Der Wettstreit

Der Schnee knirschte leiser unter den Sohlen ihr leichten Lederschuhe. Die Kälte war ihr schon in die Zehen gekrochen und diese fühlten sich nun seltsam taub und leblos an. Der Mond war durch die vielen dichten Wolken am Himmel nicht zu sehen und das einzige Licht auf den Straßen spendeten einige wenige Laternen und die Lichter in den Fenstern.
Schnee. Zum gefühlten 50mal führte sie ihre dunkelhäutige Hand durch die weiße Pracht und war erstaunt wie kalt er war und noch erstaunter als er langsam zu Wasser in ihrer Hand wurde. In der Wüste gab es keinen Schnee. Sie hatte es gehört, doch nie geglaubt das Wasser so etwas tun konnte. Wasser war etwas so Kostbares das jeder einzelne Tropfen beschützt gehörte! Es sollte definitiv nicht auf der Straße liegen als ob es zuviel davon gäbe!
Hitze schoss ihr ins Gesicht über ihre eignen einfältigen Gedanken. Sie war hier nicht in der Wüste, hier gab es keinen Wassermangel. Sie sollte sich mehr zusammenreißen und konzentrieren!
Ihre Hand war nun eben so seltsam Taub wie ihre Zehen und schnell zog sie diese zurück unter den warm gefütterten Mantel. Ihre erste Trophäe vom heutigen Tag.
Es war von jeher Brauch, dass junge Gerudo ihre Geschicklichkeit miteinander maßen. In welcher Form bestimmte die oberste Befehlshaberin, in seltenen Fällen auch einmal ihr König. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass Nabooru die Jüngeren nur aus der Festung haben wollte als sie den Wettstreit der Diebe ausgerufen hatte. Ihre Schwestern und sie waren viel zu „ungestüm“ in den letzten Monaten miteinander umgegangen.
Gerudo gehörten nicht eingesperrt in die Festung. Wir sind Diebe und Kämpfer, keine Stubenhocker, dachte sie ärgerlich. Sie konnte gut verstehen, dass der Frieden bewahrt werden musste zwischen den Völkern. Aber ein paar Raubzüge da und hier würden wohl kaum schaden.
Abwesend rieb sie ihre Hand an dem dicken Stoff ihrer Hose und bemerkte wie ein unangenehmes Kribbeln in ihren Fingerspitzen entstand. Sie mochte Wasser in seiner richtigen Form lieber. Und sie hasste eindeutig diese schreckliche Kälte. Auch in der Wüste konnte es kalt werden, besonders nachts, aber es war noch nie so kalt geworden.
Vorwärts! Du darfst nicht trödeln! , ermahnte sie sich selber in Kopf. Es galt etwas zu stehlen, etwas möglichst Kostbares. Es ging um ihre Diebesehre!
Lange hatte sie an diesem Tag in den hellen Stunden die Bewohner der Festungsstadt beobachtet. Kaum machbar schien ihr die Aufgabe so vermummt wie alle herum liefen wegen der Kälte. So konnte man keine geeignete Beute ausmachen. Der Winter war keine gute Jahreszeit für Diebe. Sie konnte gut verstehen warum man lieber in den eigenen vier Wänden blieb und sich den Tag mit warmen Getränken und spannenden Geschichten vertrieb.
Wenigstens konnte man im Schnee Fußspuren besser verfolgen. Sie schlich weiter, irgendwo hier war er abgebogen. Die Spuren ihres Ziels sanken etwas tiefer ein als die der anderen. Sie hatte nach stundenlangen Warten auf dem Markt einen fetten, hässlichen Hylianer entdeckt. Er war sehr unfreundlich gewesen, hatte ständig andere zur Seite geschubst. Sofort war ihr die immens hässliche, dicke goldene Kette über seinen Umhang aufgefallen. Ein Blutstropfenfarbiger Edelstein hatte kurz über seinem Bauch einladend hin und her gewackelt. Ein perfektes Ziel! Die Kette vermochte ein kleines Vermögen wert zu sein. Sie hatte so gut wie gewonnen.
Es war eine gut sichtbare Fährte und sie hatte keine Schwierigkeiten ihr zu folgen. Das blonde Haar der Perücke fiel ihr leicht ins Gesicht und sie wischte es sich wieder hinter ihr Ohr. Das Schloss rückte näher in ihr Gesichtsfeld. Für einige Sekunden erwog sie, dass sie vielleicht sogar ins Schloss einbrechen musste und schalt sich selbst eine Närrin. Nicht einmal sie würde das wagen.
Ihr Herz macht einen kleinen, freudigen Hüpfer die Fährte vor einer großen und breiten Haustür ihr Ende fand. Die Geister haben ein Einsehen.
Schnell überblickte sie die Fassade des Gebäudes und suchte nach möglichen Einstiegsmöglichkeiten. Im ersten Stock war ein Fenster leicht geöffnet. Schon fast zu leicht erschien ihr das Ganze.
Mit geschickten Händen kletterte sie die eiskalte Regenrinne hinauf und stieß sich mit Schwung ab. Ihre leicht tauben Hände fanden den schmalen Fenstersims. Sie atmete kurz tief durch, bevor sie sich geschickt nach oben zog und durch das Fenster in den Raum dahinter spähte. Er war leer. Wirklich zu einfach, meldete sich die kleine Stimme in ihrem Kopf. Lautlos schob sie das Fenster weiter auf und zog sich in den Raum. Die Dielen knarrten unter ihren Sohlen und für einige Sekunden blieb sie stocksteif in ihrer hockenden Position und lauschte.
Als kein weiterer Laut folgte, stand sie auf und schloss das Fenster bis auf einen kleinen Spalt breit. Vorsichtig ging sie zur Tür des Raumes und öffnete diese einige Millimeter. Der Flur dahinter war gut beleuchtet und angefüllt mit lauter prunkvollen Gemälden, die sie mit ungnädigen Augen erspähten, und einem hässlichen, aber sehr weichen Teppichboden. So leise wie möglich schlich sie aus dem Raum und den Flur entlang zur nächsten Tür. Sie konnte durchs Schlüsselloch Licht im Raum erkennen und glaubte sehr leise auch Geräusche zu vernehmen.
Sie atmete noch einmal tief ein. Gerudo kannten keine Angst. Mit einem Satz war sie mit ihrem gezogenen Krummsäbel im Zimmer. Ein anderes Schwert fing ihres auf. Sie blickte in die allzu bekannten gelben Augen einer Gerudo Kriegerin. Ein Schmunzeln lag auf den Zügen der anderen Frau.
„Du bist zu spät, Schwester.“, wurde sie spöttisch belehrt. Die hässliche goldene Kette, war in der anderen Hand der Kriegerin. Sie verneigte sich gönnerisch und trat an ihr vorbei durch die Tür. Der fette Hylianer lag mit einer großen Beule am Kopf auf dem Boden des Raumes.
Ich bin zu spät. Sie fluchte leise in sich hinein. Kurz überlegte sie sich das Haus nach anderen Kostbarkeiten zu durchsuchen, aber das würde sich anfühlen wie Schummeln.
Sie machte sich auf den gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen war. Es würde keine Zeit mehr bleiben um sich ein weiteres Ziel zu suchen. In einem Tag musste sie in der Feste zurück sein, sie hatte sich einfach viel zu viel Zeit gelassen!
Kurz stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht. Es wäre viel zu blamabel mit leeren Händen zurück zur Festung zur reiten. Auf gut Glück konnte sie auch nicht in ein Haus einbrechen. Viel zu riskant, am Ende wäre sie im Kerker des Schlosses. Das wäre noch schlimmer als mit leeren Händen heim zu kehren.
Ein Summen ließ sie hoffnungsvoll die Gasse hinauf schauen. Ein junger Mann kam ihr gut gelaunt entgegen. Seine Geldbörse war prall gefüllt, das konnte sie selbst aus 30 Metern Entfernung erkennen. Aber Geld würde ihr in diesem Wettstreit nichts bringen.
Auf seinem Rücken erhob sich die Kontur eines Schwertes, eingewickelt in Tücher. Verzweifelte Zeiten, erfordern verzweifelte Maßnahmen! Eigentlich mochte sie es nicht jemanden zu bestehlen den sie nicht vorher genau beobachtet hatte, aber es würde schon okay sein. Immerhin schien er genug Geld zu haben um sich ein anderes Schwert zu leisten.
Sie hustet kratzig auf als er nur noch wenige Meter entfernt war. In ihrem Kopf zählte sie die Sekunden, kurz schwankte sie. Dann als er direkt neben ihr war, ließ sie sich zur Seite und auf ihn rauf fallen. Ein schwerer Hustenanfall begleitet den vermeintlichen Schwächeanfall.
„Entschludigen sie Herr...“, flüsterte sie mit leiser, kratziger Stimme und sah mit großen Augen auf. Seine strahlend blauen Augen hielten sie für einige Sekunden gefangen und ein angenehmes Lächeln lag auf seinen Gesichtzügen.
Er half ihr auf und wischte beiläufige etwas Schnee von ihrer Schulter. „Nichts geschehen.“, winkte er den kleinen Vorfall ab. „Sie scheinen mir krank zu sein. Soll ich sie sicherheitshalber nach Hause begleiten?“ Seine Stimme hatte einen warmen Ton und sie konnte sich nicht verkneifen ihn anzulächeln.
„Das wird nicht nötig sein. Ich wohne nicht weit von hier.“, wieder flüsterte sie heiser und verneigte sich kurz.
Er schien kurz zu überlegen, nickte ihr kurz zu und schritt mit gemächlichen Schritten die Gasse weiter hinab. Anscheinend vollkommen arglos, dass er gerade bestohlen worden war.
Erleichtert atmete sie aus. Das Schwert lag schwer in ihrer rechten Hand unter dem Umhang versteckt. Wie lange mochte es dauern bis er den Verlust bemerkte und anfing danach zu suchen? Sie zwang sich zu einem langsamen Tempo und erst als sie sich ganz sicher war, dass er außer Hörreichweite war, beschleunigte sie ihre Schritte.
Der Weg aus der Stadt und über die Stadtmauer stellte kein Problem dar und erst als sie auf der Hylianischen Steppe stand, erlaubte sie sich einen kurzen Blick auf das Diebesgut. Bitte sei kein Schrott, bitte sei kein Schrott, bitte sein kein Schrott..., betete sie leise vor sich hin. Der Schwertgriff war aus einem seltsamen lila Metall und ein gelber Edelstein prangte zwischen Griff und Klinge. Das Symbol der drei Göttinnen war in die Klinge eingraviert. Ein schönes Stück., befand sie in Gedanken. Ein kleiner Gewissensbiss nagte ihr im Hinterkopf und sie schüttelte sich kurz um ihn zu vertreiben.
Mit einem eleganten Satz schwang sie sich auf ihr Pferd und mit geübten Schenkeldruck begann es zu Traben. Nur zurück in die Heimat und raus aus der Kälte!
Als sie fast einen ganzen Tag später in der Festung ankam und stolz Nabooru ihren Diebesschatz überreichte, lachte diese herzhaft und fing sich erst einige Minuten später aus ihrem Lachanfall. „Ich glaube ich muss dir jemanden vorstellen.“, erklärte sie mit einem verschmitzen Lächeln und leisen Kichern. „Aber vorher ernenne ich dich zur Königin der Diebe.“