Aktkünstler

    • Aktkünstler

      Ein schon älteres Projekt von mir, das ich eigentlich für ganz vielversprechend halte. Ich verspreche nicht, dass es weitergeht, aber mich würde mal interessieren, was ihr von diesem bescheidenen Anfang haltet.
      Anm. d. Autors: Dass mein Hauptcharakter außgerechet Matthias heißt, hat wirklich keine Bedeutung. :P



      Aktkünstler


      Das Bild der Schüler war von nackten Armen und Beinen beherrscht. Es war August, die Luft stand still und schwül, und niemand hatte Lust auf das neue Schuljahr, auch wenn jeder froh war, die Sommerferien überstanden zu haben und die Freunde, die über die sechs Wochen in Vergessenheit geraten waren, wiederzusehen. Es gab neue Fächer und neue Lehrer, und so lange hatte die Schule noch nicht wieder angefangen, dass man sich schon wieder Ferien wünschte.
      Matthias war nicht besonders gut in der Schule. Er fiel nicht negativ auf, redete aber auch nicht, sodass er meistens unterging und schlechtere Noten bekam als ihm zustanden. Da er sich auch nicht dagegen wehrte, nahmen die Lehrer an, sie seien berechtigt.
      Er war groß und dünn, zu dünn vielleicht, blickte immer abwesend und ein wenig verunsichert, und Freunde hatte er anscheinend auch keine. Er verbrachte seine Pausen bei seinen Mitschülern, aber schien, wenn er krank war, niemandem zu fehlen. Sein Lieblingsfach, und das einzige, in dem er hervorstach, war Kunst. Er war ein Genie mit Zeichenstiften, Acryl und Modelliermasse. Wenn seine Mitschüler eine Din-A-4-Seite bemalten, bemalte er Din-A-2. Wenn seine Schüler 100g Ton verbrauchten, benötigte er 500. Da er über die Ferien nicht in Urlaub gefahren war, hatte er einige der kalten Schulflure mit Pinsel und Farbe in kleine Kunstwerke verwandelt.
      Auffällig war, dass er sich weigerte, seinen Menschen Gesichter zu malen. So realistisch und detailgetreu seine Zeichnungen waren, der Kopf war nie mehr als eine blanke, mit einem Gesichtskreuz durchzogene Fläche ohne Ausdruck und Persönlichkeit, nur eine weiße Schaufensterpuppe unter bunten, schönen Kleidern.
      „Ich möchte sie nicht bloßstellen“, sagte er einmal leise, als er nach einem Grund dafür gefragt wurde. Mehr wollte er dazu nicht sagen.
      Als er in die dreizehnte Klasse kam, stand ihm ein Lehrerwechsel bevor. Seine ehemalige Kunstlehrerin war verstorben; das Herz hatte ihr versagt. Matthias litt unter dem Verlust und mochte seinen Leistungskurs nicht so recht betreten, als er mit seiner Tasche durch den Flur schlenderte und tausend Dinge an seinen Bildern an den Wänden auszusetzen fand.
      Seine Lehrerin hatte ihn geschätzt und gefördert, und er hatte sich gerade erst an sie gewöhnt, aber jetzt kam irgendjemand neues, der ihn nicht kannte, den er nicht kannte – das konnte nur schief gehen. Er vertraute nicht schnell.
      Er betrat den Kurs, grüßte seine Mitschüler gewohnt leise und setzte sich auf einen Einzelplatz. Er ließ seinen Mitschülern die Wahl, ob sie sich zu ihm setzen wollten oder nicht.
      Wie zu erwarten gewesen war, blieb er allein.
      Dass der Lehrer noch nicht da war, aber ihr Kunstraum schon aufgeschlossen war, wunderte ihn, aber er dachte nicht weiter darüber nach. Er öffnete das kleine Skizzenbuch, dass er immer bei sich trug und das mehr eine Kladde mit losen Blättern war als ein wirklich gebundenes Buch, zückte seinen Bleistift und fing an zu zeichnen, irgendwas. Erst einen Arm, die Schulter, den Leib, bis er einen Körper vor sich hatte, schattiert, anatomisch korrekt, eine seiner typischen Krickeleien eben. Er würde es nicht zugeben, aber sein Talent machte ihn stolz und gab ihm einen Halt in seinem sonst wenig positiven Schulalltag.
      Verträumt malte er vor sich hin, dabei in seinem Kopf dem Ohrwurm von Beethovens „Ode an die Freude“ lauschend, den er seit ein paar Tagen nicht loswurde. Er war versunken, und schreckte erst auf, als ihm ein unbekannter Geruch in die Nase stieg. Zwischen den holzigen, etwas staubigen Geruch der Kunsträume mischte sich der herbe Geruch eines teuren Parfums, exotisch genug, um ihm vollkommen fremd zu sein.
      „Malen Sie da etwa in meinem Unterricht?“, fragte der Mann, der hinter ihm stand, und Matthias schloss mit einer heftigen, zu Tode erschrockenen Handbewegung seine Kladde, knickte dabei ein gutes Dutzend seiner besten Zeichnungen um und fiel panisch zurück. Normalerweise hätte die Rückenlehne seines Stuhls ihn aufgefangen, aber es war Gang und Gebe geworden, den Kunsträumen nur die Drehschemel zu überlassen, sodass Matthias das Gleichgewicht verlor und unbeholfen rücklings zu Boden fiel, Skizzenbuch und Schultasche in einem letzten Rettungsversuch mit sich ziehend.
      Vom Boden auf sah er in das lachende Gesicht des Mannes, der sich dann zu ihm kniete und ihm mit einem kräftigen Griff wieder auf die Beine half.
      Das war seine erste Begegnung mit seinem Kunstlehrer Stefan Dzierwa.

      Sie waren nur acht Mann im Kurs; fünf Mädchen und drei Jungen. Neben Matthias waren da noch Kathi und Angelina. Kathi wollte Design studieren, zeichnete eifrig und gut und kritisch, arbeitete viel für das, was sie erreichen wollte. Angelina war nur im Kurs, weil Kathi ihre beste Freundin war und Freundinnen nun mal zusammen hielten. Dann war da Michaela, die Kunstgeschichte studieren wollte und daher nicht drum herum kam, ab und zu auch praktisch zu arbeiten. Sie war nicht besonders begabt, gab sich aber Mühe. Christina und Yonca hatten einfach gewählt, was sie bis dato am besten konnten.
      Zu den Jungen zählten noch Tim, der Modedesign studieren wollte und sich deswegen ein wenig im Unterricht langweilte, aber der Meinung war, dass ein Kunst-LK gut auf den Bewerbungsmappen aussehen würde, und Christopher, der einfach Spaß am Fach hatte.
      Die Stimmung im Kurs war also normalerweise wirklich gut. Dass ihre Lehrerin über die Ferien den Löffel abgegeben hatte, war für alle ein Schock gewesen, und jetzt sahen sie sich mit ihrem neuen Lehrer konfrontiert, der alles war, aber nicht ihre alte Lehrerin, eine kleine, freundliche, alte Dame, die Hundertwasser für den wahren Gott gehalten hatte und immer errötet war, wenn man über irgendetwas Sexuelles geredet hatte.
      Stefan Dzierwa stellte seine schwarze Ledertasche auf das Pult und beäugte seinen Kurs mit einem Grinsen. Seine Schüler sahen skeptisch und ein wenig eingeschüchtert zurück. Das würde in der tat eine Umstellung werden: Stefan wirkte größer als er war, einfach, weil er eine Energie und einen Optimismus ausstrahlte, die nahezu alles im Umkreis von fünf Metern einfach niedermähten. Matthias schätzte ihn auf Mitte dreißig, allerhöchstens vierzig Jahre alt. Er hatte ein kleines Lachfältchen am rechten Mundwinkel, das, wie er feststellte, sich oft zeigte. Stefan stand aufrecht, mit hoch erhobenen Blick, ohne arrogant zu wirken, war gut gekleidet und humorvoll. Sein Kurs liebte ihn vom ersten Augenblick an. Er war alles, was Matthias nicht war.
      Seine Eltern seien Polen, erklärte er, schrieb in ordentlichen Druckbuchstaben seinen Namen mit Kreide an die Tafel, erzählte, wie er es hasste, wenn man seinen Namen falsch schrieb, und dass die Schüler sich davor hüten sollten, das zu tun, sonst gäbe es sofort null Punkte auf dem Zeugnis. Der Kurs lachte, selbst Matthias lächelte scheu mit.
      Als Stefan seine kreideweißen Hände an seiner schwarzen Hose abklopfte, hinterließ er weiße Flecken, fluchte, versuchte sie abzustauben. Er machte ein bisschen auf Clown, war ein wenig übertrieben und der Kurs sah ihm schmunzelnd und kopfschüttelnd zu, aber sie hatten ihn sofort ins Herz geschlossen.
      Matthias hatte angefangen, seinen neuen Lehrer grob auf ein Stück Papier zu zeichnen, zögerte aber dann, als er eigentlich das Gesicht kommen müsste. Er malte nicht gern Gesichter, aber ohne es sah die bloße Kopfform und der Torso nicht genug nach seinem Lehrer aus. Matthias beobachtete ihn beim Reden, wie er seine Hände bewegte, das Heben und Senken seiner Augenbrauen und wie er vor der Tafel hin- und hermarschierte. Er war ein ausdrucksstarker Mensch und als ob Stefan erraten hätte, was Matthias dachte, wechselte er von jetzt auf gleich das Thema, erzählte, dass er vor seinem Kunststudium Theater gespielt habe, aber dass ihm der Job zu stressig gewesen sein und er deswegen gewechselt habe. Aber das ausdruckstarke Gehabe sei wohl hängen geblieben, fügte er hinzu, und grinste Matthias an.
      Es waren die besten zwei Schulstunden seines Lebens, dachte er, als er nach Hause ging.
      Dort angekommen holte ihn allerdings die Realität schnell wieder ein. Matthias hatte eine kleine Schwester, Sophie, die gerade in den Kindergarten ging. Sie war nicht geplant gewesen, aber wie das Leben so spielte, hatte Matthias’ Mutter irgendwann einfach doch noch das Töchterlein bekommen, das sie sich immer gewünscht hatte.
      Matthias’ älterer Bruder Rüdiger hatte sein Abitur vor zwei Jahren gemacht, dann den Zivildienst und war jetzt im ersten Semester. Er war gerade im Umzug und die Kleine war halt die Kleine – klar, dass Matthias immer etwas außen vor blieb, auch wenn niemand das persönlich meinte.

      Wird (vielleicht?) fortgesetzt

      Noch ein paar Anmerkungen:
      1) Ich hasse es, dass Boards keine Einschiebungen (wie in Büchern bei Absätzen halt) erlauben Dx
      2) Sachen wie "Der Dritte Krieg" sind tatsächlich noch immer aktuell und NICHT vergessen!
      3) Sofern meine Uni irgendwann noch mal die Vorlesung über nordische Mythologie hält, könnt ihr euch vielleicht auf ein Re-Write von "Das CHaos" freuen, in ganz neuem (oder seeehr altem, einige erinnern sich) Outfit.
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    • Ich habe es immer gesagt: Zu einem guten Plot gehört immer ein Kunstpädagoge.
      In deinem Fall sind sogar zwei drin, auch wenn einer schon tot ist. Aber okay, wer Kunst-Leistungskursler auf A4 arbeiten lässt und nichts macht, wenn ein Schüler ne Blockade hat, Gesichter zu zeichnen, ts..[Ich geb's ja zu, allein wegen der Thematik sprivcht mich die Story an xD]
      [SIZE=7]Und Ja, ich find es furchtbar irritierend dass der Hauptcharakter Matthias heißt D:I Dadurch hat man ungewollt eine völlig falsche Person vor Augen[/SIZE]

      Hey, das ist die erste Geschichte von dir, die ich lese, und ich find's eigentlich ziemlich gut geschrieben. Lediglich der Anfangssatz hat mich etwas stutzig gemacht.
      Das Bild der Schüler war von nackten Armen und Beinen beherrscht.

      Ich hab echt drei Anläufe gebraucht, um zu verstehen, was du meinst. xD Ich weiß nicht, aufgrund des Titels der Story bin ich iwie automatisch gedanklich im Setting "Zeichenunterricht" gewesen, so dass ich dann den Ausdruck "Bild" völlig falsch aufgenommen habe und iwie garnicht den Sinn des Satzes verstanden hab. xD

      Aber hey, ich wäre gespannt, wie's weitergeht. Mir schwant zwar irgendwie Übles, in welche Richtung die Geschichte gehen könnte, aber gut.

      [SIZE=7]Und der Kunstlehrer...ich weiß nicht, ich stell mir da beim Lesen die ganze Zeit meinen Dozenten für Plastik/Objekte vor, die Vorstellung hat etwas entschieden Gruseliges. Ich würde vor Glück aus den Latschen kippen, wenn da jetzt auch so Sätze wie "Ihr habt die Form nicht verstanden" kommen xD [/SIZE]

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    • ... xD

      Ich hab schon darüber nachgedacht, ob ich den Charakter nicht vielleicht doch Jonas nennen sollte, bis mir einfiel, dass ich schon einen anderen Jonas habe und ein anderer Name erschien mir unpassend. Matthias und Matthias habe aber so ziemlich überhaupt nichts miteinander zu tun. (Obwohl ich mir meinen (fiktiven) Matthias auch durchaus blond vorstelle, aber gesamt ganz anders als den realen Matthias.)

      Und sorry, der eine Kunstpädagoge musste leider tot sein, damit Stefan auftreten darf. :3
      (Ich bin zwar nur Kunst-GK gewesen, aber MEINE Kunstlehrerin hat uns nicht mal erst eigenen Stil entwickeln lassen. Wir bekamen nur gute Noten wenn wir so gearbeitet haben, wie es ihr gefiel. Und in der elften Klasse hab ich auch durchaus noch auf A4 gearbeitet...)

      Schade, dass der Anfangssatz so verwirredn ist... auf den war ich recht stolz. Anfänge sind ja immer schwierig. Vielleicht sollte ich ihn aber ein bisschen umformulieren, stimmt schon.

      Und verrat mir, was du ahnst, wohin die Geschichte geht, sag, sag, sag. xD

      [SIZE=7]Und den Satz kann ich einbauen, auch wenn das überhaupt nicht zu Stefan passen würde, charakterlich. xDDD[/SIZE]
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    • wow, superflüssig geschrieben. gefällt mir alles sehr gut, vorallem weil man sich so schön in die handlung hineinversetzen kann, erinnert mich ein wenig an ein jugendbuch. der text verbreitet auch eine positive grundstimmung, was dem ganzen noch zusätzlich charakter verleiht, wenn ich mal so sagen darf. ^^
      nennen wir es einen weichen leseverlauf.

      ps.: den ersten satz hatte ich auch zuerst ganz falsch verstanden. xD
      Geistreiche Zitate einer geistreichen Zeit #39


      Lem: ihr iq war 75
      mechanicbird: omg
      mechanicbird: woher weißt du das überhaupt? xD
      Lem: hat sie mal erzählt
      mechanicbird: sowas erzählt man doch nicht öffentlich...
      Lem: tja nur wenn man dumm ist
      mechanicbird: xD
      Lem: LMAO
      mechanicbird: HAHAHAHA
      mechanicbird: oh mann, shit xDDDDD

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von N@vi ()

    • Vielen Dank, das freut und ehrt mich. :3
      Ob es in Richtung Jugendbuch geht, weiß ich nicht. Das würde sich wohl auch erst herausstellen, wenn ich weiterschriebe. xD; Wie gesagt, ich mag diesen Anfang und weiß auch grob, wo ich hinwill, aber meine "creative juices" sind alles andere als "flowing". :ugly:
      Ich glaube aber, dass das Oberthema des Buches eher bedrückend und düster sein könnte (?).

      .. und ich befürchet zunehmend, dass ich schon einen Logikfehler gemacht habe, den ich euch aber leider nicht verraten kann, weil ich sonst den Plot des ganzen verriete. xD; Kacke.

      Ich merke, ich muss den ersten Satz tatsächlich neu schreiben. xD;

      Edit: Omg, 2000 posts! xD;
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von FoWo ()

    • Naja, ich sach ma so, ich glaube, dass man ganz automatisch auf größeren Formaten arbeitet, je höher der kunstpädagogische Bildungsgrad ist. Aber ist wohl einfach Gewohnheitssache. Also in der 10. Klasse haben wir auch fast nur A4 gemacht. In der Sek II hieß es dann, dass man auf so einem piepsligen Format "gefangen" sei und A3 arbeiten sollte. Und wie verhält es sich heute? Mir kommen A3-Blätter total klein vor und ich arbeite meistens mit A2, obwohl so ein A2-Block irre teuer und dazu total unhandlich ist. xD Aber egal, ich will hier jetzt nicht über KUnstpraxis diskutieren, mir ziehts jedenfalls den Magen zammen, wenn im Kunstunterricht auf A4 gearbeitet wird. xD

      Und nein, ich halte mich mit Spekulationen über den PLot zurück. (Aber ich bitte dich, nichts zu machen, was mir fortan Angst vor meinem Dozenten oder Aktkursen oder was-weiß-ich bereiten könnte xD)

      Na dann, guten Creativity Flow. xD

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    • Nix spannendes, aber immerhin eine Seite mehr, frisch von heute Nacht:


      Seine Mutter arbeitete vormittags in einer christlichen Kinderkrippe, sein Vater in einer ansässigen Firma und war trotzdem irgendwie nie zuhause. Da Rüdiger jetzt auszog, blieb viel Arbeit, die sich die Brüder zuvor geteilt hatten, jetzt ganz an Matthias hängen.
      „Hallo“, sagte Matthias, als er im Flur der gemütlichen 5-Zimmerwohnung die Haustür hinter sich schloss.
      „Ach, kommst du auch endlich mal?“, fragte seine Mutter mit skeptischem Blick, die in der Küche stand, Sophie auf einem Arm, mit dem anderen im Kühlschrank kramend.
      „Sorry, wir haben jetzt wieder mehr Stunden“, entschuldigte sich Stefan kleinlaut, schlich an seiner Mutter vorbei in sein Zimmer, das letzte am Ende des Flures.
      Er warf seine Umhängetasche neben seinen unter vollgekritzelten Papieren und Skizzenbüchern versinkenden Schreibtisch und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen, um seinen PC zu starten. Viel gab es in seinem Zimmer nicht: Ein Bett, ein Fenster, einen Schrank, Schreibtisch, Stuhl. Einen Fernseher oder Spielekonsolen wie seine Altergenossen besaß er nicht, und er hatte nur einen alten CD-Player, der alt genug war, um sogar noch ein Kasettendeck zu haben. Die meisten seiner Kasetten allerdings waren mittlerweile so ausgeleiert, dass er sie nicht mehr hören konnte, deswegen war er ganz froh, dass irgendjemand mp3s erfunden hatte, die er durch seine kleinen Boxen hören konnte.
      Eins seiner teuersten Besitztümer war ein Grafictablett, dass er vor einem Jahr zu Weihnachten bekommen hatte. Grafiktabletts waren kosteten nicht wenig und wie so viele deutsche Familien gab es bei ihnen nicht viel Geld, sodass es für Matthias ein kleines Wunder gewesen war, tatsächlich eines zu bekommen, und er hütete und liebte es wie einen Schatz.
      Seine Mutter war froh, einen so sensiblen und talentierten Sohn zu haben wie Matthias, besonders zumal Rüdiger ein ziemlich roher Diamant war. Die beiden ähnelten sich kaum, weder charakerlich noch äußerlich. Matthias kam nach seiner Mutter mit seiner großgewachsenen, dürren Statur und den aschblonden Haaren. Rüdigers Haar war schwarz wie das seines Vaters und war von männlicherer Statur als sein kleiner Bruder. In welche Richtung sich Sophie einmal entwicklen würde, war bisher nicht abzusehen, aber Matthias’ Mutter beobachtete es gespannt. Sophie war momentan ihr Ein und Alles, und Matthias blieb nicht viel übrig, außer das zu akzeptieren. Tatsache war allerdings, dass er sich einsam fühlte, seit Rüdiger vermehrt nicht mehr zuhause war, um dem Studium nachzukommen. So unterschiedlich sie auch sein mochten, so gut verstanden sie sich.
      „Kommst du mal bitte den Tisch decken?“, rief seine Mutter aus der Küche und Matthias erhob sich mit einem Seufzen, um seiner Mutter zu helfen.
      „Kommt Papa heute zum Essen?“, fragte Matthias, als er Teller aus einem der Schränke holte. Bei ihnen war fast alles von Ikea, die Räume sahen ein wenig so aus wie die in den Prospekten, nur einfallsloser.
      Seine Mutter schüttelte den Kopf, während sie das Essen auf den Tisch stellte.
      „Rüdiger?“, fragte Matthias etwas hoffnungsvoller, aber seine Mutter schüttelte nur wieder den Kopf. Also aßen sie zu dritt, wie oft in letzter Zeit. Sophie neben ihrer Mama, Matthias auf der anderen Seite des Tisches.
      „Und, hat sich viel verändert im neuen Schuljahr?“, fragte seine Mutter während des Essens.
      Matthias schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern gleichzeitig. „Wir haben einen neuen Kunstlehrer“, erwähnte er dann.
      „Ach“, sagte seine Mutter überrascht. „Das ist aber dumm, so kurz vor dem Abitur.“
      „Frau Grundmann hat wohl in den Ferien einen Herzinfarkt gehabt“, sagte Matthias traurig, dachte dann an seinen neuen Kunstlehrer und musste feststellen, dass es gar nicht so schlecht war, mal frischen Wind in die verstaubten Kunsträume zu bringen. Jeder hatte Frau Grundmann gemocht, aber modern oder innovativ war sie nicht gewesen. Stefan war da ganz anders.
      „Und jetzt ahbt ihr Ersatz? Wen denn? Doch hoffentlich nicht wieder Herrn Schmidt?“, fragte seine Mutter weiter.
      Matthias verzog entsetzt das Gesicht. Herr Schmidt, sein Kunstlehrer aus so ziemlich der ganzen Sekundarstufe I, war so ziemlich das schlimmste gewesen, was man Schülern antun konnte, besonders in einem Fach wie Kunst. Er war streng, unkreativ, ungeduldig und alles, aber kein Pädagoge.
      „Nein, einen Neuen“, erklärte Matthias. „Herr Dzierwa. Sehr netter Typ, eigentlich, er gefällt mir. Aber wir werden sehen, wie es ist, bei ihm Unterricht zu haben.“
      „Mh“, machte seine Mutter und hinderte Sophie daran, einen Zeitschriftenstapel vom Tisch zu reißen. „Nein, Liebes, nicht.“
      „Eis!“, rief Sophie, einem inneren Instinkt aller Kleinkinder folgend. „Eis!“
      „Du kriegt ein Eis, aber nur, wenn du nicht rumschreist!“, sagte Matthias’ Mutter belehrend und nickte ihrem Sohn dankbar zu, als der sich schon erhob, um eines aus der Tiefkühltruhe zu holen und danach den Tisch ab- und die Spülmaschine einzuräumen.
      Danach verschwand er für den Rest seines Tages in seinem Zimmer, machte Hausaufgaben, zeichnete, zeichnete und zeichnete.
      Die Zeichnung seines Kunstlehrers aus dem Unterricht hatte bis zum Abend ein Gesicht. Es lächelte, und am rechten Mundwinkel war ein kleines Lachfältchen. Matthias scannte es ein, um es in einem Forum für Hobbykünster, in dem er angemeldet war, zu veröffentlichen und gespannt auf Rezensionen zu warten.
      Danach legte es in eine große A2-Mappe, in der er seine besten Werke sammelte.
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    • So, ich hatte anfangs eigentlich nur vor das erste Kapitel mal anzufangen, damit hier wenigstens ein wenig die Langeweile verfliegt bis ein gewisses Video geladen hat, aber dann konnte ich auf einmal nichtmehr uafhören zu lesen. Und ehe ich mich versah war ich fertig XD
      Zuallererst: Ich finde du hast einen tollen Schreibstil. Es ließt sich flüssig und es gibt keine Stellen wo ich irgendwas nicht verstehe (Ich hab sogar das mit den nackten Beinen und Armen auf Anhieb verstanden XD Jedenfalls als ich die Wetterbedingungen gelesen hab )
      Ich hoffe da kommen noch ein paar Fortsetzungen, jedenfalls gefällt mir das schonmal sehr gut
    • Stefan wirkte größer als er war, einfach, weil er eine Energie und einen Optimismus ausstrahlte, die nahezu alles im Umkreis von fünf Metern einfach niedermähten.


      8D'
      Ich mag die Formulierung einfach.


      „Sorry, wir haben jetzt wieder mehr Stunden“, entschuldigte sich Stefan kleinlaut

      Stefan? oO'

      Grafiktabletts waren kosteten nicht wenig

      Was taten sie? ^^'


      Aber in der Tat - sehr vielversprechend :3
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!
    • und er hatte nur einen alten CD-Player, der alt genug war, um sogar noch ein Kasettendeck zu haben.

      Naja, ich hab hier 'nen recht modernes Teil zuhause rumstehen, und das hat praktischerweise auch noch ein Kasettendeck. Als ich vor 3-4 Jahren durch die Geschäfte gezogen bin, um mir einen zuzulegen, gab es da außerdem noch viele andere PLayer, die ebenfalls eines besaßen, und solang man damit jetzt nicht umspringt als wäre das der größte Feind der Menschheit, sind die doch noch ganz passabel nach der Zeit :ugly:

      sein Kunstlehrer aus so ziemlich der ganzen Sekundarstufe I, war so ziemlich das schlimmste gewesen

      Das einzige, was mir hin und wieder negativ auffällt sind solche Formulierungen, 2 mal hintereinander "so ziemlich" klingt mMn eher unschön, gab da auch ein oder zwei andere Stellen, an ein oder zwei anderen Stellen gab es da auch noch solche Wiederholungen.

      Sonst hab ich aber nichts auszusetzen (und Kritikpunkt 1 ist ja nun eh nicht die Welt :ugly: ), sehr angenehmer Stil, interessant zu lesen, ich freue mich auf mehr.
    • Ich habe mir die Geschichte mal durch den Kopf gehen lassen und bin zu folgenden Schlüssen gekommen:

      Ich mag den Satz mit dem Kassettendeck - auch wenn er nicht der Wahrheit entsprechen sollte ^^'

      Allerdings: Grafiktabletts sind tatsächlich nicht billig - aber das ist ein wenig übertrieben. Sicher - wenns ein A4 mit Display ist, dann ist es wirklich nahezu unbezahlbar, aber für ein gutes A5 kommt man locker unter 200€ weg...
      Naja, passt aber.
      [Blockierte Grafik: http://img829.imageshack.us/img829/698/mgscomic14.jpg]
      ...in that case, can we just skip the talking and fight already? - NO!
    • Bei beiden Sachen räum ich mir gern Unüberlegtheit ein. Bei usn zu Hause gibt's nur zwei CD-Player mit Kassetendeck, und die sind noch aus den 90ern. xD
      Was das Grafiktablett angeht, hm, vielleicht habe ich übertrieben. Ich hab selbst ein Wacom und weiß, dass besonders die guten gern schon mal teuer sind. Das Bamboo kostet siebzig Euro,a ber ich denke, Matthias wird schon ein besseres haben. Nicht unbedingt so'n 400€-Ding, aber irgendwas dazwischen.
      Und Weihnachten mit drei Kindern in unserer zei tist einfach nicht billig. ^^
      Vielleicht ändere ich die Formatierung ein bisschen, aber ich denke, das prinzip bleibt dasselbe.
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