Kurz und komisch und ka

    • Kurz und komisch und ka

      Hab das grad auf meiner Festplatte gefunden, ohne so recht zu wissen was damit machen. Wenn ich mich recht erinnere, war das ursprünglich mal Teil von was länger geplantem, aber nur des is übrig. Dach ich mir, veröffentlich ichs Mal, weil ichs irgendwie ganz nett find:

      Ich laufe. Laufe immer weiter durch die von Menschen erfüllte Straße. Es ist kalt; sichtbar in Form von kleinen Dunstwölkchen schwebt mein Atem vor mir. Immer wieder. Ich laufe an so vielen Menschen vorbei, ohne dass wir uns gegenseitig wahrnehmen. Ich weiß nicht mehr, was ich wahrnehmen soll. Ich bin traurig. Ich bin verzweifelt. Ich denke an ihn, an seinen Körper, an seine Hände, an sein Gesicht, an seine Augen, an seine Mundwinkel, an seine Grübchen. Ich denke nach. Was macht er wohl gerade? Er sitzt im blauen Auto seiner Eltern, hört Musik oder schläft. Er ist nicht bei mir. Ich laufe immer weiter.

      ‘Mein Weihnachtsgeschenk wird dir gefallen.’ Das hat er zu mir gesagt, als er es mir in die Hand drückte, gemeinsam mit einem flüchtigen Kuss. Ich denke an das Gefühl seiner Lippen auf meinen, an seinen Geruch - diesen einzigartigen Duft, den er von sich strömen lässt. Es fällt mir schwer mich zu erinnern was er noch gesagt hat, obwohl es doch erst ein paar Stunden her ist, dass er sich verabschiedete, in das Auto seiner Eltern stieg, in das Auto der Menschen, welche glauben ihren Sohn zu kennen, welche nicht wissen, dass er der wundervollste Junge auf der ganzen Welt ist, welche nicht wissen, dass ich ihn liebe. Es schmerzt an ihn zu denken. Wenn ich an ihn denke, dann denke ich daran, wann wir uns das letzte Mal berührt haben, ohne dass ein weiteres Augenpaar auf uns ruhte, ohne dass wir Angst haben musste, dass die falschen Leute es bemerken, diese einzigartige Verbundenheit, die wir teilen. Oder teilten? Oder erst teilen werden?

      Es ist eine halbe Ewigkeit her, dass wir uns kennen lernten. Damals, als wir beide noch ganz normal waren, ohne das belastende Wissen, dass es welche gibt in der kalten Außenwelt, die nicht dazu bereit sind uns zu akzeptieren. Als es bei ihm klick machte, hätte diese Gewissheit ihn fast zerstört. Ich war da anders, nicht so zart, nicht so fixiert auf die Doktrin der Normalität, welches einem Eingeimpft wird. Ich war nicht verwirrt von scheinheiliger Toleranz und falscher Akzeptanz, ich war nur verwirrt davon anders zu sein. Nicht verwirrt im negativen Sinne, nicht beängstigt von dem Gedanken dem männlichen Vorbild nicht zu entsprechen, sondern mehr im unklaren darüber, was es für mich bedeutet, so zu sein und nicht wir andere. Ihn hat es getroffen, für ihn war es ’falsch’, doch er ist ein Sünder aus Leidenschaft. Es war durchaus ein Wunder, dass wir beide diese Gefühle füreinander entdeckten; diese Sommernacht von vor sieben Monaten war ein Wunder, der Regen, der warme - unsere Kleider trocknende - Wind, der berauschende Alkohol und der saure Apfel den er aß. Ich leckte die Reste des schmeckenden Saftes von seinen Lippen und wir beide begangen etwas, etwas was ich nie wirklich begreifen oder erfassen konnte, bis jetzt, bis zu diesem Weg durch die überfüllte Straße, bis zu diesen kalten Temperaturen.

      Ich mache keinen Schritt ohne mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich diesen Schritt auch mit ihm hätte machen können, dass ich die Präsenz seines Körpers neben mir spüren können, die Gewissheit, dass ich nur nach links schauen muss, um ihn zu sehen, den Fels in der Brandung dieser unerschöpflichen Welle von Menschen, die ich zu durchschwimmen versuche.

      Ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge. Schmecke ihn, schmecke wie es ist, wenn ich mit meiner Zunge über seine Haut fahre. Ich versuche mich an die Ästhetik seines nackten Körpers zu erinnern, suche verzweifelt nach der Erinnerung an unser letzten Zusammentreffen bei Kerzenschein in seinem Zimmer, wenn seine Eltern den Versuch unternahmen in Wagners Welt aus ihrem eigenen Trott zu fliehen, um kurze Zeit etwas anderes zu erleben. Diese Momente des Willens nach Freiheit waren es, welche uns die Gelegenheit gaben, etwas zu testen, was uns beiden unbekannt war. Aber ich finde ihn nicht. Finde nur den Schmerz, den der Gram um mein Herz erzeugt, welcher sich mit jeder Meile die er sich mir entfernt enger und enger um es schürt.

      Und dann rinnt eine einzige Träne meine Wange hinab. Wie in Zeitlupe beobachte ich die warme Flüssigkeit, wie sie fällt, auftrifft und zerspringt, sich mit dem kalten Schnee vereint. Ich realisiere ich bin daheim. Seit Stunden. Doch denken kann ich nur an ihn.

      25. Dezember 2007


      Have Fun ;)
      "There are no happy endings, because nothing ends."


      Quote: 'Schmendrick' gesprochen von 'Alan Arkin', aus dem Film 'The last Unicorn', von Peter S. Beagle

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    • Interessant 8|

      War zumindest mein allererster Gedanke.
      Ich finde es sehr gut geschrieben, es gab meiner Meinung nach vom Stil her nichts auszusetzen. Die äußere Form ist sehr gut, also die Rechtschreibung, das Vermeiden von Wiederholungen, etc. Und es gab nur ab und zu kleinere Tippfehler, aber ich meine: das passiert jedem einmal.

      Der Anfang hat mir auf jeden Fall Lust gemacht weiterzulesen. Ich fand's es interessant, dass die Hauptperson gerannt war und wollte unbedingt wissen wieso und wohin sie rennt. Und wieso ihr die Menschenmassen um sie herum so fremd vorkamen. Jetzt weiß ich ja, dass er nur an ihn gedacht hat. Zumindest wenn ich den Inhalt richtig verstanden habe, geht es um zwei Jungen/ junge Männer, die Gefühle füreinander hegen, wobei der eine krampfhaft darum bemüht ist, nach außen hin 'normal' zu wirken. Hoffe ich mal. Ich bin so schlecht im (zwischen den Zeilen) lesen *hust*

      Ich finde es gut, dass die Geschichte nur so ein kurzer Ausschnitt ist, hat so einen Effekt... also im Sinne von: es ist endgültig. Sie werden sich nie wieder sehen. Und die Geschichte gibt das Gefühl dieser Endgültigkeit gut wieder, da sie selbst ebenfalls abgeschlossen ist. Es wäre/ ist eine gute Kurzgeschichte.
      Außerdem trifft sie genau meinen Nerv, weil ich mich momentan so ähnlich fühle *lol*

      Ich habe jetzt wahrscheinlich wieder Tausend Sachen vergessen, die ich noch schreiben wollte, aber das muss jetzt einfach an Kritik reichen xD

      Have Fun ;)


      Hatte ich ^^
      Do you fear death, pup?
    • Joah, Stil ist auf jeden Fall sehr nett und auch sonst stimme ich kriegerin_hylia in so ziemlich allen punkten zu (mist, sie war schneller).Dann will ich mich jetzt nicht so an der positiven Kritik festklammern.

      In meinen Augen fehlt ein Ende. Nein, kein Happy End und auch keine alles erklärende Schlussworte, sondern so eine Art Kliffhanger - ich weiß nicht wie ich es sonst nennen kann.
      Wie du bereits gesagt hast, sollte es wohl ursprünglich etwas längeres sein - und das merkt man auch. ALs Kurzgeschichte, oder wie man auch sagen könnte - kurzer Einblick in diesen Charakteren, ist es auf jeden Fall durchsetzbar. Dennoch fehlt halt dieser... Schluss. Dieser ...PING-Effekt, der dem Leser eine überraschende Wendung gibt oder einen verblüfft zucken lässt und denkt: wow, so habe ichs gar nicht betrachtet.
      Ich weiß wirklich nicht, ob das zwingend nötig ist, denn die Geschite ist wirklich gut. Aber ein Gefühl sagt mir eben, dass dieses "Offene Ende" fehlt. Um es zu verdeutlichen: Gar kein Ende ist kein offenes Ende.
      Während des gesamten Textes beschreibst du die Sehnsucht dieses Menschen, der seine wahre Liebe nicht mehr sehen darf/wird (man möge mich korrigieren). Allmählich wird einem klar, dass dies wohl eine homosexuelle Beziehung ist. Trotz dieser eher überraschenden Wendung, ist das aber alles, was die Geschichte übermittelt. Man lernt zwar etwas über die Beziehung kennen, aber für eine Kurzgeschichte ist das zu wenig.
      Es fehlt halt diese unerwartete Feststellung.

      So, um mich jetzt nicht weiter in meinen wirren Worten zu verlieren, lasse ich das jetzt mal so stehen.Versteh mich nicht falsch, das ist ein guter Ansatz, aber mal so eine lange Geschichte in eine Kurzgeschichte umzuwandeln geht meistens nicht über Nacht.
      LG
      Nayleen

      [SIZE=6]
      A brief candle; both ends burning
      An endless mile; a bus wheel turning
      A friend to share the lonesome times
      A handshake and a sip of wine
      So say it loud and let it ring
      We are all a part of everything
      The future, present and the past
      Fly on, proud bird
      You're free at last.
      [/SIZE]