Bayern und NRW führen die Rechtschreibreform erst mal nicht ein. Alle anderen Länder allerdings schon am 1.8! Was haltet ihr davon?
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RECHTSCHREIBDEBATTE
Heftige Kritik an Bayern und NRW
Zum 1. August sollte die neue Rechtschreibung verbindlich sein, doch Bayern und Nordrhein-Westfalen scheren aus. Die Abweichler wurden umgehend scharf kritisiert. Tenor der Vorwürfe: Ein Sonderweg Einzelner führe zu noch mehr Durcheinander.
DDP
Beschluss-Puzzle Rechtschreibreform: Gerangel ohne Punkt und Komma
Erst vor drei Wochen hatte sie erneut eine schwere Belastungsprobe gemeistert, die neue Rechtschreibreform, die seit Jahren für aufgeregte Debatten sorgt. Ende Juni hatten die Ministerpräsidenten der CDU-geführten Länder erklärt, man wolle die verbindliche Einführung der reformierten Rechschreibung für unbestimmte Zeit aussetzen. Der Grund: Der Rat für deutsche Rechtschreibung solle mehr Zeit bekommen, um die bislang nur für Getrennt- und Zusammenschreibung erarbeitete Revision der Reform fortzusetzen. Der Plan scheiterte schließlich am Veto der SPD-geführten Länder: Eine Verschiebung kann nur einstimmig beschlossen werden.
Jetzt ist das nächste Kapitel im Drama Rechtschreibreform eröffnet: Bayern und Nordrhein-Westfalen scheren aus und wollen warten, bis der Rechtschreibrat seine Korrekturempfehlungen - sozusagen die Reform der Reform - vorgelegt hat. Bis dahin will man an den bisherigen Übergangsregelungen festhalten, das heißt, neben der neuen ist vorerst auch die alte Rechtschreibung erlaubt.
Die CDU-geführten Bundesländer stimmen morgen ihr weiteres Vorgehen in Sachen Rechtschreibreform ab. Wie ein Sprecher der baden-württembergischen Landesregierung heute in Stuttgart mitteilte, ist eine Telefonkonferenz auf Staatssekretärsebene vorgesehen.
Schelte von Gewerkschaft und Lehrerverband
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) findet den Alleingang indiskutabel: Die Aktion des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und seines nordrhein-westfälischen Kollegen Jürgen Rüttgers (CDU) führe "zu einem einzigen Durcheinander", erklärte die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer heute der Nachrichtenagentur AP. "Schülerinnen und Schüler werden erneut verunsichert und wissen bald überhaupt nicht mehr, wie sie schreiben sollen", kritisierte Demmer. "So erreicht man, dass Rechtschreibung nicht mehr ernst genommen wird."
Auch Sachsens Lehrerverband kritisiert das abweichende Vorgehen Bayerns und Nordrhein-Westfalens scharf. "Den Schülern ist es nicht zu vermitteln, jetzt zu den alten Regeln zurückzukehren", sagte Verbandschefin Ingrid Schwaar der Nachrichtenagentur ddp heute in Radebeul. Die Haltung der beiden Bundesländer sei unverständlich und nicht die Lösung des Problems.
Der stellvertretende Vorsitzende des Landeselternrates, Hartmut Zabel, äußerte sich ebenfalls kritisch zu der uneinheitlichen Umsetzung der Reform. Wenn sie eingeführt werde, müsse das konsequent geschehen. "Die Reformarbeit sollte nicht auf den Rücken von Lehrern und Schülern abgeladen werden", warnte Zabel. Föderalismus dürfe es nicht auch noch in der deutschen Rechtschreibung geben. Wie Zabel sieht indes auch Schwaar bei der Reform weiteren Handlungsbedarf. Seiner Ansicht nach müssen die Regeln vereinfacht werden.
Rückendeckung aus NRW
Der Elternverein Nordrhein-Westfalen hingegen begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, die Rechtschreibreform nicht wie geplant zum 1. August einzuführen. Der Verein rechne damit, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung noch "etliche" Veränderungen vorschlagen werde, sagte Regine Schwarzhoff, die stellvertretende Landesvorsitzende und Vizechefin des Deutschen Elternvereins, heute. Die Reform dennoch zum 1. August in Kraft treten zu lassen, bedeute ein "weiteres Hin und Her" für die Schüler.
Das Thema Rechtschreibreform wird am Donnerstag auch Thema der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause sein, wie ein Sprecher der Düsseldorfer Staatskanzlei bekannt gab. Die Entscheidung, die verbindliche Neuregelung aufzuschieben, gelte bis auf Weiteres. Zur scharfen Kritik an diesem Schritt wollte sich die Staatskanzlei nicht äußern.
Schwarzhoff sagte, der Elternverein lehne die Rechtschreibreform insgesamt ab. So hätten die neuen Regeln zur Getrenntschreibung eine "Verarmung" der Sprache zur Folge. Auch werde das Ziel, Schülern das Erlernen der Sprache zu erleichtern, mit der Reform nicht erreicht. Vielmehr müssten sie verschiedene Schreibvarianten von Wörtern erlernen. Schwarzhoff hofft daher, dass der Expertenrat "viele substantielle Änderungen" an der Reform vorschlagen werde.
Brandenburg refomiert, Niedersachsen tagt
Die SPD/CDU-Koalition in Brandenburg hält an der termingerechten Einführung der neuen Schreibregeln fest. "Es bleibt dabei", sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums am Montag in Potsdam. Brandenburg wolle sich an die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz halten.
Niedersachsen will morgen entscheiden, ob es dem Beispiel von Bayern und Nordrhein-Westfalen folgt. Die CDU/FDP-Landesregierung halte sich eine Entscheidung noch offen, hieß es aus dem Kultusministerium heute in Hannover.
Skepsis ist keine Arroganz.