Moonlight Shadow

    • Moonlight Shadow

      Moonlight Shadow

      Prolog
      “Ich weiß, dass du nicht wegwillst”, sagt Yuki und streicht ihrem Sohn über das dunkelbraune Haar.
      “Ach, ist das so offensichtlich?”, erwidert Aron trotzig.
      “Glaub mir, es ist kein Segen ein Darkside zu sein! So, und nun hör auf rumzumaulen, verabschiede dich lieber von deiner Schwester!”, weist sie ihn sanft zurecht.
      Er seufzt. “Ja, Mama, aber spätestens wenn ich achtzehn bin komme ich zurück!”, schwört er und umarmt Yuki.
      “Das wirst du schön bleiben lassen! Du verlässt den Wald, und du weißt, was das heißt. Die Sunshines endlich einen Grund haben dich umzubringen! Das weißt du genau so gut wie ich!”, murmelt sie in seine Haare und drückt ihn fest an sich.
      “Warum muss ich denn überhaupt gehen?”, fragt Aron und seufzt erneut.
      “Weil es besser für dich ist, punkt!”, sagt sie und tritt einen Schritt zurück.
      “Wo ist Summer denn?”, fragt er und unterdrückt ein Seufzen. Es bringt schließlich nichts zu trauern. Er hat vielleicht noch fünf Minuten, bevor sein Vater kommt und ihn abholt. Und diese fünf Minuten heißt es zu genießen!
      “Sie ist im großen Wohnzimmer, aber bitte weck sie nicht, falls sie schläft”, sagt Yuki und deutet auf eine große Tür.
      “Ganz bestimmt nicht”, murmelt er leise. “Mach’s gut, Mama.”
      “Du auch.”
      Leise schleicht er ins Wohnzimmer. Die Lampe neben dem Sofa wirft ein schwaches Licht in den großen Raum. Zielstrebig geht er zum Sofa. Und da liegt sie, eingekuschelt in einer warmen Decke und mit geschlossenen Augen.
      “Summer”, flüstert Aron leise.
      Keine Reaktion. Dann muss er es eben machen, während sie schläft. Eine schwarze Kette mit einem schwarzen Herzanhänger erscheint in seiner Hand. Der Herzanhänger ist aus Onyx. Genau in der Mitte sind drei weitere Edelsteine eingefasst. Ein blutroter Rubin, ein tiefblauer Saphir und ein dunkelgrüner Smaragd. Selbst in dem schwachen Licht funkeln und strahlen sie in allen möglichen Farben. Behutsam und bedacht darauf, Summer nicht zu wecken, legt Aron ihr die Kette um.
      “Ich liebe dich, Summer! Selbst wenn du es jetzt nicht hörst, musst du immer daran denken, dass ich dich liebe und dass sich das auch nie ändern wird!”, flüstert er so leise wie möglich, damit Yuki es nicht hört, obwohl spätestens wenn sie die Kette sieht, rastet sie aus. Man hat schließlich nur ein Herz und das seiner Schwester zu schenken ist nicht unbedingt wer weiß wie klug, doch Aron liebt sie nun mal über alles, und das wird sich auch nie ändern. Er will sich nicht wie seine Mutter in einen menschlichen Trottel verlieben und diesem Trottel dann sein Herz schenken. Nein, da ist es bei seiner vierjährigen Schwester eindeutig besser aufgehoben.
      Plötzlich hupt draußen ein Auto. Sein Vater. Aron wirft einen prüfenden Blick auf Summer. Sie schläft immer noch friedlich. Zärtlich küsst er sie auf die Stirn. Sein Vater hupt noch einmal. Erneut blickt Aron Summer an. Zum Glück ist sie auch dieses Mal nicht aufgewacht. So doof kann auch nur sein Vater sein! Er weiß schließlich, dass Darksides nur einen sehr leichten Schlaf haben. Bestimmt sind schon alle, mal abgesehen von Summer, wach.
      Dieser Idiot! Und ausgerechnet zu diesem Idioten muss Aron nun ziehen. Leise seufzend steht Aron auf und macht sich auf den Weg in ein neues Leben … Ein Leben ohne alles was ihm wichtig ist, seine Familie, seine Darkside-Fähigkeiten, seine besten Freunde und sein Zuhause. Erneut hupt sein Vater. Er ist echt der schlimmste Mensch von allen!!
      Ein letztes Mal blickt Aron zu Summer, dann geht er endgültig nach draußen zu seinem Vater, der lässig an seiner schwarzen Nobel-Karosse lehnt.
      “Hi!!” Sein Vater tut auf super cool. Dieser Arsch! “Dich habe ich ja lange nicht gesehen! Mann, bist du groß geworden”, begrüßt er Aron überschwänglich und will ihn umarmen, doch Aron macht einen Schritt zur Seite und weicht seinem Vater somit geschickt aus.
      “Seit ZEHN Jahren hast du mich nicht gesehen und es ist vollkommen logisch, dass ich in diesen ZEHN Jahren gewachsen bin! Wär doch scheiße, wenn ich immer noch so groß wäre wie mit VIER”, erwidert Aron trocken, wobei er die Zahlen extra laut sagt, und steigt auf der Beifahrerseite ein. Sein Vater starrt ihm hinterher. “Können wir jetzt endlich losfahren?”, murmelt Aron leise und immer noch wütend.
      Sein Vater steigt eben falls ein. “Und dein Gepäck? Ich meine, deine Tasche oder dein Koffer?”, fragt er verwundert.
      “Meine Reisetasche liegt seit heute Mittag in deinem Kofferraum!”, antwortet Aron genervt.
      “Hast du wirklich alles?”, hakt sein Vater nervender Weise erneut nach.
      “JA!! Ich trage sogar eine Unterhose! Und jetzt FAHR endlich!”, brüllt Aron seinen Vater an und verfällt danach in Schweigen. Womit hat er das bloß verdient?! Ebenfalls schweigend startet sein Vater den Motor. Aron ist sich sicher, dass das eine stille Fahrt wird. Und in spätestens vier Jahren wird er zurückkommen, das schwört er sich erneut.



      1. Der Tag danach
      Es wird getanzt, gesoffen und gefeiert. Obwohl heute der 22. Dezember ist, ist fast der ganze Jahrgang zu Simons achtzehntem Geburtstag gekommen, ist ja auch klar, Simons Partys sind einfach die besten. Was kein Wunder ist, schließlich hat er’s in den Genen. Sein Vater hat eine Disco und einen großen Partyraum im Keller. Gerade flirtet Simon mal wieder mit mir.
      Seitdem er sitzen geblieben ist, sind wir in einer Klasse. Das war vor zwei Jahren. Ab da konnte uns keiner mehr trennen, wir haben immer zusammengegluckt. Also, nur das man das nicht falsch versteht, ich will nichts von ihm und er nicht von mir. Wir haben beide einfach nur Spaß am flirten und sind beste Freunde.
      Obwohl ich zu geben muss, dass das am Anfang noch ganz anders ausgesehen hat. Ich war so was von in ihn verschossen, doch er wollte nichts von mir. Wäre besser gewesen, wenn er seine Meinung nicht geändert hätte …
      Nach weiteren zehn Minuten Tanzen quetsche ich mich durch die Menge zur Bar und erkämpfe mir einen Barhocker. Jojo, der Barkeeper und mein Exfreund, schlendert auf mich zu. “Hey, Chicken!”, grüßt er mich.
      “Hey, Jojo!”, grüße ich zurück.
      “Was willst du denn?”, fragt er.
      “Höchstens was zu trinken von dir!”, lache ich.
      “Schade, kein Kind?”, meint er gespielt deprimiert. Dann fasst er sich wieder und fragt, “Was möchtest du denn trinken?”
      “Barcardi Cola!”, erwidere ich.
      “Das darf ich dir nicht geben!”, bestimmt er. “Wieso?”, frage ich irritiert. “Du bist erst sechzehn”, sagt er und guckt mich mit seinen fünf Jahren mehr Lebenserfahrung an.
      “Na und?” Ich stehe irgendwie auf dem Schlauch. Immerhin hat er mir auch schon vor einem Jahr Cocktails mit Alkohol ausgeschenkt. Zwar nicht viele, aber trotzdem! Es geht ums Prinzip!
      “Vielleicht hast du in Politik nicht aufgepasst, aber trotzdem solltest du wissen, dass man mit einundzwanzig vollstrafmündig ist … Und ich will nicht in Knast, nur weil ich dir Alkohol ausschenke”, sagt er.
      “Hallo, das kriegt doch keiner mit! Und seit wann interessiert dich so was? Weil, nur zur deiner Info, dann hättest du auch nicht vor einem Jahr mit mir pennen dürfen!!”, erwidere ich schnippisch. So, das saß. Wortlos dreht er sich um, kippt Cola in ein Glas und gibt einen Schuss Barcardi dazu.
      “Bitte”, er knallt das Glas auf den Tresen und wendet sich den anderen Leuten zu. Das Scheiß-Gefühl in der Magengegend schwemme ich mit einem riesigen Schluck Cola weg.
      Ein Typ, den ich nur vom Sehen her kenne, geht langsam auf mich zu. “Willst du Tanzen?”, fragt der Typ, als er vor mir stand.
      Ich trinke den letzten Schluck aus und stelle das Glas auf die Bar. Dann lasse ich mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. Über der Schulter hinweg sehe ich, dass Jojo eifersüchtig zu mir rüberguckt. Ist eigentlich ziemlich süß von ihm, immerhin sind wir schon seit einem halben Jahr getrennt.
      “Wie heißt du eigentlich?”, frage ich den Typen, während wir tanzen. “Chris … tian”, antwortet er, “Und du?”
      “Hanni”, sage ich, dann konzentriere ich mich auf die Musik. Das Tanzen ist nicht gerade Schlecht, aber so richtig Spaß macht es auch nicht. Als das Lied zu Ende ist, gehen wir wieder zur Bar.
      “Möchtest du was trinken?”, fragt Chris.
      “Cola”, nicke ich.
      Er geht zur Bar und bestellt, kurz darauf stehen zwei Gläser Cola vor mir.
      “Danke”, sage ich und trinke einen Schluck. Bäh, seit wann schmeckt eine einfache Cola denn so bitter? “Was hast du denn mit der Cola gemacht?”, frage ich.
      “Ich dachte, du wolltest Cola Bearney … ”, meint Chris kleinlaut.
      Nein wollte ich nicht, du Idiot, kann ich ja nicht sagen, obwohl er es verdient hätte. Ich meine, wenn ich Cola sage, dann meine ich auch Cola und nicht dieses Spülmittelgesöff! “Nein, eigentlich nicht, aber macht nichts.”
      Er lächelt mich erleichtert an. Ich lächele zurück, doch mein Blick geht an ihm vorbei zu Jojo. Warum macht es mich so wahnsinnig, dass er mich entweder beobachtet oder ignoriert? Schließlich habe ich vor einem halben Jahr Schluss gemacht und nicht er …
      “Du bist wirklich süß!”, holt Chris mich in die Realität zurück. Bestimmt küsst er mich gleich, denke ich. Und tatsächlich nähert er sich meinem Gesicht Zentimeter um Zentimeter, kurz bevor sich unsere Lippen berühren, sehe ich Jojo wie einen Torpedo davon schießen. Dann berührt Chris meine Lippen, doch ich bin zusehr mit denken beschäftigt, als dass ich mich aufs Küssen konzentrieren könnte.
      Plötzlich spürte ich Chris’ Zunge in meinem Mund. Automatisch schließe ich meine Augen. Doch ich kann nicht küssen, wenn ich an was denke, vor Allem, wenn ich an einen anderen Typen denke. Ruckartig unterbreche ich den Kuss. Ich stottere irgendwas von zu schnell und nicht persönlich nehmen, dann renne ich raus. An der Garderobe schnappe ich mir meinen Mantel, dann fällt die Tür hinter mir ins Schloss.
      “Jojo?”, rufe ich in die vom Mond schwach erleuchtete Nacht hinaus.
      Verächtliches Schnaufen dringt hinter einem Baum hervor.
      “Jojo?”, frage ich unsicher.
      Es wird noch einmal geschnauft. Langsam gehe ich auf den Baum zu und gucke um die Ecke. Dort steht Jojo und schaut in den sternklaren Himmel. Er sieht mich an.
      “Ist dir gar nicht kalt?”, frage ich. Schon allein bei dem Gedanken mitten im Dezember ohne Jacke oder Pulli draußen zu stehen, kriege ich eine Gänsehaut.
      Er schüttelt den Kopf: “Nicht mehr, seitdem du hier bist … ”
      Ich schlucke schwer. Es ist vorbei!!
      “Wo ist eigentlich Chris?”, fragt er.
      “Woher kennst du Chris?”, antworte ich mit einer Gegenfrage.
      “Ich wohne bei ihm. Er ist mein Cousin. Wo ist er denn nun?”
      Ich zucke mit den Schultern. Erst jetzt merke ich, dass ich trotz Mantel zittere vor Kälte. Jojo mustert mich. Zögernd macht er einen Schritt auf mich zu, dann noch einen und schließlich nimmt er mich in den Arm. Das Zittern hört sofort auf.
      “Ich liebe dich, Chicken!”, flüstert er mir ins Ohr. Ich weiß, denke ich und lasse mich von ihm Küssen, erst vorsichtig fragend, dann zärtlich. Irgendetwas hält er in der Hand. Doch ich habe keine Ahnung, was es ist.
      “Nimm deine Finger von ihr!”, schreit Chris Jojo an.
      Scheiße, den habe ich ja total vergessen. Was ist nur mit mir los, verdammt noch mal? Langsam löst sich Jojo von mir und blickt Chris an, als ob er ihn gleich umbringen möchte.
      “Willst du sie immer noch zurück haben? Alter, wach auf! Ihr seid nicht mehr zusammen und jetzt sind andere dran!”, tobt Chris weiter.
      “Nur falls du’s nicht bemerkt hast, du sprichst von Hanni, als ob sie eine Sache wäre und du sie besitzt! Dabei steht sie neben dir!”, sagt Jojo scharf.
      Die Argumente fliegen hin und her wie der Ball bei einem Tennismatch. Ich blicke von einem zum anderen.
      “Sei froh, dass du hier überhaupt in Deutschland sein darfst! Sonst wärst immer noch in deinem kleinen Scheißdorf und würdest deiner Ma hinterheulen!”, brüllt Chris.
      Plötzlich spritzt das Blut nur noch so. Jojo hat Chris mitten ins Gesicht geschlagen. “Merk dir eins, rede nie so über meine Mutter”, sagt Jojo ruhig zu Chris und wendet sich zum gehen.
      Ich stehe da wie erstarrt. Auch Chris ist wie fest gefroren. Allerdings muss es eine sehr starke Schneeschmelze gegeben haben, denn in Sekundenschnelle ist er auf Jojo losgegangen.
      “Du Arsch! Und merk du dir eins, niemand schlägt mir ins Gesicht!”, schreit Chris und tritt auf Jojo ein.
      “Gewöhn dich lieber dran, nicht jeder geht so sanft mit dir um wie ich”, zischt Jojo.
      “Alter! Hört auf, ihr Idioten!”, versuche ich nie beiden auseinander zu bringen.
      “Halt dich da raus, du Schlampe!”, entgegnet Chris und ignoriert mich.
      “Bitte, das ist eine Sache zwischen mir und … Na warte!”, sagt Jojo bevor er sich wieder Chris zuwendet.
      Mir steht der Mund offen vor Empörung.
      “Voll GEIL … die plügeln sisch um disch!”, lallt mir Dora ins Ohr. Sie geht in meine Klasse und ist berüchtigt dafür, dass gern mal einen über den Durst trinkt. Zum Glück quetscht sich Simon durch die Masse. Er hat zwar ebenfalls viel getrunken, aber ihn kriegt man nicht besoffen, egal wie viel er trinkt. Okay, ganz nüchtern ist er nicht mehr, aber wenigstens besitzt er noch seinen Verstand, im Gegensatz wie die zwei Idioten die sich inzwischen wie die Kindergartenkinder im Dreck wälzen.
      Simon schmeißt sich zwischen Jojo und Chris, bekommt Chris’ Arme zu fassen und verdreht sie auf dem Rücken. Er heult auf wie ein alter Motor.
      Im gleichen Moment erhasche ich Jojos Haare und ziehe ihn mit mir. Die Masse grölt.
      “Ist sie im Bett auch so temperamentvoll?”, ruft jemand. Das Grölen wird lauter.
      Als wir etwa zehn Meter gegangen sind, lasse ich ihn mit einem Schubs los und Jojo stolpert noch ein paar Schritte weiter. “Sag mal, bist du, nein besser, seid ihr verrückt geworden?! Was denkt ihr euch dabei, sich zu prügeln wie kleine Kinder?”, mache ich ihn zur Schnecke, während er mit einem Schwung seine dunkelbraunen Haare in Form bringt.
      Er guckt mir in die Augen und grinst. HALLO, was gibt’s da zu grinsen? Er guckt auf den Boden, so als ob ihm gerade klar geworden ist, dass ich das Ganze nicht zum Grinsen finde.
      “Also ich höre”, will ich ungeduldig wissen.
      “Meine Mutter ist vor sechs Jahren gestorben. Mein Vater hat angefangen zu trinken und meine Schwester und mich andauernd geschlagen. Kurz darauf ist er in die Klapse gekommen und wir wurden zu Verwandten gegeben. Meine Schwester hat zwei Jahre später geheiratet und ist in die USA gegangen. Für mich gab’s in Brasilien keine Zukunft, deswegen hat mir Chris’ Mutter, also meine Tante, angeboten hierher nach Deutschland zu kommen, um hier die Schule zu beenden und so weiter”, erzählt er.
      “Wo willst du denn jetzt hin, ich denke, dass du ganz bestimmt nicht zu deiner WG gehen möchtest, oder?”
      Er lächelt gequält.
      “Du kannst bei mir pennen!”, erkläre ich. Bin ich von allen guten Geistern verlassen? Ich weiß nicht mal, ob Mama morgen früh zu Hause ist ...
      “Wenn du drauf bestehst!”, sagt er und zieht amüsiert die Augenbrauen hoch.
      Auf den Weg zu mir laufen wir schweigend neben einander her. Beide hängen wir den Gedanken nach.
      Meine kreisen um meine Mutter. Hoffentlich muss sie morgen früh arbeiten. Klar, sie kennt Jojo, aber ich möchte nicht so unbedingt, dass sie ihn bei mir im Zimmer sieht. Er ist für sie zwar der perfekte Schwiegersohn, ein bisschen alt vielleicht, aber sonst perfekt!
      Nur in Sachen miteinander schlafen ist sie etwas speziell:
      Ich war vierzehn und meine Mutter hatte versucht mich aufzuklären. Besser gesagt, sie hat mir Horrorgeschichten von schwangeren Mädchen erzählt. Außerdem hat sie mir eingeschärft, dass man verheiratet sein muss, um mit einem Jungen zu schlafen.
      Na ja, mal ganz abgesehen davon, dass ich Anfang fünfzehn war und nicht verheiratet, als es bei mir geklappt hat, muss man sich mal fragen, wie sie meine drei Brüder und mich bekommen hat, ohne je verheiratet gewesen zu sein. Tja, wahrscheinlich ein Storchennest auf dem Dach gehabt …
      Wir stehen vor der Haustür. Ich bin noch dabei meinen Schlüssel raus zu kramen, als die Tür bereits geöffnet wurde. Stuart steht mit einem Eisbecher in der Hand vor uns. Er ist neunzehn und mitten im Abi.
      “Kein Wort zu Mum, okay?”, stelle ich sofort klar.
      Er löffelt unbeeindruckt sein Eis.
      “Sonst sage ich ihr, dass… dass du ‘nen Freund hast!”
      “Mach ruhig, ist sowieso egal”, sagt er und geht wieder vor die Glotze.
      Irritiert laufe ich ihm nach.
      “Seit wann ist dir das egal?”
      “Seitdem es sowieso egal ist”, antwortet er und löffelt wieder sein Eis.
      Jojo ist höflicher Weise im Flur stehen geblieben, obwohl er und Stuart ziemlich gut befreundet sind. Ich setze mich auf die Sofalehne.
      “Hat er mal wieder Schluss gemacht?”, frage ich mitfühlend.
      Stuart nickt.
      “Kleiner Tipp von deiner kleinen Schwester?”
      Er seufzt. Ich deute das einfach als Ja.
      “Such dir ‘nen anderen Kerl … und schlaf schön!” Langsam stehe ich auf.
      “Ich will keinen anderen!”, erwidert er trotzig.
      “Du weißt es nur noch nicht”, meine ich, schicke ihm eine Kusshand und gehe in den Flur.
      Dort entledige ich mich meines Mantels und gehe danach die Treppe zu meinem Zimmer hoch. Leise schließe ich die Tür. Ich will schließlich Mama nicht aufwecken…
      Dann hole ich eine Wolldecke aus meinem Schrank und ziehe meine Schlafcouch aus. Jojo zieht sein T-Shirt aus und nach kurzem Zögern auch seine Jeans, sodass er nur noch in Boxershorts da steht. Krampfhaft versuche ich meinen Blick von ihm fernzuhalten. Ich habe zwar schon öfter so gesehen, doch es ist einfach scheiße ihn anzustarren wie das achte Weltwunder.
      Dann ziehe ich mir mein Top übern Kopf, meinen Rock aus und mein Bigshirt an. Nun erst öffne ich meinen BH und lege ihn zu den anderen Sachen. Jojo liegt mit Armen hinter dem Kopf und geschlossenen Augen völlig relaxt auf dem Sofa.
      “Nacht”, flüstere ich und knipse das Licht aus.
      Vorsichtig taste ich mich zu meinem Bett, bis mich plötzlich eine Hand packt und mich aufs Sofa zieht. Im letzten Moment kann ich einen Schrei unterdrücken.
      “Erschreck mich nicht so, du Idiot!”, zische ich.
      “Sorry, ich konnte nicht widerstehen!”, sagt er leise.
      So einfach kommt der mir nicht davon! Ich nehme eines der Kissen und haue es ihm an seinen Kopf, zumindest so weit ich seine Umrisse erkennen kann. Leider hat er das Kissen ebenfalls gesehen und kann es abfangen. Gleichzeitig zieht er mich zu sich herunter und küsst mich. Erst küsse ich ihn zurück, doch dann löse ich mich ruckartig von ihm.
      “Bitte, hör auf … ich … ich liebe dich nicht … mehr”, stottere ich.
      “Ich weiß, aber ich kann ja auch nichts dafür, dass ich dich einfach nicht vergessen kann!”, flüstert er, dann dreht er sich weg.
      “Jojo?”, frage ich leise.
      “Mhm”, murmelt er.
      “Sorry”, meine ich und stehe auf.
      Ruckartig dreht er sich um und greift erneut nach meiner Hand. “Es muss dir nicht Leid tun. Wir hatten ein tolles Jahr zusammen, doch nun ist es vorbei!” Er lässt meine Hand los.
      Ich trete von einem Bein auf das andere. Seine Augen sind geschlossen.
      Langsam setze ich mich wieder aufs Sofa. Er nimmt keine Notiz von mir. Zumindest so weit ich es sehen kann. Ich lege mich hin und rutsche Zentimeter um Zentimeter näher an Jojo heran.
      Plötzlich umfasst er meine Taille. Ich kuschele mich an ihn. Er seufzt zufrieden.
      “Wenn das so ist, müssen wir nicht zusammen sein”, murmelt er und drückt mich fest an sich.
      Es fühlt sich vertraut und anders auf einmal an. Warum kribbelt es in meinem Bauch bloß so? Verdammt, bin ich etwa immer noch in ihn verliebt? Oder kann es sein, das ich mich wieder in ihn verknallt habe? Über all diese Fragen schlafe ich ein.
      “Schatz! Aufstehen! Frühstück ist fertig!”
      W … WAS? Scheiße! Warum ist meine Mutter denn hier?
      “Schatz”, sagt meine Mutter fröhlich und tritt in mein Zimmer. “Stell dir vor ich bin befördert wor …”, bricht sie mitten im Wort ab. Sie hat das Licht angemacht und Jojo erblickt.
      “Äh …” SCHEISSE! Jetzt ist guter Rat teuer. Wenigstens sieht sie nicht, das Jojo nur Boxershorts an hat. Obwohl … Ihr Blick wandert über meine und seine Klamotten.
      “Es ist nicht so, wie du denkst!”, beeile ich mich zu sagen.
      Mama schnappt nach Luft und ringt um ihre Fassung. Millimeter um Millimeter rücke ich von Jojo ab.
      “Guten Morgen … Jojo”, quetscht sie mühsam hervor.
      “Guten Morgen! Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung, Frau Rient”, versucht Jojo die Situation so weit wie möglich zu retten.
      Trotz der Glückwünsche hat es sich jetzt hundert pro ausgeschwiegersohnt.
      “Danke”, lächelt sie tapfer.
      Doch dann lässt sie erneut den Blick über unsere Sachen schweifen und bei jedem weiteren Kleidungsstück, fällt ihr das Lächeln immer weiter aus dem Gesicht.
      “Ich warte unten und decke noch ein weiteres Gedeck auf. Du möchtest doch sicher auch hier frühstücken, oder?”, sagt sie und wirft einen Blick auf Jojo, der inzwischen leicht rot angelaufen ist. Zum Glück sieht man das nicht so doll, da er ein eher dunkler Hauttyp ist.
      “Ja gerne”, antwortet er und nickt.
      Meine Mutter verlässt verwirrt mein Zimmer. Bestimmt fragt sie sich was sie bei meiner Erziehung falsch gemacht hat. Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen ist und die Schritte meiner Mutter auf der Treppe zu hören sind, prustet und lacht Jojo, dass er kaum noch Luft bekommt. Auch ich kugele mich vor Lachkrämpfen.
      “Was erzählen wir ihr denn für ‘ne Horrorstory?”, gluckse ich. “Ich habe versucht das Kind, das du bekommst, zu töten, weil’s von ‘nem anderen ist”, lacht er.
      “Na hör mal! Ich bin doch keine Schlampe!”, rege ich mich auf.
      “Reg dich nicht auf! Du bist schwanger!”, bestimmt er und streichelt meinen Bauch.
      “Wieso? Ist doch sowieso von ’nem andern”, sage ich und schaue ihn herausfordernd an.
      Seine Hand verweilt immer noch auf meinem Bauch. “Stimmt”, gibt er zu und nimmt die Hand von meinem Bauch.
      Allerdings hinterlässt er einen Haufen Schmetterlinge. Was ist bloß los mit mir? Sein Kopf nähert sich meinem Kopf. Einen Millimeter vor meinem Gesicht bleibt er stehen und sieht mir in die Augen. Zwei, fünf, zehn Sekunden sehen wir uns so an, dann gibt er mir einen Kuss auf die Stirn und steht auf. Ich springe ebenfalls auf. Während er sich seine Klamotten von gestern anzieht, nehme ich eine Jeans, einen Pulli und Socken aus meinem Schrank. Nur den BH von gestern ziehe ich an. Als wir fertig sind und die Treppe runter gehen, wende ich mich an Jojo,
      “Wir erzählen ihr aber keine Horrorgeschichte, sonst sehe ich mich jetzt schon in der Klosterschule sitzen!”
      “Bist du sicher, dass du da nicht besser aufgehoben bist?”, fragt er amüsiert.
      “Idiot”, zische ich, dann öffne ich die Küchentür. Mama sitzt am Küchentisch und säbelt sich ein Brötchen auf. “Kakao?”, frage ich Jojo.
      Er nickt und ich mache mich dran, Milch und Kakaopulver in Tassen zu schütten. Mama gibt das Brötchenmesser an ihn weiter.
      “Brötchen?”, fragt er an mich gerichtet. Ich nicke und balanciere die Tassen zum Tisch. Irgendwie eine komische Situation, meine Mutter, mein Ex und ich an einem Tisch. Schweigend landet das Brötchen auf meinem Teller. Schweigend stelle ich den Kakao vor Jojos Teller. Auch Mama schweigt. Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass sie schweigt.
      Gerade als ich meinen ersten Schluck Kakao trinke und Jojo in sein Brötchen beißt, entschließt sie sich ihr eisernes Schweigen doch zu brechen: “Habt ihr das Kondom wenigstens in den Müll geschmissen? Ihr habt doch eins benutzt, oder?”
      Ich spucke meinen Kakao quer übern Tisch und Jojo kriegt einen mega Hustanfall, weil er sich an seinem Brötchen verschluckt hat.
      “Mama!”, sage ich vorwurfsvoll.
      “Na, ich mein ja nur. Ich werde es nämlich ganz bestimmt nicht mach … ”
      “MAMA! Wir haben gar nicht …”, unterbreche ich sie, bevor sie sich total zum Affen macht.
      “Äh … Ich … Äh … muss weg!”, stottert Mama, grapscht nach dem Autoschlüssel und läuft hektisch aus der Küche.
      Jojo und ich sehen uns an. Seine Mundwinkel beginnen zu zucken. Sie zucken immer mehr, bis er in schallendes Lachen ausbricht. Auch ich kann nicht mehr vor Lachen.
      Nachdem wir uns wieder eingekriegt haben, springe ich auf, schalte das Radio ein und wische den Kakao vom Tisch, während Jojo genussvoll sein Brötchen mümmelt.
      Zehn Minuten später klingelt das Telefon. Ich stehe auf, gehe zum Telefon im Flur und hebe ab: “Rient?”
      “Hey Chicken, ich bin’s Simon!”, brüllt er ins Telefon.
      “Ich bin ja nicht taub!”, schnauze ich ihn in gleicher Lautstärke an.
      “Ist ja gut. Weißt du wo Jojo ist? Er hat mir versprochen aufräumen helfen, doch nun kann ich ihn nirgends erreichen…”, sagt er in normaler Lautstärke.
      “Wir sind in ‘ner halben Stunde bei dir!”, antworte ich.
      “ER ist bei DIR?! Ihr habt doch nicht etwa … ?”, brüllt Simon wieder.
      “Nein!”, unterbreche ich ihn. “Wir sind nicht mehr zusammen, schon vergessen?”
      “Nein! Aber trotzdem … Was hat deine Mutter denn gesagt?”, fragt er. Er weiß das meine Mutter nicht, na ja, ganz einfach ist.
      “Ach, die war TOTAL begeistert”, erkläre ich ironisch.
      Simon lacht: “Kann ich mir gut vorstellen … Na dann, bis gleich … Ich muss dir noch was erzählen … Ciao!”
      “Bis gleich!”, sage ich und lege auf.
      Als ich in die Küche gehe, ist Jojo bereits dabei den Tisch abzuräumen. Schnell stopfe ich mir meinen letzten Bissen Brötchen in den Mund und räume die Lebensmittel in den Kühlschrank. Jojo widmet sich dem Geschirr.
      “Wer hat denn angerufen?”, will er neugierig wissen.
      “Mein Lover … von dem ich das Kind kriege!”, sage ich und lache.
      Er sieht mich tadelnd an und schüttelt dann allerdings grinsend den Kopf. “Du bist echt unmöglich!”, grinst er.
      Ich grinse zurück. “Simon. Er wollte wissen, wo du bist. Ich habe gesagt, das wir in ‘ner halben Stunde da sind”, erkläre ich wieder ernst.
      Zum Schluss wische ich noch einmal über den Tisch.
      “Danke, dass du mir geholfen hast!”
      “War mir ein Vergnügen, Sir!”, sagt er, knallt die Hacken zusammen und salutiert.
      “Lady heißt das, Sie Tölpel!”, weise ich ihn zurecht.
      “Aye, Aye, Si … Äh … Lady!”
      Wir brechen erneut in Lachen aus.
      Dann hole ich Zettel und Stift und kritzele meiner Mutter eine Nachricht. Jojo sieht mir über die Schulter. Ich merke seinen Atem an meinem Hals und meinem Gesicht. Sofort kriege ich eine Gänsehaut.
      “Bin bei Simon, mach dann essen, hab Nils geweckt und dich lieb, Hanni”, liest er laut vor.
      “Also, wenn wir in einer halben Stunde bei Simon sein wollen, … ”, merkt er an, als wir im Flur stehen.
      “Kurzen Moment noch … ”, bestimme ich und nehme zwei Treppen Stufen auf einmal.
      Oben bleibe ich vor Nils Zimmer Tür stehen. Vorsichtig drücke ich die Klinke herunter. Im Zimmer ist es dunkel, nur leichtes Gekicher ist zu hören.
      Moment, seit wann kichert mein Bruder denn? Überhaupt, das klingt, als ob hier mehrere Leute kichern. Ich taste nach dem Lichtschalter.
      Als ich das Licht angemacht hatte, blicke ich in vier verschreckte Mädchengesichter. HALLO? Er ist jünger als ich! Nils sieht aus, als ob er am liebsten im Erdboden verschwinden möchte. Ich hingegen muss mir ernsthaft ein Lachen verkneifen. Mama muss bei der Erziehung all ihrer Kinder was falsch gemacht haben, Stuart ist schwul, ich bringe einen Typen mit nach Hause, mit dem ich nicht mehr zusammen bin, und schlafe fast mit ihm, Nils ist ein echter Playboy und Benni, mein ältester Bruder, gondelt irgendwo in der Weltgeschichte umher und bringt aus jedem Land ‘ne andere Freundin mit.
      “Ich erzähl Mama nichts”, beruhige ich meinen Bruder und lasse meinen Blick noch mal über die Mädchen schweifen, die alle höchstens dreizehn/vierzehn sind. Dann drehe ich mich um, gehe aus dem Zimmer und rutsche das Treppengeländer runter.
      “So, nun können wir endlich!”, sage ich zu Jojo, der mich verwundert ansieht. Er hat mich noch nie zuvor ein Treppengeländer runterrutschen gesehen und wahrscheinlich auch nicht mit gerechnet, dass ich so etwas machen würde. Tja, da muss ich ihn leider enttäuschen. Ich mustere Jojo nachdenklich.
      “Is’ was?”, fragt er.
      “Ja, oder willst du ohne Jacke aus dem Haus?”, antworte ich mit einer Gegenfrage. Er schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
      “Klar, hab ich vergessen!” Muss man da jetzt die Logik verstehen? Hoffentlich nicht, ich verstehe sie nämlich nicht. “Hier, nimm erst mal Stuarts, der hat bestimmt nichts dagegen!”, sage ich.
      “Danke”, antwortet Jojo.
      Eine viertel Stunde später stehen vor Simons Haustür. Ich klingele. Herr Pint, Simons Vater, öffnet.
      “Ach, Johanna, Jojo, ihr seid’s. Simon hat gesagt, dass ihr kommt”, grüßt er uns.
      “Guten Morgen”, sagen Jojo und ich im Chor.
      “Na na, wir sind doch nicht in der Schule”, entgegnet Herr Pint und lacht. Jojo und ich grinsen uns an. In dem Moment kommt Simon die Kellertreppe hoch. Herr Pint lässt uns rein und geht wieder in die Küche.
      “Hi, Simon!”, begrüße ich Simon und umarme ihn.
      “Hey, Chicken!”
      “Hey, Simon”, sagt Jojo und klopft Simon auf die Schulter.
      “Moin”, entgegnet er.
      “Je schneller wir anfangen, desto schneller sind wir auch fertig!”, bestimme ich, ziehe meine Jacke aus und gehe die Treppen runter in den Partyraum. Die Jungs laufen mir nach… Haha!
      Als wir unten sind und ich die Tür öffne und einen Blick hinein werfe, trifft mich fast der Schlag. Da drinnen sieht’s aus wie sau! Überall liegen Gläser, zum Glück ist der Fußboden gefliest, denn es backt wie sonst was. Getränke sind ausgelaufen, Scherben liegen hier und da.
      “Das ist viel Arbeit”, stelle ich schließlich fest. Was für eine Meisterleistung, echt!
      “Lasst uns lieber anfangen, wenn wir heute noch fertig werden wollen…”, meint auch Jojo und tastet sich langsam vor zur Bar. Bedacht darauf, möglichst nicht auf Gläser, Flaschen oder Scherben zu treten.
      Während Simon und ich anfangen Flaschen und Gläser aufzusammeln. “Wie lange ging die Party denn noch?”, beginne ich ein Gespräch.
      “Fast bis drei."
      “Und? Hab ich irgendwas verpasst?”
      “Nö.”
      Ich glaube die Party ist länger gegangen als bis drei. Sonst wäre Simon nicht so einfältig.
      “Du wolltest mir noch etwas erzählen”, versuche ich erneut das Gespräch in die Gänge zu kriegen.
      “Ja.”
      Grrrrr! “Und das wäre…” Gedankenlesen kann ich schließlich nicht.
      “Ich hatte gestern, also heute…”, beginnt er.
      “Jaa?” “Ich hatte das erste mal Sex…”, erzählt er leise.
      “Hä? Ich dachte, du hattest schon mit Caro und…?”, unterbreche ich ihn.
      “Jaaa, schon, nur ihr seid keine Jungen…” Er brach ab.
      “Nein?!”, bricht es aus mir raus. Einen Ticken zu laut. Zumindest Simons Blick nach zu urteilen. “Mit wem?”, frage ich leiser.
      “Mit Chris…”, erzählt er nach einigen Rumgedruckse.
      HALLO, der Arsch! Erst mir die Zunge in Hals stecken und dann meinen besten Freund vögeln. Plötzlich guckt Simon mich mit großen Augen an.
      “Du erzählst es doch niemanden, oder?”, fragt er mich ängstlich.
      “Spinnst du? So was würde ich nie machen!”, antworte ich. Erst als ich es gesagt habe, dass man das auch falsch verstehen könnte. Ironisch falsch. Simon ist zum Glück so sehr mit Selbstmitleid beschäftigt, dass er es nicht merkt.
      “Danke Chicken, du bist eine wahre Freundin…”
      “Ihr werdet nicht fürs rum stehen bezahlt! Bewegt eure Ärsche, der Boden wischt sich nicht von alleine!”, bellt Jojo durch den Raum. Ich salutiere und brülle mit voller Lautstärke zurück: “Aye, aye Si… äh, Lady! Allerdings muss ich einen kleinen Denkfehler berichtigen, WIR WERDEN GAR NICHT BEZAHLT!”
      Jojo und ich brechen in Lachen aus und auch Simon lacht wie eh und je, obwohl er erstens eben noch total sentimental war und zweitens gar nicht weiß, warum er überhaupt lacht. VERSTEH EINER DIE MÄNNER!! Kann es sein, das ich das heute schon mal gesagt habe? Irgendwie schon…
      Dann arbeiten wir mit Hochdruck weiter und nach zwei Stunden intensivsten Putzens müssen wir nur noch die Tanzfläche wischen. Also auf Deutsch gesagt, Zeit für ‘ne Pause. Wir setzen uns an die Bar.
      “Wollen wir heute Nachmittag Schlittschuhlaufen gehen?”, frage ich in die Runde.
      “Nee, sorry, no time, no money, no fun!”, lehnt Jojo ab.
      “Also, ich hätte Zeit, meine Verwandtschaft kommt erst morgen Abend, gleichzeitig Weihnachtsessen…”, sagt Simon und tut so als müsse er sich übergeben.
      Ich kichere leise.
      “Ich könnte auch gleich mit zu dir kommen, dann spannt mich meine Mutter wenigstens nicht in sonst was ein!”, erklärt er und lacht.
      “Klar, bei uns ist heute Mittag Familienessen. Und da du zur Familie irgendwie gehörst bist du herzlich eingeladen”, antworte ich begeistert.
      Kurze Zeit später ist der Raum bis auf die letzte Fuge sauber, das man fast eine Sonnenbrille tragen muss um nicht geblendet zu werden.
      “So ich muss jetzt echt los”, meint Jojo weitere zehn Minuten später. “Auch bei mir in der Familie ist heute Mittag Familienessen.” Er lacht und zieht sich seine eigene Jacke an. “Bedank dich mal in meinem Namen bei Stuart, dass er mir die Jacke geliehen hat!”, sagt Jojo zum Abschied und drückt mir Stuarts Jacke in die Hand.
      “Ich werde mich hüten”, gebe ich lachend zurück.
      Natürlich wird Stuart nie erfahren, dass ich einfach seine Jacke genommen habe.
      “Ciao, bis spätestens Silvester!”, meint Jojo und geht aus dem Haus.
      “Ja, bis bald”, sagt Simon, dann fällt die Tür ins Schloss.
      Wir setzen uns auf die Treppe. Dicht neben einander. Wir sind echt so vertraut mit einander. So was ist echt nicht normal. Kann so eine feste Freundschaft eigentlich normal sein? Immerhin Mann und Frau wurden erschaffen um sich fortzupflanzen und nicht um einfach nur befreundet zu sein. Aber andererseits, warum gibt es dann Schwule und Lesben? Bin ich doof oder so? Ich komme mir fast vor wie meine Oma! Die labert auch immer so ‘n Zeug. Das zwischen Simon und mir das ist eine Freundschaft wie zwischen Geschwistern! Also ich würde zumindest nicht mit Benni, Stuart oder Nils in die Kiste springen. Ja, genau so ist es. Simon gehört zur Familie, Punkt! Na ja, auch wenn ich zugeben muss, das mich das nicht immer interessiert hat. Schließlich habe ich vor gut einem Jahr mit ihm geschlafen und ich muss zugeben, dass ich es wieder tun würde. Aber das Thema hat sich jetzt endgültig erledigt, da Simon ja schwul ist… Oder hat er etwa nur so getan und ist gar nicht mit Chris im Bett gewesen oder…
      Ach egal! Chicken! Denk an was anderes!!, befehle ich mir selber. Also gut, anderes Thema!
      “Was meinte Jojo denn mit Silvester?”, frage ich.
      “Na, da steigt die große Silvester Party bei mir. Wusstest du das noch nicht?” Simon sieht mich erstaunt an.
      Ach ja, er hat so was in der Art mal erwähnt. Stimmt, wie konnte ich das nur vergessen?! “Doch klar, ich hab ein Sieb als Gedächtnis, wusstest du das noch nicht?”, sage ich im gleichen Tonfall wie er kurz zuvor.
      Simon lacht. “Ich glaube, wir müssen langsam los. Ich habe heute Küchendienst, da Mama noch einkaufen wollte!”, meine ich und stehe auf.
      Eine viertel Stunde später stehen wir in unserem Flur.
      “Benni? Nils? Stuart? Mama?”, brülle ich durch das Haus.
      Keiner antwortet. Gut, niemand da.
      Ich hänge Stuarts und meine Jacke in die Garderobe und ziehe die Schuhe aus. Simon tut es mir gleich. Auf Socken schlurfen wir in die Küche, wo ich Salzwasser aufsetzend und eine Packung Spaghetti und zwei Dosen Tomatensauce rausstelle. Dann lasse ich mich auf einen Stuhl fallen. Simon setzt sich mir gegenüber.
      “Wie soll’s mit dir und Chris weitergehen? Jetzt, wo ihr zusammen seid?”, frage ich.
      “Wir sind nicht zusammen”, erwidert Simon.
      “Hä ich dachte ihr hättet mit einander…”, sage ich.
      “Haben wir ja auch!”, bestätigt er.
      “Aber?”
      “Na ja, ich habe mehr mit ihm als er mit mir!”, erklärt er.
      “Wie darf man das nun wieder verstehen?”, frage ich.
      Warum müssen Männer immer so kompliziert sein?
      “Er war zu besoffen, als dass er sich besonders gut dran erinnern könnte. Auf Deutsch gesagt, kann er sich an gar nichts mehr erinnern. Er ist heute Morgen auf dem Sofa aufgewacht und ich habe ihm gesagt, dass er um zwei eingepennt ist”, erzählt er mir die Story.
      “Du hast ihn angelogen?”, frage ich erstaunt.
      Simon lügt nur in absoluten Ausnahme Situationen.
      “Nein, ich habe nur was weggelassen und die Wahrheit ein kleines Bisschen verändert”, meint er trotzig.
      “Und wie soll’s mit euch weitergehen? Jetzt, wo ihr nicht zusammen seid, trotzdem miteinander gepennt habt und du was von ihm willst?”, frage ich noch mal.
      “Gar nicht, ich will ja nichts von ihm”, entgegnet Simon.
      “Und warum hast du dann mit ihm gepennt?” Ich verstehe Männer einfach nicht. Da soll Mann noch einmal sagen, Frauen wären kompliziert!
      “Weil ich auch besoffen war und weil ich dachte, ich wäre in ihn. Allerdings wurde mir heute Morgen klar, dass das nicht so ist”, sagt er.
      Wir schweigen.
      Dann fängt das Wasser an zu sprudeln und ich stehe auf um die Nudeln ins Wasser zu tun.
      Plötzlich kitzelt mich Simon von Hinten. Ich schreie vor Schreck auf, bevor ich ihn mit dem Kochlöffel verprügele. Blitzschnell greift er nach dem Löffel und dreht ihn mir aus der Hand. Danach tut er so, als ob es ein Degen wäre und hält ihn mir direkt unters Kinn, wie man es aus Filmen kennt. Dann gibt er den Löffel ab, damit ich die Nudeln umrühren kann, da sie schon am überschäumen sind.
      Nachdem ich ihn wiederbelebt habe, albern wir noch ein bisschen herum. Als wir gerade dabei sind den Tisch zu decken, hören wir, wie der Schlüssel umgedreht und die Tür Sekunden später aufgeschubst wird. Schwer bepackt mit Einkaufstüten, kommt Mama in die Küche. Simon nimmt ihr sofort eine Tüte ab und stellt sie auf den Boden.
      “Danke. Hallo erstmal”, sagt Mama, nachdem sie auch die anderen Tüten weggelegt hat.
      “Hallo”, antworten Simon und ich im Chor.
      “Wie viele Spaghetti kochst du eigentlich?”, fragt Mama. “Die ganze Packung, wie sonst auch. Wieso?”, antworte ich.
      “Weil Bennis Verlobte auch kommt. Stuarts bester Freund kommt ebenfalls. Nils bringt seine Freundin mit und jetzt ist auch noch Simon da… Reicht das mit den Spaghettis?”
      “Also, erstens, Benni hat ‘ne Verlobte? Zweitens Stuarts Freund hat abgesagt. Drittens die Spaghetti reichen bestimmt und viertens sollte die Frage eher lauten, ob alle in die Küche passen!”, antworte ich.
      Die Frage, die ich Mama besser nicht frage, ist, welche von Nils’ ganzen Freundinnen. Mama bricht in Lachen aus. Simon grinst und ich kümmere mich liebevoll um die Nudeln.

      Modedit von CAMIR: Im Zuge einer besseren Lesefreundlichkeit, habe ich die Farben entfernt. Gerade der zweite Teil war kaum zu erkennen.
      Vllt. lese ich es mir bei Gelegenheit durch und geb ein Review.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Lucksstaa ()

    • Nur mal so am Rande: selbst wenn ich die jetzt die Motivation hätte den gesamten Text zu lesen, würde ich sicher nach dem ersten drittel aufgeben.
      Nich weil der Text schlecht wäre, denn dafür, dass du erst so jung bist, schreibst du ganz ordentlich. Das Problem sind hauptsächlich die fehlenden Absätze.

      Absätze sind sehr wichtig um zum einen die Orrientierung beim Lesen zu erleichtern und zum anderen, einzelne Gedankeneinheiten oder Geschichtselemente voneinander abzugrenzen.
      Wenn du also etwas schreibst, bitte mach Absätze. Deine Geschichte wird sonst niemand lesen wollen.
      Angesichts eines solchen monsters werden die Meisten deiner Potentiellen Leser sofort die Flucht ergreifen und wahrscheinlich auch nicht mehr zurück kommen.

      Es wäre also in deinem eigenen Interesse, deinen Beitrag nochmal zu editieren.
    • hey kira, du hast dich mal wieder selbst übertroffen^^
      und ich denke, das die verbindung mit dem prolog schon sehr bald kommt.

      Versucht zu träumen.
      Träume verhindern, daß wir
      abstumpfen, müde werden.
      In Träumen liegt Hoffnung,
      und die besiegt das Grauen
      des Alltags.