dem latenten Faschismus im Menschen einen Nährboden verleiht, damit der Volkszorn über Minderheiten und andere Ethnien ausbricht.
Potenzielle Feindbilder des „Naturdeutschen“, als den sich viele, viele verstehen, auf die er seinen Hass auf sich und die Welt projizieren kann, gibt es zuhauf, und das Beispiel der Griechenlandproblematik und deren Ausschlachtung durch die hiesigen Demagogen zeigt, wie wenig es braucht, um diese hochgefährlichen Mechanismen in Gang zu setzen. Es gilt, diesen verwerflichen Bestrebungen der deutschen Meinungsmacher Einhalt zu gebieten, indem man ihnen nicht etwa das Maul verbietet, sollen die Arschgeigen doch sabbeln, so viel sie wollen, das Ziel muss sein, ihnen die potenziellen Anhänger zu entziehen, und das geschieht ab dem Moment, an dem die Leute begreifen, wer ihnen wirklich übel will. Und das sind nicht „die Griechen“, „die Türken“, „die Arbeitslosen“ oder gar „die Juden“, es sind die, die dieses Geschwätz in Umlauf bringen. Das muss allen klar werden. Und dann würden BILD und Konsorten in die Röhre schauen, wenn sie forderten, dass „der Deutsche“ wieder erwache. Denn er wird schlafen und schnarchen und vielleicht – vielleicht – ganz sacht mit dem Mittelfinger wedeln und unter der Decke die Faust ballen, die zum Vorschein kommt, wenn's nötig wird.
ich habe in den letzten Tagen einen kleinen Artikel für unsere Studentenzeitschrift "Pflasterstein" verfasst. Es geht um die Problematik Griechenland und wie die hiesige Presse, insbesondere BILD, das Thema bearbeitete. Ich hatte etwas recherchiert, war recht geschockt und hab den Zustand dann literarisch ausgeschimpft. Es ist mehr als eine Glosse, es ist vielmehr eine Polemik und dürfte deshalb ziemlich lustig zu lesen sein. Vielleicht seid ihr ja einer Meinung mit mir, vielleicht nicht, vielleicht findet ihr's auch zu derb. Ich finde es "angemessen". Aber wie auch immer: viel Freude daran!
Der Grieche und die deutsche Presse
Über den Griechen darf man zurzeit eine Menge hören oder lesen, was den Deutschen sehr verschreckt. Er prasste, der Grieche, und prasste und prasste und sparte nicht, im Gegensatz zu „uns“, wie die Medien stolz dem Bürger bescheinigen, was er eh schon seit Langem vermutet: dass der deutsche Michel löhnt wie keiner sonst im Dorf, und dass die da unten allesamt wahlweise faul beziehungsweise prinzipiell degeneriert sind. Wirklich gestört hat ihn das nicht; in kleinbürgerlicher Manier murrte er und würde noch immer murren, ließe man ihn doch nur, aber in diesem Fall lässt man ihn nicht: man hetzt ihn auf – oder versucht es zumindest. Dies wird offensichtlich, wenn man mitverfolgt, wie hierzulande über den „Fall Griechenland“ (focus.de) berichtet wird, woran appelliert wird und welches Vokabular, speziell durch die Springer-Presse, mal wieder aus der Mottenkiste gekramt wird. Dass Springers BILD das größte Drecksblatt überhaupt ist und Springers WELT nur wenig besser, darüber gibt es augenscheinlich einen seltsamen Konsens in der potenziellen und in der wirklichen Leserschaft. Dass man ab und an dennoch einen Blick hinein riskieren kann, scheint hingegen kaum verwerflich; selbst an der Universität liegt letzteres Pamphlet zum Klau bereit, was wundert, schließlich ist es doch die Norm, dass es an Toilettenpapier kaum mangelt – und trotzdem sind die bereit gestellten Nimm-mich-Kisten regelmäßig leer geräumt. Allgemein ist zu beobachten, dass die deutsche Presse Front macht gegen Griechenland, und dieses derart einstimmig wie sonst nur zu Zeiten Knuts des Eisbären.
BILD begreift den „Griechenland-Wahnsinn“ ( ebd.) als Chefsache, also als ihre eigene, nimmt sich ihrer an und verfolgt sie zwar mit wenig Akribie, was sie aber in altbekannter Weise durch ein Dreifaches an Elan und aufrechtem Volksgeist kompensiert. Von „uns“ ist da zu lesen, von „wir“ und von „Deutschland“, nicht selten mit „uns/wir Deutschen“ kreativ aneinander gereiht. Gleichzeitg wird ein Feindbild geschaffen, und zwar ein kollektives, was sein muss, schließlich ist dies das ABC des Demagogen von WELT und im Besonderen deren Wurmfortsatzes BILD. Aktuell sind es „die Griechen“, in gewohnt suggestiver Divistechnik des Öfteren die „Pleite-Griechen“, im frohen Tausch die „Griechenland-Pleite“, der erwähnte „Griechenland-Wahnsinn“ und auch mit den dortigen „Luxus-Rentnern“ hat BILD ein Problem: „Wir wollen nicht sparen!“ sei das tumbe Motto der Demonstranten, „Krise? Welche Krise?“, lässt sie sie fragen und übt sich selbst in unschuldiger Konspiration: „Was verschweigen uns die Griechen noch?“ Dass der Bürger daraufhin allerhand vermutet, nimmt sie gerne in Kauf, dient es doch der Verschleierung der eigentlichen Hintergründe – und der Auflage, bei BILD wie überall ein Hauptmotiv.
Wie korrupt BILD ist, beweist sie mit scheinheiligen „Hintergrundinformationen“. Auch hier konstatiert sie völkisch: „Griechen bepöbeln Deutsche!“ und unternimmt eine Feldstudie. Dass die Griechen primär die BILD-Redakteure bepöbeln, verschweigt sie ihren Lesern gerissen. Dass die Bepöbelung nicht ohne Grund geschah, geht aus BILDs Fazit ihrer Feldstudie allerdings deutlich hervor. Schleicht man sich nämlich irgendwo ein, gibt den dortigen Demonstranten „die Drachme zurück“, mit der „die Griechen“ von 1831 bis 2001 sehr gut fuhren, wie BILD nachforschte, und fragt „Habt ihr aus der Krise nichts gelernt?“, kann man davon ausgehen, mit einem „Verschwindet hier!“ bedacht zu werden. Trickreich suggeriert BILD einen kollektiven Volkszorn, indem sie ihre korrupten Laffen zum Sprachrohr der Nation stilisiert und so vermittelt, dass „die Griechen“ nun „die Deutschen“ hassen. „Wie viel Kohle sollen wir noch ins Land stecken?“, zumal in ein Land, das „uns“ offensichtlich hasst wie die Pest. Undankbares Pack!, mag der Leser denken, und möchte im Bund mit BILD strafen, indem er Griechenland aus der EU zu befördern trachtet.
Eigentlich sind die Bemühungen der Gosse ja putzig in ihrer Infantilität und gleichsam grausam in ihrer Perfidie: dass ein Europa ohne Griechenland postwendend umbenannt werden müsste, dass das Allermeiste, was BILD als hehres abendländisches Kulturgut verkauft, seinen Ursprung in Griechenland findet, dass selbst BILDs peinliche Volksbibel hellenische Landstriche durchqueren musste, bis dem deutschen Michel das gute Stück Literatur endlich mal übersetzt wurde, all das will BILD plötzlich vergessen haben – was sie natürlich nicht hat, sie weiß es sehr genau, sie leugnet es nur – und beweist ein erneutes Mal ihre unnachahmliche Korruptheit. Nebenbei bedient sie dümmlichste Ressentiments und schafft und etabliert wenigstens verlagsintern einen Prototypen „des Griechens“, den Phobienfreunde vermutlich in naher Zukunft mit „graecophob“ betiteln und durch Föjedong und Talkshows treiben werden. Doch auch der, der nicht zum Omniphobistenclub zählt, findet reichliches Gschmäckle am BILDschen Treiben. Ungute historische Parallelen eröffnen sich, wenn man sich die Stereotypisierung, die Hand in Hand mit Diffamierung und Kollektivhatz geht, vor Augen führt, und damit nicht genug: es scheint zu funktionieren wie eh und je, der Stammtisch ist dabei und Seit an Seit mit Bundestagsfraktionen und der deutschen Intellektuellenfront geht’s Zeusens Kinners an den Kragen – und zwar allen miteinand!
Denkt man nun an das, was BILD üblicherweise tut, z.B. Killerkeime vom Mars ankündigen, (mal wieder) „uns“ Papst nennen, Merkel hofieren, irgendetwas mit Hitler aufdecken, allerlei Sexgeschichten (gerne mit zuvor Genanntem im Zusammenhang) aufdecken, Kriminalfälle türcken und Volksschädlinge wahlweise Migranten beschimpfen, kommt einem zwar die Galle hoch und man möchte fluchen und die Damen und Herren zum 666fachen Volksbibelabschreiben verdonnern, manche gerne hinter Schloss und Riegel, aber da man das Leitmedium kennt, brüskiert man sich kurz oder lacht darüber. BILD ist Normalität und BILD betrifft jeden – denn was BILD schreibt, schreiben viele andere Zeitungen ab bzw. senden RTL und Co. in froher Vetternwirtschaft so ziemlich ungekürzt; der Bohlen hat ja das Glück, dass er im Fernseh gröbsten Bullshit labern kann, der dann durch die „Cloaca Maxima der öffentlichen Meinung“ (Karl Kraus) direktemang in die Köpfe der BILDungsbürger transferiert wird. Gossengoethe (Eigenbenennung) Franz Josef Wagner rührt's kräftig durch und zack, schon wurd ein jedes Volksgenossen Meinung vom Hause Springer aus gebildet. Wie es beim Topic „Griechenland“ geschah – und Franz Josef Wagner hat natürlich auch hierzu eine dezidierte Meinung, die sich zwar seltsamerweise vom Tenor der Zeitung abhebt, dabei aber dennoch wie gewohnt sturzbesoffen und grundlegend irre ist. Franz Josef Wagner schrieb am 25. April diesen Jahres:
„Liebes Griechenland,
8,4 Milliarden Soforthilfe von uns Deutschen? Meine Antwort ist „Ne“. „Ne“ ist das griechische Wort für Ja. Ich versuche mein „Ne“ zu begründen.
1. Wir verdanken Griechenland die Demokratie. Im 5. Jahrhundert v. Chr. sagte der Athener Staatsmann Perikles: „Wir sind eine freie Demokratie. Wir erachten den Mann, der sich aus öffentlichen Angelegenheiten raushält, als wertlos.“ Es erinnert mich an das Leipziger: „Wir sind das Volk.“
2. Der Tanz des Zorba. Zorbas Sohn ist tot. In seinem Schmerz steht Zorba auf und tanzt. Alle glauben, Zorba ist verrückt geworden. Zorba sagt: „Wenn ich nicht getanzt hätte, wäre ich verrückt geworden.“ Griechischeres gibt es wohl nicht.
3. Das Licht. Das Licht ist ohne Dunst wie ohne Luft. Land des Lichts wird Griechenland genannt.
4. Das Wasser (Nero). Wer einmal ein Glas Wasser aus einem natürlichen Brunnen getrunken hat, wird sich immer nach diesem Wasser sehnen. Es schmeckt einfach besser als Wasser.
5. Die Freundschaft. Viele Jahre bin ich in der Ägäis gesegelt. Wohin man auch hinkam, gaben sie einem zuerst ein Glas Wasser und danach eine Feige in Honig eingelegt. Ich habe nur wunderbare Griechen erlebt.
Deshalb sage ich: „Ne – Ja“.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner“
Das Licht ist ohne Dunst wie ohne Luft, Wagner ist per se ohne Dunst. Denn hier tun sich finsterste Abgründe auf. Neben Wasser und Licht, wofür Wagner Gott sei's gedankt nicht extra in der Ägäis herumdümpeln muss, der Feststellung, dass es durchweg griechisch ist, zu tanzen, um nicht verrückt zu werden, der Assoziation der Wertlosigkeit des Unpolitischen mit der DDR-Bürgerrechtsbewegung, die sich hingegen von der Überpolitisierung eines jeden Lebensbereiches distanzieren wollte, und einer auf Wasserglas und Honigfeige in gestrenger Reihenfolge beruhenden Sympathie, hat er keinerlei Ahnung, worum es überhaupt geht. Im Land scheint er wohl schon lange nicht mehr gewesen zu sein; sein Pseudo-Schrieb klingt statt nach Wasser und Licht viel eher nach Doppelkorn und tiefster Umnachtung.
Was BILD uns hier als Plädoyer für die Griechenlandhilfe verkauft, löst sich in Nichts auf und der Leser merkt das natürlich. Konfrontiert man Wagners Erguss mit den reißerischen Schlagzeilen, die sein Konterfei tagtäglich an den rechten Rand drängen, wirkt sämtliche Gegenargumentation zu den blöden Großbuchstaben wie eine tote Ratte, die einen Gorillakönig in Zaum bringen soll. BILD weiß das natürlich und missbraucht die glückliche Dummheit des Franz Josef als Antithese zu den eigenen Schlachtrufen, als Antithese, die hilfloser nicht sein könnte und die die Leserschaft nur noch überzeugter weitergeben lässt, was sie weitergeben soll.
BILDs sozialdemokratischer Genosse im Geiste, Thilo Sarazzin, möchte Griechenland vor die Hunde gehen lassen, als „abschreckendes Beispiel für alle übrigen unsoliden Staaten", wie er sagt, und weil's dem Vaterland durch Korruption und Hochverrat, am Wähler nämlich, nur wenig besser geht, pflegt er sein poppig-rassistisches Image und fügt an, dass es Deutschland und die Niederlande prinzipiell nicht erwischen kann, "weil sie eine andere Mentalität haben. Wir werden es am Ende immer irgendwie schaffen, unsere Haushalte solide zu gestalten." Sarazzins „irgendwie“ spiegelt wider, was den Mann kompetent genug macht, zu jedem Krimskrams interviewt zu werden: seine große Klappe. Dass die SPD ihn nicht zur Ordnung ruft, ihm nicht ordentlich den Kopf wäscht, ihm nicht beim Brüder, zur Sonne, zur Freiheit die alten Manifeste um die Ohren klatscht und sich anschließend lauthals von diesem Rassisten und Neofaschisten distanziert, spricht nicht unbedingt für die einst stolze und sogar einmal linke Arbeiterpartei – eine Bezeichnung, über die mittlerweile wohl sogar SPD-intern gelacht wird. SPON und Kollegen verbreiten indessen Sarazzins Idiotien, entweder nicht wissend um deren Wirkung auf die Menschen oder gezielt und bewusst kalkulierend, was gleichzeitig eine bodenlose Frechheit und – wieder mal – ein Zeichen für die Korruptheit der deutschen Leitmedien darstellt.
Sarazzins Verachtung der Erwerbslosen, der Migranten, der Studenten sowie der Linken im Allgemeinen stieß, wie wir uns erinnern, bei vielen Mitbürgern auf helle Begeisterung, sie freuten sich, weil sie endlich endlich wieder etwas gegen die Ausländer und die Asozialen, gerne und nach altem Brauch als „Schmarotzer“ betitelt, sagen durften, genauso wie sie sich damals bei Glück-ab-Möllemann freuten, dass sie endlich mal wieder was gegen die Juden sagen durften. Jetzt freuen sie sich, dass sie endlich was gegen „die Griechen“ und die übrigen EU-und-vor-allem-Deutschland-Parasiten sagen dürfen. Es ist dieselbe Schiene und es ist – auch – dieselbe Schiene wie eh und je, und es braucht nur einen dummen und bösen Menschen, genannt sei beispielsweise der Neurotiker Westerwelle, der durch die Cloaca Maxima dem latenten Faschismus im Menschen einen Nährboden verleiht, damit der Volkszorn über Minderheiten und andere Ethnien ausbricht.
Potenzielle Feindbilder des „Naturdeutschen“, als den sich viele, viele verstehen, auf die er seinen Hass auf sich und die Welt projizieren kann, gibt es zuhauf, und das Beispiel der Griechenlandproblematik und deren Ausschlachtung durch die hiesigen Demagogen zeigt, wie wenig es braucht, um diese hochgefährlichen Mechanismen in Gang zu setzen. Es gilt, diesen verwerflichen Bestrebungen der deutschen Meinungsmacher Einhalt zu gebieten, indem man ihnen nicht etwa das Maul verbietet, sollen die Arschgeigen doch sabbeln, so viel sie wollen, das Ziel muss sein, ihnen die potenziellen Anhänger zu entziehen, und das geschieht ab dem Moment, an dem die Leute begreifen, wer ihnen wirklich übel will. Und das sind nicht „die Griechen“, „die Türken“, „die Arbeitslosen“ oder gar „die Juden“, es sind die, die dieses Geschwätz in Umlauf bringen. Das muss allen klar werden. Und dann würden BILD und Konsorten in die Röhre schauen, wenn sie forderten, dass „der Deutsche“ wieder erwache. Denn er wird schlafen und schnarchen und vielleicht – vielleicht – ganz sacht mit dem Mittelfinger wedeln und unter der Decke die Faust ballen, die zum Vorschein kommt, wenn's nötig wird.
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