Auszug aus einem progressiven Großstadtroman

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    • Ich find's genial.

      Besonders schö find ich Murat und Sergej, diese Kombination aus Gossensprache und Fachvokabeln - herrlich ^^
      Ich schließ mich Neon an, möchte unbedingt mehr sehen.

      (leider war's das auch schon wieder, es ist früh, ich bin noch müde und ich muss los - mal schauen, vielleicht editier ich später noch was rein ^^)
      senfsamen (22:58): außerdem gebe ich nichts, ich nehme nur. deine würde, deinen stolz, dein gefühl, eine privatssphäre zu haben 8D

      Ein wenig Drama zum Whine?
      ... aber ich mag doch den Keks ... T_T
      Geh in die Küche und wein.
    • Nun gut, der zweite Textausschnitt gefällt mir ein ganz klein wenig besser, was wahrscheinlich daran liegt, dass man besser hinein findet. Ich hab mal geschrieben, dass der Inhalt mau ist. Das habe ich falsch formuliert, ich hätte besser sagen sollen: Es ist ein Inhalt, der mich nicht die Bohne interessiert. Dieser Trend setzt sich hier fort. Ich find's einfach nur langweilig, die Geschichte erscheint (!) mir beliebig und zufällig. Klar, ich kenne das Gesamtwerk nicht, aber mit jedem Wort habe ich weniger Lust dazu, das wirklich auf mich zu nehmen.

      Aber wie ich sehe, steh ich mit meiner Meinung noch immer alleine da, mal die ausgeschlossen, die den Text nicht gelesen haben ;)
    • Also ich finds spontan auch mal großartig.
      Inhaltlich passiert im zweiten Post zwar nicht wirklich viel, dafür im ersten genug und den Stil find ich top, es macht allein deswegen schon richtig Spaß, das Werk zu lesen.
      Besonders schö find ich Murat und Sergej, diese Kombination aus Gossensprache und Fachvokabeln - herrlich ^^

      Ohja, das ist auch in meinen Augen sehr gut gelungen.
      Der zweite Teil gefiel mir allerdings weniger gut als der erste, im ersten hat man Anfangs keine Ahnung was passiert, sieht im Kopf nur verschwommene Bilder, die erzeugte Atmosphäre ist überwältigend, während der zweite Teil das weniger schafft, da kommt es mir stellenweise sogar so vor wie eine gewöhnliche Handlung, die einfach nur möglichst "extrem" umschrieben wird.
      Dennoch, ich freue mich auf alle Fälle auf mehr, ich hab da viel Spaß dran :)
    • Okay, überredet. Weiter gehts. Jetzt tourt Roland, mittlerweile ausgestiegen, über den Marktplatz. Ich weiß nicht, wie man hier ordentliche Tabellen baut, deshalb die etwas unbeholfene Liste an der Litfaßsäule. Lasst euch nicht vom Elefanten, der später kurz erwähnt wird, verwirren. Das ist Rolands inkarniertes Unterbewusstsein, ihr könnt es als das lesen, das ist dann machbar. So kommt man nicht drauf, dafür braucht man das erste Mini-Kapitel, das hier ist ja schon das zweite. Mehr soll's erstmal auch nimmer geben, ich bin a) noch mitten in der Arbeit und b) sollte das hier eh nur ne Mischung aus Experiment und Promo werden. Aber dennoch: viel Spaß damit!




      Zeit: 8:48Uhr, Ort: Marktplatz, Straßenbahnhaltestelle der Linie 9.
      Roland verwandelt sich: ein unbestimmtes Bauchgefühl vertreibt den Klumpen, der noch in der Straßenbahn in ihm rumorte. Als raste man durch ein Wurmloch - zusammen mit Larissa, die wohl zur Uni muss. Roland weint ihr keine Träne nach, denn sie wird wiederkommen - der abgerissene Fahrplan weiß, wieso.
      Inmitten eines Clusters: Die beiden Jungen haben sich abgesetzt, sind wohl geflüchtet - kindisch um die Ecke gerannt, zur Schule, sie sprachen ja davon. Warum muss alle Welt rasen? Das einzige, was dem Menschen bedingungslos zur Verfügung gestellt wird, ist Zeit.
      Kommunistisches Prinzip: mit Sekunden wird jeder versorgt. 60 in der Minute, 3600 in der Stunde, 86400 am Tag, 31536000 im Jahr; wird der Mensch 75: 2365200000 im Leben. Kann Materielles hier mithalten? ~2,4 Milliarden? Zeit = Geld: die großen Haufen sind die, die am meisten stinken.
      Ein 50 Milliarden € Rettungspaket für Strolche? - bei 75 Jahren 20€ in der Sekunde- kein Kommentar. Was sind das für Zahlen? Gibt's die überhaupt?!

      Ganz schön voll, der Marktplatz heute morgen. Klar, heute ist Mittwoch und mittwochs wird hier gehandelt, gefeilscht und über's Ohr gehauen. Da verkaufen die Bauern aus der Provinz ihre Kartoffeln und ihren Winterspargel, preisen den ökologischen Anbau, spritzen dennoch wie die Tiere und verteuern ihre Edelware um 40%. Kleiner als die Kartoffeln aus'm Discounter sind sie allemal. Da grinst ein Schwein, da lacht der Ochse und leckt sich die Lippen - wir alle lieben die Ironie der Metzger bei der Gestaltung ihrer Werbetafeln. Die Fleischfachverkäuferin sieht aus wie eine Fleischfachverkäuferin und schneidet Nervkindern etwas von ihrem Mastdarm ab.
      Lustig: Weihnachtssterne im November. Im Termin geirrt?! Nee, jedes Jahr dasselbe.
      Mittwochs ist der Gang über den Marktplatz eine heikle Angelegenheit. Dubiose Gestalten, wohin man auch schaut. Was machen sie da eigentlich? Fressen sie etwa Insekten? Kaum zu erkennen, vielleicht, und wenn, dann konspirativ. Gerissen und linkisch, diese Gesellschaft. Roland kommt an einem Rudel Hexen vorbei. War gestern Walpurgisnacht? Nee, es ist November. Im Termin geirrt?! Nur manche haben ihren ausgelaugten Incubus dabei.

      Ah, eine Litfaßsäule. Was es wohl Neues gibt? Roland überfliegt Konzertposter, Anzeigen, Werbung, Veranstaltungstermine, Brandschriften... und interessiert sich für Folgendes:


      Wer ist daran schuld?

      Zutreffendes bitte ankreuzen!


      [list]
      ( ) Kommunisten
      ( ) FDP
      ( ) Imperialismus
      ( ) BILD
      ( ) Killerspiele
      ( ) Dollarkurs
      ( ) Illuminaten
      ( ) EU
      ( ) Klimawandel
      ( ) Juden
      ( ) Feinstaubemission
      ( ) Regierung
      ( ) Hitler (Guido Knopp)
      ( ) Amerikaner
      ( ) Atomkraft
      ( ) Raucher
      ( ) 68er
      ( ) Finanzkrise
      ( ) Fernsehen
      ( ) Paris Hilton
      ( ) Papst
      ( ) Unorthodoxes Schnackseln
      [/list]



      "Hähä." Roland macht ein paar Kreuzchen. Wer ist schuld. Woran eigentlich? Egal, die Kausalität ist schuld. Deren blöde Ursachen sind schuld an Wirkungen, die wieder als Ursachen schuld an Wirkungen sind, der ganze Mist noch und nöcher und nochmal, weil's so schön ist: Butterfly-Effekt. Warum rausfinden, wer woran schuld ist? Wahrscheinlich ist jeder irgendwie an irgendwas schuld, kann man nichts gegen machen. Oh Gott, das ist fast schon biblisch!, lacht er über sein Pseudo-Philosophieren. Erbsünde ahoi! (der Papst ist schuld, genau wie Paris Hilton, das Fernsehen und die Regierung!), aber nun geht's grinsend weiter an den Menschen vorbei.
      "Wah!" - Rosemary's Baby, direkt vor seinen Füßen! - ein kleines Mädchen mit langen braunen Haaren und wundersamen tiefschwarzen Augen. Seit "The Ring" sind manche Kinder ziemlich unheimlich. Rosemary grapscht es am Nylonjackenärmel vom herzrasenden Roland weg und faselt Belangloses: "Entschuldigung! - (zum Kind: ) Lauf nicht imm..." die Worte verhallen im Stimmengewirr.

      Das Cluster dehnt sich aus. Als sprengte man ein Molekül - Roland hat den Marktplatz hinter sich gelassen, weniger Hexen schleichen nun um ihn herum, die meisten wohl auf dem Weg zum Hexensabbath - sie werden versuchen, trotz Verspätung noch möglichst effektiv in den Sonderangeboten zu grabbeln. Auch Hexen rasen - per pedes natürlich langsamer, so ganz ohne Besen; angesichts dessen dennoch relativ schnell - alles ist halt relativ, sagte schon der Einstein. Hat wahrscheinlich irgendwie recht, findet Roland. Je pauschaler und generalisierender eine Phrase ist, umso allgemeingültiger ist sie auch, lässt sie sich doch schlicht auf alles projezieren - alles ist ambivalent, Ying und Yang, was zur Hölle auch dahinter steckt.
      Ein Incubus inmitten der Hexen, natürlich mit Mütze, ihm steht "Benz" auf der Stirn. Schnell weg hier, Roland rempelt sich hindurch: ein Hexenfluch: "Junger Mann!" - "Ja, da schauste, biste neidisch, was?" - "Also so etwas...", der Incubus legt ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Will wohl endlich in den Sonderangeboten grabbeln. Neue Mütze and so on. Steht anscheinend auch nicht auf Ischengelaber.

      Zwanzig Meter weiter und alles wird vom Nebel aufgefressen.
      Roland dreht sich im Nebel um: kontrastiv war gestern, heute bleiben die Weltende-Meere: wie Odysseus, ewig weit weg von Ithaka, ein Robinson Crusoe, verschollen, verschollen, mitten in der Großstadt. Seinen Kopf trägt er unter dem Arm und will ihn wegwerfen, jedoch: kein Mülleimer in Sicht. Der nächste bekannte ist am Frummelplatz - randvoll und nicht mehr zu erreichen. Als Gespenst bist du besser dran.
      Zur Geisterstunde wedelst du mit deinem Kopf und rasselst mit den Ketten - deine Bleikugel am Fuß poltert lautlos hinter dir her. Manche Gespenster kegeln sogar mit ihren Köpfen und schreien Buhu und Hurra - der Kopf fliegt weg, der Kopf fliegt weg! Huhuhu, der Kopf fliegt weg! Das geht dann solange gut, bis alle Uhren dreizehn schlagen, dann schraubt man dir den Kopf wieder an und steckt dich zurück in deinen Kerker, deine Ritterrüstung oder in die Friedhofsparzelle, gleich neben deine Freunde.

      Man stelle sich Folgendes vor: Man hat das dritte Auge oder, um es verständlicher zu formulieren: einen Röntgenblick. Wenn man will, kann man die ganze Welt in einem Raster betrachten und die einzelnen Entitäten extrahieren, um sie als Seiendes stehen zu lassen. Will sagen: Man schaut in die Fußgängerzone, fixiert einen Herrn X und kann ihn als 3D-Animation im schwarzen Kontext einer distanzierteren Perspektive (draußen sein) betrachten. Herr X bewegt sich, tut dies und das, aber man hat ihn eingefangen, kann zoomen, vor- und zurückspulen, drehen, spiegeln, was auch immer. Herr X geht seinen Weg - man sieht ihn laufen, seine Isolation bleibt dieselbe: Stagnation als Basis, eigenes, fakultatives Switchen im Raum ist je nach Bedarf aber möglich: Herr X aus Pixeln im Editor? Man hat das dritte Auge. Man kann sehen.
      Nun stelle man sich vor, man gehe über einen Friedhof - das dritte Auge extrahiert die Inhalte der Gräber und lässt sie im gleichen Raster auftauchen. Drumherum Schwärze. Alle Leichen im drei Meter - Abstand nebeneinander, auf gleicher Höhe liegend, mitten im Zerfall. Die einen mehr, die anderen weniger - wer hat sich noch nicht gefragt, wie bereits eingebuddelte Bekannte heute wohl aussehen? Diese Perspektive schafft das dritte Auge - live, in Farbe und 3D. Der Totentanz, wieder und wieder abrufbar. Verständlich, dass man Angst bekommt, oder?

      "Im Nebel ist es egal", meinte der Elefant einmal: "Da gibt es nur dich und mich. Wir verstehen uns gut, findest du nicht? Findest du nicht? Harmonisch. Du musst nur gut genug auf mich aufpassen, mich pflegen und nähren - dann verstehen wir uns prima. Findest du nicht?"
      Roland mag den lila Elefanten. Der Elefant ist da, wenn sonst niemand da ist, behütet ihn, lässt ihn sehen, sensibilisiert ihn für alles um ihn herum - ein Geben und Nehmen, perfekte Interaktion - darum mag Roland den lila Elefanten. Der lila Elefant reißt keine Köpfe ab und lässt sie rollen: mit Huhuhu, Hurra und Hallo!

      Zwanzig Meter weiter: der Nebel lichtet sich, der Konditor ist da vorne links (diesmal Donauwellen und Kakao!), die Feuerwache direkt daneben. Ein überaus praktisches Arrangement, maßgeschneidert auf Rolands Lebenswandel, auf die Schläuche (die von Hand zu Hand weitergereicht werden), den obligatorischen Einkauf für den Elefanten und auf 9:13 Uhr, der Uhrzeit, die Rolands Arbeitstag heute beginnen lässt: Todesmutig schraubt er sich den Kopf wieder an (er hätte ihn auch einfach ins Gebüsch werfen können).

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