Projekt: 42

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    • Projekt: 42

      So, manche kennen die Story vielleicht noch von früher (Gott is das lang her); ich habe mich jedenfalls entschieden, eine Art "Reboot" der Story vorzunehmen um alle Logikfehler, Plotschwächen und gar zu ausgelutschten Klischees zu vermeiden. Da es sich im Grunde um eine Superhelden-Story handelt (nur halt nicht in Comicform) wird man nicht völlig um diverse Klischees rum kommen, aber ich will mich bemühen, diese zumindest etwas zu kippen und/oder unterhaltsam zu präsentieren.

      Wichtig ist mir hier, dass ein paar Leute kommentieren, die die Ursprungsfassung und die vorkommenden Charaktere nicht kennen, damit ich weiß, wie es auf "Neulinge" wirkt.

      Ich werde ein paar Abschnitte posten (nicht auf einmal) und dann den Thread nach einiger Zeit wieder löschen lassen - soll ja mal ein zusammenhängendes Buch werden. :x






      They are immune to heat and cold, untouched by the elements, and can fly, mounting upward with a fluttering motion. They dwell apart from the chaotic world of man, subsist on air and dew, are not anxious like ordinary people, and have the smooth skin and innocent faces of children.
      (Victor H. Mair, “Xian”)


      Als Zarathustra in die nächste Stadt kam, die an den Wäldern liegt, fand er daselbst viel Volk versammelt auf dem Markte; denn es war verheißen worden, dass man einen Seiltänzer sehen solle. Und Zarathustra sprach also zum Volke.
      Ich lehre euch den Übermenschen.
      Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll.
      Was habt ihr getan, ihn zu überwinden? Alle Wesen bisher schufen etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe dieser Flut sein und lieber zum Tiere zurückgehen, als den Menschen überwinden?
      Was ist ein Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und eben das soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham.
      (Friedrich Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“)


      „Bitte sage mir, welchen Weg ich gehen soll.“
      „Das hängt davon ab, wohin Du willst.“
      (Lewis Carroll, „Alice im Wunderland“)



      Vlads schwarze Schuhe knirschten auf dem geborstenen Glas. Scherben schwammen in einer farblosen Flüssigkeit, durch die sich rote Schlieren zogen. Kabel und Schläuche hingen aus dem zersplitterten Glaskolben und baumelten träge hin und her. Vlad seufzte, beugte sich vor, griff mit spitzen Fingern nach einem der Schläuche und beäugte ihn, als sei er ein besonders interessantes Fundstück.
      „Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert: Die Tatsache, dass er es geschafft hat, aus seiner Röhre auszubrechen, oder die Tatsache, dass er es weiters irgendwie hingebogen hat, aus der Anlage zu fliehen. Wissen wir schon, was er mit Dr. Clément angestellt hat?“
      „N-Nein, tut mir leid, keinerlei Spur.“ Ein rundlicher Mann im Laborkittel rieb nervös seine Handflächen aneinander. „Ich – ich kann mir nicht erklären, wie das passiert ist. Ich meine, dieser Ausbruch ist eigentlich völlig unmöglich. Mit so etwas rechnet doch niemand…“
      „Ist mir klar“, erwiderte Vlad ungerührt, ließ den Schlauch fallen und richtete sich auf. „Im Grunde ist es auch irrelevant. Wichtiger ist es, dass wir uns an die vorhandene Situation anpassen.“ Mit hochgezogener Augenbraue musterte er seine Fingerspitzen und rieb diese aneinander, entschied dann, dass keine Spuren darauf zurückgeblieben waren und machte sich stattdessen daran, den Kragen seines schwarzen Anzugs zurechtzurücken. „Und darum ist es jetzt besonders wichtig, dass wir keine Zeit verlieren, Dr. LeRoue, auch um Ihretwillen.“
      „Was soll ich tun?“
      Vlad seufzte und schritt achtlos über das knirschende Glas zu seinem Untergebenen zurück, der unwillkürlich einen halben Schritt zurückwich. „Ich brauche Sie jetzt im Labor. Sie, Dr. Dechéroux und Dr. Schneider. Wir haben Zell- und Blutproben von ihm, ich will alle Analysen, die möglich sind, jedes noch so unwichtig scheinende Detail. Gehen Sie das Archiv durch, vergleichen Sie Berichte, irgendwas, mir egal, aber ich will alle möglichen und unmöglichen Prognosen haben, die Sie über ihn erstellen können.“
      „Wird erledigt, wird erledigt!“, beeilte LeRoue sich zu versichern. „Was ist mit Ihnen?“
      „Ich werde persönlich losgehen und versuchen, ihn wieder sicherzustellen“, lautete Vlads trockene Antwort. Er warf einen letzten Blick auf die zersplitterte Glasröhre, deutete dem soeben eintreffenden Personal, sich um darum zu kümmern und verließ den Raum dann. LeRoue folgte ihm. „Chaos kommt mit mir und solange wir nicht hier sind, haben Sie das Kommando.“
      LeRoue wirkte gleichzeitig schockiert und erfreut. „Was? Ich meine, es ist mir eine Ehre, aber was ist mit Ihrem…?“
      „Er ist in letzter Zeit sehr unzuverlässig“, unterbrach Vlad, ohne eine Miene zu verziehen. „Mir ist bei dem Gedanken, dass Sie in meiner Abwesenheit alles leiten, deutlich wohler. Nun, noch Fragen?“
      „Eines noch.“ Le Roue warf einen beinahe verstohlenen Blick über die Schulter zurück zu dem Raum, aus dem sie gekommen waren. „Was sollen wir mit den… nun, den anderen machen?“
      Vlad blieb stehen und warf dem Wissenschaftler einen Blick zu, als wüsste er nicht, ob dieser einen Scherz gemacht hatte. „Wir können nicht riskieren, dass ein weiterer Vorfall wie dieser hier stattfindet – so gering die Wahrscheinlichkeit auch sein mag“, meinte er dann.
      „Das heißt, wir…?“
      „Genau das, LeRoue. Töten Sie sie. Alle.“




      Projekt: 42



      001: Trepidatio

      1)

      Der Raum war schummrig, obwohl vor dem Fenster bereits strahlend die Sonne schien, denn wie immer waren die Jalousien nach unten gezogen. Das Bett war leer, aber die Bettwäsche war zerknüllt und beiseite geschlagen, Krümel von Chips oder ähnlichen Knabbersachen waren auf dem Leintuch zu sehen, was darauf schließen ließ, dass das Bett in letzter Zeit bloß benutzt worden war, um darin zu lungern, während man fernsah oder Videospiele spielte. Der Boden war ebenfalls kein Musterbeispiel an Ordentlichkeit – ein Pullover lag auf dem Teppich, Comichefte und Magazine waren verstreut und ein paar Kabel zogen sich unpraktisch quer durch den halben Raum. Dass das Zimmer dennoch einem Mädchen gehörte, ließ sich bloß an ein paar Details feststellen – der rosa Pyjama, der unter dem Kopfkissen des großen Bettes hervorlugte, ein zerknautscht wirkender Teddybär einige Zentimeter davon entfernt; vielleicht noch das Poster von zwei spielenden Kätzchen an der Wand, zwischen den großen Porträts von einem Piraten und dem eines Comic-Superhelden.
      Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das leise Surren und Knarren eines eingeschalteten PCs. Der Schreibtisch, auf dem der dazugehörige Bildschirm stand, war so ziemlich der einzige Fleck des Zimmers, der fein säuberlich aufgeräumt war: Computerspiele waren penibel aufgereiht, Disketten und DVD-ROMs in beschrifteten Halterungen und die Lautsprecherboxen waren schön symmetrisch aufgestellt, um die vor dem Gerät sitzende Person möglichst effektiv beschallen zu können. Bloß Tastatur und Maus waren etwas gedankenlos beiseite geschoben worden, um einer zierlichen Gestalt Platz zu machen, die vornüber gebeugt auf ihren verschränkten Armen lag, schlief und dabei leise schnarchte.
      „Sam, bist du schon wach?“ Es klopfte an die Zimmertür und die etwas raue Stimme eines älteren Mannes klang dumpf durch das dicke Holz. „Frühstück steht am Tisch.“
      Die Gestalt schreckte hoch, blinzelte schlaftrunken und setzte sich auf, offenbar noch nicht ganz im Klaren darüber, wo genau sie war. Dann rückte sie die schief auf ihrer Nase hängende eckige Brille zurecht und gähnte erst einmal laut und undamenhaft, bevor sie ein „Bin wach, bin wach“ in Richtung der Tür nuschelte.
      „Okay, beeil dich, sonst wird der Kakao kalt.“
      Sam lehnte sich ächzend zurück und strich sich müde über das Gesicht, während sich Schritte vor ihrer Zimmertür entfernten. Ein Blick auf die Uhr an der Wand sagten ihr, dass es halb zehn Uhr vormittags war. Offenbar war sie wieder einmal vor dem Computer eingeschlafen und hatte die halbe Nacht so verbracht – und den halben Morgen gleich dazu. Missmutig rückte sie Tastatur und Maus zurecht und sah den Bildschirm flackernd anspringen, nur um zu sehen, dass der Download, auf den sie wartete, nach wie vor bei 97,5% fest hing.
      „Dann halt nicht“, seufzte das Mädchen leise dem Gerät zu und rutschte von seinem Bürostuhl, immer noch in Jeans und T-Shirt vom Vortag. Noch einmal gähnend schlüpfte es in die Pantoffeln, die daneben herumlagen und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen, als sein Blick auf das Spiegelbild fiel, das ihm von der verspiegelten Kleiderschranktür entgegensah. Sam musste widerwillig zugeben, dass sie aussah, als hätte sie die letzten drei Tage außerhalb jeglicher Zivilisation verbracht und bemühte sich eine halbe Minute lang vergeblich darum, ihr wirres, flammend rotes Haar in halbwegs ansehnliche Bahnen zu bürsten. Irgendwann entschied sie, dass es ohnehin egal war und schlurfte aus ihrem Zimmer in die kleine Essküche, in der Patrick stand und irgendetwas in einer kleinen Pfanne anbriet.
      „’n Morgen“, machte Sam eintönig und ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. Die Tasse mit dem dampfenden Kakao zog sich zu sich her.
      Ihr Onkel wandte sich zu ihr um. „Guten Morgen, Kleines. Vorsicht, der Kakao ist noch sehr…“ heiß, wollte er noch hinzufügen, aber Sam hatte bereits zwei große Schlucke genommen. „Okay, offenbar doch nicht.“
      „Hm. Warm.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Haben wir noch Müsli da?“
      „Steht direkt neben dir.“
      „Oh. Tatsache.“
      Patrick schüttelte schief lächelnd den Kopf und widmete sich seinen Spiegeleiern, während Sam sich über ihr Frühstück hermachte. „Lass mich raten, du hast mal wieder bis vier Uhr früh Online-Spiele gespielt und bist vor dem Computer eingepennt?“
      „Hey, es war Freitagabend, da kann ich eigentlich so lang aufbleiben, wie ich will. Außerdem hatten wir ein großes Turnier“, kam es von dem dünnen Mädchen, das wie mechanisch sein Müsli in sich hinein löffelte. „Ich musste meine Ehre als Headshot-Queen verteidigen. Ja ich weiß wie das klingt, sag jetzt nichts“, fügte sie mit abwehrender Geste und einem schiefen Grinsen hinzu, als sie Patricks fragend hochgezogene Augenbraue bemerkte. „Sagen wir einfach, ich habe einen Ruf zu verlieren.“
      „In deinem Alter kannst du dir so etwas noch erlauben“, erwiderte Patrick mit gespieltem Tadel und ließ sein Spiegelei und den Speck aus der Pfanne in einen kitschig geblümten Teller rutschen. „Da steckst du solche nächtlichen Computerexzesse noch weg, während meine alte Wenigkeit in diesem Fall jetzt halbtot herumkriechen würde.“
      Er setzte sich gegenüber seiner Nichte mit seinem Teller und einem Stück Brot an den Küchentisch, während Sam über ihrer Kakaotasse hing, beide ihrer schmalen Hände darumgelegt. Sie saß da, mit ihren zerzausten Haaren und dem labbrigen alten T-Shirt, etwas Kakao am Mundwinkel; wie ein unschuldiges Kind und nicht wie jemand, der schon zwei Jahre studierte. Unwillkürlich schlich sich ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht, als sie noch einmal gähnte, laut und völlig ungeniert.
      „Ach was, es verschiebt sich der Schlafrhythmus bloß ein wenig“, meinte sie dann und rührte etwas geistesabwesend in ihrem Müsli herum. „Es ist ja auch nicht so, als würde ich das jeden Tag so machen, man hat schließlich wochentags genug Arbeit auf der Uni.“
      Patrick spießte resolut ein Stück Speck auf und rührte damit quer durch den Eigelb seines Spiegeleis, bevor er es sich in den Mund schob. „Ja, und ich kann trotzdem samstags aufs Revier. Man sollte meinen, dass ich so etwas wie freie Wochenenden verdient hätte, nicht?“
      Sam horchte auf. „Du musst heute zur Arbeit?“
      „Ja, nachher dann. Es dürfte gerade ein ziemliches Chaos herrschen, irgendein Irrer ist unterwegs und schlachtet offenbar wahllos Leute ab.“
      Eine von Sams Augenbrauen wanderte nach oben. „Hm, na das klingt ja nett. Hier in der Umgebung?“
      Patrick kratzte sich an der Wange. „Soweit ich weiß, ja, aber ich weiß es auch nicht genau, ich habe vorhin erst den Anruf von Michael bekommen, dass sie mich für irgendwas brauchen. Keine Sorge“, fügte er dann noch hinzu, als er den skeptischen Blick seiner Nichte auffing. „Ich nehme an, es handelt sich um einen der üblichen Junkies, die kriegen wir in der Regel recht schnell.“
      „Die Polizei, dein Freund und Helfer“, erwiderte sie und prostete ihrem Onkel zu. „Aber sag das mal denen, die er bereits umgelegt hat.“
      „Lässt sich auch nicht mehr ändern. Im Voraus erwischt man die Kerle ja leider nicht.“
      „Auch wieder wahr.“ Sam leerte ihre Tasse schwungvoll, erhob sich und stellte das gebrauchte Geschirr in die Spüle. „Na ja, sollte ein sabbernder Psychopath hier einbrechen, ruf ich dich sofort an, versprochen.“
      Patrick lehnte sich seufzend zurück und wischte beinahe systematisch mit einem Stück Brot die letzten Reste Eigelb von seinem Teller, während er das Mädchen beobachtete, wie es die Tasse mit Wasser füllte, dann mitten im Vorgang die Lust verlor und sie einfach stehen ließ, wo sie war. „Solche Leute brechen nicht in Wohnungen ein und schon gar nicht am helllichten Tag“, meinte er dann. „Ich glaube, es reicht, wenn du dich in nächster Zeit von dunklen Seitenstraßen, Dealerbezirken und verlassenen Gassen fernhältst.“
      „Versprochen“, meinte Sam leichtfertig. „Vielleicht schleppt Alice mich heute noch auf irgendeine ihrer Shoppingtouren, aber sonst bleibe ich ohnehin hier drin. Und jetzt gehe ich erst mal duschen und mich umziehen, ich fühle mich nämlich echt gerade wie der letzte Penner.“
      „Danke für die Information“, antwortete Patrick trocken und erhob sich nun selbst ächzend von seinem Stuhl. „Wir sehen uns dann also am Abend wieder. Falls du Hunger hast: du weißt wo die Mikrowelle steht.“
      Sam schlurfte aus der Küche und winkte lässig zurück, gerade mal ein angedeutetes Zucken mit dem Handgelenk. „Ist okay. Viel Spaß beim Psychopathen-Jagen.“
      Patrick überlegte für einen Moment, ob er anmerken sollte, dass Polizeiarbeit selten daraus bestand, sich wilde Schusswechsel mit kriminellen Genies zu liefern und Geiseln vor der großen Bombe im Keller zu retten, aber erstens war es Sam im Grunde ohnehin klar, zweitens hätte sie ohnehin nur wieder einen sarkastischen Kommentar fallen gelassen. So weit kannte er seine Nichte nach all der Zeit auf jeden Fall. Daher beschränkte er sich auf ein zerstreutes „Danke, du auch“ und machte sich auf den Weg zur Arbeit, während hinter ihm irgendwo Sam ins Badezimmer schlurfte und Patricks Mörderfall wahrscheinlich schon wieder vergessen hatte.
      Manchmal lebte sie wirklich vollständig in ihrer eigenen Welt.

      Als Sam einige Minuten später wieder aus dem Badezimmer trat, folgte ihr eine gewaltige Dampfwolke hinaus; ein Resultat ihrer Neigung, stets so heiß wie möglich zu duschen. Pat sah es nicht gern, dass sie soviel Energie verschwendete, aber sie mochte das heiße Wasser nun einmal – und er war sowieso nicht da. Die Brille in ihrer Hand war völlig beschlagen, das rote Haar klebte nass an ihrem Kopf (und biss sich fürchterlich mit dem rosa Handtuch, in das sie sich gewickelt hatte) und reichte in diesem Zustand tatsächlich bis zu den Schultern. Allerdings wusste Sam genau, dass die Haare nach dem Trocknen früher oder später wieder kreuz und quer in alle Richtungen stehen würden. Das taten sie immer.
      Barfuss schlich das Mädchen wieder in sein Zimmer zurück, stolperte beinahe über die Hausschuhe, die dort herumstanden und fluchte leise, bevor es die beschlagene Brille an seinem Handtuch klar wischte und zurück auf die Nase schob. Ein prüfender Blick auf den Computerbildschirm sagte Sam, dass der Download noch immer an derselben Stelle hing, was sie nur noch mit einem Zucken des Mundwinkels quittierte. Mit einem Fuß zog sie die Schublade ihrer Kommode auf, griff dann blind hinein und warf die erstbeste Unterwäsche, die sie zu fassen bekam, aufs Bett. Aus dem Kleiderschrank folgten dann eine neue Jeans und ein T-Shirt – als sich ihr Mobiltelefon unter piepsigem Gedüdel zu Wort meldete. Sam seufzte auf, folgte dem Geräusch und schob ein paar Bücher und leere Getränkedosen beiseite, bevor sie das kleine Gerät hinter all dem Kram auf ihrem Nachtkästchen fand, wild unter dem Vibrationsalarm surrend wie eine wütende Wespe.
      „Hey Süße, wo bist du denn?“, meldete sich Alices Stimme zu Wort, als Sam nach dem Telefon griff und auf „Annahme“ drückte. „Ich hab dich heute schon zweimal angerufen, aber du hast nicht abgehoben!“
      Sam seufzte. „Ich war bloß gerade frühstücken und duschen, keine Panik.“
      „Um diese Uhrzeit? Du stehst doch sonst immer so früh auf. Oh-hooo, warte!“ Alices Grinsen war nun beinahe zu hören. „Du hattest nicht zufällig jemanden da?“
      „Jemanden…?“ Es dauerte eine Sekunde, bis der Groschen fiel, dann verdrehte Sam die Augen und legte den Kopf zurück – was ihre beste Freundin natürlich nicht sehen konnte. „Nein, Alice. Ich bin heute bloß spät aufgestanden, sonst nichts.“ Sie setzte sich auf die Bettkante und begutachtete prüfend die Kleidung, die sie aus dem Schrank gesucht hatte. „Keine überraschenden, spontan vom Himmel fallenden Traumprinzen hier. Im Übrigen wollte ich mich gerade anziehen.“
      Alice klang beinahe enttäuscht. „Och. Na ja, ich wollte dich bloß daran erinnern, dass wir uns heute Mittag treffen wollten. Du weißt schon, da wo wir immer sind, in unserem Stammcafé. Ich muss dir dringend was erzählen!“
      „Ich hab’s nicht vergessen“, versicherte Sam, obwohl genau das der Fall gewesen war. „Ist’s in Ordnung, wenn wir uns in zwei Stunden dort treffen? Ich wollte noch ein paar Kleinigkeiten am Computer erledigen.“
      „Eine ganze Filmtrilogie und ein neues Spiel illegal herunterladen?“
      Manchmal war Sam verblüfft, wie gut Alice sie kannte. „Äh… so ähnlich, ja.“
      „Fein fein, also dann bis nachher“, kam die fröhliche Stimme der jungen Frau aus dem Hörer. „Hast du übrigens daran gedacht, mir den Film zu brennen?“
      Das wiederum hatte Sam getan. Ihr Blick wanderte zu der DVD, die in der durchsichtigen Plastikhülle auf dem Bildschirm lag. Ein Film, den sich Sam nie im Leben freiwillig angesehen hatte – Filme über Frauen mittleren Alters und ihre sexuellen Erfahrungen in einer Großstadt waren nun wirklich nicht ihr Ding. „Ja ja, hab ich. Ich bring ihn dann mit“, meinte sie dann. „Und jetzt zieh ich mich erst mal an, bis nachher dann, Alice!“
      Sam legte schnell auf, denn sie wusste, dass Telefonate mit ihrer besten Freundin sich im schlimmsten Fall über Stunden ziehen konnten. Eigentlich ein mittelgroßes Wunder, dass sie sich so gut verstanden, denn im Grunde hatten sie so gut wie nichts gemeinsam. Vielleicht war aber auch genau das der Grund dafür, Gegensätze zogen sich bekanntlich an. Trotzdem hatte Sam keine Lust auf stundenlanges Telefonieren – sie legte das Handy zurück auf das Nachtkästchen, zog sich an und setzte sich dann wieder an ihren Schreibtisch. Der Download hing immer noch fest, daher löschte ihn Sam mit ein paar Klicks und machte sich daran, einen neuen zu suchen.
      „Verdammte Leecher“, maulte sie in sich hinein, fand dann aber recht schnell, was sie suchte. Mit zufriedenem Nicken beobachtete sie für einen Moment, wie die Prozentzahlen langsam in die Höhe wanderten, bevor sie das Fenster minimierte und ihren Weblog („You can’t spell Spam without Sam“) nach neuen Kommentaren überprüfte. Aber es gab offensichtlich nichts Neues in der Online-Welt. Etwas gelangweilt zog das Mädchen eine Schnute und fing schon beinahe an, sich zu wünschen, es hätte einen früheren Termin für das Treffen mit Alice vereinbart, da fiel sein Blick auf das Joypad, das noch immer auf seinem Bett lag.
      Für ein paar Runden Zombiejagd war noch genug Zeit.



      So, um ehrliche Meinung wird gebeten. :3


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Yay! : D
      Zuegeben - ich hab kein einziges Wort der Ursprungsfassung gelesen, aber gefreut habe ich mich trotzdem. Liegt vermutlich an den zeichnungen deiner persönlichen Illustratorin, wenn ichs so sagen darf ^^'

      Ich bin im allgemeinen keine gute Kritikerin, da ich mit Grammatik und Stil nichts am Hut habe, aber meckern kann man immer.

      „Ja, nachher dann. Es dürfte gerade ein ziemliches Chaos herrschen, irgendein Irrer ist unterwegs und schlachtet offenbar wahllos Leute ab.“

      Bei deiner Erfahrung was Filme/Spiele etc. angeht müsstest du mir doch eigentlich zustimmen, wenn ich sage dass der Satz... nunja, etwas ausgelutscht ist. Ich weiß ja nicht :/
      Minder schlimm, der Rest des Gesprächs gleicht das locker aus.

      und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen,

      Sicher, dass der Ausdruck nicht Umgangssprache ist? Ich nicht, aber es klingt so.


      Ich schätze, das gespräch mit Alice soll abslichtlich klischeehaft sein, aber das geht wirklich nicht:
      Du weißt schon, da wo wir immer sind, in unserem Stammcafé.

      Entweder "da, wo wir immer sind" oder "Stammcafé", aber nicht beides! D:


      Aber ich muss gestehen, ich mag Sam sehr. Gerade die ersten beiden Abschnitte über ihr Zimmer sind klasse!
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!
    • Erst mal danke für den Kommentar und die Hinweise - sowas hilft wirklich weiter. :o

      Original von Rayne
      Bei deiner Erfahrung was Filme/Spiele etc. angeht müsstest du mir doch eigentlich zustimmen, wenn ich sage dass der Satz... nunja, etwas ausgelutscht ist. Ich weiß ja nicht :/


      Wobei ich da nicht wusste, was ich da ändern sollte... schließlich entspricht es ja den Tatsachen. xD Ich hab dann einfach mal nen Kommentar von wegen "wie in einem Film" hinzugefügt, vll. hilfts.

      Die anderen Sachen - ja, sind mal angemerkt. Was Wortwahl, Satzbau und sonstige Konstruktionen betrifft, muss ich eh nochmal drüber. xD


      Nächster Abschnitt verfolgt Patrick; etwas heikel da ich von Polizeiarbeit eigentlich wenig Ahnung habe; deswegen wär's nett, wenn man mir sagen könnte, inwiefern das Ganze realitätsnah bzw. glaubwürdig is...





      2)

      Patrick war sich sicher, nicht zu spät zu sein, aber als er das Revier erreichte, stürmte sein Kollege Michael auf ihn zu, als warte er seit Stunden auf ihn.
      „Endlich Pat, hör mal, tut mir leid, dass wir dich an deinem freien Tag reinholen müssen, aber wir sind gerade etwas im Stress und brauchen dich“, schnaufte er ohne Einleitung, als Patrick zur Tür herein trat. „Wir haben vier Tote und alles, Reporter werden langsam aufdringlich und die Obrigkeit steigt uns langsam auf die Zehen und…“
      „Beruhig dich mal!“, unterbrach Patrick ihn und hob abwehrend eine Hand, während er die Treppen zu seinem Büro hinaufstieg und der rundliche Polizist neben ihm her wuselte. „Ganz langsam und der Reihe nach. Und ich kann nicht zaubern, also erwarte nicht, dass ich Wunder vollbringe.“
      Gemeinsam gingen sie durch den Korridor im Obergeschoss, ein weiterer Polizeibeamter hastete mit etwas gehetztem Gesichtsausdruck und einem Ordner unter dem Arm an ihnen vorbei. „Ich weiß, Pat, ich weiß“, beteuerte Michael und wischte sich über die Stirn. „Aber du bist der Einzige hier, der mal in Amerika als Profiler bei der Kriminalpolizei gearbeitet hat. Du hast ja auch diese Auszeichnungen und all den Kram“, fügte er hinzu, während Patrick sein Büro aufsperrte und in den etwas angeräumten Raum trat. „Es geht ja auch nur darum, dass die Zeitungen anfangen, von einem zweiten Jack the Ripper zu reden und…“
      Patrick schnaubte, trat um seinen Schreibtisch herum und schob die dort aufgestapelten Papiere beiseite. „Komm schon, die Zeitungen kommen immer mit solchem Unfug. Je reißerischer, desto besser.“
      „Das ist mir klar, Pat, das ist mir klar.“ Michael kratzte sich etwas verlegen am Hals. „Aber die Leute reagieren auf so was…“
      „Die Leute sind in der Regel auch hohl genug, um jeden Scheiß für bare Münze zu nehmen.“
      Michael machte eine hilflose Bewegung. „Da liegt ja das Problem. Jetzt wird von oben Druck auf uns gemacht. Wenn du einfach mal mit ihm reden könntest…“
      Patrick hatte bereits seinen Stuhl zurückgezogen und war im Begriff, sich hinzusetzen, aber er hielt mitten in der Bewegung inne und hob den Blick. „Reden?“
      „Na ja, unser Jack the Ripper sitzt im Moment unten in Handschellen im Verhörraum.“ Michael deutete mit dem Daumen nach unten und zuckte mit dem Mundwinkel. „Jeff und Peter haben ihn heute Morgen rein gebracht. Hat angeblich kaum Widerstand geleistet.“
      Kurz war Stille. „Okay, noch mal von vorne.“ Patrick erhob sich nach einigen Sekunden der beidseitigen Starre wieder aus der halb zu Ende gebrachten Bewegung, breitete die Arme aus und hob die Augenbrauen. „Es läuft ein Killer herum, er wird eingefangen, er sitzt unten fest… wo ist verdammt noch mal das Problem?“
      „Geiseln.“
      „Geiseln“, wiederholte der Polizist im selben Tonfall. „Was für Geiseln. Wie kann er Geiseln halten, wenn er unten im Keller sitzt?“
      Sein Kollege seufzte beinahe verzweifelt auf und hob die Schultern. „Hör zu, wir wissen ja alle noch nicht genau, was los ist. Angeblich hat er mehrere Leute an verschiedenen Orten eingesperrt und jetzt droht er, sie alle zu töten, wenn wir nicht tun, was er verlangt. Es ist alles… ziemlich heikel im Moment, wir sind auf solche Situationen nicht vorbereitet und er meint auch, wir dü…“
      „Ach so läuft das jetzt? Wir lassen uns einfach so von drogenabhängigen Möchtegernpsychopathen herumkommandieren?“ Patrick hieb mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, dann schritt er energisch um den Tisch herum und deutete Michael mit einer energischen Handbewegung, ihm zu folgen. „Herrgott noch mal, was sagen die hohen Tiere dazu?“, fragte er, während er auf zurück hinaus auf den Korridor trat und sein Kollege ihm wieder etwas keuchend folgte.
      „Sie wollen, dass du dir den Kerl zuerst einmal vornimmst, wie gesagt.“
      Diesmal war es Patrick, der seufzte. In einer resignierten Bewegung wischte er sich über das Gesicht, bevor er schließlich „Schön, ich geh runter und rede mit ihm“ antwortete. „Aber erwarte kein Weltwunder, ich bin auch bloß ein Mensch.“
      „Sicher, Pat, sicher.“ Michael lachte nervös. „Hör zu, wenn ich etwas für dich tun kann, sag’s mir einfach.“
      „Gut, dann geh doch mal eben und hol mir Erdnüsse.“
      „…Erdnüsse?“
      „Ja, du weißt schon, diese salzigen Dinger, die’s gegenüber gibt.“ Der Polizist schloss resolut seine Bürotür und sperrte sie ab, bevor er seinem Kollegen den Schlüssel zuwarf. „Eine große Dose. Und eine Flasche Cola. Das wird nämlich wieder einer dieser langen Tage, wie ich fürchte.“

      Das hatte Patrick so dahingesagt, aber als er schließlich vor der Glasscheibe stand und in den kleinen Raum dahinter auf die dort sitzende Person blicken konnte, wurde ihm klar, dass ihm wohl in der Tat ein langer Tag bevorstand. Der Täter war ein Mann mittleren Alters, schütteres, etwas fettig aussehendes Haar, eingefallene Wangen, blasse, beinahe graue Haut – definitiv nicht im besten Zustand. Patrick war sich je länger, je sicherer, dass sie es hier mit einem langjährigen Drogenabhängigen zu tun hatten, dessen Verstand im Lauf der Zeit irgendwo im Rauschgift ersoffen war. Er bewegte sich nicht, nicht einen Millimeter. Er hing bloß auf seinem Stuhl, die Hände in Handschellen vor sich auf die metallene Tischplatte gelegt, starrte ins Leere und rührte keinen Muskel.
      „Was wissen wir über ihn?“, richtete Patrick schließlich das Wort an den jungen Beamten neben sich, der etwas unbehaglich durch das Glas starrte und mit den Fingern auf das Klemmbrett trommelte, das er hielt. „Name, Alter, Motiv?“
      „Er wurde als Alexander Novak identifiziert, siebenundvierzig Jahre alt, Architekt.“ Beinahe entschuldigendes Schulterzucken. „Keinerlei Einträge in den Akten, nicht einmal Falschparker oder so etwas. Bis vor vier Tagen ein absoluter Vorbildsbürger, bezahlt seine Steuern, hat eine Frau, zwei Kinder… da, er ist sogar ehrenamtliches Mitglied beim Roten Kreuz. Keinerlei psychische Probleme oder Auffälligkeiten registriert.“
      Patrick verschränkte die Arme und warf seinem Kollegen einen schiefen Blick zu. „Und dieser… Vorbildsbürger beschließt vor vier Tagen urplötzlich, dass es lustig wäre, sich zufällig Leute aus der Bevölkerung zu greifen und sie zu schlachten?“
      „So sieht es aus.“ Nervöses Lächeln. „Wir arbeiten gerade dran, die Kripo ist überall drin, aber wir haben bisher kein Motiv. Ich weiß bloß, dass er heute um etwa halb sieben gefunden wurde, über dem halb ausgeweideten Körper einer Frau. Die …Opfer liegen übrigens alle bei Dr. Berger drüben, falls Sie ihn etwas fragen möchten.“
      Das würde Patrick definitiv noch tun, aber in ihm krampfte sich etwas zusammen, wenn er an den Gerichtsmediziner dachte. Nicht, dass dieser seine Arbeit schlecht machte oder unfreundlich war, aber Patrick kannte wenige Menschen, die einen so unglaublich morbiden Humor hatten wie Berger. Zudem dieser auch noch absolut keine Ekelschwelle zu besitzen schien. „Später“, meinte Patrick daher und hoffte, man konnte seinen Widerwillen nicht aus seiner Stimme heraushören. „Wie sieht’s mit Drogen aus? Wurden Rauschgifte in seinem Blut gefunden?“
      „Die Blutproben sind ebenfalls bei Dr. Berger im Labor. Ergebnisse bekommen wir wohl demnächst.“
      „Verstehe.“ Patrick nickte, steckte die Hände in die Hosentaschen und musterte die immer noch völlig regungslose Gestalt durch das Glas. „Also ein völlig normaler Mann dreht eines Tages durch und beschließt ohne besonderen Grund, Leute zu töten. Er hat weder ein Motiv, noch weist irgendetwas auf psychische Labilität hin, noch wissen wir, was er sich so reinzieht. Großartig. Irgendwas von seinem Anwalt?“
      „Er will keinen. Er meint, er will mit einem, äh, Zuständigen verhandeln.“ Das Klemmbrett landete unter resigniertem Seufzen auf dem kleinen Schreibtisch vor der Scheibe. „Sagen wir’s so: Man wird langsam auf den Fall aufmerksam und wir sollten das so schnell wie möglich über die Runden bringen.“
      Patrick nickte langsam. „Ich seh’ schon, es hängt mal wieder an mir.“ Kurze Pause. „Schön. Ich geh mal eben rein und versuche, unseren Gast auszuquetschen. Haltet hier draußen die Augen offen, falls er anfängt zu randalieren – ich hab nämlich wirklich keine Lust, so kurz vor meiner Pensionierung von einem Irren stranguliert zu werden.“
      Eine Antwort wartete Patrick erst gar nicht mehr ab, er wandte sich zur Seite und ging zu der Tür, die in den Verhörraum führte, nickte dem dort wartenden Wachmann zu und trat dann ein.

      Es war so still in dem Raum, dass Patrick beim Geräusch seiner eigenen Schritte beinahe zusammenzuckte. Das Licht war grell, die Wände kahl und abgesehen von dem Tisch in der Mitte und zwei Stühlen war kein Möbelstück darin. Novak rührte sich immer noch keinen Millimeter – erst als Patrick den Stuhl gegenüber des Mannes unter lautem Knarren zurückzog und sich darauf niederließ, hob er langsam den Kopf und blickte dem Polizisten entgegen. Diesmal zuckte Patrick tatsächlich zusammen, wenn auch unmerklich. Heilige Scheiße, fuhr ihm bloß durch den Kopf, als er die blutunterlaufenen, trüben Augen sah, die ihn anstierten, nun mehr denn je davon überzeugt, dass dem Mann wahrscheinlich bloß noch ein einziger Drogencocktail durch die Adern gepumpt wurde. Ein paar Momente starrten sie sich nur an, dann musste Patrick den Blick abwenden.
      „Alexander… Novak“, sagte der Polizist schließlich in die Stille hinein und räusperte sich. „Sie werden mehrfachen Mordes beschuldigt, weigern sich, einen Anwalt zu nehmen oder mit uns zu kooperieren, und stellen trotzdem noch Forderungen. Ist das soweit korrekt?“
      „So ist es.“ Die Stimme klang rau, dabei aber seltsam erstickt, als litte Novak an Polypen oder etwas in der Art. Vielleicht auch eine Nebenwirkung von Kokain. „Es ist verständlich, dass Ihnen das nicht gefällt, jedoch unvermeidlich.“
      Patrick kniff für einen Moment die Augen zu. „Bevor Sie ein weiteres Wort sagen, möchte ich Ihnen eine Frage stellen“, meinte er und hob abwehrend eine Hand.
      „Bitte sehr.“
      „Sind Sie komplett irre?“ Patrick stand auf, beugte sich vor und starrte sein Gegenüber an – diesmal, ohne wegzublicken. „Sie gehen zur Polizei und versuchen, sie zu erpressen? Ist Ihnen klar, was sie hier eigentlich versuchen?“
      Novak bewegte sich immer noch nicht, zuckte nicht mit einer Augenbraue, erwiderte den Blick nur stoisch. „Die Polizei hat mehr Möglichkeiten als ein gewöhnlicher Bürger. Zudem Sie gesetzlich verpflichtet sind, alles zu tun, um Leuten zu helfen.“
      „Aber nicht Verbrechern wie Ihnen.“
      „Ich rede doch nicht von mir.“ Zum ersten Mal ließ sich so etwas wie eine Gemütsregung im Gesicht des Mannes erkennen – ein schiefes Grinsen schlich sich in seinen Ausdruck, sehr dünn, als bereite es ihm körperliche Schmerzen. Aber es war definitiv ein Grinsen und noch dazu ein ziemlich boshaftes, wie Patrick mit wachsendem Zorn erkennen musste. „Ich rede von den elf Vermissten, deren Leben auf dem Spiel steht. Sie werden allesamt sterben, und das nicht unbedingt auf angenehme Art und Weise, wenn Sie nicht handeln.“
      Wieder trat absolute Stille ein, in der Patrick meinte, seinen eigenen Herzschlag hören zu können. Vor ihm immer noch unverändert dasselbe Grinsen mit dem beunruhigend dunkelroten Zahnfleisch, aufgesetzt wie eine Maske. Er spielte eine Rolle, eindeutig. Wahrscheinlich hatte er dieses Grinsen noch heimlich zuhause vor dem Badezimmerspiegel geübt.
      „So, wir spielen also Psychopath, hm?“, meinte der Polizist dann mit gefährlich leiser Stimme. „Zu lang vor dem Fernseher gesessen, abwechselnd Krimis und Drogen reingeknallt?“
      „Die armen unschuldigen Opfer sind allein da draußen“, antwortete Novak, ohne sich auf Patricks Provokation einzulassen. „Ich weiß nicht, ob sie länger durchhalten als zwei Tage, ein paar davon sahen in meinen Augen nicht sonderlich widerstandskräftig aus. Herumreden bringt uns da auch nicht weiter.“
      „Und wofür das alles? Macht Ihnen das Spaß? Wollten Sie schon immer ein großer böser Schurke sein und so berühmt werden?“ Patrick ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen und machte eine ausladende Handbewegung. „Ich kann Ihnen sagen, wie das endet. Bestenfalls landen Sie für den Rest Ihres Lebens in einer Gummizelle, viel wahrscheinlicher allerdings verurteilt man Sie lebenslänglich zu Einzelhaft. Sie haben bereits die Leben mehrerer Personen auf grausame Art und Weise beendet. Wohin soll das führen, können Sie mir das sagen?“
      „Ich will, dass Sie jemanden für mich finden.“
      „Um was zu tun?“
      „Das würden Sie nicht verstehen.“ Das Grinsen wich aus dem Gesicht und dann bewegte sich Novak zum ersten Mal: Er lehnte sich zurück, ungelenk, als seien all seine Muskeln steif. Die Handschellen klackerten leise.
      „Das dachte ich mir fast.“ Patrick seufzte und schüttelte den Kopf. „Sie sind nicht nur verrückt, sondern auch noch blöd. Wenn Sie wirklich jemanden finden wollen, gibt es weitaus schnellere, effektivere und vor allem sozial verträglichere Wege, als einfach Leute zu entführen und dann zur verdammten Polizei zu gehen und zu versuchen, diese zu erpressen. Schon mal von einem Telefonbuch gehört?“
      Hier begab sich der Polizist auf Glatteis, denn er wusste, dass es nicht sehr schlau war, einen Mann zu provozieren, der offenbar mehrere Leute ausgenommen hatte wie Schlachtvieh. Aber er wollte eine Reaktion, etwas das ihm verriet, woran er hier war. Solange der Mörder bloß da saß und kryptische Sätze von sich gab, brachte ihn das in der Tat nicht weiter. Novak jedoch zeigte nicht die kleinste Gemütsregung und klapperte bloß noch einmal mit seinen Handschellen. „Wenn es nur so einfach wäre. Aber ich sehe, Sie brauchen erst etwas Motivation. Ich werde Ihnen verraten, wo das erste Opfer ist, damit sie sehen, dass ich es ernst meine. Danach reden wir weiter.“ Er machte eine Pause und verengte beide Augen zu schmalen Schlitzen. „Kastanienallee Vier, hinten in der Scheune. Ich erwarte Sie in Kürze wieder, dann reden wir weiter.“

      „Sperrt ihn in irgendeine Zelle ein, mir egal wo, aber gebt acht, dass er auf keinen Fall abhauen kann“, herrschte Patrick seine Kollegen an, als er aus dem Verhörraum stürmte. „Ich will, dass das SEK eingeschaltet wird, die Kripo, ich will Durchsuchungsbefehle und Vollmachten, los! Du gehst die Vermisstenanzeigen der letzten Tage durch, und zwar alle, ich will wissen, wer wann und wo verschwunden ist! Michael, her mit den Erdnüssen, danke sehr. Ich brauche drei oder vier Leute, du, du und du, ihr kommt mit mir.“
      Er wartete erst gar nicht auf Antworten, sondern stürmte die Treppe hinauf, Michael und zwei andere Kollegen im Schlepptau, die etwas schockiert aussahen. „Er hat elf Leute entführt und eingesperrt?“
      „Ja und angesichts dessen, was er mit jenen angestellt hat, die er umgebracht hat, befürchte ich Schlimmes“, knirschte Patrick.
      „Was ist, wenn er uns eine falsche Adresse gegeben hat und nur mit uns spielt?“
      „Wir müssen dem trotzdem nachgehen, solange die Chance besteht, dass er die Wahrheit sagt. Ich habe keine Lust darauf, dass Leute sterben, nur weil ein Gestörter mit uns Katz und Maus spielt und wir es zu leicht nehmen.“
      Michael runzelte die Stirn. „Wir spielen sein Spiel also mit?“
      „Das habe ich nicht gesagt. Aber wir müssen trotzdem allen Hinweisen nachgehen.“
      „Ist nicht genau das sein Spiel?“
      Autotüren wurden aufgerissen, Polizeibeamte sprangen in ihre Wagen. Michael war für seine Statur beeindruckend schnell um das Auto herum und auf den Beifahrersitz gesprungen, während Patrick sich noch mit einer Hand anschnallte und mit der anderen nach dem Zündschlüssel suchte. „Solange wir noch nichts wissen, müssen wir dem nachgehen, was wir haben“, meinte er dann. „Sagen müssen wir ihm das allerdings noch lange nicht.“
      „Die Frage ist natürlich, ob er nicht genau darauf spekuliert…“
      Patrick antwortete nicht.


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Also... Ich wollte auch mal meinen Kommentar abgeben. Aber ich weiß gerade nicht so recht, wie ich anfangen soll.

      Es macht Spaß zu lesen, die Charaktere erscheinen sympathisch, man will mehr von ihnen wissen. Aber auf der anderen Seite wirken sie allerdings auch etwas sehr stereotypisiert. Sam ist durch und durch das nerdige Computerspielmädchen, Patrick der ausgebuffte Cop, der alles richten muss. Zwar sind eher wenig Mädchen solche Computerfanatiker, aber diesem Klischee, das für diese Mädchen gilt, entspricht Sam wiederum durchaus. Von daher freut man sich (/ich mich) zwar über sie zu lesen, weils schön geschrieben ist. Aber bisher ist sie halt doch, in diesem Rahmen, etwas standardisiert, genauso wie eben auch Patrick. Was aber nicht heißen soll, dass das jetzt irgendwie störend wirken würde - es ist mir bloß aufgefallen. Ich bin gespannt, was du mit dieser Basis nun machst, auf die Interaktion mit anderen. Da ist ja bisher noch nich so die Rede von.

      Von daher ist der Plot bisher ansprechend, aber nicht außergewöhnlich.
      Vom Schreibstil her lässt sich das sehr angenehm lesen, ich hatte sofort ein genügendes Bild von Situation, Personen und Handlungsorten im Kopf. Einzig aufgefallen ist mir, was auch Rayne schon kritisiert hat:

      Och. Na ja, ich wollte dich bloß daran erinnern, dass wir uns heute Mittag treffen wollten. Du weißt schon, da wo wir immer sind, in unserem Stammcafé.


      Das klingt ziemlich unglaubwürdig. Wenns wirklich Konsens zwischen den beiden ist, dass das gemeinter Café tatsächlich ihr Stammcafé ist, betont das niemand der beiden dermaßen. Dass das Café ihr Stammcafé ist, könnteste ja deutlich machen, indem Alice erstmal nur vorschlägt, sich im Café zu treffen, und der Erzähler später, wenn Sam ebenjenes betritt, das näher erläutert. Oder so. Ich mein bla, ist ne Bagatelle.

      Uuuund ja, stilistisch ist mir nichts weiter negativ aufgefallen. Wie gesagt.

      Poste mal mehr, dass es mal mehr zur Sache geht. :]


      Aso, ja, wer mir persönlich übrigens am ehesten wirklich als eigener Typ hängen geblieben ist, ist Dr. Berger, auch wenn der noch gar nicht vorkam. Aber ich bin gespannt, ihn kennenzulernen, auch wenn er nur eine Nebenperson darstellt.
      Und, was ich auch gut finde: Der Alexander wirkt nicht ganz wie der 08/15 Bösewicht, sondern hat bereits ein wenig Profil bekommen, weil er ja laut Beschreibung womöglich doch nicht der kranke Psychopath schlechthin ist, für den man ihn automatisch anfangs hält.


      edit: Flüchtigkeitsfehler udn ne Ergänzung
      I wasn't playing baseball, no!
      I wasn't playing football, no!
      I wasn't playing basketball, noo!
      I was playing Class War!

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von pondo ()

    • Ich sag einfach mal: :ugly:

      Da ich Sam aber schon eine Weile kenne, bin ich aber wohl nicht die Person, von der du hier extra Senf willst. Aber ich find's mal super und freu mich auf die Neuauflage.
      (Die Erpressung ist eine sehr interessante Idee.)

      Veria
      [Veria@Wandermaus /]$ su
      Password:
      [root@Wandermaus /]# mount -a /dev/hda1 /mnt/windows
      [root@Wandermaus /]# cd /mnt/windows
      [root@Wandermaus windows]# rm * -rf

      Software is like sex: it's better when it's free.
    • Besser spät als nie!

      Es ist mir selbst anfangs aufgefallen, aber ich habs recht schnell verdrängt. Aber nach dem, was Pondo über Sam und Patrick gesagt hat, muss ich ihm irgendwie zustimmen.
      Zu deiner verteidigung ist aber anzubringen, dass die beiden doch sehr glaubwürdig beschrieben werden. Das hat mich wohl die Ansätze der Gamergrrl!Sue vergessen lassen ^^'
      Egal, mal sehen was kommt.


      Ich hab keine Ahnung was Polizeiarbeit angeht, von daher ist jede Kritik meinerseits nicht angebracht. Eins muss ich sagen: es klingt zwar nicht sehr realistisch, aber dafür gut.

      ...Nur, das:
      Wahrscheinlich hatte er dieses Grinsen noch heimlich zuhause vor dem Badezimmerspiegel geübt.

      _geht_nicht_.

      ... Humor in der Situation verfehlt. Der erste Teil dazu ist gut, aber genau das macht es lächerlich.


      PS: "Wie im Film" ist eine tolle Ergänzung, finde ich :3
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!
    • So, nach Ewigkeiten mal wieder. :o

      Danke an alle für die Rückmeldung, auch an pondo, das zeigt mir wirklich, wie das alles auf Leute wirkt, die nicht wissen, was da noch alles passiert. Das mit den stereotypen Charakteren ist in der Tat nachvollziehbar und (ich muss es zugeben) nicht ganz unangebracht. Ein paar Sachen sind wirklich nicht neu. xDp
      Wobei ich meinen Schwerpunkt auch mehr auf die Interaktion legen will, die ja im späteren Verlauf (hoffentlich) etwas interessanter wird. Was Patrick und den Psychopathen betrifft, kann ich aber zumindest soviel verraten, dass keiner der beiden ist, wonach er jetzt noch aussieht. :o

      (Kritik wird übrigens angenommen; ich besser's zwar nicht direkt hier im Thread aus, aber ich nehme durchaus auch Änderungen vor xD)


      Die nächsten zwei Abschnitte sind etwas... aus der Luft gegriffen; zwischen den beiden passiert noch was, also die kommen NICHT direkt nacheinander, aber mich würde besonders bei denen interessieren, wie sie wirken. Das Klischee im ersten Abschnitt is beabsichtigt, da für den Charakter wichtig; der zweite is hoffentlich etwas weniger vorhersehbar. :o





      3)

      Das „Stammcafé“ war ein kleines Kaffeehaus ziemlich genau auf halbem Weg von Sams Wohnung zu ihrer Uni; ein stilles, gemütliches Lokal, in dem sie und Alice sich öfter trafen, sei es um für Prüfungen zu lernen oder einfach bloß so in der Freizeit. Das Personal dort schien Studenten gewohnt zu sein, denn niemand hatte sich je beschwert, wenn sie dort Ewigkeiten verbrachten, Skripten und Notizen über den Tisch verteilten und alle paar Stunden mal eine Tasse Tee oder Kaffee bestellten. In der Regel war einfach nicht viel los, aber jetzt, an einem sonnigen Samstag, schienen deutlich mehr Leute auf die Idee gekommen zu sein, sich hier zu versammeln – Sam war verblüfft darüber, wie viele der Tische im Freien belegt waren, zwängte sich an zwei alten Damen vorbei, die gerade das Café verließen und sah im Inneren mindestens genauso viele Tische besetzt. Es war zwar noch weit davon entfernt, überfüllt zu sein, aber auch keine Spur von der vertrauten Stille. Auch ihr Beinahe-Stammtisch war von einem Pärchen belegt, wie sie leicht genervt feststellen musste, doch sie musste trotzdem nicht suchen, denn Alice rief ihr in der nächsten Sekunde ungeniert quer durchs Lokal entgegen. „Hey, Sam! Samantha Perkins!“, begleitet von eifrigem Winken aus einem der hinteren Winkel. Sam verdrehte die Augen, konnte sich aber ein Grinsen trotzdem nicht verkneifen, als sie dem Winken folgte und sich schließlich an den kleinen Tisch direkt gegenüber ihrer Freundin setzte.
      „Du hättest gleich noch meine Telefonnummer und Adresse durch den Raum schreien können“, konnte sie sich den bissigen Kommentar dennoch nicht verkneifen, während sie den Stuhl zurechtrückte und ihre Tasche daneben abstellte. „Falls irgendjemand überhört haben sollte, wie ich heiße…“
      „Gute Idee, mach’ ich nächstes Mal“, erwiderte Alice nur trocken und fächelte sich Luft mit der Eiskarte zu. „Du bist sowieso Single, Telefonflirts würden dir nicht schaden. Findest du es übrigens nicht auch geradezu schrecklich heiß für die Jahreszeit?“
      Sam machte eine vage Kopfbewegung, die sowohl ein Nicken als auch ein Kopfschütteln sein konnte. „Die Sonne brennt ziemlich runter, ja, aber ich wette, im Juli wird’s dann noch mal wärmer.“
      „Schätze, ich bin dieses Wetter einfach nicht mehr gewohnt. Ich frage mich trotzdem vergeblich, wie du in langen Jeans herumlaufen kannst – ich würde sterben vor Hitze!“ Die Kellnerin näherte sich dem Tisch, Alice klatschte die Eiskarte auf die Tischplatte und bestellte ohne weiter nachzudenken „zwei Kugeln Erdbeereis, ohne Sahne. Und einen kleinen Cappucino.“
      „Für mich einen großen Schokobecher.“
      „Boah Sam, maßlos wie immer.“ Alice schüttelte in gespieltem Tadel den Kopf, als die Kellnerin mit den Bestellungen wieder ging. „Wenn ich mir die Mengen an Süßkram reinpfeifen würde, die du so verschlingst, könnte ich meine Strandfigur vergessen. Übrigens, lass uns doch nachher in die Stadt gehen – ich brauche einen neuen Bikini und du sicher auch.“
      Sam war sich ziemlich sicher, dass Alice keinen neuen Bikini brauchte und bereits genug Bademode besaß, um eigenhändig eine komplette Modenschau abhalten zu können, aber das war eines der Argumente, das bei der dunkelhaarigen Schönheit prinzipiell auf taube Ohren stieß – denn da entsprach sie nicht nur dem Frauenklischee, sie zelebrierte es geradezu. „Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch einen Bikini habe“, warf Sam dennoch ein. „Von letztem Jahr, weißt du noch? Der mit den Punkten.“
      „Oh Gott, du hast das Teil immer noch?“ Alice schien beinahe entsetzt. „Das Ding war schrecklich. Nein, nein, nein, etwas Stil muss schon sein.“ Sie dachte nach. „Ich denke, ich such mit etwas in dunkelrot – und du etwas in schwarz, dann können wir im Partnerlook gehen.“
      „Was?“
      „Na… rote Haare und schwarzer Bikini, daneben schwarze Haare und roter Bikini.“ Wie zum Beweis griff Alice nach einer Strähne ihres langen Haars und wedelte damit vor ihrem Gesicht herum. „Wie ein Filmduo. Hey, wir könnten so tun, als wären wir Schwestern!“
      Sam schnaubte durch die Nase. „Weil wir so sehr wie Schwestern aussehen. Oh, das Model und der Geek, na die müssen ja verwandt sein!“
      „Och, verdirb mir doch nicht immer den Spaß!“ Alice schob in gespieltem Schmoll die Unterlippe vor und verschränkte die Arme.
      „Nun, du musst zugeben, wir sehen uns nicht unbedingt ähnlich“, warf Sam mit schiefem Grinsen ein und nickte der Kellnerin dankend zu, als diese ihre Eisbecher und den Kaffee auf den Tisch stellte. „Um genau zu sein, überhaupt nicht.“ Fast energisch rammte sie den Löffel in die obere Schicht aus Schlagsahne und Schokoladeneis, während Alice nur ein winziges bisschen Eis auf ihren eigenen Löffel bugsierte. Als würde es einen Unterschied machen, in wie vielen Einzelportionen sie ihre zwei Eiskugeln aß. „Und um nicht komplett in typischen Girltalk abzurutschen: Wolltest du mir nicht irgendetwas dringend erzählen?“
      „Oh, ja!“ Alice ließ den Löffel wieder sinken und ein beinahe bösartiges Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. „Ich hab mit Tobias Schluss gemacht. Gestern.“
      Sam reckte in gespielt theatralischer Geste beide Hände gen Himmel. „Na Gott sei Dank, sag ich da. Woher der plötzliche Anflug an Vernunft?“
      „Das Arschloch hat mich mit Sabrina betrogen. Sie hat mich gestern unter Tränen angerufen und es mir gebeichtet. Also hab ich ihm ne Abfuhr verpasst und ihn rausgeworfen.“
      „Du klingst nicht sonderlich traurig“, stellte Sam fest und löffelte ihr Eis in sich hinein. „Nicht, dass du das sein solltest. Ich kann dich nur beglückwünschen.“
      Alice strich ihr dunkles Haar zurück und machte eine wegwerfende Geste. „Ehrlich gesagt, ich habe bloß nach einem Grund gesucht, ich hätte ihn eigentlich schon vor Wochen abschießen sollen.“
      „Genau das hab ich dir ja schon die ganze Zeit gesagt.“ Sam schob mit dem Ringfinger ihre Brille hoch. „Der Typ war doch echt bloß ein Klumpen Fleisch mit grundlegenden Sprachkenntnissen. Ein kompletter Vollidiot.“
      „Na ja, du weißt, wie er manchmal sein kann.“ Das dunkelhaarige Mädchen fröstelte plötzlich. „Ich weißt nicht, hätte ich so komplett ohne Anlass Schluss gemacht, würde er mich wohl nicht in Ruhe lassen.“
      „Wer sagt dir, dass er es jetzt tun wird?“
      „Bis jetzt hat er kein Wort gesagt und mich nicht angerufen.“ Alice zog demonstrativ ihr Mobiltelefon aus der Handtasche und warf schulterzuckend einen Blick darauf. „Ich sehe das Kapitel als beendet an. Wird Zeit, sich nach Frischfleisch umzusehen.“
      Sam seufzte, stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und verschränkte die Finger miteinander. „Alice… so wie du das anstellst, wirst du immer bloß bei den schwanzgesteuerten Vollidioten landen und dann wiederholt sich die Sache doch bloß wieder, bloß dass der Spacken anders heißt.“
      „Ich weiß ja, ich weiß ja“, gab das Mädchen zu und wand sich beinahe verlegen. „Aber sie sehen halt so gut aus.“
      Ein weiteres Seufzen. „Du bist einundzwanzig, Alice. Aber du redest gerade wie eine Vierzehnjährige, die gerade ihre Hormone entdeckt hat.“
      „Und du redest wie meine Mutter“, maulte sie, aber sie war nicht wirklich beleidigt. „Okay, ich bin vielleicht hin und wieder etwas leichtsinnig, aber du könntest ruhig mal etwas lockerer werden, Süße. Du hast doch damals diesen… Ben oder wie er hieß abblitzen lassen und ich weiß bis heute nicht warum. Der war doch nett. Und für einen Computerfreak auch gar nicht so unattraktiv.“
      Sam lief etwas rosa um die Nase herum an. „Er war nett, ja, aber… keine Ahnung, da war halt nix. Keinerlei Anziehung.“
      „Und dabei heißt es doch, Computernerds hätten so geschickte Finger.“ Alice grinste breit und nahm nun doch einen Löffel ihres bereits vor sich hin schmelzenden Erdbeereisbechers. „Wär doch einen Versuch wert gewesen, du alte Jungfer.“
      „Müssen wir das Thema wirklich immer und immer wieder ausbuddeln?“, stöhnte Sam, nun wirklich sichtlich rot im Gesicht, und versteckte sich hinter ihrem Schokobecher, aus dem sie mechanisch zu löffeln begann. „Ich hab doch eh immer noch ein schlechtes Gewissen.“
      „Schon okay, Sammie.“ Alice schob, immer noch schmunzelnd, das Eis von sich und nippte an ihrem Kaffee. „Aber ich bleib dabei, du musst mal wieder raus aus der Matrix. Wenn du fertig bist, gehen wir ins Zentrum und machen uns einen Frauentag. Bloß wir zwei. Und kein Wort über das Studium, es ist Wochenende.“
      „Hatte ich auch nicht vor“, versicherte Sam, froh über den Themawechsel. „Aber ich darf auch in den Elektronikladen, wenn wir daran vorbeigehen, ich muss mich ohnehin mal wieder nach ein paar Neuigkeiten umsehen.“
      Alice schmunzelte. „Warum bin ich nicht überrascht?“ Sie winkte der Kellnerin, dass sie zahlen wollte, als Sam ihren eigenen Becher ächzend von sich schob, ebenfalls bloß halb leer gegessen. „Kein Problem“, meinte sie dann. „Aber den Rest überlässt du mir. Ich hab auch zwei Gutscheine für den neuen Nachtclub drüben beim Stadion, da machen wir heute dann einen drauf. Den Namen weiß ich gerade nicht, aber ich hab die Adresse.“
      „Oh je.“
      „Nix da oh je“, widersprach Alice. „Hey, ich schlepp dich schon nicht zu irgendwas Obskurem. Du kannst mir vertrauen, ich weiß, was ich tue.“
      „Genau das macht mich so nervös…“




      (Hier kommt noch was dazwischen, das erste Kapitel is da noch nicht zu Ende)




      002: Praeparatio


      1)

      Die Lagerhallen wurden kaum noch genutzt, die meisten standen leer und verstaubten verlassen vor sich hin, während Ratten und ähnliches Ungeziefer darin umher strichen, manchmal auch der ein oder andere Landstreicher. Hin und wieder verirrten sich auch kleine Gruppen an Halbstarken hinein um Marihuana zu rauchen oder sonstige geheime Treffen zu veranstalten, aber abgesehen davon betrat wirklich kaum jemand die verrosteten Stätten, die ohnehin nichts anderes enthielten als leere Blechcontainer.
      Der etwas rostige Kleinlaster, der scheinbar zufällig und etwas schief vor einer der Lagerhallen parkte, passte gut in dieses trübe, verlassene Bild, den die Stätte vermittelte. Umso weniger schienen die zwei Personen in das Szenario zu gehören, die soeben gemeinsam eine der Lagerhaustüren unter lautem Quietschen aufschoben, um den Lastwagen ins Innere steuern zu können – viel zu nobel wirkten sie in ihren feinen Anzügen; wie Geschäftsleute, die sich verirrt hatten. Als die Lücke zwischen den beiden Torflügeln gerade groß genug war, stoppten sie; der Mann im schwarzen Anzug trat einen Schritt zurück und begutachtete seine mit abgeblättertem Rost gesprenkelten Handflächen missbilligend. „Ich hoffe sehr, dass wir nicht umsonst hierher gekommen sind“, fing er an und wischte seine Hände mit einem Naserümpfen aneinander ab. „Das sind ja unzivilisierte Zustände hier. Ich frage mich, warum wir nicht einfach irgendwelche Profis bezahlen, die das alles für uns erledigen…“
      Die schlanke junge Frau hinter ihm zuckte einmal betont desinteressiert mit den Schultern. „Weil die Profis nicht wissen, womit sie es zu tun haben und nicht länger überleben würden als ein paar Stunden?“
      „Vermutlich.“ Der Mann seufzte resigniert auf, strich mit einer automatisierten Geste das ohnehin perfekt zurückgegelte, farblose Haar zurück und warf einen kurzen Blick in die Halle, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Kleinlastwagen zuwandte. „Na ja, machen wir das Beste draus. Wärst du so nett und parkst den Wagen in der Halle, Chaos?“
      Wortlos glitt die Asiatin an ihm vorbei und stieg in das Fahrzeug. Er blieb stehen, steckte die Hände in die Hosentaschen und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen, während der Wagen hinter ihm langsam ins Innere der Halle tuckerte. Fast schien er etwas Bestimmtes zu suchen und reagierte nicht, als Chaos ihm aus der Halle zurief. Erst auf den zweiten, nachdrücklicheren Ruf hin wandte er den Kopf.
      „Vlad!“
      „Ja ja, ich komm schon, Kleines.“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und schritt in die Halle hinein. Die Asiatin war eben dabei, die Hintertür des Kleinlasters zu öffnen und zog eine an Schienen befestigte Liege heraus. Sie sah aus wie eine Krankenwagenliege, mit dem Unterschied, dass dicke Kunststoffbänder daran angebracht waren; Bänder, um eine etwaige darauf liegende Person festzurren zu können. Am Kopfende war ein metallisches Gerüst befestigt, die ungefähre Form eines Kopfes umfassend und zwei dünnen Nadeln, etwa auf Höhe der Schläfen. „Oh, das“, warf Vlad fröhlich ein, als er Chaos’ fragenden Blick bemerkte und trat an das Gerät heran. „Das habe ich selbst gebaut. Nicht hübsch, aber effizient.“
      „Es sieht auch nicht nach offiziell genehmigter Gerätschaft aus“, antwortete die Asiatin und fuhr mit einem ihrer schlanken Finger die Metallklammer entlang. „Willst du Nummer 94 lebendig einfangen? Der offizielle Befehl war, ihn zu liquidieren…“
      „Ich weiß“, meinte Vlad ungerührt und klopfte jovial auf die Schulter der jungen Frau. „Werde ich auch. Das Teil hier ist auch nicht für ihn bestimmt.“
      „Für wen dann?“
      „Sagen wir so: ich habe eine Theorie.“ Damit schien das Thema für Vlad erledigt und mit einer fast lässigen Handbewegung zog er die Liege unter leisem Rasseln komplett aus dem Wagen, bis ein metallisches Einrasten zu hören war. „Gib mir doch mal eben den silbernen Koffer da direkt neben dir im Wagen. Ja, den an der Wand.“
      Chaos zog nur eine Augenbraue hoch und griff dann neben sich in den Wagen, zog mit einem Ruck den Koffer aus der Halterung und reichte ihn ihrem Gegenüber. „Du hast deine eigenen Pläne, richtig?“, meinte sie mit etwas Skepsis in der Stimme, während Vlad den Koffer auf die ausgefahrene Liege legte und öffnete. „Du hast irgendetwas vor.“
      „Wann habe ich das nicht?“ Vlad zuckte mit den Schultern. Aus dem geöffneten Koffer zog er zwei große, halbautomatische Pistolen, die er daneben hinlegte. „Wann habe ich mich jemals wörtlich an das gehalten, was diese geldbesessenen arroganten Möchtegernilluminaten von mir wollten? So, wo ist denn nun… ah ja!“
      Zwei Pistolenmagazine kamen zum Vorschein. Vlad griff nach der ersten Pistole, lud sie und ließ sie im Inneren seines nachtschwarzen Anzugs verschwinden. „Weißt du“, fuhr er fort und tippte sich mit dem zweiten Magazin nachdenklich ans Kinn, während er nach der anderen Schusswaffe griff, „eigentlich ist es sogar gut, dass 94 durchgebrannt ist. Das ist besser als jede Laborsimulation oder Testreihe. Bloß das Ergebnis davon, wenn man eine Anomalie unvorbereitet in die Gesellschaft schleudert. Das hat was Chaotisches an sich, ich mag das.“
      Chaos’ Aufmerksamkeit lag jedoch mehr auf der Schusswaffe, die ihr Gegenüber nun ebenfalls lud. „Bekomme ich auch eine?“
      „Nein“, erwiderte Vlad ungerührt und verstaute die zweite Pistole nun auch in seinem Anzug. „Viel zu schweres Kaliber. Du würdest damit nichts treffen, bloß das Gleichgewicht verlieren und auf deinen hübschen Hintern fallen.“
      Chaos’ Augen glühten beinahe auf. „Ich falle nie. Und ich verliere nie das Gleichgewicht.“
      „Stimmt. Dumm von mir“, gab Vlad zu, aber in einem Tonfall, als hätte sie ihm zugestimmt anstatt widersprochen. „Allerdings verträgt sich Munition nicht sonderlich mit Elektrizität. Du würdest dich nur selbst in die Luft jagen. Für dich…“ Er griff ein letztes Mal in den Koffer und warf der Asiatin ein kleines Objekt zu. „…habe ich das hier.“
      Etwas überrascht drehte sie es in den Händen. Die verzierten Fingerklauen an ihrer rechten Hand klickten leise auf dem Plastik. „Ein… Notizblock und eine Kreditkarte?“
      „Richtig erkannt.“
      „Was soll ich damit?“
      Vlad seufzte. „Na ja, was man mit Kreditkarten eben tut. Das hier ist eine Millionenstadt. Geh los, kauf dir was Schönes. Bring deiner Freundin etwas mit.“ Er knuffte sie in gespielter Kumpelhaftigkeit in die Seite. „Ich habe beim Ankommen auch mehrere Beate-Uhse-Läden gesehen, falls du Ideen brauchst.“
      Chaos runzelte nur etwas verwirrt die Stirn und warf einen Seitenblick auf den silbernen Koffer und die Liege. „Aber… ich dachte, wir…“
      „Wir machen einstweilen überhaupt nichts“, antwortete Vlad, nun wieder kühl und nüchtern, und schloss mit leisem Klicken den Koffer wieder. „Erst warte ich auf LeRoues Analysen und Theorien. Dann werde ich ein wenig herumtelefonieren und ein paar Bürohengsten Feuer unterm Hintern machen. Und du streifst bis dahin durch die Stadt und hältst die Augen offen. Mach Notizen von allem, was auffällig ist und auf 94 hinweist.“ Er kratzte sich am Kopf. „Ich hätte dir ja einen kleinen PDA gegeben, aber du weißt ja, die halten bei dir nicht lange durch…“
      Diesmal widersprach Chaos nicht, sie zuckte bloß mit dem Mundwinkel und steckte sowohl Block als auch Kreditkarte ein.
      „Sieh es als Betriebsausflug, Kleines. Mach dir ruhig einen schönen Tag, kauf dir was ...auch immer ihr Frauen so gern einkauft.“ Mit einem fast beiläufigen Schubser mit der Schuhspitze ließ er die Liege zurück ins Wageninnere rasseln. „Halt dabei einfach die Augen offen. Kauf billige Klatschzeitungen und sieh dich nach mysteriösen Mordserien um oder wie die das auch immer bezeichnen. Oh, und wenn du meine persönliche Meinung hören willst: kauf dir eine verspiegelte Sonnenbrille, deine Augenfarbe ist doch etwas auffällig. Und sei heute Abend wieder zurück.“
      „Okay, verstanden“, meinte Chaos dann mit einem Nicken und dem Anflug eines Lächelns, während Vlad die Hintertüren des Kleinlasters wieder schloss. „Und… was ist deine Theorie?“
      Er legte einen Finger auf die Lippen. „Es ist erst eine vage Idee, daher behalte ich das mal für mich, bis ich mehr weiß“, meinte er dann. „Aber wenn ich mich nicht irre, und ich irre mich selten, dann stehen uns ein paar sehr interessante Tage bevor, meine Kleine…“






      Kritik wie immer erwünscht. :o
      Besonders die Meinung von Frauen würde ich gern hören; keine Ahnung wie authentisch/realistisch der Girltalk im ersten Abschnitt ist, brauch Einschätzung von Insidern. :ugly:


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Der Girltalk ist grandios, ich bin restlos begeistert. Alice wirkt so lebendig und lebensfroh wie nie zuvor, du hast dich wirklich sehr verbessert, was das angeht. Früher mochte ich sie schon sehr, aber sie war zu sehr wandelndes Klischee, jetzt ist sie ein lebendiges wandelndes Klischee, ich liebe sie. Wie sie mit Sam umgeht, wie Sam mit ihr umgeht, grandios. So viele Kleinigkeiten, über die ich mich gefreut habe (Sam schaufelt das Eis, sie tippt es nur mit der Löffelspitze an usw).
      Besonders toll der Schwester-Aspekt. Bei Sams Satz mit dem geek musste ich tatsächlich lachen. Wundervoll, du bekommst die beiden sehr schön in den Griff.
      Ich liebe es, dass Alice Sam "Süße" nennt. xD [SIZE=7]Kay nennt mich auch so. xDb[/SIZE]

      Der Absatz mit Vlad und Chaos ist auch klasse. Hier würde ich nur zwei Dinge anmerken: Dass er sie "Kleines" nennt, klingt für mich etwas abwertend. Ich würde einen anderen Kosenamen nehmen, irgendwas seriöseres.
      Spoiler anzeigen
      Immerhin ist sie sein gehörigstes und effizientestes Werk, ich glaube nicht, dass er sie abwertend behalden würde, oder?

      Eine Alternative fiele mir aber gerade auch nicht ein. :/ (Ich bin bei "Darling", aber das passt nicht zu Vlad. Vielleicht Cherie? Da französisch? Oder so?)

      Und da war noch was... ähm...
      Ach so! Ja. Dass er sie ermahnt, sie soll abends zurückkommen, finde ich super gut: Er behandelt sie ja serh großzügig in dem Abschnitt, aber dieser Satz macht klar, dass ER das Sagen hat und sie ihm GEHORCHT. Ich würde den Satz durch ein kleines "pünktlich!" energischer machen. :>

      Uwaah, ich liebe diese Story. *Uly totdrück* xD




      Obligatorisch: Wann kommt Jake? :ugly:
      Næhmachinery
      Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
      The world in a cyclone, pouring out.
      No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
    • Yay! Es geht weiter!

      Danke an alle für die Rückmeldung, auch an pondo, das zeigt mir wirklich, wie das alles auf Leute wirkt, die nicht wissen, was da noch alles passiert.

      ...Dieser Satz verführt mich gerade dazu, wilde Spekulationen anzustellen. À la "Sam ist Chaos! Vlad ist in wirklichkeit Alice Vater!"... aber ich glaub ich lasses lieber :ugly:

      Als weibliches Wesen muss ich mir die Schande eingestehen, dass ich nun wirklich keine Ahnung von Girltalk habe. Zumindest auf mich wirkt der Absatz im Stammcafé sehr authentisch und wesentlich interessanter zu lesen als irl mitzubekommen.
      „Das Arschloch hat mich mit Sabrina betrogen. Sie hat mich gestern unter Tränen angerufen und es mir gebeichtet. Also hab ich ihm ne Abfuhr verpasst und ihn rausgeworfen.“

      Das klingt so furchtbar klischeehaft. (Warum nicht gleich Sabine statt Sabrina? 8D) Allerdings kann ich mich nicht entscheiden, ob das das Gespräch auf eine komische Art und Weise ins pseudo-klischee zieht, oder obs einfach unpassend ist. Kann da aber nicht viel zu sagen :/

      Sam war sich ziemlich sicher, dass Alice keinen neuen Bikini brauchte und bereits genug Bademode besaß, um eigenhändig eine komplette Modenschau abhalten zu können, aber das war eines der Argumente, das bei der dunkelhaarigen Schönheit prinzipiell auf taube Ohren stieß – denn da entsprach sie nicht nur dem Frauenklischee, sie zelebrierte es geradezu.

      Der Absatz wiederum ist geradezu fantastisch! Ich musste beim ersten Lesen schon heftig grinsen, sehr gelungen. xD

      Der zweite Absatz ist so mysteriös wie der erste im Labor - und ich muss wieder sagen, dass ich keine Ahnung von Schurkenklischees habe. Geschrieben ists aber gut, kann mich in keinster Weise beschweren.
      ...Bis auf:
      „Sieh es als Betriebsausflug, Kleines. Mach dir ruhig einen schönen Tag, kauf dir was ...auch immer ihr Frauen so gern einkauft.“

      Das klingt sehr nach einer Wiederholung, die in so einem kurzen Abstand eher stört. Muss aber anmerken, dass mich die Beate-Uhse-erwähnung sehr amüsiert hat ^^


      Beschleunige mal dein Arbeitstempo! D:<
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!
    • Mensch, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll - ich hab's jedenfalls verschlungen, das dürfte dir Kompliment genug sein ;)

      Sams und Alices klischeehafte Charakterzeichnung gefällt mir richtig gut, eben weil es ins Klischee reingeht - dass die beiden sich im Laufe der Geschichte noch weiter entwickeln, ist ja eigentlich klar. Jedenfalls ist Sam mir unglaublich sympathisch, sie hat einiges von mir - bin zwar nicht der Computernerd, aber ihr Charakter ist mir doch sehr ähnlich, daher ist sie mir beim Lesen sofort ans Herz gewachsen.
      Und Patrick liebe ich jetzt schon - so einen Vormund hätte wohl jeder gerne ^^

      Und was den Girlstalk angeht - viel realistischer geht's gar nicht - hab' selber 'ne Freundin, die genauso quasselt wie Alice, dass man kaum selbst zu Wort kommt, wirklich eins zu eins! 8|


      Jetzt frage ich mich doch aber: Ist "94" der Psycho, der bei Pat auf dem Revier hockt? Ich denke mal, ja, ne? Dieser Ausgebrochene vom Prolog... Bin richtig gespannt, was er für jemand ist - wurde er "erschaffen", seine Gene irgendwie verändert?
      Und Vlad ist jetzt schon recht zwiespältig, gefällt mir gut - einerseits ist er der rücksichtslose Kerl, der bestimmt vor nichts zurückschreckt, um seine Ziele (welche auch immer das sein mögen) zu erreichen, andererseits ist der Kerl mir auf eine unbestimmte Art auch sympathisch - mal sehen, wie er und Chaos sich entwickeln.


      Kritik könnte ich im Moment nur die geben, die die anderen schon geschrieben haben, beim nächsten Mal halt ich mich mit Lesen ran ;)

      "Heirs of Miraika"
      Fantasy, Steampunk, LGBT+

      "Dreaming of Dawn"
      Fantasy, Psychological, Depression
    • Ich danke nochmal allen herzlich für das Feedback, ich hab auch einige der Kleinigkeiten schon verändert, die von Rayne genannt wurden - im Endeffekt wird am Schluss eh wieder die ein oder andere Szene komplett neu geschrieben oder sonstwie verändert, ich kenn mich ja. xD






      So, der nächste Abschnitt gehört eigentlich mitten in den letzten Abschnitt rein, da wo ich's im Text angemerkt habe. Das heißt, es gibt noch einen kleinen Abschnitt belanglosen Girltalk - aber keine Sorge, es ist der Letzte in der Geschichte. So ziemlich. xD

      Und auch hier bitte - sobald etwas unlogisch erscheint, sofort schreien. Ich hab nie bei der Polizei gearbeitet und Arzt bin ich auch keiner. :x



      [...]
      Sam, die von Mode und Styling wenig hielt und noch weniger verstand, war aus gutem Grund präventiv entnervt – zumindest aus ihrer Sicht. Wie sie erwartet hatte, war Alices Definition von „Frauentag“ eine Shoppingtour; etwas, das Sam nicht sonderlich leiden konnte, solang es in Modegeschäften stattfand. Wehmütig dachte sie daran, dass ein Stockwerk unter ihnen im Kaufhaus ein sehr gut ausgestatteter Elektronikladen auf sie wartete, aber ihre beste Freundin kannte kein Erbarmen. Zudem Sam sich ihr Schicksal selbst eingebrockt hatte, als sie, in einem Versuch, an Alices Modeverständnis zu appellieren, angemerkt hatte, für den Nachtclub ohnehin nichts Passendes anzuziehen zu haben. Aber statt so dem Club zu entkommen war sie in das gigantische Kaufhaus in der Stadtmitte geschleppt worden um sich nightlifetauglich einkleiden zu lassen. Damit hätte sie eigentlich rechnen können, wenn sie im Nachhinein darüber nachdachte. Wenigstens kam sie so um den Bikinikauf herum.
      „So, und jetzt lass dich mal ansehen“, verlange Alice und trat einen Schritt zurück, um Sam prüfend von oben bis unten mustern zu können. „Na bitte, ist doch nicht übel. Was sagst du dazu?“
      Sie zupfte mit leicht unbehaglicher Miene an dem Oberteil herum, das sie probeweise angezogen hatte. „Ich sehe aus wie eine Minderjährige, die auf dem Weg zur ihrem ersten Saufgelage mit betrunkenen Pädophilen ist, um ihr Selbstbewusstsein zu steigern.“
      „Dafür müsstest du zentimeterdick geschminkt sein sowie tiefen Ausschnitt und einen ultrakurzen Minirock tragen“, erwiderte Alice nur nüchtern.
      „Du meinst so kurz wie deinen schwarzen, den du auf der letzten Party hattest?“
      Das wiederum nennt man ein Cocktailkleid, Sammie. Ernsthaft jetzt.“ Alice trat vor, packte ihre Freundin an den Schultern und drehte sie herum, so dass sie in den Spiegel in der Umkleidekabine sehen konnte, aus der sie eben getreten war. „Sieh dir das an und sag mir, was daran schlecht ist. Ohne Sarkasmus jetzt mal.“
      Automatisch wanderte Sams Hand hoch und schob die Brille mit dem Ringfinger ein Stück nach oben. „Die Jeans ist zu eng“, meinte sie dann. „Und das Oberteil ist bauch- und rückenfrei. Und meine Schultern sind nackt. Ich kann das nicht ausstehen.“
      Du wolltest etwas ohne Ausschnitt“, lautete Alices Entgegnung. „Das ist bloß ungewohnt, weil du sonst immer diese labbrigen alten T-Shirts trägst, die fast bis auf den Boden hängen. Man sieht bloß ein klitzekleines bisschen Bauch und ein Stück Rücken, da gibt’s weitaus Schlimmeres.“ Ihr Blick wanderte demonstrativ in Richtung eines Kleiderständers voller Oberteile in diversen Formen und Farben. „Ne, also wenn du mich fragst, das hier ist perfekt. Dezent sexy, ohne allzu freizügig zu sein, passt zu deiner Statur und die Farben stimmen auch.“
      Stirnrunzeln. „Farben? Inwiefern meinst du?“
      Im Spiegel konnte Sam sehen, wie ihre Freundin hinter ihr die Augen ob der Nichtwürdigung ihres geschulten Modeauges verdrehte. „Na guck doch mal. Das Top hat fast exakt dasselbe Grün wie deine Augen.“ Kurze Pause. „Okay, wie das linke davon zumindest. Das rechte hat günstigerweise dieselbe Farbe wie die Jeans, das passt also auch.“
      „Oh wow, ich hab’ modekompatible Augen“, seufzte Sam, musste aber innerlich gestehen, dass das Mädchen die Farbe tatsächlich erstaunlich passend gewählt hatte, wenn sie die Sache genauer betrachtete. „Aber komm, wem fällt denn ernsthaft auf, dass sie unterschiedlich gefärbt sind?“
      Alice ließ nun endlich die Schultern ihrer Freundin los und schmunzelte leicht. „Es war das Erste, das mir aufgefallen ist, als wir uns kennen gelernt haben. Okay, gleich nach der Haarfarbe. Kannst du dich nicht erinnern?“
      „Du hast mich angesehen, als sei ich vom Mars gefallen“, nickte Sam und musste nun selbst leicht grinsen. „Du hast mich mitten im Vorlesungssaal gefragt, ob die Augenfarbe echt wäre.“
      „Und du hast natürlich bierernst geantwortet Nein, das sind Glasaugen, du wirst mir vorlesen müssen, was vorne auf der Tafel steht. Und ich Idiot hab’s einen Moment lang auch noch geglaubt.“ Sie machte eine Pause und kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Ich weiß, du machst gerne einen auf unscheinbares graues Mäuschen, aber du musst zugeben, du hast doch ein paar auffällige Sachen an dir.“ Der nachdenkliche Blick wandelte sich in ein breites Grinsen. „Und es bietet sich total dazu an, um mit dir ins Gespräch zu kommen.“
      „Beziehungsweise um Leute loszuwerden“, antwortete Sam, nicht unzufrieden mit sich selbst. „Der letzte Idiot ist schnell abgehauen, nachdem ich ihm gestanden habe, dass ich an Heterochromie leide.“
      „…woran?“
      Das Mädchen zeigte auf seine Augen, mit todernster Miene, aber amüsiertem Funkeln im Blick. „Zweifarbigkeit. Sehr gefährliche Sache.“
      Einen kurzen Moment war Pause, dann lachte Alice schallend auf. „Das hast du echt gesagt? Wieso weiß ich davon nichts? Ah Sam, wie gemein von dir!“
      „Der Typ war mindestens doppelt so alt wie ich. Und besoffen.“ Sam hob die Schultern. „Und da wunderst du dich, warum ich nicht gern auf Partys oder in irgendwelche Tanzschuppen gehe.“ Sie seufzte, schritt dann zurück in ihre Umkleidekabine und zog den Vorhang energisch zu. „Ich zieh mich eben schnell wieder um.“
      „Aber das Top und die Jeans nehmen wir mit“, beharrte Alice.
      „Was heißt hier wir? Es sei denn natürlich, du zahlst…“
      Auch wenn Sam das nun nicht sehen konnte, zog Alice eine Schnute. Im Inneren der Kabine hörte man leise einen Gürtel klirren. „Sei jetzt nicht so, Sammie. Das sind doch beides Sonderangebote.“
      „Geizkragen“, spottete Sam aus dem Inneren der Kabine, dann riss sie den Vorhang ebenso energisch wieder auf; nun wieder in ihre alten Klamotten gekleidet, die neuen Sachen säuberlich über den Arm gefaltet. „Aber meinetwegen“, meinte sie dann – ein knapper, etwas kühler Kommentar, begleitet von einem betont gleichgültigen Schulterzucken, aber bei jeder anderen Person hätte sie sich weiterhin gesträubt. Alice hatte einen guten Blick für Stil und Aussehen, das wusste Sam und vertraute ihrer Freundin in der Hinsicht auch praktisch blind. Auch wenn es anstrengend war, sich die Leier jedes Mal wieder antun zu müssen.
      „Siehste!“, kam es zufrieden von der dunkelhaarigen jungen Frau, die um diese Tatsache vermutlich sehr genau Bescheid wusste. „Irgendwann bring ich dir auch bei, dir selbst Kleidung zu kaufen, bevor sie von selbst zerfällt, glaub mir.“
      „Immer zu zweit sie sind – ein Meister und ein Schüler!“
      „Was?“
      „Nicht so wichtig“, grinste Sam und ging demonstrativ mit ihren Sachen in Richtung Kasse. „Und zur ausgleichenden Ungerechtigkeit gehe ich jetzt noch in den Gameladen im unteren Geschoss. Und du kommst mit.“
      „Och .“


      4)

      Der Krankenwagen entfernte sich mit blinkendem Blaulicht. Patrick lehnte sich aufseufzend an seinen Dienstwagen und wischte müde über sein Gesicht. Michael schlich wie ein getretener Hund an ihn heran und lehnte sich daneben, immer noch etwas weiß um die Nase. „Wie geht es ihr?“, fragte er dann.
      „Unterkühlt. Traumatisiert. Leichte Verletzungen.“ Patrick wandte den Blick in die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war. „Aber der Notarzt meinte, dass keine Lebensgefahr besteht. Jeff ist gleich mitgefahren, damit er sie befragen kann.“
      „Na immerhin etwas.“ Eine lange Pause entstand und Patrick wollte bereits selbst etwas sagen, da räusperte sich sein Kollege. „Tut mir übrigens leid wegen vorhin, ich… hab einfach die Nerven geschmissen. Bin so was nicht gewohnt.“
      Patrick winkte ab. „Sowas kommt normalerweise auch nicht vor. Erinnerst du dich noch, als wir dachten, diese drei verrückten Skinheads in der Innenstadt damals wären das Schlimmste, was uns passieren konnte?“
      Er hatte durchaus schon einige unangenehme Sachen erlebt, obwohl er nicht direkt Kriminalpolizist war, aber das Desaster um Novak war irgendwie… falsch. Es erinnerte ihn mehr und mehr an diesen Film, den er einmal zusammen mit seiner Nichte im Kino gesehen hatte – Sam hatte sich königlich über das blutige Schlachten amüsiert, aber Patrick hatte den Plot um den Irren, der Leute in tödliche Situationen brachte und sie sich freikämpfen ließ, nicht sonderlich unterhaltsam gefunden. Hauptsächlich, weil er fürchtete, irgendjemand könnte tatsächlich auf die dumme Idee kommen, so etwas wirklich zu tun. Nun, offenbar war es nun so weit.
      „Was jetzt?“, fragte Michael schließlich etwas verzweifelt. „Das ist doch hoffentlich jetzt nicht unser Job, oder?“
      „Es fällt eigentlich nicht in unseren Aufgabenbereich.“ Patrick löste sich vom Wagen, wandte sich um und öffnete die Wagentür. Mit einer knappen Handbewegung deutete er seinem Kollegen an, sich in den Wagen zu setzen, tat dann dasselbe und wartete auf dem Fahrersitz, bis Michael um das Auto herum marschiert war und sich neben ihn auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. „Aber untätig herumsitzen werden wir auch nicht“, meinte er dann.
      Michael schenkte ihm einen etwas skeptischen Seitenblick. „Was meinst du?“
      „Wir brauchen diese Vermisstenliste“, antwortete der Polizist mit Nachdruck und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. „Wir müssen wissen, wer von den Verschwundenen zu Novaks Opfern zählen könnte – die sollten schleunigst gefunden werden.“ Er wies über die Schultern hinweg zu der kleinen Scheune neben dem leer stehenden Haus, aus der sie gekommen waren. „Wenn die anderen in einer ähnlichen Situation stecken wie dieses Mädel, dann machen die’s nicht mehr lange.“
      „Ja, aber das ist doch…“
      „Und sieh zu, dass du die Kripo irgendwie dazu bringst, ihre Ärsche hier rüber zu schwingen“, fuhr Patrick unbeirrt fort. „Die sollen ihre Raubkopierer mal ein paar Stunden in Ruhe lassen und sich stattdessen mit Novak beschäftigen. Bloß weil wir ihn haben, heißt das ja nicht, dass der Fall gelöst ist, Herrgott noch mal…“
      Michael klappte den Mund zu und sagte nichts mehr, beobachtete nur, wie sein Kollege mit einer ärgerlich wirkenden Bewegung den Motor des Wagens startete. „Und was… machst du?“, wagte er schließlich zu fragen.
      Patrick hob eine Augenbraue. „Ich“, meinte er mit etwas unglücklicher Miene, „werde Berger einen Besuch abstatten.“

      Dr. Berger war vermutlich der beste Gerichtsmediziner, mit dem Patrick je zu tun gehabt hatte, aber auch der mit Abstand skurrilste. Jedermann kannte ihn unter dem Spitznamen „Frankenstein“ und das schien den Arzt nicht einmal zu stören – im Gegenteil, er hatte sogar beinahe geschmeichelt gewirkt, als er davon erfahren hatte. Und eigentlich wunderte das Patrick gar nicht, denn er kannte niemanden, der sein Image als verrückter Professor so sehr pflegte wie dieser Dr. Arthur Berger. Aber wahrscheinlich wurde man automatisch kauzig, wenn man tagein, tagaus mit Leichen aus diversen Kriminalfällen zu tun hatte.
      „Ah, da sind Sie ja, Rosenblum!“, begrüßte ihn die etwas heisere Stimme des Arztes, als Patrick die Autopsieabteilung betrat. Bevor er etwas sagen konnte, wurden ihm ein Mundschutz und zwei Gummihandschuhe entgegen geworfen und die panische Befürchtung beschlich ihn, dass Berger von ihm verlangen würde, in den Leichen herumzuwühlen. „Ich habe Sie schon erwartet. Hier rein bitte, hier rein!“
      Patrick sah nur noch den weißen Kittel flatternd in einem Türrahmen verschwinden. Beißender Geruch von Desinfektionsmitteln und anderen chemischen Substanzen schlug ihm entgegen und plötzlich war er froh, den Mundschutz zu haben – etwas ungeschickt zwängte er ihn sich auf das Gesicht und folgte dem Arzt widerwillig in den Autopsieraum.
      „Sie haben auf mich gewartet?“, wiederholte Patrick etwas lahm und schlüpfte nun auch noch in die Gummihandschuhe – besser als hier drin irgendetwas anfassen zu müssen.
      Bergers Gesicht war von seinem eigenen Mundschutz verdeckt, aber sein Grinsen war beinahe zu spüren. „Wenn irgendetwas Schräges passiert, sind Sie meistens nicht weit. Ich denke nur an den Leichenschänder vor drei Jahren…“
      „Ich bin wegen Novak hier“, unterbrach Patrick, der sich ungern an diesen Fall erinnerte. „Bitte.“
      „Natürlich, natürlich.“ Berger wirbelte trotz seiner mindestens fünfzig Lenze herum wie ein Schuljunge vor seinem ersten Rendezvous und schritt zu einem Operationstisch. Mit einem harten Klack sprang die OP-Lampe darüber an und schien grell auf etwas herab, das von einer bleichgrünen Decke bedeckt war. „Ich muss sagen, so etwas Seltsames habe ich schon lange nicht mehr erlebt.“
      „Inwiefern?“
      Der Arzt wandte sich um und warf Patrick einen Blick zu, den dieser nicht deuten konnte. „Ich sollte doch die Blutproben untersuchen, richtig? Nach Spuren von Drogen in Novaks Blut.“ Er griff nach einem Klemmbrett, das auf einem kleinen Tischchen daneben lag und winkte dem Polizisten, näher zu kommen – was dieser widerwillig tat. Berger warf einen Blick auf das Brett und drehte es dann so, dass Patrick sehen konnte, was auf dem Blatt darauf stand. Dieser hatte zwar keine Ahnung von Medizin, war sich aber sicher, dass nicht fast alle darauf eingetragenen Werte rot eingeringelt, unterstrichen und mit hektisch hingekritzelten Fragezeichen versehen sein sollten. Bei „Diagnose“ am unteren Rand stand bloß ein offensichtlich verwirrtes WTF??
      „Was …soll das heißen?“, fragte Patrick etwas hilflos nach und ließ den Blick von dem Diagnoseblatt zum Arzt und wieder zurück wandern.
      „Also, die gute Nachricht ist, dass Novak nicht auf Drogen ist.“
      „Und… die schlechte?“
      Das Klemmbrett wurde achtlos zurück auf das Tischchen geworfen. „Er ist mausetot. Ernsthaft. Der Typ sitzt immer noch munter und gesund oben herum und hat das Recht, zu schweigen?“
      Patrick blinzelte. „Ja… so ungefähr.“
      „Dann haben wir es mit einer echten Zombie-Apokalypse zu tun.“
      „Okay, jetzt mal langsam!“ Patrick hob abwehrend beide Hände. „Ich habe nie Medizin studiert, bitte erklären Sie mal, was Sie meinen.“
      Berger kratzte sich am Ohr. „Nun, diese Blutwerte treten normalerweise höchstens dann auf, wenn jemand seit Tagen in der Leichenhalle liegt und währenddessen von einem Scherzkeks mit Glukose vollgepumpt wird.“ Er griff noch einmal nach dem Klemmbrett und hämmerte mit einem seiner hageren Zeigefinger auf einer der eingeringelten Zahlen herum. „Diese Blutzuckerwerte sind geradezu lächerlich. Das nenne ich nicht mehr Blut, das ist schon Sirup. Verdünnen Sie’s Eins zu Sieben und Sie haben Vampir-Limo.“
      Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Patrick verstanden hatte, worauf der Mediziner hinauswollte. „Also… Novak dürfte demnach gar nicht mehr lebendig sein?“
      „Ich glaube, viel toter kann man kaum werden.“
      Patricks Laune sank weiter als sie ohnehin schon gewesen war. Natürlich, es wäre ja zu einfach gewesen, wenn es einfach bloß Drogen gewesen wären. „Vielleicht… war es ein Messfehler?“
      Berger nickte. „Das dachte ich zuerst auch. Aber ich hab’s überprüft. Fünf verdammte Male.“
      „Novak ist also medizinisch gesehen tot“, wiederholte der Polizist.“
      „Genau das ist ja das Lustige.“ Der Arzt breitete seufzend die Arme aus. „Sollte er jedenfalls. Aber das Blut gerinnt auch nicht. Es ist, als sei er einfach gestorben, aber sein Kreislauf sagt einfach Nee du, dat läuf nisch und arbeitet einfach weiter.“
      Das würde jedenfalls Novaks sehr ungesund wirkendes Äußeres erklären, überlegte Patrick. Die graue Haut, die trüben Augen… hatte er überhaupt geblinzelt? Patrick erinnerte sich nicht. Er konnte es sich nicht erklären, aber womöglich litt Novak an irgendetwas Unbekanntem. Etwas, dass ihn in den Wahnsinn trieb. „Irgendeine neue Krankheit vielleicht?“
      „In seinem Blut habe ich jedenfalls nichts dergleichen gefunden, sonst wäre hier schon alles unter Quarantäne.“ Kurze Pause. „Wobei ich zugeben muss, dass es schon schwierig genug war, überhaupt die Blutgruppe dieses Typen zu bestimmen. Wie gesagt, das ist nur noch Zuckerbrühe mit Rhesusfaktor.“
      Patrick atmete einmal tief durch und bereute es sofort, denn der Chemiegeruch biss sogar durch den Mundschutz in seine Kehle und ließ ihn husten. „Okay, das einmal beiseite“, meinte er dann. „Was ist mit den Opfern? Lässt sich wenigstens hier etwas erkennen?“
      „Ah.“ Berger hob einen Zeigefinger. „Hier wird es dann erst recht interessant.“ Ohne ein weiteres Wort abzuwarten schlug er die Decke von dem Operationstisch hinter sich zurück – unwillkürlich stolperte Patrick zurück, denn so etwas hatte er nicht erwartet. Zwar hatte er gehört, was Novak mit seinen Opfern angestellt hatte, aber hier, im grellen Licht der Lampe jedes Detail erkennen zu können war doch etwas anders, als nur davon zu hören.
      Die Leiche war eine Frau, oder zumindest was davon übrig war. Der Unterkiefer fehlte, Hals und Brust waren nach außen hin aufgebrochen, als hätte ihr jemand eine Bombe verfüttert und diese dann hochgehen lassen. Berger schien allerdings so ungerührt, als hätte die Frau nur einen kleinen Schnitt am Daumen. „Sehen Sie mal“, meinte er. „Ach, kommen Sie her, sie beißt schon nicht. Könnte sie nicht mal, wenn sie wollte.“
      „Ha-ha“, machte Patrick, kam aber einen Schritt näher, wenn auch widerwillig.
      „Was fällt Ihnen auf?“
      „Ähm… der Kiefer fehlt?“
      „Okay, ja, das ist natürlich wahr.“ Der Arzt hob den Blick und sah beinahe tadelnd aus. „Ist auch schon seltsam genug, denn jemandem mit bloßen Händen den Unterkiefer auszureißen ist nicht gerade einfach. Aber das meinte ich nicht.“
      Der Polizist zwang sich zu einem genaueren Blick. „Sie ist… innen drin ganz schwarz?“
      „Genau das. Sie ist innerhalb weniger Stunden extrem schnell verrottet, nachdem Novak sie umgebracht hat. Die Pointe des Ganzen ist jetzt nur, dass auch ihr Blut solche Glukosewerte aufweist wie das seine.“ Er verschränkte die Arme. „Mit dem Unterschied, dass ihr Blut inzwischen geronnen ist.“
      Patrick wandte sich ab, hauptsächlich um sich den Blick der entstellten Leiche zu ersparen, aber auch, weil er spürte, wie ihm die Sache aus den Händen glitt. „War das mit allen Mordopfern der Fall?“
      „Richtig geraten.“
      „Okay, womit haben wir’s zu tun, Berger?“ Patrick wischte sich über das Gesicht, diesmal jedoch nervös. „Auch wenn’s eine absolut abwegig scheinende Theorie ist, ich will sie hören.“
      Hinter sich hörte er den Arzt seufzen und die Decke flattern. Er wandte sich um und sah dankbar, dass er die Leiche wieder bedeckt hatte. „Ich hatte gehofft, Sie könnten mir das sagen. Ich hatte an eine Krankheit gedacht oder an eine Vergiftung, aber es passt einfach alles nicht zusammen.“ Er griff nach dem Mundschutz und zog ihn herunter – der graue Stoppelbart zeugte davon, dass Berger mehrere Tage hier unten verbracht haben musste, ohne zwischendurch nach Hause zu gehen. „Jedenfalls… na ja, ich rate Ihnen, sich möglichst nicht von Novak verletzen zu lassen, rein vorsichtshalber.“
      „Weiß jemand davon?“
      „Natürlich!“ Berger klang fast entrüstet. „Ich habe die Ergebnisse überall hingeschickt, wo ich sie hinschicken konnte und die Blutproben gleich dazu. Es nimmt nur irgendwie keiner ernst, weil es so unmöglich ist.“
      „Aber sie werden es akzeptieren müssen, wenn sie es selbst nachmessen“, warf Patrick ein.
      Berger zog eine Schnute. „Aber das dauert sicher noch ein Weilchen. Mein erstes Protokoll wurde einfach zurückgeschickt, weil es für einen Fehler gehalten wurde.“
      „Schön“, schnappte Patrick, obwohl nichts daran schön war. „Abgesehen von den unmöglichen Blutwerten, gibt es andere Verbindungen zwischen den Opfern?“
      „Daran arbeite ich gerade.“
      Und die Kriminalpolizei würde in kürzester Zeit ebenfalls hier sein – zumindest hoffte Patrick das. Er schlich langsam zu einem Hocker in einer Ecke des Raumes und ließ sich ächzend darauf nieder. „Ich fasse das mal zusammen“, meinte er dann. „Ein Irrer, der eigentlich tot sein sollte, zieht herum und bringt Leute um, die ebenfalls tot sein sollten und versucht uns jetzt dazu zu erpressen, für ihn jemanden zu finden.“
      „Andere Möchtegernzombies?“ Berger sah nun ernsthaft interessiert aus. „Hat er schon Genaueres dazu gesagt?“
      Das hatte Patrick noch gar nicht bedacht – er hatte Novak nicht gefragt, nach wem genau er suchen würde. Womöglich stimmte es und er war auf der Jagd nach auf seltsame Weise entstellten Menschen. Aber wozu? Nur um sie umzubringen? „Jedenfalls“, meinte der Polizist dann, „hat er mehrere Geiseln genommen und will uns damit zur Mitarbeit zwingen. Herrgott, wir haben ein Mädchen gefunden, das mit Ketten in eine mit Wasser gefüllte Badewanne gekettet war. Etwas länger und sie wäre buchstäblich aufgeweicht.“
      „Oh ja, das kenn ich“, nickte Berger, völlig ungerührt. „Das war mal eine beliebte, sehr qualvolle Hinrichtungsmethode. Wollen Sie wissen, was mit einem Körper passiert, der zu lange im Wasser bleibt?“
      „Nein!“ Etwas leiser meinte Patrick dann: „Aber als was sich Novak dann schlussendlich entpuppt, zuerst müssen wir seine anderen Geiseln finden. Ich meine, wer weiß was er mit denen so angestellt hat?“
      „Dabei kann ich hier unten leider nicht helfen…“
      „Das nicht.“ Patrick erhob sich, zog die Gummihandschuhe von seinen Händen und warf sie in den Mülleimer neben der Tür. Der Mundschutz folgte einen Moment später. „Aber Sie können versuchen, mehr Verbindungen zwischen den Opfern und Novak zu finden, irgendwelche Hinweise, egal was. Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendwas haben.“
      „Ich dachte, die Kriminal…“
      „Ich weiß. Rufen Sie mich trotzdem an.“
      Ohne ein weiteres Wort verließ Patrick den Autopsieraum, mehr als heilfroh, den chemischen Geruch nicht mehr in der Nase zu haben. Obwohl es vermutlich nicht mehr in seiner Zuständigkeit lag, sobald die Kripo eintraf, beschloss Patrick, die Nacht im Revier zu verbringen und sich näher mit der Sache zu beschäftigen.
      Irgendwas stimmte hier nämlich ganz und gar nicht.





      So, und das ist wohl fürs Erste vermutlich der letzte Teil, der hier reingepostet wird. Vielleicht kommt später nochmal was zu einer späteren Stelle rein, wer weiß. :x


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Ich liebte berger in der Urururururur-Version, ich liebe ihn jetzt.
      Viel zu meckern ode rzu korrigieren gibt es von meiner Seite aus nichts, Widerspruche sind mir keine aufgefallen, daher eher was zum Inhalt: Der Teil bei Sam und Alice, bei dem sie darüber reden, wie sie sich kennengelernt haben, ist extrem hölzern und wirkt stark nach etwas Aufgeschriebenem, das etwas Gesprochenes wiedergeben soll. Wenn du weißt, was ich meine. ^^"

      Dass du jetzt indirekte Rede in wörtlicher rede durch kursiv wiedergibst, ist auch gewöhnungsbedürftig, ich weiß aber spontan nicht, wie die Regeln da sind (abgesehen vom einzelnen Anfühungszeichen).

      Und einmal hast du nach einem Redebegleitsatz einmal ein Paar Ausfühungszeichen zuviel.

      Ansonsten, wie immer: Weiter so. <3


      [SIZE=1]Wann kommt Overmind?[/SIZE] :ugly:
      Næhmachinery
      Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
      The world in a cyclone, pouring out.
      No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
    • Original von FoWo
      Der Teil bei Sam und Alice, bei dem sie darüber reden, wie sie sich kennengelernt haben, ist extrem hölzern und wirkt stark nach etwas Aufgeschriebenem, das etwas Gesprochenes wiedergeben soll. Wenn du weißt, was ich meine. ^^"


      Nnnnnicht ...direkt, nein. xD
      Also, hölzern, okay, stimmt auch irgendwie (mag die Szene eh nicht sonderlich und muss da sowieso nochmal drüber), aber das danach nicht ganz. :x

      (Und lol, mir sind gerade auch ein paar Wortwiederholungen aufgefallen. Kommen auch raus)


      Das mit dem kursiv... hm, das is mir so eigentlich lieber, da sieht man wenigstens gleich, dass es ein Zitat ist und nicht direkt das ist, was der Chara selber sagt. Es sei denn, es stört wirklich total, dann kann ichs auch mit einzelnen Anführungszeichen machen... kA, find die aber unästhetisch. :ugly:

      Btw, sag mir schnell, wo die doppelten Ausführungszeichen sind, ich find die grad nicht. xD


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Irgendwo hinter irgendetwas was Patrik in einem einzelsatz sagt. :ugly: xD;

      Bezüglich Sam: Na ja, man merkt irgendwie, dass du halt schreibst, dass sie sagten, was sie früher schon mal gesagt haben. Will sagen, es wirkt GESCHRIEBEN, nicht GESAGT.
      Tipp: Lies dir das mal laut vor, vielleicht merkst du es dann. Einfach diese Rezension dessen, was passiert ist, wirkt unecht.

      bezüglich der Indirekten rede kann ich dir da nicht reinreden, aber ich wollt's bemerkt haben. xD
      Næhmachinery
      Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
      The world in a cyclone, pouring out.
      No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
    • Wie, der vorläufig letzte Teil?! D:
      Und dabei kommt das ganze jetzt erst in Fahrt, Schweinerei!

      Einzelne Fehler so direkt habe ich mal keine gefunden und auch sonst nicht wirklich was zum rumstänkern. Nur bin ich mir nicht sicher, ob der Gerichtsmediziner für Blutanalysen zuständig ist. Allerdings hab ich nicht mehr Ahnung als du, es kam mir bloß seltsam vor.

      Berger ist schon toll, aber die Gerichtsmediziner sind eh immer komische Kauze xD'
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!