So dann bin ich wieder. Mit einer neuen Geschichte im Gepäck. So wie geplant und so wie versprochen. Wenn ihr euch fragt was ich in den letzten Wochen (Monaten) getrieben habe... tja. Das frage ich mich manchmal auch.
Fest steht, das ich jetzt irgendwas habe, was definitiv über die 30-Seiten Marke hinaus ist; ob ich es dann fertig stelle, ist eine andere Sache, und ob es überhaupt brauchbar ist, werden wir dann auch sehen.
Zur Geschichte selbst: Sie hat nichts mit Zelda zu tun. Sie ist mir spontan in den Kopf gesprungen und ich habe mehrere dutzend Stunden in meiner Hängematte verbracht, um sie näher auszuarbeiten. Stylistisch nicht sonderlich stark, hat aber etwas mit dem Erzähler zu tun, und (hoffentlich) nicht mit mir. Worum es geht? Voila; Vorwort und sowas wie ein Prolog;
Ach ja, Titel ist zunächst nur provisorisch. Mal sehen, ob ich ihn so beibehalte.
Wie man ein Loch gräbt
Ein Loch
Ich falle.
Ich bin Jack Conner und ich falle in diesem Moment durch eine verdammte Schwärze, die ich mit meinem beschränkten Wortschatz nicht beschreiben kann. Ehrlich gesagt, habe ich auch keine große Lust, meine Umgebung in diesem Moment näher zu beschreiben; ich habe wichtigere Sorgen. Coco zum Beispiel. Oder bei all diesem Wahnsinn bei klarem Verstand zu bleiben, zum Beispiel.
Rikks hat gesagt, ich soll Tagebuch führen, damit ich nicht anfangen kann, Dinge zu vergessen. Was er damit sagen will, weiß er glaub’ ich selbst nicht so genau. So ist Rikks nun mal - er scheint über alles bescheid zu wissen, ohne wirklich Ahnung zu haben.
Aber das macht nichts – er ist ein guter Kumpel. Hilfreich ist er nicht besonders und wenn es ums Erklären geht, ist reden auch nicht seine Stärke, aber er hat sein Herz am rechten Fleck. Manchmal wünsche ich ihm selbst bei seiner schrecklich gleichgültigen Art, dass er zurück findet.
Ich falle also durch dieses - moment, fallen ist wohl das falsche Wort. Man fällt nicht durch undurchdringliche Schwärze und schreibt dabei seinen ersten Eintrag in sein Tagebuch, man fällt nicht eine scheinbare Endlosigkeit durch... durch Nichts. Das macht keinen Sinn. Schließlich bin ich irgendwo reingefallen, aber werde nicht unten ankommen. Ich werde irgendwo ankommen, aber bestimmt nicht unten.
Das wäre übrigens ziemlich schmerzvoll.
Vielleicht sollte man das mit einer Zugfahrt vergleichen... ja, das ist gut. Es ist wie eine Fahrt in einem verdammten Zug, nur dass du nicht weißt, wo du landen wirst. Das Ankommen ist so wie Lottospielen; dass du dort bist, wo du sein willst ist dann so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, der ganze Spaß ist wie ein urkomisches Glücksspiel, bei dem ich den Witz der ganzen Sache noch nicht kapiert habe.
Rikks hat gesagt, irgendwann wirst du es begreifen oder wird es dir zumindest so weit egal sein, dass du dir darüber nicht mehr den Kopf zerbrichst. Wunderbar. Ich hab aber keine Lust, auf ein Irgendwann zu warten, ich habe keine Lust mein ganzes Leben lang von einer verrückten Welt zur nächsten zu reisen und ich habe definitiv keine Lust, meinen Verstand so weit verloren zu haben, dass mir das ganze hier gleichgültig sein wird.
Aber ich glaube, ich verliere den berühmten roten Faden. Ich versuche mal, meine Situation in einem Satz zusammenzufassen: Ich stecke in Schwierigkeiten. Und Coco vermutlich auch; aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide heil aus der Sache herauskommen, ist ziemlich gering; und die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie bei diesem Irrsinn überhaupt finde, liegt bei gleich null.
Nein, nein... vielleicht sollte ich weiter vorne anfangen, sonst hört ihr womöglich auf hier zu lesen, weil euch das ganze zu bunt wird.
Also, ich bin Jack Conner und ich falle.
Davor
Es regnet.
Den ganzen Tag lang ist der Himmel schon bedeckt gewesen, aber vor ein paar Minuten hat es angefangen, wie aus Kübeln zu gießen.
„Scheiße, wie es pisst. Lass uns morgen wieder kommen, Coco. Das hier ist Wahnsinn.“
In einer mittelgroßen Stadt, die wiederum klein genug ist, um keinen relevanten Namen zu haben, beginnt unsere kleine Geschichte auf einem Friedhof. Trotz Regen und Wind hat sich unser Held - ein durchschnittlicher Oberstufenschüler der namenlosen Stadt, ein Jugendlicher, der theoretisch mit jedem der hier lebenden seinen Platz hätte tauschen können, so normal ist er - …hat sich unser Held zusammen mit seiner Freundin in die Hände des peitschenden Herbststurms begeben, nicht ahnend, was der Tag ihnen bringen wird.
„Heute ist sein Todestag, Jack“, erwidert das Mädchen anklagend. „Dann kann ich nicht einfach morgen kommen.“
Die beiden Freunde laufen dicht zusammen gedrängt unter dem im Wind tanzenden Regenschirm, der bei diesem Sturm fast einer Beleidigung gleicht, so nutzlos ist sein Streben, dem Regen zu trotzen. Ein Schwall Wasser ergießt sich über den Rücken des Jungen und er drückt sich fluchend näher an seine Freundin.
„Das ist absurd. Es kann ihm doch egal sein, wann du kommst.“
„Dir doch auch.“
„Es regnet!“.
„Passend zu meiner melancholischen Stimmung. An statt zu meckern, könntest du meiner zutiefst erschütterten Seele Trost spenden.“
Jacks Arm presst sie fest an sich, dann beugt er sich über sie und küsste sie lang und intensiv.
„Besser?“, murmelt er zwischen ihrem keuchenden Atem und den langenden Lippen.
„Viel“, grinst sie. Als sie ihre Hände wieder in seine nassen Strähnen graben will, entreißt der Wind ihr den Schirm aus der Armbeuge und zerrt das bockende Drahtgestell in den tobenden Himmel.
„Oh, der Schirm“, sagt sie.
„Macht nichts. Hauptsache du wirst mir nicht entrissen.“
Sie streckt ihm die Zunge entgegen. „Scherzkeks.“
„Selber.“
So schlendern sie weiter auf dem matschigen Gehweg, links und rechts stehen verstreut die Grabmäler und betrachten sie stumm und ernst, als würde der verwitterte Stein ihnen bei einer Prozession zuschauen.
Als sie bei dem Grab ankommen, sind sie endgültig bis auf die Knochen durchnässt, aber wenn man keine trockene Stelle am Körper hat, scheint man sie auch nicht mehr zu vermissen. Gleichgültig dem Regen gegenüber und in ein bedächtiges Schweigen verfallen, stehen die beiden am schiefen Kreuz, den überschwemmten Überresten von ehemaligen Blumen, den Pfützen, den vom Wind niedergerissenen Kerzen.
Jack spürt, wie Coco in seinen Arm kaum merklich zusammensackt und er fasst nach ihrer Hand, um der erschütterten Seele Trost zu spenden.
„Ich vermisse ihn“, sagt sie nach einer Weile.
„Ich auch“, antwortet er, obwohl er ihren Bruder nie gekannt hat. Sie schenkt ihm ein leises Lächeln mit großen, trauernden Augen. Sie weiß seine Aufmerksamkeit zu schätzen, ist ihm dankbar dafür, dass er sie begleitet hat, dass er immer für sie da ist.
Das Mädchen kniet sich nieder und greift nach einer der Kerzen. Ihre Hände sind nass und beben vor Kälte, deshalb findet sie ihr Feuerzeug nicht auf Anhieb und auch als sie es schafft, einen Funken zum Brennen zu bringen, wollen ihre Finger ihr nicht gehorchen.
„Moment“. Er nimmt ihr das Feuerzeug aus der Hand, holt ein Taschentuch heraus, das im Regen sofort durchweicht, und wischt die Kerze ab. Wieder flackert eine Flamme aus der Öffnung, doch als er sie an den Docht hält, verlischt sie.
„Die Kerze ist nass“, stellt er überflüssigerweise fest, als er nach einigen Versuchen noch immer keinen Erfolg hat.
„Macht nichts. Geht auch so.“
Sie starrt auf den Grabstein und ist eine ganze Weile still. Dann:
„Was soll ich sagen?“.
„Keine Ahnung. Vielleicht irgendwas Nettes.“
„Hmmm.“ Sie runzelt die Stirn. „Er war... er war einfach er. Da gibt es nichts zu sagen.“
„Dann sag halt nichts.“
Wieder starrt sie auf den Stein, als müsse sie immer und immer wieder den Namen lesen, der damals mit ihrem Bruder für sie gestorben war.
„Schau mal“. Ihre gerunzelten Augen sind auf dem Namenszug fixiert. „Das ist seltsam.“
Jack braucht ein paar Sekunden mehr, um den Widerspruch zu sehen. „Seine Daten sind vertauscht“, sagt er erstaunt.
Lennard Jockey
17. September 2005 - 23. August 1982
Du wirst für immer in unserem Herzen bleiben.
„Seltsam“, wiederholt sie. „Gestern war es richtig rum.“
In der Ferne grollt ein Donner heran und explodiert über ihren Köpfen; wie eine Welle, die erst heran rollte und dann bricht.
Jack fährt sich mit der Zunge über die tropfende Unterlippe und schmeckte bitterkaltes Regenwasser.
„Sicher?“.
Seine Freundin antwortet nicht; zögernd suchte sie sich einen Weg zwischen dem Unkraut auf dem Grab und den verdörrten Blumen des Vortages. Um im Zwielicht des grollenden Himmels etwas erkennen zu können, holt sie noch mal das Feuerzeug heraus und geht mit dem flackernden Licht an die eingravierte Schrift.
Jack, der zitternd zurück geblieben ist, schaut ihr zu. Vielleicht ist es die Kälte und die Nässe, vielleicht das Gewitter über ihren Köpfen, vielleicht auch ein viel unbegreiflicher Grund; jedenfalls wird ihm plötzlich schrecklich unwohl bei der Sache und ein Schauder läuft ihm über den Rücken.
„Coco?“. Sie antwortet nicht. „Komm, lass uns gehen. Es ist verdammt kalt hier. Und nass.“
Immer noch keine Antwort.
„Ich will nach Hause... ziehen wir uns einen Film rein, ja?“.
Im strömenden Regen ist sie kaum mehr auszumachen, die schlanke Gestalt mit den weißen, fransigen Haaren. Jack kneift die Augen zusammen und reckt den Hals. „Coco?“.
Es blitzt.
Dann ist sie verschwunden.
Jack blinzelt, schließlich klappt der Mund im wortlosen Erstaunen auf. Ein Laut, der unmöglich der menschlichen Sprache zugeordnet werden kann, entweicht seinen Lippen, dann hat er seine Starre überwunden und stolpert auf den verdammten Stein zu.
„Hey...! Wo bist du...?!“. Sein Herz klopft. „Coco?“.
In der Eile, rutscht er einmal im Schlamm aus, zweimal bleibt er an den umliegenden Büschen hängen und stößt sich mehrmals am Stein; er schaut hinter dem Grab, im Gestrüpp, zurück auf dem Weg, ja, er schaut sogar, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen vor dem Tropfenregen blinzelnd, in den Himmel und sucht verzweifelt nach dem UFO, dass sie womöglich entführt hat.
Schließlich schleppt er sich mit dröhnendem Kopf zurück zum Grabmal und starrt auf die vertauschten Daten.
„Scheiße.“ Wütend tritt er gegen den Stein. Es tut weh.
„Was ist hier verdammt noch mal los?!“.
Bevor er überhaupt klare Gedanken fassen kann, streckt er sich nach den Eingravierungen aus und hämmert gegen den Stein, als ob er Schuld an Cocos Verschwinden hätte.
Beziehungsweise, er hat vor, dies zu tun, aber sobald seine Fingerspitzen den Granitpfeiler berühren, wird es plötzlich schwarz.
Dunkelheit umschlingt ihn und die Szene des tropfenden Friedhofs mit den drohenden Grabmälern bleibt verlassen zurück.
Ja, das soll erst mal reichen.
Ich werde die ganze nächste Woche nicht posten können, weil ich zum verlängerten WE weg bin (ab Dienstag ^^), aber ich freue mich auf jegliche Kommentare.
LG
Nayleen
Fest steht, das ich jetzt irgendwas habe, was definitiv über die 30-Seiten Marke hinaus ist; ob ich es dann fertig stelle, ist eine andere Sache, und ob es überhaupt brauchbar ist, werden wir dann auch sehen.
Zur Geschichte selbst: Sie hat nichts mit Zelda zu tun. Sie ist mir spontan in den Kopf gesprungen und ich habe mehrere dutzend Stunden in meiner Hängematte verbracht, um sie näher auszuarbeiten. Stylistisch nicht sonderlich stark, hat aber etwas mit dem Erzähler zu tun, und (hoffentlich) nicht mit mir. Worum es geht? Voila; Vorwort und sowas wie ein Prolog;
Ach ja, Titel ist zunächst nur provisorisch. Mal sehen, ob ich ihn so beibehalte.
Wie man ein Loch gräbt
Ein Loch
Ich falle.
Ich bin Jack Conner und ich falle in diesem Moment durch eine verdammte Schwärze, die ich mit meinem beschränkten Wortschatz nicht beschreiben kann. Ehrlich gesagt, habe ich auch keine große Lust, meine Umgebung in diesem Moment näher zu beschreiben; ich habe wichtigere Sorgen. Coco zum Beispiel. Oder bei all diesem Wahnsinn bei klarem Verstand zu bleiben, zum Beispiel.
Rikks hat gesagt, ich soll Tagebuch führen, damit ich nicht anfangen kann, Dinge zu vergessen. Was er damit sagen will, weiß er glaub’ ich selbst nicht so genau. So ist Rikks nun mal - er scheint über alles bescheid zu wissen, ohne wirklich Ahnung zu haben.
Aber das macht nichts – er ist ein guter Kumpel. Hilfreich ist er nicht besonders und wenn es ums Erklären geht, ist reden auch nicht seine Stärke, aber er hat sein Herz am rechten Fleck. Manchmal wünsche ich ihm selbst bei seiner schrecklich gleichgültigen Art, dass er zurück findet.
Ich falle also durch dieses - moment, fallen ist wohl das falsche Wort. Man fällt nicht durch undurchdringliche Schwärze und schreibt dabei seinen ersten Eintrag in sein Tagebuch, man fällt nicht eine scheinbare Endlosigkeit durch... durch Nichts. Das macht keinen Sinn. Schließlich bin ich irgendwo reingefallen, aber werde nicht unten ankommen. Ich werde irgendwo ankommen, aber bestimmt nicht unten.
Das wäre übrigens ziemlich schmerzvoll.
Vielleicht sollte man das mit einer Zugfahrt vergleichen... ja, das ist gut. Es ist wie eine Fahrt in einem verdammten Zug, nur dass du nicht weißt, wo du landen wirst. Das Ankommen ist so wie Lottospielen; dass du dort bist, wo du sein willst ist dann so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, der ganze Spaß ist wie ein urkomisches Glücksspiel, bei dem ich den Witz der ganzen Sache noch nicht kapiert habe.
Rikks hat gesagt, irgendwann wirst du es begreifen oder wird es dir zumindest so weit egal sein, dass du dir darüber nicht mehr den Kopf zerbrichst. Wunderbar. Ich hab aber keine Lust, auf ein Irgendwann zu warten, ich habe keine Lust mein ganzes Leben lang von einer verrückten Welt zur nächsten zu reisen und ich habe definitiv keine Lust, meinen Verstand so weit verloren zu haben, dass mir das ganze hier gleichgültig sein wird.
Aber ich glaube, ich verliere den berühmten roten Faden. Ich versuche mal, meine Situation in einem Satz zusammenzufassen: Ich stecke in Schwierigkeiten. Und Coco vermutlich auch; aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide heil aus der Sache herauskommen, ist ziemlich gering; und die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie bei diesem Irrsinn überhaupt finde, liegt bei gleich null.
Nein, nein... vielleicht sollte ich weiter vorne anfangen, sonst hört ihr womöglich auf hier zu lesen, weil euch das ganze zu bunt wird.
Also, ich bin Jack Conner und ich falle.
Davor
Es regnet.
Den ganzen Tag lang ist der Himmel schon bedeckt gewesen, aber vor ein paar Minuten hat es angefangen, wie aus Kübeln zu gießen.
„Scheiße, wie es pisst. Lass uns morgen wieder kommen, Coco. Das hier ist Wahnsinn.“
In einer mittelgroßen Stadt, die wiederum klein genug ist, um keinen relevanten Namen zu haben, beginnt unsere kleine Geschichte auf einem Friedhof. Trotz Regen und Wind hat sich unser Held - ein durchschnittlicher Oberstufenschüler der namenlosen Stadt, ein Jugendlicher, der theoretisch mit jedem der hier lebenden seinen Platz hätte tauschen können, so normal ist er - …hat sich unser Held zusammen mit seiner Freundin in die Hände des peitschenden Herbststurms begeben, nicht ahnend, was der Tag ihnen bringen wird.
„Heute ist sein Todestag, Jack“, erwidert das Mädchen anklagend. „Dann kann ich nicht einfach morgen kommen.“
Die beiden Freunde laufen dicht zusammen gedrängt unter dem im Wind tanzenden Regenschirm, der bei diesem Sturm fast einer Beleidigung gleicht, so nutzlos ist sein Streben, dem Regen zu trotzen. Ein Schwall Wasser ergießt sich über den Rücken des Jungen und er drückt sich fluchend näher an seine Freundin.
„Das ist absurd. Es kann ihm doch egal sein, wann du kommst.“
„Dir doch auch.“
„Es regnet!“.
„Passend zu meiner melancholischen Stimmung. An statt zu meckern, könntest du meiner zutiefst erschütterten Seele Trost spenden.“
Jacks Arm presst sie fest an sich, dann beugt er sich über sie und küsste sie lang und intensiv.
„Besser?“, murmelt er zwischen ihrem keuchenden Atem und den langenden Lippen.
„Viel“, grinst sie. Als sie ihre Hände wieder in seine nassen Strähnen graben will, entreißt der Wind ihr den Schirm aus der Armbeuge und zerrt das bockende Drahtgestell in den tobenden Himmel.
„Oh, der Schirm“, sagt sie.
„Macht nichts. Hauptsache du wirst mir nicht entrissen.“
Sie streckt ihm die Zunge entgegen. „Scherzkeks.“
„Selber.“
So schlendern sie weiter auf dem matschigen Gehweg, links und rechts stehen verstreut die Grabmäler und betrachten sie stumm und ernst, als würde der verwitterte Stein ihnen bei einer Prozession zuschauen.
Als sie bei dem Grab ankommen, sind sie endgültig bis auf die Knochen durchnässt, aber wenn man keine trockene Stelle am Körper hat, scheint man sie auch nicht mehr zu vermissen. Gleichgültig dem Regen gegenüber und in ein bedächtiges Schweigen verfallen, stehen die beiden am schiefen Kreuz, den überschwemmten Überresten von ehemaligen Blumen, den Pfützen, den vom Wind niedergerissenen Kerzen.
Jack spürt, wie Coco in seinen Arm kaum merklich zusammensackt und er fasst nach ihrer Hand, um der erschütterten Seele Trost zu spenden.
„Ich vermisse ihn“, sagt sie nach einer Weile.
„Ich auch“, antwortet er, obwohl er ihren Bruder nie gekannt hat. Sie schenkt ihm ein leises Lächeln mit großen, trauernden Augen. Sie weiß seine Aufmerksamkeit zu schätzen, ist ihm dankbar dafür, dass er sie begleitet hat, dass er immer für sie da ist.
Das Mädchen kniet sich nieder und greift nach einer der Kerzen. Ihre Hände sind nass und beben vor Kälte, deshalb findet sie ihr Feuerzeug nicht auf Anhieb und auch als sie es schafft, einen Funken zum Brennen zu bringen, wollen ihre Finger ihr nicht gehorchen.
„Moment“. Er nimmt ihr das Feuerzeug aus der Hand, holt ein Taschentuch heraus, das im Regen sofort durchweicht, und wischt die Kerze ab. Wieder flackert eine Flamme aus der Öffnung, doch als er sie an den Docht hält, verlischt sie.
„Die Kerze ist nass“, stellt er überflüssigerweise fest, als er nach einigen Versuchen noch immer keinen Erfolg hat.
„Macht nichts. Geht auch so.“
Sie starrt auf den Grabstein und ist eine ganze Weile still. Dann:
„Was soll ich sagen?“.
„Keine Ahnung. Vielleicht irgendwas Nettes.“
„Hmmm.“ Sie runzelt die Stirn. „Er war... er war einfach er. Da gibt es nichts zu sagen.“
„Dann sag halt nichts.“
Wieder starrt sie auf den Stein, als müsse sie immer und immer wieder den Namen lesen, der damals mit ihrem Bruder für sie gestorben war.
„Schau mal“. Ihre gerunzelten Augen sind auf dem Namenszug fixiert. „Das ist seltsam.“
Jack braucht ein paar Sekunden mehr, um den Widerspruch zu sehen. „Seine Daten sind vertauscht“, sagt er erstaunt.
Lennard Jockey
17. September 2005 - 23. August 1982
Du wirst für immer in unserem Herzen bleiben.
„Seltsam“, wiederholt sie. „Gestern war es richtig rum.“
In der Ferne grollt ein Donner heran und explodiert über ihren Köpfen; wie eine Welle, die erst heran rollte und dann bricht.
Jack fährt sich mit der Zunge über die tropfende Unterlippe und schmeckte bitterkaltes Regenwasser.
„Sicher?“.
Seine Freundin antwortet nicht; zögernd suchte sie sich einen Weg zwischen dem Unkraut auf dem Grab und den verdörrten Blumen des Vortages. Um im Zwielicht des grollenden Himmels etwas erkennen zu können, holt sie noch mal das Feuerzeug heraus und geht mit dem flackernden Licht an die eingravierte Schrift.
Jack, der zitternd zurück geblieben ist, schaut ihr zu. Vielleicht ist es die Kälte und die Nässe, vielleicht das Gewitter über ihren Köpfen, vielleicht auch ein viel unbegreiflicher Grund; jedenfalls wird ihm plötzlich schrecklich unwohl bei der Sache und ein Schauder läuft ihm über den Rücken.
„Coco?“. Sie antwortet nicht. „Komm, lass uns gehen. Es ist verdammt kalt hier. Und nass.“
Immer noch keine Antwort.
„Ich will nach Hause... ziehen wir uns einen Film rein, ja?“.
Im strömenden Regen ist sie kaum mehr auszumachen, die schlanke Gestalt mit den weißen, fransigen Haaren. Jack kneift die Augen zusammen und reckt den Hals. „Coco?“.
Es blitzt.
Dann ist sie verschwunden.
Jack blinzelt, schließlich klappt der Mund im wortlosen Erstaunen auf. Ein Laut, der unmöglich der menschlichen Sprache zugeordnet werden kann, entweicht seinen Lippen, dann hat er seine Starre überwunden und stolpert auf den verdammten Stein zu.
„Hey...! Wo bist du...?!“. Sein Herz klopft. „Coco?“.
In der Eile, rutscht er einmal im Schlamm aus, zweimal bleibt er an den umliegenden Büschen hängen und stößt sich mehrmals am Stein; er schaut hinter dem Grab, im Gestrüpp, zurück auf dem Weg, ja, er schaut sogar, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen vor dem Tropfenregen blinzelnd, in den Himmel und sucht verzweifelt nach dem UFO, dass sie womöglich entführt hat.
Schließlich schleppt er sich mit dröhnendem Kopf zurück zum Grabmal und starrt auf die vertauschten Daten.
„Scheiße.“ Wütend tritt er gegen den Stein. Es tut weh.
„Was ist hier verdammt noch mal los?!“.
Bevor er überhaupt klare Gedanken fassen kann, streckt er sich nach den Eingravierungen aus und hämmert gegen den Stein, als ob er Schuld an Cocos Verschwinden hätte.
Beziehungsweise, er hat vor, dies zu tun, aber sobald seine Fingerspitzen den Granitpfeiler berühren, wird es plötzlich schwarz.
Dunkelheit umschlingt ihn und die Szene des tropfenden Friedhofs mit den drohenden Grabmälern bleibt verlassen zurück.
Ja, das soll erst mal reichen.
Ich werde die ganze nächste Woche nicht posten können, weil ich zum verlängerten WE weg bin (ab Dienstag ^^), aber ich freue mich auf jegliche Kommentare.
LG
Nayleen
[Blockierte Grafik: http://img195.imageshack.us/img195/7793/freiheit.jpg]
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A brief candle; both ends burning
An endless mile; a bus wheel turning
A friend to share the lonesome times
A handshake and a sip of wine
So say it loud and let it ring
We are all a part of everything
The future, present and the past
Fly on, proud bird
You're free at last.
[/SIZE]An endless mile; a bus wheel turning
A friend to share the lonesome times
A handshake and a sip of wine
So say it loud and let it ring
We are all a part of everything
The future, present and the past
Fly on, proud bird
You're free at last.
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