Erdogan - "Führer" in spe?

    • Erdogan - "Führer" in spe?

      sueddeutsche.de/ausland/artikel/270/162817/

      Für mich stellt sich da die Frage, warum der Mann mit so radikalem Gedankengut (man erinnere sich an die Hetzrede in Köln) so viel Rückhalt (in der Türkei) genießt. Klar ist jedenfalls, dass seine Politik die Türkei immer weiter von einer Eingliederung in die EU entfernt. Widerstand gibt es auf vielen Seiten, aber er ist auch der regulär amtierende Präsident, er wurde mit einer Mehrheit gewählt.

      Wie steht ihr zu Erdogan oder der Türkei im allgemeinen? (und es wäre gut, wenn auf braunes Gewäsch verzichtet werden könnte...)

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    • RE: Erdogan - "Führer" in spee?

      Original von Carcharoth
      (...) er ist der regulär amtierende Präsident


      Seit wann denn das? Ich dachte immer, das sei der umstrittene Ex-Außenminister Gül.

      Und wenn man schon lateinert, dann bitte richtig: "in spe".

      Zur Sache: Es bleibt einem nur ein Kopfschütteln, wie man zunächst die Eingliederung in die EU erpressen will mit Hilfe des NATO-Partners USofA, sich dann aber immer mehr zum absoluten Anti-EU-Kandiaten macht.
    • "Erst nach einer Verfassungsänderung, die sein Politikverbot aufhob, wurde er am 12. März 2003 Ministerpräsident der Türkei. Gül ist sein Stellvertreter und Außenminister."
      Quelle is Wiki, aber auf die schnelle find ich grad nix besseres...

      Und da mit dem spee änder ich dann mal, danke
    • Ich bin natürlich keiner, der prinzipiell gegen eine Türkei-Aufnahme (und auch gegen Gespräche, wie die Nazi-Idioten von der FPÖ zum Beispiel) ist.

      Ich bin der Meinung man kann ruhig Beitrittsverhandlungen führen und wenn die Türkei alle Anforderungen erfüllt, steht ihrer Aufnahme meiner Meinung nach nichts mehr im Wege.

      Solange sie sich aber einfach weigern, Forderungen wie die Anerkennung Zyperns zu erfüllen, haben sie halt Pech gehabt.
      Nur die Chance sollte man ihnen bieten, ob sie diese nutzen oder nicht, ist ihre Sache.


      Top 4™ Bruno
      Think original.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Phael ()

    • So sehe ich das auch, selbst wenn sie nur zu einem ganz kleinen Teil in Europa liegen, theoretisch können und dürfen sie beitreten.

      Ganz besonders frech finde ich aber, dass Erdogan sich das Recht rausnimmt, eine asolute Toleranz der Türken im AUsland zu fordern, türkische Politiker in Parlamentern fordert (was auchso gut geht...), selbst aber in seinem Land absolut intolerant im Bezug auf Kurden und teilweise Christen ist.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Spurdo ()

    • Das sind keine realistischen Forderungen, das weiß er selbst auch. Die Türken haben einen starken Nationalstolz, und die Wahrung ihres öffentlichen Bildes wird in iher Verfassung vorgeschrieben - kein Wunder also, dass er ihnen zu hören gibt, was sie wollen, ohne, dass das etwas mit Realismus zu tun hätte - wie ungefähr bei 95% unserer Politiker auch.

      Irgendwo haben alle ihre mehr als fragwürdigen Eigenarten, die eben nicht mit unseren konform gehen - dafür erscheinen ihnen auch wieder vieler unserer Forderungen als Unding. Wer hat nun Recht?

      Erdogan ist jedenfalls weltpolitisch gesehen kein halb so großes Problem wie z.B. iranische Möchtegern-Präsidenten, die mit ihrem antizionistischen Gelaber so langsam wieder in ihre Baugruben zurückklettern sollten. Russland durfte sich konsequenzenfrei zu einer Diktatur wandeln und darf hin- und wieder mal anderen Leuten den Gashahn abdrehen, andere gewisse intelligenzallergische Präsidenten sitzen auch immer noch an der Spitze einer Weltmacht. Die finde ich allesamt problematischer als Erdogan.

      Die Türkei ist eben doch eine andere Welt - die Verhandlungen werden noch eine Weile dauern, und wenn die EU-Frage positiv geklärt ist, müssen wir sie so nehmen, wie sie ist, eben anders als europäische Kultur. Allerdings befindet sich die Türkei auch gerade im Wandel, übernimmt auch europäisches Recht, was ihnen paradoxerweise wieder negativ ausgelegt wird (Marco). Da ist noch viel zu tun. Aber wenn sich ein paar Dinge noch ändern, steh ich dem auch positiv gegenüber ;).

      LG
    • Weltpolitisch spielt die Türkei sicherlich keine so große Rolle, auf die EU und vor allem Deutschland bezogen jedoch auf jeden Fall.
      Immerhin wäre die Türkei nach Deutschland in der EU das Land mit der größten Bevölkerung, und bei dem Bevölkerungswachstum was die vorlegen und wir eben nicht haben, wäre die Türkei ein permamenter Störfaktor, jedenfalls zur Zeit, solange die Unterschiede so groß sind.

      Ich finde es einfach tragisch, wenn ein Land wie die Türkei von Atatürk so gut "vorbereitet" wurde, dort die Menschenrechte eingeführt wurden und und und, und dann jemand wie Erdogan kommt und das kaputtmachen will. Eine Annäherung an die EU geht eben nur, wenn sich die Türkei in sehr vielen Punkten anpasst, und da ist eine recht radikale, islamische Politik völlig Fehl am Platz. Gleichzeitig will Erdogan aber unbedingt Beitreten, und das kanns doch wirklich nicht sein.

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    • Original von Carcharoth
      "Erst nach einer Verfassungsänderung, die sein Politikverbot aufhob, wurde er am 12. März 2003 Ministerpräsident der Türkei. Gül ist sein Stellvertreter und Außenminister."
      Quelle is Wiki, aber auf die schnelle find ich grad nix besseres...

      Und da mit dem spee änder ich dann mal, danke


      1. Wikipedia ist keine Quelle, auch wenn man es den Leuten hundertmal sagen muss.

      2. Dein Zitat steht im Abschnitt "Parlamentswahlen 2002", bezieht sich also auf die Zeit bis 2007. Daher ist es, je nachdem, wie man Wikipedia ggü. eingestellt ist, entweder eine sehr unglücklich Formulierung, wenn dort steht, dass Gül sein Stellvertreter ist, oder es ist die für Wikiepdia leider sehr typische Mischung aus Dummheit, Falschinformation und Chaos. Der Artikel über Herrn Gül jedenfalls stellt klar, dass er seit einiger Zeit Präsident ist und nicht mehr Außenminister.

      3. Dir ist offensichtlich der Unterschied zwischen einem Ministerpäsidenten (was Erdogan ist) und einem Pärsidenten (Gül) völlig unbekannt. Dies würde ich im Eigeninteresse schleunigst verbessern, um Peinlichkeiten zu vermeiden, denn diese Konstruktion einer Doppelspitze begegnet einem sehr häufig, bspw. in diesem unserem Lande, vorzugsweise nicht durch Wikipedia-Lektüre, sondern irgendwo, wo man sicher gehen kann, dass die Infos auch stimmen.
    • Wie ich zur Türkei stehe? Als Deutscher urteile ich nicht über auswärtige Staaten. Ich kann nur sagen, dass sie meines Erachtens in der EU nichts verloren hat, weil die Europäische Union eben eine europäische ist und die Türkei nicht zu Europa gehört. Oder sollte die EU künftig auch Marokko und dergleichen außereuropäische Staaten beinhalten?
      Da ich aber von der EU als politische Union ohnehin nichts halte, ist es mir ziemlich egal, ob die Türkei ihr beitreten wird oder nicht.

      Dessen ungeachtet muss das Wort "Führer" nicht in Anführungszeichen gesetzt werden, denn, wenn ich einigermaßen richtig informiert bin (korrigiert mich, wenn es falsch ist), standen auf den türkischen Plakaten, die überall aufgehängt wurden, als Erdogan letztens nach Deutschland kam, ebenfalls was vom "Führer der Türken". In der deutschen Fassung wurde aus dem "Führer" dann der "Regierungschef".


      Dass ich die Forderung nach Kinderreichtum nicht ablehne, sondern, so sie in meinem Land und an mein Volk gerichtet ist, begrüße, ist ebenfalls bekannt. Ob die Türkei ein Bevölkerungsproblem hat, weiß ich nicht. Ich will es mir jedenfalls nicht anmaßen, über innenpolitische Belange fremder Mächte zu urteilen.
      Befremdlich fand ich es nur, dass der türkische Regierungschef in Deutschland Reden schwingt, als wäre er in Ankara.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Hyrule ()

    • @ Mad
      Aber Wikipedia ist die Quelle dieses Zitates ;)
      Da Wiki aber da mal wieder Falsch zu liegen scheint (jedenfalls n diesem Artikel), erklärt sich auch das Missverständnis bei Punkt 3, mir ist der Unterschied nämlich sehr wohl bekannt.

      Rest kommt noch, muss fix weg

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    • Interessanter Zeitpunkt für dieses Thema - es gibt bei mir Überschneidungen zum SoWi-Neu-Unterricht.
      Entgegen der lamdläufigen Meinung ist dieses Fach doch nicht so unnütz wie oftmals behauptet. Unser Kurs hatte nun das Glück, dass wir im Zuge der Diskussion der Abgrenzung von Integration und Assimilation sowie der Frage nach einem wirksamen Integrationskonzept unseren türkischstämmigen Referendar befragen konnten, wobei sich dieses Gespräch dann zu einer generellen "Fragestunde" nach den aktuellen Entwicklungen der Türken in Deutschland und der Türkei entwickelte.
      Ein paar Vorabinformationen: Unser Referendar ist nicht religiös erzogen worden und bezeichnet sich selbst als sehr gut integriert, besitzt allerdings auch Freunde in weniger stark integrierten Kreisen und kennt sich daher relativ gut in der "Sphäre" der Türken in Deutschland aus.
      Seiner Darstellung nach - und ich wage es mal, diese als richtig anzusehen - ist Erdogan tatsächlich kein besonders demokratoscher Ministerpräsident(im westlichen Sinne). Die Wahlen wurden von ihm und seiner Partei mehr oder weniger manipuliert - aber auch das Wesen der Türken trug zu seinen Erfolgen bei.
      Interessant war es unter Anderem, zu erfahren, dass es in der Türkei einen andere Auffassung der Worte "Integration" und "Assimilation" gibt, welche teilweise noch auf die Zeit des osmanischen Reiches zurückgehen. So wird dort das Leben anderer Gruppierungen in relativer Abgrenzung gegenüber den Türken als Integration verstanden, während das deutsche Integrationskonzept eher als Assimiliation verstanden wird, welche selbstverständlich weder Ziel einer ordentlichen Integrationspolitik sein kann, noch generell wünschenswert ist.
      Auch das Verhalten der Türken gegenüber dem Ausland geht teilweise auf die Zeit des Endes des 1. Weltkrieges zurück, wo das ehemalige osmanische Reich teilweise unter den Siegermächten der Entente aufgeteilt wurde. Daher betrachten viele Türken das Ausland - vor allem den Westen - als potentielle "Landesräuber", was auch die starke Stellung und das hohe Ansehen der Armee in der Türkei erklärt.
      Der Standpunkt Erdogans ist hingegen mehr als beunruhigend. Bei der näheren Analyse seiner Rede hier in Deutschland kamen Dinge zu Tage, die so eigentlich als undenkbar galten. Da wurden die 800000 Türken, die die deutsche Staatsbürgerschaft annahmen, fast wörtlich als ein Problem dargestellt, fast schon zu Landesverrätern gemacht. Erdogan forderte ein Mitbestimmungsrecht der Türken in Deutschland - selbstverständlich ohne die Notwendigkeit, dafür Deutsche zu werden. Es wurde so hingestellt, als verdanke Deutschland seine heutige Größe der Arbeit der Türken. ich zitiere:
      Aus der Erdogan-Rede:
      Sie haben nunmehr seit 47 Jahren mit Ihrer Arbeit und ihrem Eifer dazu beigetragen, dass Deutschland vorankommt, dass Deutschland in Europa und der Welt zu einem mächtigen Land wird.

      Ein weiteres Zitat, diesmal zu den oben angesprochenen 800000 deutschen Türken:
      Meine lieben Schwestern und Brüder, im Moment leben in Deutschland etwa drei Millionen Türken, doch sind 800000 unter ihnen deutsche Staatsbürger, 800000! Das ist keine Zahl, die man einfach so ingnorieren könnte. Es ist angebracht, sich damit eingehend auseinanderzusetzen. Sie sollten sich diese Frage gegenseitig nunmehr öfters stellen.

      Angesichts solcher Worte und solchen Tatsachen wie der medialen Vorherrschaft Erdogans in der Türkei(u. A. wurde kritischen Sendern teilweise einfach der Strom abgedreht), ist es kein Wunder, dass bei uns im Kurs relativ schnell Vergleiche zu so "klanghaften" Namen wie Hitler oder Berlusconi aufkamen - die von unserem auskunftsfreudigen Referendar auch bestätigt wurden. Auch der berühmte Spruch Erdogans spricht Bände:
      Erdogan 1997:
      Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.

      Von daher würde ich dem Titel des Threads im Großen und Ganzen zustimmen: Erdogan ist der neue Führer der Türkei.
      Die Frage ist nun: Wie lange noch. Denn troz der Tatsache, dass sich viele Türken Stabilität wünschen, dass sie Angst haben, ausländische Investoren könnten abspringen: Das Militär ist stark in der Türkei - und betrachtet sich selbst als Beschützer der Demokratie. Es gab bereits mehrmals Militärputsche in der Türkei.
      Oder, wie es unser Referendar so passend ausdrückte:
      Man kann fast schon die Stiefel marschieren hören.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Gastredner ()

    • Gastredner nennt die Hauptargumente, doch ich würde nicht dieselben Schlüsse ziehen, da auch zum Führersein zwei Parteien gehören.

      Aber eigentlich habe ich diesen Beitrag erstellt, um anzumerken, dass "in spe" wörtlich übersetzt eine absolut schlechte Wortwahl ist :D

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Evilitschi ()

    • Original von The Madman 13h
      1. Wikipedia ist keine Quelle, auch wenn man es den Leuten hundertmal sagen muss.


      Nunja, Quelle ist Quelle. Auch Wikipedia ist eine.
      Das einzige, was man bemängeln könnte, wäre die Stichhaltigkeit, die in diesem Fall ja scheinbar nicht gegeben ist.
      Wenn man ganz genau sein möchte, ist es eine darstellende Quelle, die man noch im Weiteren auf ihre Glaubwürdigkeit überprüfen muss.
    • Gastredner:
      Das mit den den Moscheen und Kasernen ist bildhafte Sprache, nicht wörtlich zu nehmen - gemeint ist mit dem "Kampf", in die EU einzusteigen und von allen möglichen Förderungen zu profitieren und nicht etwa morgen in Deutschland einzuwandern ;).

      Ich versteh immer noch nicht das Problem. Da ein Land ja der allgemeinen Auffassung nach nur dann nicht problematisch ist, wenn es zu 100% wie Deutschland ist - wovor soll man denn bitte genau Angst haben oder was bitte ist "schockierend"? (Außer, dass die Türkei Nicht-Deutsch ist, was ja viele für schlimm zu befinden scheinen und man den Nationalstolz anderer Staaten scheinbar als Beinpiss gegen D versteht?)
    • Original von nicky
      Gastredner:
      Das mit den den Moscheen und Kasernen ist bildhafte Sprache, nicht wörtlich zu nehmen - gemeint ist mit dem "Kampf", in die EU einzusteigen und von allen möglichen Förderungen zu profitieren und nicht etwa morgen in Deutschland einzuwandern ;).

      Ja, es handelt sich um eine bildhafte Sprache.
      Allerdings meine ich, mich gut daran erinnern zu können, dass die Sprache Hitlers, als er davon Sprach, auf demokratischem Wege zur Macht zu gelangen, auch als bildhaft bezeichnet werden könnte.
      Und auch, wenn es bildhaft ist: Es bleibt ein übler Nachgeschmack.

      Ich versteh immer noch nicht das Problem. Da ein Land ja der allgemeinen Auffassung nach nur dann nicht problematisch ist, wenn es zu 100% wie Deutschland ist - wovor soll man denn bitte genau Angst haben oder was bitte ist "schockierend"? (Außer, dass die Türkei Nicht-Deutsch ist, was ja viele für schlimm zu befinden scheinen und man den Nationalstolz anderer Staaten scheinbar als Beinpiss gegen D versteht?)

      Ich sehe es eigentlich anders: Deutschland ist in vielen Dingen problematisch, und es gibt sicherlich einige Dinge, wo wir auch etwas von der Türkei lernen könnten.
      Und natürlich ist es nicht problematisch, wenn sich die Menschen in der Türkei Sicherheit, Stabilität und eine gute Wirtschaftslage wünschen. Wenn dies allerdings auf Kosten anderer geschieht, die in ihren Menschenrechten zu Gunsten religiöser Überzeugungen beschnitten werden, dann wird es problematisch. Denkt man daran, dass die Türkei in die EU aufgenommen werden will, und Erdogan gleichzeitig einen starken Lobbyismus für Türken in anderen Ländern fordert(mit eigenen Bürgermeistern, etc...!), dann ist dies etwas, was so nicht akzeptiert werden kann. Erdogan fordert die Seperation der in Europa lebenden Türken, fordert Inselbildung - und das steht nicht im Einklang mit dem Geiste Europas.