Fo tries to be back... ;w;""
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A MIND’S MAILBOX
1. Ouvertüre
Das Telephon klingelt.
Ich liege mit blutenden Pulsadern auf dem Boden und starre an die graue Decke über mir. Eigentlich ist sie weiß, aber irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht. Ich schiebe es auf den Blutverlust.
Das Telephon klingelt weiter.
Es ist ein altes Telephon, und der Ton ging mir schon immer auf die Nerven. Auch, weil es so oft klingelt.
Ich starre weiter an die Decke und versuche, mich aufs Sterben zu konzentrieren. Es gelingt mir nicht gut.
Irgendwann setze ich mich verärgert auf und verbinde mir die Pulsadern mit Mullbinden. Ich habe immer welche da, so wie andere Leute Kondome oder Aspirin.
Das Blut fällt auf dem dunklen Teppich nicht weiter auf, und ich greife nach dem Telephonhörer.
Das Telephon steht auf meinem Nachttisch, und ich liege neben dem Bett auf dem Boden.
„Ja?“, frage ich höflich in den Hörer. Ich hätte nicht übel Lust, meinen Anrufer anzuschreien: „Sie Arschloch haben mir das Leben gerettet! Ich hasse Sie!“ Aber das tue ich nicht, denn ich weiß, wer auf der anderen Seite ist.
„Hallo“, sagt eine mir sehr vertraute Stimme. „Ich bin’s, El.“
Ich seufze wohl etwas zu laut, denn El lacht.
„Was denn? Freust du dich nicht, von mir zu hören?“
„Das ist es nicht“, weiche ich aus. El schweigt mich an; eine äußerst effektive Methode, um mich selbst zum Reden zu bekommen. „Du rufst an einem ungünstigen Zeitpunkt an, El“, sage ich. „Das ist alles.“
„Hast du wen da?“, fragt El amüsiert. „Das passt gar nicht zu dir!“
„Nein, so ist es nicht“, flüstere ich peinlich berührt. „Ich wollte schlafen gehen, mehr nicht. Nur die Augen zumachen und... Na ja. Meine Ruhe haben halt.“
El schweigt wieder eine Weile. Durch meine Metaphern kann ich aber nicht vor ihm verheimlichen, was ich wirklich getan habe. Dass meine Handlungen kein Geheimnis für meinen alten Freund sind, weiß ich selbst, aber ich versuche doch, alles geheim zu halten.
„Sagte ich nicht, du sollst dich von spitzen Gegenständen fernhalten?“, rügt El mich dann.
„Tut mir Leid“, flüstere ich reuevoll, wie das kleine Kind, das ich bin. „Ich tu’s nie wieder.“
„Lügner“, zischt El. „Das sagst du jedes verdammte Mal. Ich weiß gar nicht, warum ich mich noch um dich kümmere!“
„Heißt das, du willst aufhören, mich anzurufen?“, frage ich hoffnungsvoll. El ruft jeden Tag an, oft mehrmals. Es nervt. Er hält mich von allem ab, er stört nur. Neulich habe ich mir einen pornographischen Film angesehen und mich dabei selbstbefriedigt, und mittendrin ruft El an – um drei Uhr nachts!
Manchmal glaube ich, er beobachtet mich, und ruft immer dann an, wenn ich Beschäftigung gefunden habe.
Ohne ihn wäre mein Leben viel friedlicher.
Aber nein. Kaum, dass ich Hoffnung gefasst habe, lacht El schon. „Das hättest du gern!“, keift er. „Schmink’s dir ab. Ich werde dich bis am dein Lebensende nicht in Ruhe lassen, das habe ich dir geschworen, als wir uns kennengelernt haben, und ich meine es ernst!“
„Mein Lebensende wäre schon lange gekommen, wenn du nicht wärst!“, rufe ich verzweifelt. „Andauernd nervst du! Ich kann keine zwei Schritte tun, ohne, dass das Telephon klingelt und du rumnervst!“ Ich hätte gern noch ein bisschen weitergeschrieen, komme aber nicht dazu, da ich zu weinen beginne und sich mir der Hals so zuschnürt, dass ich nicht mehr sprechen kann.
El schnaubt abfällig. „Das ist der Grund, warum ich dich nicht in Ruhe lasse – nicht mal anschreien kannst du mich gescheit. Du kannst überhaupt nichts, du dummes Kind. Ohne meinen Rat und meine Hilfe wärst du nichts. Jetzt hör endlich auf zu weinen“, fügt er hinzu. „Das ist ja furchtbar.“
„Tut mir Leid.“ Ich kann die Tränen nicht mal von den Wangen wischen, weil meine Hände ja verbunden sind. Ich fühle mich ganz hilflos. Am liebsten würde ich einfach auflegen. Aber ich kann nicht.
„Hör auf zu flennen“, sagt El wieder genervt, diesmal aber klingt er auch etwas niedergeschlagen. „Leg dich ins Bett. Schlaf. Morgen geht es dir besser.“
„Werd ich tun“, flüstere ich. „Tut mir leid, dass ich dich angezickt habe.“
„Schon okay. Sei jetzt brav und schlaf. Gute Nacht.“ Er legt auf, mir bleibt nichts als das distanzierte Tuten im Hörer.
„Fick dich“, sagte ich beleidigt, und füge schnell hinzu: „Gute Nacht.“ Vielleicht hört er mich ja doch noch – bei El weiß man nie. Ich lege den Hörer auf die Gabel und starre das Telephon eine Weile an. El meldet sich nicht. Ich fange schon an, ihn zu vermissen und schalte den Fernseher ein. Es ist spät, und aus dem mäßig intelligenten Programm ist pure mentale Manipulation geworden – Dauerwerbesendungen, wohin ich klicke. Ob man nun eine Frau kauft oder ein zehnteiliges Messerset, das macht nach zwölf keinen Unterschied mehr.
Damit El nicht auf die Idee kommt, mich mit seinen Anrufen zu nerven, schalte ich auf einen Kanal, der nach zwei Uhr nachts nur noch Waldlandschaften und Vogelgezwitscher sendet. Also, ich nehme an dass es Vogelgezwitscher ist, das ich da höre. Ich kann so etwas ohne Els Hilfe nicht zuordnen. Wenn er morgen anruft, frage ich ihn, wie Vögel klingen.
Mit diesem Gedanken schlafe ich ein, völlig frei von Els manipulierendem Gequatsche.
Ich hasse ihn.
Hoffentlich verreckt er.
Aber mit wem würde ich dann telephonieren?
2. Ich
Der nächste Morgen beginnt so unspektakulär wie der davor. Ich wache auf und stelle fest, dass ich noch lebe. Ich stehe auf und wasche mich, so gut es eben mit den verbundenen Armen geht.. Es tut ganz schön weh, merke ich, jetzt, wo ich allein bin. Gestern hat El mich wenigstens abgelenkt. Was, wenn er sich heute nicht meldet? Dann wäre ich den ganzen Tag mit den Schmerzen alleine. Die Vorstellung gefällt mir nicht.
Ich setze mich, die Knie unterm Kinn, neben die Türe. Unten ist eine Klappe, durch die Anette mir meine Mahlzeiten bringt. Ich weiß nicht, ob sie wirklich Anette heißt, aber mir gefällt der Name, deswegen nenne ich sie so. Ich kann ja auch nicht immer „die Frau, die mir meine Mahlzeiten bringt“ sagen, oder? Na also.
Was die Türe selbst betrifft... ich habe noch nie versucht, sie zu öffnen. Wozu auch? Ich habe ein Badezimmer, ein Bett, einen Fernseher und ein Telephon; es geht mir gut.
Zumindest könnte es schlechter sein.
Was, wenn ich die Klinke nach unten drückte... und die Tür wäre verschlossen? Das hieße, dass ich eingesperrt bin. Der Gedanke macht mir Angst, deswegen komme ich der Türe nur nahe, wenn ich auf Anette warte.
Ich höre Schritte draußen auf dem Flur – wenn es denn einer ist –, dann klappert die Klappe. Ein Tablett wird zu mir in den Raum geschoben. Darauf steht ein Kännchen Kaffee, zwei Brotscheiben, eine Scheibe Käse, ein Klecks Marmelade, Butter. Ist wie in einer Jugendherberge, sagt zumindest El.
Ich habe wie immer kein Messer, nur einen Löffel. Wenn die wüssten, auf wie viele Arten ich mich mit einem Löffel umbringen könnte, wenn ich wollte, würden sie mir wohl auch den Löffel nehmen.
„Dankeschön!“, rufe ich Anette hinterher. „Bis heute Mittag!“ Dann nehme ich das Tablett und setze mich auf mein Bett, schalte den Fernseher ein und lasse ihn nebenher laufen, während ich esse. Es ist kurz nach acht. El hat sich noch nicht gemeldet. Seltsam. Normalerweise meldet er sich zum Essen kurz, um mir guten Appetit zu wünschen. Vielleicht schläft er ja noch.
Ich beende meine Mahlzeit ungestört, und als ich alles ordentlich auf das Tablett zurückstelle, sehe ich ein paar Tabletten neben dem Teller. Sie waren mir bisher nicht aufgefallen. Runde, weiße Tabletten, nicht mal so groß wie mein Daumennagel. Es sind Schmerztabletten, das weiß ich. Na, vielleicht ist es auch Heroin oder LSD oder Speed – aber auf jeden Fall lindern sie die Schmerzen. Anette ist doch zu gut zu mir. Ich weiß nicht, woher sie weiß, dass ich Schmerzen habe, aber ich sage mir immer, dass El ihr alles über mich erzählt. Ich mag den Gedanken – vielleicht kann ich irgendwann mal mit ihr reden, dann wäre es, als würden wir uns schon lange kennen, wie alte Freunde.
Die Tabletten brauchen eine Weile, biss sie wirken, und dann wird alles dumpf in meinem Körper, als hätte man mich in Watte gepackt. Ich fühle mich so taub, dass ich das Tablett nicht einmal mehr zur Klappe bringen kann. Ich liege nur auf meinem Bett und starre an die Decke.
Dass das Telephon klingelt, bemerke ich fast nicht. Zum Glück ist El hartnäckig. Jeder andere hätte schon zehnmal aufgelegt, bis ich es schaffe, mich umzudrehen und den Hörer neben mein Ohr zu legen – um ihn festzuhalten, bin ich dann doch zu K.O.
„Morgen“, begrüßt El mich. Er klingt müde, aber vielleicht höre ich ihn auch nur müde. „Wie geht’s dir? Gut geschlafen?“
Ich sage irgendwas, weiß aber nicht mehr, was. El offenbar auch nicht, denn er sagt: „Ah, du bist wieder high, was? Na bravo, dann wird das wieder ein morgendlicher Monolog, hm?“ Er seufzt und ist eine sehr lange Sekunde lang still. „Es wäre mir lieber, du würdest mit den Selbstmordversuchen aufhören. Danach bist du wegen der Schmerzmittel immer so weggetreten, und so macht telephonieren keinen Spaß. Und mehr haben wir ja nicht zusammen, hm?“
Ich nickte nur. Zwar bringt das am Telephon nicht viel, aber immerhin rede ich mit El. Der merkt das schon, irgendwie.
„Gut“, sagt er da auch schon. „Versuchen wir’s also noch mal. Vielleicht hältst du dich ja diesmal dran, auch wenn ich es bezweifle, du kaputtes Kind.“
Ich seufze. Mehr kann ich nicht tun. Meine Lider sind schwer. Wahrscheinlich bin ich eingeschlafen, denn danach erinnere ich mich an nichts mehr.
Erst, dass ich mich irgendwann wieder aufsetze und der Hörer des Telephons wieder auf der Gabel liegt. Das Tablett ist verschwunden, der Fernseher ausgeschaltet. Ein Stapel frische Kleidung liegt auf dem Stuhl neben meinem Bett, Hose, Pullover, Unterwäsche. Der Schmerz meiner Pulsadern ist noch da, aber erträglich. Die Verbände sind neu und mit mehr Ahnung angelegt als ich es gestern getan habe.
Ich weiß nicht, wer hier gewesen ist und sich um mich gekümmert hat, aber ich nehme an, dass es El war. Er kümmert sich doch so um mich, und er weiß alles über mich. Bestimmt ist er es, der dafür sorgt, dass es mir gut geht.
Schade, dass er nie vorbeikommt, wenn ich wach bin! Wir könnten uns endlich mal von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Aber vielleicht ist er schüchtern, oder glaubt, ich könnte enttäuscht sein? Wer weiß! Seiner Stimme nach ist er ein großer, dominanter Mann, der weiß, was er will. Wenn er jetzt ein kleiner, mickriger Kerl ist, wäre ich wohl sicherlich etwas entfremdet.
Die Essensklappe an der Tür klappert, Geschirr klirrt. Mein Mittag- oder Abendessen, nehme ich an. Weil ich nicht weiß, wie spät es ist, schalte ich den Fernseher wieder an – auch den hatte El ja fürsorglich aus gemacht – und erkundige mich auf dem Nachrichtensender nach der Uhrzeit. Kurz nach sechs Abends. Ich habe tatsächlich den ganzen Tag geschlafen.
Müde wanke ich hinüber zum Tablett. Na super! Suppe! Ich hasse Suppe!
In einem Anfall aus spontaner Wut und Enttäuschung trete ich das Tablett gegen die schwarze Metalltür. „Keine Scheißsuppe!“, schreie ich ins Nichts. Dann erst merke ich, wie infantil ich mich benommen habe. Nudeln und Gemüse liegen auf dem Boden, der jetzt ganz nass ist. Mein Magen knurrt. Deprimiert setze ich mich hin und sammle reuevoll das Geschirr ein, picke die Nudeln auf. Eine probiere ich. Wenigstens die hätte ich essen können, aber jetzt mag ich nicht mehr. Ich stelle das Tablett ordentlich wieder vor die Klappe. Auf dem Tisch, auf dem der Fernseher steht, sind Zettel und Stifte. Ich setze mich und schreibe eine Notiz: „Hallo! Tut mir leid um die Suppe. Aber ich mag die Nudeln lieber so. Ich will nicht undankbar erscheinen, aber wenn es keine Umstände macht, esse ich die Suppennudeln lieber ohne Suppe. Vielen Dank.“
Ich überlege, ob ich noch meinen Namen unten drunter schreiben sollte, aber das ist ja überflüssig – sie wissen ja, wer hier ist: Ich.
Wird hoffentlich fortgesetzt, sdafdsafdsf...
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A MIND’S MAILBOX
1. Ouvertüre
Das Telephon klingelt.
Ich liege mit blutenden Pulsadern auf dem Boden und starre an die graue Decke über mir. Eigentlich ist sie weiß, aber irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht. Ich schiebe es auf den Blutverlust.
Das Telephon klingelt weiter.
Es ist ein altes Telephon, und der Ton ging mir schon immer auf die Nerven. Auch, weil es so oft klingelt.
Ich starre weiter an die Decke und versuche, mich aufs Sterben zu konzentrieren. Es gelingt mir nicht gut.
Irgendwann setze ich mich verärgert auf und verbinde mir die Pulsadern mit Mullbinden. Ich habe immer welche da, so wie andere Leute Kondome oder Aspirin.
Das Blut fällt auf dem dunklen Teppich nicht weiter auf, und ich greife nach dem Telephonhörer.
Das Telephon steht auf meinem Nachttisch, und ich liege neben dem Bett auf dem Boden.
„Ja?“, frage ich höflich in den Hörer. Ich hätte nicht übel Lust, meinen Anrufer anzuschreien: „Sie Arschloch haben mir das Leben gerettet! Ich hasse Sie!“ Aber das tue ich nicht, denn ich weiß, wer auf der anderen Seite ist.
„Hallo“, sagt eine mir sehr vertraute Stimme. „Ich bin’s, El.“
Ich seufze wohl etwas zu laut, denn El lacht.
„Was denn? Freust du dich nicht, von mir zu hören?“
„Das ist es nicht“, weiche ich aus. El schweigt mich an; eine äußerst effektive Methode, um mich selbst zum Reden zu bekommen. „Du rufst an einem ungünstigen Zeitpunkt an, El“, sage ich. „Das ist alles.“
„Hast du wen da?“, fragt El amüsiert. „Das passt gar nicht zu dir!“
„Nein, so ist es nicht“, flüstere ich peinlich berührt. „Ich wollte schlafen gehen, mehr nicht. Nur die Augen zumachen und... Na ja. Meine Ruhe haben halt.“
El schweigt wieder eine Weile. Durch meine Metaphern kann ich aber nicht vor ihm verheimlichen, was ich wirklich getan habe. Dass meine Handlungen kein Geheimnis für meinen alten Freund sind, weiß ich selbst, aber ich versuche doch, alles geheim zu halten.
„Sagte ich nicht, du sollst dich von spitzen Gegenständen fernhalten?“, rügt El mich dann.
„Tut mir Leid“, flüstere ich reuevoll, wie das kleine Kind, das ich bin. „Ich tu’s nie wieder.“
„Lügner“, zischt El. „Das sagst du jedes verdammte Mal. Ich weiß gar nicht, warum ich mich noch um dich kümmere!“
„Heißt das, du willst aufhören, mich anzurufen?“, frage ich hoffnungsvoll. El ruft jeden Tag an, oft mehrmals. Es nervt. Er hält mich von allem ab, er stört nur. Neulich habe ich mir einen pornographischen Film angesehen und mich dabei selbstbefriedigt, und mittendrin ruft El an – um drei Uhr nachts!
Manchmal glaube ich, er beobachtet mich, und ruft immer dann an, wenn ich Beschäftigung gefunden habe.
Ohne ihn wäre mein Leben viel friedlicher.
Aber nein. Kaum, dass ich Hoffnung gefasst habe, lacht El schon. „Das hättest du gern!“, keift er. „Schmink’s dir ab. Ich werde dich bis am dein Lebensende nicht in Ruhe lassen, das habe ich dir geschworen, als wir uns kennengelernt haben, und ich meine es ernst!“
„Mein Lebensende wäre schon lange gekommen, wenn du nicht wärst!“, rufe ich verzweifelt. „Andauernd nervst du! Ich kann keine zwei Schritte tun, ohne, dass das Telephon klingelt und du rumnervst!“ Ich hätte gern noch ein bisschen weitergeschrieen, komme aber nicht dazu, da ich zu weinen beginne und sich mir der Hals so zuschnürt, dass ich nicht mehr sprechen kann.
El schnaubt abfällig. „Das ist der Grund, warum ich dich nicht in Ruhe lasse – nicht mal anschreien kannst du mich gescheit. Du kannst überhaupt nichts, du dummes Kind. Ohne meinen Rat und meine Hilfe wärst du nichts. Jetzt hör endlich auf zu weinen“, fügt er hinzu. „Das ist ja furchtbar.“
„Tut mir Leid.“ Ich kann die Tränen nicht mal von den Wangen wischen, weil meine Hände ja verbunden sind. Ich fühle mich ganz hilflos. Am liebsten würde ich einfach auflegen. Aber ich kann nicht.
„Hör auf zu flennen“, sagt El wieder genervt, diesmal aber klingt er auch etwas niedergeschlagen. „Leg dich ins Bett. Schlaf. Morgen geht es dir besser.“
„Werd ich tun“, flüstere ich. „Tut mir leid, dass ich dich angezickt habe.“
„Schon okay. Sei jetzt brav und schlaf. Gute Nacht.“ Er legt auf, mir bleibt nichts als das distanzierte Tuten im Hörer.
„Fick dich“, sagte ich beleidigt, und füge schnell hinzu: „Gute Nacht.“ Vielleicht hört er mich ja doch noch – bei El weiß man nie. Ich lege den Hörer auf die Gabel und starre das Telephon eine Weile an. El meldet sich nicht. Ich fange schon an, ihn zu vermissen und schalte den Fernseher ein. Es ist spät, und aus dem mäßig intelligenten Programm ist pure mentale Manipulation geworden – Dauerwerbesendungen, wohin ich klicke. Ob man nun eine Frau kauft oder ein zehnteiliges Messerset, das macht nach zwölf keinen Unterschied mehr.
Damit El nicht auf die Idee kommt, mich mit seinen Anrufen zu nerven, schalte ich auf einen Kanal, der nach zwei Uhr nachts nur noch Waldlandschaften und Vogelgezwitscher sendet. Also, ich nehme an dass es Vogelgezwitscher ist, das ich da höre. Ich kann so etwas ohne Els Hilfe nicht zuordnen. Wenn er morgen anruft, frage ich ihn, wie Vögel klingen.
Mit diesem Gedanken schlafe ich ein, völlig frei von Els manipulierendem Gequatsche.
Ich hasse ihn.
Hoffentlich verreckt er.
Aber mit wem würde ich dann telephonieren?
2. Ich
Der nächste Morgen beginnt so unspektakulär wie der davor. Ich wache auf und stelle fest, dass ich noch lebe. Ich stehe auf und wasche mich, so gut es eben mit den verbundenen Armen geht.. Es tut ganz schön weh, merke ich, jetzt, wo ich allein bin. Gestern hat El mich wenigstens abgelenkt. Was, wenn er sich heute nicht meldet? Dann wäre ich den ganzen Tag mit den Schmerzen alleine. Die Vorstellung gefällt mir nicht.
Ich setze mich, die Knie unterm Kinn, neben die Türe. Unten ist eine Klappe, durch die Anette mir meine Mahlzeiten bringt. Ich weiß nicht, ob sie wirklich Anette heißt, aber mir gefällt der Name, deswegen nenne ich sie so. Ich kann ja auch nicht immer „die Frau, die mir meine Mahlzeiten bringt“ sagen, oder? Na also.
Was die Türe selbst betrifft... ich habe noch nie versucht, sie zu öffnen. Wozu auch? Ich habe ein Badezimmer, ein Bett, einen Fernseher und ein Telephon; es geht mir gut.
Zumindest könnte es schlechter sein.
Was, wenn ich die Klinke nach unten drückte... und die Tür wäre verschlossen? Das hieße, dass ich eingesperrt bin. Der Gedanke macht mir Angst, deswegen komme ich der Türe nur nahe, wenn ich auf Anette warte.
Ich höre Schritte draußen auf dem Flur – wenn es denn einer ist –, dann klappert die Klappe. Ein Tablett wird zu mir in den Raum geschoben. Darauf steht ein Kännchen Kaffee, zwei Brotscheiben, eine Scheibe Käse, ein Klecks Marmelade, Butter. Ist wie in einer Jugendherberge, sagt zumindest El.
Ich habe wie immer kein Messer, nur einen Löffel. Wenn die wüssten, auf wie viele Arten ich mich mit einem Löffel umbringen könnte, wenn ich wollte, würden sie mir wohl auch den Löffel nehmen.
„Dankeschön!“, rufe ich Anette hinterher. „Bis heute Mittag!“ Dann nehme ich das Tablett und setze mich auf mein Bett, schalte den Fernseher ein und lasse ihn nebenher laufen, während ich esse. Es ist kurz nach acht. El hat sich noch nicht gemeldet. Seltsam. Normalerweise meldet er sich zum Essen kurz, um mir guten Appetit zu wünschen. Vielleicht schläft er ja noch.
Ich beende meine Mahlzeit ungestört, und als ich alles ordentlich auf das Tablett zurückstelle, sehe ich ein paar Tabletten neben dem Teller. Sie waren mir bisher nicht aufgefallen. Runde, weiße Tabletten, nicht mal so groß wie mein Daumennagel. Es sind Schmerztabletten, das weiß ich. Na, vielleicht ist es auch Heroin oder LSD oder Speed – aber auf jeden Fall lindern sie die Schmerzen. Anette ist doch zu gut zu mir. Ich weiß nicht, woher sie weiß, dass ich Schmerzen habe, aber ich sage mir immer, dass El ihr alles über mich erzählt. Ich mag den Gedanken – vielleicht kann ich irgendwann mal mit ihr reden, dann wäre es, als würden wir uns schon lange kennen, wie alte Freunde.
Die Tabletten brauchen eine Weile, biss sie wirken, und dann wird alles dumpf in meinem Körper, als hätte man mich in Watte gepackt. Ich fühle mich so taub, dass ich das Tablett nicht einmal mehr zur Klappe bringen kann. Ich liege nur auf meinem Bett und starre an die Decke.
Dass das Telephon klingelt, bemerke ich fast nicht. Zum Glück ist El hartnäckig. Jeder andere hätte schon zehnmal aufgelegt, bis ich es schaffe, mich umzudrehen und den Hörer neben mein Ohr zu legen – um ihn festzuhalten, bin ich dann doch zu K.O.
„Morgen“, begrüßt El mich. Er klingt müde, aber vielleicht höre ich ihn auch nur müde. „Wie geht’s dir? Gut geschlafen?“
Ich sage irgendwas, weiß aber nicht mehr, was. El offenbar auch nicht, denn er sagt: „Ah, du bist wieder high, was? Na bravo, dann wird das wieder ein morgendlicher Monolog, hm?“ Er seufzt und ist eine sehr lange Sekunde lang still. „Es wäre mir lieber, du würdest mit den Selbstmordversuchen aufhören. Danach bist du wegen der Schmerzmittel immer so weggetreten, und so macht telephonieren keinen Spaß. Und mehr haben wir ja nicht zusammen, hm?“
Ich nickte nur. Zwar bringt das am Telephon nicht viel, aber immerhin rede ich mit El. Der merkt das schon, irgendwie.
„Gut“, sagt er da auch schon. „Versuchen wir’s also noch mal. Vielleicht hältst du dich ja diesmal dran, auch wenn ich es bezweifle, du kaputtes Kind.“
Ich seufze. Mehr kann ich nicht tun. Meine Lider sind schwer. Wahrscheinlich bin ich eingeschlafen, denn danach erinnere ich mich an nichts mehr.
Erst, dass ich mich irgendwann wieder aufsetze und der Hörer des Telephons wieder auf der Gabel liegt. Das Tablett ist verschwunden, der Fernseher ausgeschaltet. Ein Stapel frische Kleidung liegt auf dem Stuhl neben meinem Bett, Hose, Pullover, Unterwäsche. Der Schmerz meiner Pulsadern ist noch da, aber erträglich. Die Verbände sind neu und mit mehr Ahnung angelegt als ich es gestern getan habe.
Ich weiß nicht, wer hier gewesen ist und sich um mich gekümmert hat, aber ich nehme an, dass es El war. Er kümmert sich doch so um mich, und er weiß alles über mich. Bestimmt ist er es, der dafür sorgt, dass es mir gut geht.
Schade, dass er nie vorbeikommt, wenn ich wach bin! Wir könnten uns endlich mal von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Aber vielleicht ist er schüchtern, oder glaubt, ich könnte enttäuscht sein? Wer weiß! Seiner Stimme nach ist er ein großer, dominanter Mann, der weiß, was er will. Wenn er jetzt ein kleiner, mickriger Kerl ist, wäre ich wohl sicherlich etwas entfremdet.
Die Essensklappe an der Tür klappert, Geschirr klirrt. Mein Mittag- oder Abendessen, nehme ich an. Weil ich nicht weiß, wie spät es ist, schalte ich den Fernseher wieder an – auch den hatte El ja fürsorglich aus gemacht – und erkundige mich auf dem Nachrichtensender nach der Uhrzeit. Kurz nach sechs Abends. Ich habe tatsächlich den ganzen Tag geschlafen.
Müde wanke ich hinüber zum Tablett. Na super! Suppe! Ich hasse Suppe!
In einem Anfall aus spontaner Wut und Enttäuschung trete ich das Tablett gegen die schwarze Metalltür. „Keine Scheißsuppe!“, schreie ich ins Nichts. Dann erst merke ich, wie infantil ich mich benommen habe. Nudeln und Gemüse liegen auf dem Boden, der jetzt ganz nass ist. Mein Magen knurrt. Deprimiert setze ich mich hin und sammle reuevoll das Geschirr ein, picke die Nudeln auf. Eine probiere ich. Wenigstens die hätte ich essen können, aber jetzt mag ich nicht mehr. Ich stelle das Tablett ordentlich wieder vor die Klappe. Auf dem Tisch, auf dem der Fernseher steht, sind Zettel und Stifte. Ich setze mich und schreibe eine Notiz: „Hallo! Tut mir leid um die Suppe. Aber ich mag die Nudeln lieber so. Ich will nicht undankbar erscheinen, aber wenn es keine Umstände macht, esse ich die Suppennudeln lieber ohne Suppe. Vielen Dank.“
Ich überlege, ob ich noch meinen Namen unten drunter schreiben sollte, aber das ist ja überflüssig – sie wissen ja, wer hier ist: Ich.
Wird hoffentlich fortgesetzt, sdafdsafdsf...
⁂ Næhmachinery
Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
The world in a cyclone, pouring out.
No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
The world in a cyclone, pouring out.
No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.