Sodele, hier meine neueste "Kreation"... Im Prinzip ist es eine Kurzgeschichte, die Idee stammt aus einem Traum von mir. Ich habe nichts weggelassen oder hinzuerfunden, eigentlich ist es eine getreue Nacherzählung des Traumes *smile* Ich trage die Erinnerung an den Traum schon seit Ewigkeiten mit mir rum und irgendwie musste das mal raus. *g* Die Namen habe ich so genau wie möglich wiedergegeben, die Schreibweisen so gewählt, wie es sich "richtig" anfühlt. Würd mich über Kommentare sehr freuen
Besides, bevor sich jemand beschwert: Ich weiß, dass die Bardomashue aussehen wie die Kreaturen aus dem Video zu "Linkin Park - Somewhere I Belong". Ich hatte den Traum allerdings Monate bevor das Video herauskam.
BLUTSAND
Die Luft war kalt. Der Morgen war kalt.
Tief sog ich die klare Luft in meine Lungen. Die schwache Sonne brannte durch meine geschlossenen Augenlider und ich fühlte, wie der Wind durch meine Haare zauste. Ich fröstelte. Es war ein kalter Morgen, aber ich musste los. Es gab viel zu tun und außer mir niemanden, der es tun könnte. Ich ließ meine Blicke über die sandfarbenen Mauern vor dem Aufgang schweifen. Um mich herum glitzerte das Haupttor in kupferfarbenen und goldbraunen Tönen in der schwachen Morgensonne, die wie ein verschwommenes Oval über der rotbraunen Steinwüste schimmerte. Unwirklich. Der dunkelblaue Himmel würde nicht heller werden, das wusste ich gut. Dennoch würde es heiß werden.
Ein Duft von Staub und Gestein stieg mir in die Nase, als ein schwacher Wind eine Sandbö aus der Steinwüste zu mir herübertrug. Staub und Gestein – genau das gab es dort und nichts weiter würde mich die nächsten vierhundert Kilometer erwarten, von gelegentlichen Oasen und Nomadenstämmen abgesehen. Das war das Antlitz Marduks.
Mit einer geübten Bewegung zog ich meinen Schulterpanzer fester, als ich bemerkte, dass er begann, mir über die Schlüsselbeine zu rutschen. Das dicke, speckige, aber trotzdem angenehm kühle Material schmiegte sich an meine Schultern, das raue Hemd, das ich darunter trug, scheuerte etwas auf der Haut. Ich würde es ausbessern lassen müssen.
Aber nicht heute.
Einen letzten Zug der angenehm kühlen Morgenluft, dann ging ich mit festen Schritten fast schlafwandlerisch die Treppe aus weißlich kühl glitzerndem Marmorit hinunter und steuerte nach rechts, zwischen den sandsteinernen, abweisenden Mauern hindurch. Von Zeit zu Zeit ragte eine Dorndistel zwischen den Blöcken heraus, ansonsten war alles leblos. Tot. Das Antlitz Marduks. Leben gedieh nur dort, wo es bewies, dass es verdiente, zu gedeihen.
Ich hörte den leisen, gespenstischen Wind um die kahlen Mauern und die leeren Sandsteintürme pfeifen. Der Gesteinstaub knirschte unter meinen festen Schuhen. Ich wusste, wo ich hin musste, denn ich war dort oft schon gewesen.
Bald kam ich an. Die Sandsteinmauer öffnete sich zu meiner Linken und die kahle Ebene Marduks eröffnete sich in seiner ganzen, brutalen Schönheit. Rotbraun, wie getrocknetes Blut, erstreckte sich Marduk bis zum Horizont – die Erleinta-Ebene. Die Gesteinwüste. Zermahlene Gebirge, zu tausenden und abertausenden niedergestreckt von Zeit, Wind und Wetter und zerschmettert zu meinen Füßen. Ein grimmiges Lächeln huschte um meine Lippen, als ich die Bedeutungslosigkeit erfasste, die in diesem Gedanken zugange war. Die Gebirge waren besiegt, aber sie hatten den ganzen Planeten mit sich genommen. Marduk war tot. Und wer sich nicht vorsah, würde es auch bald sein.
Ich spürte, wie SIE zu mir trat, obwohl sie kein Geräusch machte. Mehrere Minuten stand SIE schräg hinter mir, während ich auf die Ebene hinaussah. Dann hörte ich leise IHRE sanfte Stimme. „Lass uns gehen.“
Ich drehte den Kopf und nickte. IHR Anblick war mir wohlbekannt, ich hatte SIE so viel tausend Male gesehen und verehrt – und doch nie erobern können. IHRE blonden Haare, die unter der blutroten Sonne immer einen Kupferstich hatten, die großen, leicht spöttisch blitzenden Augen, der sanfte Mund, von dem ich wusste, dass er Wunden schlagen konnte, die nie verheilten. Ich kannte SIE, ja. Auch SIE trug einen maßgefertigten Reiteranzug, IHRER aus leichtem Leder. Warrtak-Leder. Das Beste. Wie immer. Für SIE nur das Beste.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln gingen wir hinüber zu den Treiberdünen. Schon hunderte Meter, bevor ich sie sah, spürte ich sie. Ihre majestätische Anwesenheit. Die Präsenz dieser Entitäten, ihr leicht würziger Geruch. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich daran dachte, dass ich sie bald wieder reiten würde.
Als wir eine weitere, blutrote Düne umrundeten, sahen wir sie. Wie jedes Mal stellten sich meine Nackenhaare vor Faszination auf. Auf ihren sechs schlanken, ja, spindeldürren Beinen, vielleicht einen Arm dick, aber mehr als fünfzehn Männer hoch, thronten sie. Ihr braunes, struppiges Fell, das ihre länglichen Körper ebenso wie die langen Beine mit den je vier Kniegelenken überzog und ihre gewaltigen Stoßzähne. Die Bardomashue. Die Erdschreiter.
Wortlos, mit einem beiläufigen Winken meiner Hand, begrüßte ich die Treiber, die zu Füßen der Tiere saßen und auf einem schachbrettartigen Gebilde blutrote Steine hin- und herschoben. Ich konnte meine Augen nicht von den Bardomashue wenden. Ich hatte sie so oft geritten, beherrscht, ich habe viele von ihnen sterben sehen, aber ihre majestätische Erscheinung ließ sich durch so etwas Banales wie den Tod nicht einschränken. Die Bardomashue waren für mich nicht nur Transportmittel, nicht nur Nutztiere, wie für die meisten anderen Überlebenden – nein, für mich waren sie die wahren Herrscher von Marduk.
Ohne weitere Zeit zu verlieren, ging ich rasch zu meinem Bardomashue hinüber und umarmte sein mittleres, linkes Bein. Ich schmiegte mein Gesicht in sein raues Fell und sog begierig sein würziges, wildes Aroma in meine Nasenlöcher. Ich hatte es vermisst, diesen Geruch zu spüren. Und ich war glücklich, diesen Geruch für die nächsten Wochen andauernd um mich zu haben. Fast widerwillig löste ich mich von dem borstigen Bein und drehte mich zu IHR um. Zeitgleich nickten wir uns zu. SIE wusste, was ich zu tun hatte und umgekehrt. Mit raschen Bewegungen kletterten wir auf die Bardomashue, meine Finger gruben sich in das feste, struppig-borstige Fell, ich kletterte über die vier Gelenke des Beins – und dann schwang ich mich über das Schulterblatt, setzte mich ins sattelartige Genick des Bardomashue – und war oben.
Der Ausblick war unglaublich. Ich sah, wie sich die blutrote Sonne am Horizont über die ebenso blutrote Steinwüste erhob, wie sie sich aus den Nebelfetzen schälte, die die fernen Berge umgaben. Abermals schloss ich die Augen und genoss den Augenblick. Für diese Momente lebte ich. Mit geschlossenen Augen strich ich sanft über das Schulterfell des Bardomashue und stimmte langsam das rhythmische Summen an, das mich mit dem Geist des Tieres verband. Kurz darauf setzte auch der Bardomashue an, ein kehliges, summendes Geräusch von sich zu geben und ich spürte, wie sich unsere Geister miteinander verwoben, sich verschränkten, zu einer Entität wurden – zumindest für die nächsten paar Stunden. Ich spürte wieder einmal die majestätische Daseinsform der Bardomashue und meine Sinne wurden aufs Unendliche geschärft. Matt spürte ich sogar den Bardomashue neben mir – und mit ihm auch seine Reiterin, SIE.
Ohne ein Wort zu wechseln, setzten wir uns gleichzeitig in Bewegung.
Langsam trabten wir durch die Wüste. Zwischen unseren Bardomashue trabten die anderen Teile der Karawane, die nach und nach dazugestoßen waren – die grobschlächtigen, vielleicht einen Mann hohen Warrtaks, die vogelartigen, hochgewachsenen Kreetah, die geduldigen, gehörnten Darrokkthu, die immer weiter liefen, bis sie zusammenbrachen. Und über ihnen wir, die Bardomashue und ihre Reiter, ihre Partner, der zweite Teil ihrer Seele. Der heiße Wüstenwind blies uns entgegen, aber langsam, Schritt für Schritt trabten wir vorwärts, immer vier der sechs Beine auf der Erde. Langsam, aber beständig. Im festen Bewusstsein, anzukommen, wo auch immer. Schritt für Schritt, Düne für Düne, Stunde für Stunde. Das grobe Fell des Bardomashue schützte mich vor dem gröbsten Staub und wenn er etwas in die Augen bekam, kletterte ich geschickt über seinen Kopf nach vorne und entfernte den Fremdkörper. Denn wir waren eins, wir waren Reiter und Erdschreiter.
Plötzlich spürte ich von der Seite eine Gefühlsaufwallung. Ich konnte sie nicht einordnen, bis – SIE? Es kam eindeutig von IHR und ihrem Bardomashue. Neugier, Verspieltheit – was was los? Ich drehte mühsam den Kopf und sah, wie SIE sich mit ihrem Tier vom Ende der Kolonne löste und zu mir nach vorne trabte. Ich blieb an meinem Platz. Ein Kreetah wuselte zwischen unseren Beinen hindurch und suchte seinen Führer. Beiläufig stupsten wir ihn in die richtige Richtung.
Ohne ein Wort zu sprechen, nur über die Entität meines Bardomashue fragte ich SIE, was los war. SIE hatte ihren Platz verlassen und damit die Kolonne gefährdet. Marduks Überleben hing von dieser Kolonne ab. Doch alles, was SIE antwortete, war eine Gefühlsaufwallung aus Übermut und Verspieltheit. Dann beschleunigte IHR Reittier weiter und verließ die Kolonne nach vorne. Verwirrt blickten die Treiber und Reiter der kleinen Packtiere IHR hinterher. SIE verließ die Kolonne. Wut brannte in mir auf. Was dachte SIE sich? Wollte sie Fangen spielen? Ein Wettrennen? Ohne Nachzudenken trieb ich meinen Bardomashue an, ihr zu folgen. Die Treiber würden auch alleine klar kommen. Der Bardomashue beschleunigte, stakste über Dünen und Sandhügel, immer IHR hinterher. Was war los?
Ich sah, dass ich SIE so nicht einholen konnte, doch ich blieb an IHR dran. SIE hatte falsch gehandelt, und es war an mir, SIE zurechtzuweisen. Nun konnte ich mich rächen, für all die Demütigungen, Zurückweisungen und…
SIE beschleunigte abermals. Wut und Zorn schwallten in mir auf wie in einem Geysir und mein Bardomashue schauderte leicht, als er es vernahm. Aber er verstand das nicht! Wir mussten auch beschleunigen! Ich spürte zwar, wie mein Bardomashue Mühe hatte, das Tempo zu halten, obgleich wir noch nicht allzu schnell waren, aber ich trieb es weiter an. Kein Gedanke mehr an die Karawane, ich musste SIE einholen!
Plötzlich hörte ich weit unter mir ein trockenes Knacken und spürte gleichzeitig in meinem Geist das unangenehme Reißen, als das linke Vorderbein des Bardomashue brach. Wortfetzen wirbelten in meinem Kopf herum. „Treib die Bardomashue nicht zu schnell an, sonst brechen ihre Beine!“ – „Die Beine sind die Schwachstellen unserer Wüstenschreiter. Sie brechen leicht und dann fällt man tief.“ – „Läuft ein Bardomashue zu schnell, bricht sein Bein und du fällst. Deswegen nutzen wir sie nicht für Kriegszwecke.“
Und ich fiel. Verzweifelt versuchte ich die Seelenbindung mit meinem Bardomashue zu trennen, doch es gelang mir nicht. Es warf mir nichts vor. Nur eine leise, unendlich tiefe Trauer streifte mein Herz.
Ich sah, wie ein Stein auf mich zukam. Dann wurde alles schwarz.
Als ich erwachte, war alles dunkel. Nicht einmal der übliche, blutrote Schimmer umgab mich. War ich tot? Oder war ich… Mein Kopf pochte schmerzhaft und als ich vorsichtig nach der Quelle der Schmerzen tastete, fasste ich in ein blutgetränktes Tuch. Wo war ich?
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis. Ich war in einem Zelt, spärlich ausgestattet. Ich lag auf einer tiefen Liege. Teppiche im Zelt, Teppiche und seltsame Apparaturen, niedrige Tische und Flaschen. Wieso dachte ich, es wäre spärlich? Irgendwoher hatte sich das Wort in meinen Kopf geschlichen, ich wusste nicht, warum. Die Luft roch muffig und abgestanden. Es war still, so still, dass es in den Ohren wehtat. Ich wollte mich aufrichten, aufstehen, aber mein Bein tat weh. Mein linkes Bein. Bardomashue.
Vorsichtig tastete ich nach meinem Warkzzif an meiner linken Seite, meine treue Klinge, die mich seit meinem siebten Geburtstag nicht verlassen hat. Sie war noch da. Ein beruhigendes Gefühl strömte durch meinen Körper. Also keine Banditen. Nomaden.
In diesem Moment hörte ich ein metallisches Klirren von draußen und einen dumpfen Aufschrei. Dann ein zweites Klirren. Ein drittes. Ein viertes. Ein zweiter Aufschrei. In kürzester Zeit war die Luft erfüllt von Schreien, von gebrüllten Befehlen und vom metallischen Klirren von aufeinander treffenden Waffen. Ich hörte das nervöse Schnauben der Darrokkthu. Was passierte?
Plötzlich wurde der Eingang des Zelts beiseite geschlagen. Ein Strahl des blutroten Mondes fiel ins Zelt und erlaubte mir, nach draußen zu sehen. Vor dem Zelt lag ein Mann mit einem Kurzschwert, seine Kehle war durchgeschnitten. Frisches Blut floss aus seinem Hals, aber sobald es getrocknet war, würde man es nicht vom übrigen Sand unterscheiden können.
Das schoss mir durch den Kopf, bis ich die vermummte Gestalt ins Bewusstsein brachte, die leise, vorsichtig das Zelt betrat. Ich bewegte mich nicht. Was war los?
Mit einem leisen Rascheln schloss sich die Zeltplane wieder. Ich war alleine mit der Gestalt. Schwarz verhüllt. Die Farbe der Meuchelmörder. Was war los?
Langsam schritt die Gestalt auf mich zu. Ein metallisches Glitzern in ihrer Hand verriet das scharfe Schwert, das sich darin befand. Meine Hand schloss sich fest um mein Warkzzif.
Dann sprang die Gestalt los. Mit einer fließenden Bewegung riss ich meine Klinge los und blockte den Schlag, der auf meine Kehle gezielt hatte ab. Mit einem unangenehmen Geräusch glitten die Klingen voneinander ab. Mein Kopf stellte sich an, als sollte er explodieren und mein Bein fühlte sich an wie frisch gebrochen. Trotzdem umtänzelte ich den Angreifer geschickt, wie ich es gelernt hatte. Er umtänzelte mich auch. Irgendetwas war vertraut, aber was? Was war los?
Mit rascher Bewegung fielen unsere Klingen aufeinander. Und wieder. Und wieder. Ein grausamer Tanz des Todes, in dem unsere Körper und unsere Klingen einander umspielten und zueinander strebten, sich aber nicht fanden. Wieder. Und wieder. Plötzlich spürte ich, wie ein scharfer Riss über meine Wange jagte. Die Gestalt hatte mich verwundet. Ich taumelte zurück, die Gestalt setzte nach. In diesem Moment wusste ich, dass sie unaufmerksam geworden war. Ich warf mich nach vorne, riss mein Warkzzif nach oben.
Mit einem dumpfen Klatschen fiel der abgeschlagene Kopf der Gestalt vor mir auf den Boden. Es war so unwirklich, dass ich mich fühlte, wie in einer der alten Marto-Krrak-Geschichten, die mir immer erzählt wurden, als ich noch klein war. Kurz stand der Körper noch aufrecht. Das Schwert fiel aus der toten Hand zu Boden. Dann fiel der Körper in sich zusammen. Keuchend klammerte ich mich an meine treue Klinge. Ich hatte gesiegt. Ich lebte. Marduk bot nur dem Sieger Lebensraum. Ich durfte leben.
Aber wer war die Gestalt? Plötzlich überfiel mich eine dumpfe Vorahnung, die in Sekundenbruchteilen zu einer grausamen, alles auffressenden Angst wucherte. Sollte es… Sollte ich…
Das Grauen packte mich, als ich mich langsam niederbeugte, die Knie in den blutbefleckten, feinen Felsstaub, und den Schleier des abgeschlagenen Kopfes zurückschlug. SIE blickte mich an. SIE, mit ihren großen, traurigen Augen, SIE mit ihrem zarten Mund, um dessen Mundwinkel etwas wie Bedauern spielte. Wie eine Entschuldigung. Ihre blonden, zarten Haare waren auf Kinnhöhe abgetrennt. Wie hypnotisiert sah ich mein Schwert an. An der blutverklebten Kante klebten ein paar blonde Haarstücke.
Ich schrie.
Wie taub lief ich durch die kämpfenden Massen. Neben mir erschlug ein Mann einen zweiten, es interessierte mich nicht. Die provisorischen Pechfackeln erhellten die blutrote Nacht nur dürftig, aber ich sah genug mit meinem zweiten Gesicht. Blut, Tod und Zerstörung. Das Antlitz Marduks. Wie durch ein Wunder beachtete mich niemand. Ich lief zügig durch die Reihen der Kämpfenden, mein Warkzzif klebte mit den blonden Haaren und dem Blut in der Halterung an meinem Gürtel. Da vorne stand er. IHR Bardomashue.
Mit raschen Schritten lief ich zu ihm, kletterte an ihm herauf. Riss ein paar der borstigen Haare aus. Ich spürte, wie er zuckte, sich aber nicht wehrte. Setzte mich in den „Sattel“.
Erschöpft summte ich fahrig das Lied der Seelenverschmelzung. Unsere Geister wurden eins, doch mein Geist war schwach. Sein Geist überschwemmte mich. Nah der Bewusstlosigkeit gab ich einen Befehl. „Los. Schnell.“
Mit raschen Schritten lief der Bardomashue durch die einsame, blutrote Wüste. Das Lager der Nomaden mit IHR hatten wir länger hinter uns gelassen, doch ich wollte immer noch weiter. Der Bardomashue war müde, ich war ebenfalls erschöpft, aber ich wollte meinen Geist nicht von dem des Wesens trennen. Ich brauchte ihn. Halbherzig brummte ich im Geist ein weiteres „Schneller!“ Der Bardomashue ging schneller. Plötzlich spürte ich ein Reißen. Sah nach unten. Eine Reißwurzel hatte sich um sein – unser Bein geschlungen und hielt uns fest. Wir strauchelten, stolperten –
Ich hörte ein trockenes Knacken und spürte gleichzeitig in meinem Geist das unangenehme Reißen, als das linke Vorderbein des Bardomashue brach. Diesmal war es dunkel, doch wieder raste ich auf den blutroten Boden zu.
Ich sah, wie ein Stein auf mich zukam. Dann wurde alles schwarz.

Besides, bevor sich jemand beschwert: Ich weiß, dass die Bardomashue aussehen wie die Kreaturen aus dem Video zu "Linkin Park - Somewhere I Belong". Ich hatte den Traum allerdings Monate bevor das Video herauskam.
BLUTSAND
Die Luft war kalt. Der Morgen war kalt.
Tief sog ich die klare Luft in meine Lungen. Die schwache Sonne brannte durch meine geschlossenen Augenlider und ich fühlte, wie der Wind durch meine Haare zauste. Ich fröstelte. Es war ein kalter Morgen, aber ich musste los. Es gab viel zu tun und außer mir niemanden, der es tun könnte. Ich ließ meine Blicke über die sandfarbenen Mauern vor dem Aufgang schweifen. Um mich herum glitzerte das Haupttor in kupferfarbenen und goldbraunen Tönen in der schwachen Morgensonne, die wie ein verschwommenes Oval über der rotbraunen Steinwüste schimmerte. Unwirklich. Der dunkelblaue Himmel würde nicht heller werden, das wusste ich gut. Dennoch würde es heiß werden.
Ein Duft von Staub und Gestein stieg mir in die Nase, als ein schwacher Wind eine Sandbö aus der Steinwüste zu mir herübertrug. Staub und Gestein – genau das gab es dort und nichts weiter würde mich die nächsten vierhundert Kilometer erwarten, von gelegentlichen Oasen und Nomadenstämmen abgesehen. Das war das Antlitz Marduks.
Mit einer geübten Bewegung zog ich meinen Schulterpanzer fester, als ich bemerkte, dass er begann, mir über die Schlüsselbeine zu rutschen. Das dicke, speckige, aber trotzdem angenehm kühle Material schmiegte sich an meine Schultern, das raue Hemd, das ich darunter trug, scheuerte etwas auf der Haut. Ich würde es ausbessern lassen müssen.
Aber nicht heute.
Einen letzten Zug der angenehm kühlen Morgenluft, dann ging ich mit festen Schritten fast schlafwandlerisch die Treppe aus weißlich kühl glitzerndem Marmorit hinunter und steuerte nach rechts, zwischen den sandsteinernen, abweisenden Mauern hindurch. Von Zeit zu Zeit ragte eine Dorndistel zwischen den Blöcken heraus, ansonsten war alles leblos. Tot. Das Antlitz Marduks. Leben gedieh nur dort, wo es bewies, dass es verdiente, zu gedeihen.
Ich hörte den leisen, gespenstischen Wind um die kahlen Mauern und die leeren Sandsteintürme pfeifen. Der Gesteinstaub knirschte unter meinen festen Schuhen. Ich wusste, wo ich hin musste, denn ich war dort oft schon gewesen.
Bald kam ich an. Die Sandsteinmauer öffnete sich zu meiner Linken und die kahle Ebene Marduks eröffnete sich in seiner ganzen, brutalen Schönheit. Rotbraun, wie getrocknetes Blut, erstreckte sich Marduk bis zum Horizont – die Erleinta-Ebene. Die Gesteinwüste. Zermahlene Gebirge, zu tausenden und abertausenden niedergestreckt von Zeit, Wind und Wetter und zerschmettert zu meinen Füßen. Ein grimmiges Lächeln huschte um meine Lippen, als ich die Bedeutungslosigkeit erfasste, die in diesem Gedanken zugange war. Die Gebirge waren besiegt, aber sie hatten den ganzen Planeten mit sich genommen. Marduk war tot. Und wer sich nicht vorsah, würde es auch bald sein.
Ich spürte, wie SIE zu mir trat, obwohl sie kein Geräusch machte. Mehrere Minuten stand SIE schräg hinter mir, während ich auf die Ebene hinaussah. Dann hörte ich leise IHRE sanfte Stimme. „Lass uns gehen.“
Ich drehte den Kopf und nickte. IHR Anblick war mir wohlbekannt, ich hatte SIE so viel tausend Male gesehen und verehrt – und doch nie erobern können. IHRE blonden Haare, die unter der blutroten Sonne immer einen Kupferstich hatten, die großen, leicht spöttisch blitzenden Augen, der sanfte Mund, von dem ich wusste, dass er Wunden schlagen konnte, die nie verheilten. Ich kannte SIE, ja. Auch SIE trug einen maßgefertigten Reiteranzug, IHRER aus leichtem Leder. Warrtak-Leder. Das Beste. Wie immer. Für SIE nur das Beste.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln gingen wir hinüber zu den Treiberdünen. Schon hunderte Meter, bevor ich sie sah, spürte ich sie. Ihre majestätische Anwesenheit. Die Präsenz dieser Entitäten, ihr leicht würziger Geruch. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich daran dachte, dass ich sie bald wieder reiten würde.
Als wir eine weitere, blutrote Düne umrundeten, sahen wir sie. Wie jedes Mal stellten sich meine Nackenhaare vor Faszination auf. Auf ihren sechs schlanken, ja, spindeldürren Beinen, vielleicht einen Arm dick, aber mehr als fünfzehn Männer hoch, thronten sie. Ihr braunes, struppiges Fell, das ihre länglichen Körper ebenso wie die langen Beine mit den je vier Kniegelenken überzog und ihre gewaltigen Stoßzähne. Die Bardomashue. Die Erdschreiter.
Wortlos, mit einem beiläufigen Winken meiner Hand, begrüßte ich die Treiber, die zu Füßen der Tiere saßen und auf einem schachbrettartigen Gebilde blutrote Steine hin- und herschoben. Ich konnte meine Augen nicht von den Bardomashue wenden. Ich hatte sie so oft geritten, beherrscht, ich habe viele von ihnen sterben sehen, aber ihre majestätische Erscheinung ließ sich durch so etwas Banales wie den Tod nicht einschränken. Die Bardomashue waren für mich nicht nur Transportmittel, nicht nur Nutztiere, wie für die meisten anderen Überlebenden – nein, für mich waren sie die wahren Herrscher von Marduk.
Ohne weitere Zeit zu verlieren, ging ich rasch zu meinem Bardomashue hinüber und umarmte sein mittleres, linkes Bein. Ich schmiegte mein Gesicht in sein raues Fell und sog begierig sein würziges, wildes Aroma in meine Nasenlöcher. Ich hatte es vermisst, diesen Geruch zu spüren. Und ich war glücklich, diesen Geruch für die nächsten Wochen andauernd um mich zu haben. Fast widerwillig löste ich mich von dem borstigen Bein und drehte mich zu IHR um. Zeitgleich nickten wir uns zu. SIE wusste, was ich zu tun hatte und umgekehrt. Mit raschen Bewegungen kletterten wir auf die Bardomashue, meine Finger gruben sich in das feste, struppig-borstige Fell, ich kletterte über die vier Gelenke des Beins – und dann schwang ich mich über das Schulterblatt, setzte mich ins sattelartige Genick des Bardomashue – und war oben.
Der Ausblick war unglaublich. Ich sah, wie sich die blutrote Sonne am Horizont über die ebenso blutrote Steinwüste erhob, wie sie sich aus den Nebelfetzen schälte, die die fernen Berge umgaben. Abermals schloss ich die Augen und genoss den Augenblick. Für diese Momente lebte ich. Mit geschlossenen Augen strich ich sanft über das Schulterfell des Bardomashue und stimmte langsam das rhythmische Summen an, das mich mit dem Geist des Tieres verband. Kurz darauf setzte auch der Bardomashue an, ein kehliges, summendes Geräusch von sich zu geben und ich spürte, wie sich unsere Geister miteinander verwoben, sich verschränkten, zu einer Entität wurden – zumindest für die nächsten paar Stunden. Ich spürte wieder einmal die majestätische Daseinsform der Bardomashue und meine Sinne wurden aufs Unendliche geschärft. Matt spürte ich sogar den Bardomashue neben mir – und mit ihm auch seine Reiterin, SIE.
Ohne ein Wort zu wechseln, setzten wir uns gleichzeitig in Bewegung.
Langsam trabten wir durch die Wüste. Zwischen unseren Bardomashue trabten die anderen Teile der Karawane, die nach und nach dazugestoßen waren – die grobschlächtigen, vielleicht einen Mann hohen Warrtaks, die vogelartigen, hochgewachsenen Kreetah, die geduldigen, gehörnten Darrokkthu, die immer weiter liefen, bis sie zusammenbrachen. Und über ihnen wir, die Bardomashue und ihre Reiter, ihre Partner, der zweite Teil ihrer Seele. Der heiße Wüstenwind blies uns entgegen, aber langsam, Schritt für Schritt trabten wir vorwärts, immer vier der sechs Beine auf der Erde. Langsam, aber beständig. Im festen Bewusstsein, anzukommen, wo auch immer. Schritt für Schritt, Düne für Düne, Stunde für Stunde. Das grobe Fell des Bardomashue schützte mich vor dem gröbsten Staub und wenn er etwas in die Augen bekam, kletterte ich geschickt über seinen Kopf nach vorne und entfernte den Fremdkörper. Denn wir waren eins, wir waren Reiter und Erdschreiter.
Plötzlich spürte ich von der Seite eine Gefühlsaufwallung. Ich konnte sie nicht einordnen, bis – SIE? Es kam eindeutig von IHR und ihrem Bardomashue. Neugier, Verspieltheit – was was los? Ich drehte mühsam den Kopf und sah, wie SIE sich mit ihrem Tier vom Ende der Kolonne löste und zu mir nach vorne trabte. Ich blieb an meinem Platz. Ein Kreetah wuselte zwischen unseren Beinen hindurch und suchte seinen Führer. Beiläufig stupsten wir ihn in die richtige Richtung.
Ohne ein Wort zu sprechen, nur über die Entität meines Bardomashue fragte ich SIE, was los war. SIE hatte ihren Platz verlassen und damit die Kolonne gefährdet. Marduks Überleben hing von dieser Kolonne ab. Doch alles, was SIE antwortete, war eine Gefühlsaufwallung aus Übermut und Verspieltheit. Dann beschleunigte IHR Reittier weiter und verließ die Kolonne nach vorne. Verwirrt blickten die Treiber und Reiter der kleinen Packtiere IHR hinterher. SIE verließ die Kolonne. Wut brannte in mir auf. Was dachte SIE sich? Wollte sie Fangen spielen? Ein Wettrennen? Ohne Nachzudenken trieb ich meinen Bardomashue an, ihr zu folgen. Die Treiber würden auch alleine klar kommen. Der Bardomashue beschleunigte, stakste über Dünen und Sandhügel, immer IHR hinterher. Was war los?
Ich sah, dass ich SIE so nicht einholen konnte, doch ich blieb an IHR dran. SIE hatte falsch gehandelt, und es war an mir, SIE zurechtzuweisen. Nun konnte ich mich rächen, für all die Demütigungen, Zurückweisungen und…
SIE beschleunigte abermals. Wut und Zorn schwallten in mir auf wie in einem Geysir und mein Bardomashue schauderte leicht, als er es vernahm. Aber er verstand das nicht! Wir mussten auch beschleunigen! Ich spürte zwar, wie mein Bardomashue Mühe hatte, das Tempo zu halten, obgleich wir noch nicht allzu schnell waren, aber ich trieb es weiter an. Kein Gedanke mehr an die Karawane, ich musste SIE einholen!
Plötzlich hörte ich weit unter mir ein trockenes Knacken und spürte gleichzeitig in meinem Geist das unangenehme Reißen, als das linke Vorderbein des Bardomashue brach. Wortfetzen wirbelten in meinem Kopf herum. „Treib die Bardomashue nicht zu schnell an, sonst brechen ihre Beine!“ – „Die Beine sind die Schwachstellen unserer Wüstenschreiter. Sie brechen leicht und dann fällt man tief.“ – „Läuft ein Bardomashue zu schnell, bricht sein Bein und du fällst. Deswegen nutzen wir sie nicht für Kriegszwecke.“
Und ich fiel. Verzweifelt versuchte ich die Seelenbindung mit meinem Bardomashue zu trennen, doch es gelang mir nicht. Es warf mir nichts vor. Nur eine leise, unendlich tiefe Trauer streifte mein Herz.
Ich sah, wie ein Stein auf mich zukam. Dann wurde alles schwarz.
Als ich erwachte, war alles dunkel. Nicht einmal der übliche, blutrote Schimmer umgab mich. War ich tot? Oder war ich… Mein Kopf pochte schmerzhaft und als ich vorsichtig nach der Quelle der Schmerzen tastete, fasste ich in ein blutgetränktes Tuch. Wo war ich?
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis. Ich war in einem Zelt, spärlich ausgestattet. Ich lag auf einer tiefen Liege. Teppiche im Zelt, Teppiche und seltsame Apparaturen, niedrige Tische und Flaschen. Wieso dachte ich, es wäre spärlich? Irgendwoher hatte sich das Wort in meinen Kopf geschlichen, ich wusste nicht, warum. Die Luft roch muffig und abgestanden. Es war still, so still, dass es in den Ohren wehtat. Ich wollte mich aufrichten, aufstehen, aber mein Bein tat weh. Mein linkes Bein. Bardomashue.
Vorsichtig tastete ich nach meinem Warkzzif an meiner linken Seite, meine treue Klinge, die mich seit meinem siebten Geburtstag nicht verlassen hat. Sie war noch da. Ein beruhigendes Gefühl strömte durch meinen Körper. Also keine Banditen. Nomaden.
In diesem Moment hörte ich ein metallisches Klirren von draußen und einen dumpfen Aufschrei. Dann ein zweites Klirren. Ein drittes. Ein viertes. Ein zweiter Aufschrei. In kürzester Zeit war die Luft erfüllt von Schreien, von gebrüllten Befehlen und vom metallischen Klirren von aufeinander treffenden Waffen. Ich hörte das nervöse Schnauben der Darrokkthu. Was passierte?
Plötzlich wurde der Eingang des Zelts beiseite geschlagen. Ein Strahl des blutroten Mondes fiel ins Zelt und erlaubte mir, nach draußen zu sehen. Vor dem Zelt lag ein Mann mit einem Kurzschwert, seine Kehle war durchgeschnitten. Frisches Blut floss aus seinem Hals, aber sobald es getrocknet war, würde man es nicht vom übrigen Sand unterscheiden können.
Das schoss mir durch den Kopf, bis ich die vermummte Gestalt ins Bewusstsein brachte, die leise, vorsichtig das Zelt betrat. Ich bewegte mich nicht. Was war los?
Mit einem leisen Rascheln schloss sich die Zeltplane wieder. Ich war alleine mit der Gestalt. Schwarz verhüllt. Die Farbe der Meuchelmörder. Was war los?
Langsam schritt die Gestalt auf mich zu. Ein metallisches Glitzern in ihrer Hand verriet das scharfe Schwert, das sich darin befand. Meine Hand schloss sich fest um mein Warkzzif.
Dann sprang die Gestalt los. Mit einer fließenden Bewegung riss ich meine Klinge los und blockte den Schlag, der auf meine Kehle gezielt hatte ab. Mit einem unangenehmen Geräusch glitten die Klingen voneinander ab. Mein Kopf stellte sich an, als sollte er explodieren und mein Bein fühlte sich an wie frisch gebrochen. Trotzdem umtänzelte ich den Angreifer geschickt, wie ich es gelernt hatte. Er umtänzelte mich auch. Irgendetwas war vertraut, aber was? Was war los?
Mit rascher Bewegung fielen unsere Klingen aufeinander. Und wieder. Und wieder. Ein grausamer Tanz des Todes, in dem unsere Körper und unsere Klingen einander umspielten und zueinander strebten, sich aber nicht fanden. Wieder. Und wieder. Plötzlich spürte ich, wie ein scharfer Riss über meine Wange jagte. Die Gestalt hatte mich verwundet. Ich taumelte zurück, die Gestalt setzte nach. In diesem Moment wusste ich, dass sie unaufmerksam geworden war. Ich warf mich nach vorne, riss mein Warkzzif nach oben.
Mit einem dumpfen Klatschen fiel der abgeschlagene Kopf der Gestalt vor mir auf den Boden. Es war so unwirklich, dass ich mich fühlte, wie in einer der alten Marto-Krrak-Geschichten, die mir immer erzählt wurden, als ich noch klein war. Kurz stand der Körper noch aufrecht. Das Schwert fiel aus der toten Hand zu Boden. Dann fiel der Körper in sich zusammen. Keuchend klammerte ich mich an meine treue Klinge. Ich hatte gesiegt. Ich lebte. Marduk bot nur dem Sieger Lebensraum. Ich durfte leben.
Aber wer war die Gestalt? Plötzlich überfiel mich eine dumpfe Vorahnung, die in Sekundenbruchteilen zu einer grausamen, alles auffressenden Angst wucherte. Sollte es… Sollte ich…
Das Grauen packte mich, als ich mich langsam niederbeugte, die Knie in den blutbefleckten, feinen Felsstaub, und den Schleier des abgeschlagenen Kopfes zurückschlug. SIE blickte mich an. SIE, mit ihren großen, traurigen Augen, SIE mit ihrem zarten Mund, um dessen Mundwinkel etwas wie Bedauern spielte. Wie eine Entschuldigung. Ihre blonden, zarten Haare waren auf Kinnhöhe abgetrennt. Wie hypnotisiert sah ich mein Schwert an. An der blutverklebten Kante klebten ein paar blonde Haarstücke.
Ich schrie.
Wie taub lief ich durch die kämpfenden Massen. Neben mir erschlug ein Mann einen zweiten, es interessierte mich nicht. Die provisorischen Pechfackeln erhellten die blutrote Nacht nur dürftig, aber ich sah genug mit meinem zweiten Gesicht. Blut, Tod und Zerstörung. Das Antlitz Marduks. Wie durch ein Wunder beachtete mich niemand. Ich lief zügig durch die Reihen der Kämpfenden, mein Warkzzif klebte mit den blonden Haaren und dem Blut in der Halterung an meinem Gürtel. Da vorne stand er. IHR Bardomashue.
Mit raschen Schritten lief ich zu ihm, kletterte an ihm herauf. Riss ein paar der borstigen Haare aus. Ich spürte, wie er zuckte, sich aber nicht wehrte. Setzte mich in den „Sattel“.
Erschöpft summte ich fahrig das Lied der Seelenverschmelzung. Unsere Geister wurden eins, doch mein Geist war schwach. Sein Geist überschwemmte mich. Nah der Bewusstlosigkeit gab ich einen Befehl. „Los. Schnell.“
Mit raschen Schritten lief der Bardomashue durch die einsame, blutrote Wüste. Das Lager der Nomaden mit IHR hatten wir länger hinter uns gelassen, doch ich wollte immer noch weiter. Der Bardomashue war müde, ich war ebenfalls erschöpft, aber ich wollte meinen Geist nicht von dem des Wesens trennen. Ich brauchte ihn. Halbherzig brummte ich im Geist ein weiteres „Schneller!“ Der Bardomashue ging schneller. Plötzlich spürte ich ein Reißen. Sah nach unten. Eine Reißwurzel hatte sich um sein – unser Bein geschlungen und hielt uns fest. Wir strauchelten, stolperten –
Ich hörte ein trockenes Knacken und spürte gleichzeitig in meinem Geist das unangenehme Reißen, als das linke Vorderbein des Bardomashue brach. Diesmal war es dunkel, doch wieder raste ich auf den blutroten Boden zu.
Ich sah, wie ein Stein auf mich zukam. Dann wurde alles schwarz.