Craig & Mitchell

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    • Craig & Mitchell

      "Eigentlich ist es ja schrecklich egal, wie oft man es im Fernsehen sieht,-
      die eigene Nervosität lässt sich nicht einfach durch einen Werbeblock ausblenden.
      Keine Ahnung, ob es dabei allen gleich geht.
      Vermutlich nicht. Ich hab' mir dauernd vorgestellt, wie das wäre, das einfach zu machen.
      Mir das alles kleinlich ausgemalt, wie man sich wohl dabei fühlt und sowas.
      Und jetzt, wo's so weit ist, denk' ich die ganze Zeit daran, ob's normal ist zu zittern wie der letzte Vollidiot.

      Ben Jones aus der Parallelen würd' sicher sagen, dass ich immer ausseh' wie'n Vollidiot. Er würd' seine tollen Freunde mit seiner
      hässlichen Lache annicken und dann warten bis alle mitlachen wie kleine Hühnchen.
      Er weiß, dass sie's immer machen.
      Keine Ahnung, ob das 'ne gewisse Abhängigkeit von ihm ist, könnt' jedenfalls wetten, dass er's denkt.
      Aber wenn man mal ehrlich ist, dann fällt einem ein, dass sie vermutlich nur Angst haben.
      Ich mein', sie brauchen das wohl, auf Leute runtergucken zu können. Fühlen sich dann vermutlich besser.
      Wenn sie sich selber sagen, dass alles, was irgendwie anders ist als was auch immer gerade ihr hässliches Normal ist, schlechter ist als sie, fühlen sie sich überlegen und überdecken damit ihre eigene Unbrauchbarkeit ziemlich gut.
      Wenn alle denken, sie wären toll und das Selbe machen, fällt ja keinem auf, dass'es idiotisch ist, nicht?

      Ich hatte immer viel Zeit zum Denken. Wenn sie mich auf's Klo gejagt haben und ich mich eingeschlossen habe und da die ganze hässliche Pause verbracht habe.
      Wir hatten mal einen Lehrer, Mr. Dickens.. Man, der Name hat gepasst.
      Er hatte so'n paar hässliche Angewohnheiten wie zum Beispiel einfach mal gar nicht zu kommen.
      Zum Kotzen, wenn man so'ne Doppelstunde in 'ner Klokabine verbringt.
      Irgendwann sind sie dann auch drauf gekommen, dass sie da einfach Zeug drüberwerfen können, aus der Kabine daneben.
      So'n paar Lieblinge von unserem Chemielehrer haben mit Stinkbomben angefangen. Klingt lächerlich bis sonstwohin, wenn ich so im Nachhinein drüber nachdenke. Aber hey, Jones ist dann auf die tolle Idee gekommen, es doch ja mal mit Scheiße zu probieren.
      Mann. In den ganzen Filmen würden die jetzt sowas wie "Wenn ich da jetzt drüber nachdenke tun die armen Irren mir schon wieder Leid, denn anscheinend müssen sie ihre familiären Probleme an Schwächeren auslassen" oder sonst so'nen Fusel sagen.
      Aber das sind keine armen Irren und familiäre Probleme sind bei denen kein neuer Sportwagen zum Geburtstag.
      Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr kommt mir die Kotze.

      Der einzige Grund, warum die in der Pause angekommen sind und ihren Sexualfrust an mir ausgelassen haben ist doch eigentlich, dass sie diese ganze hässliche Welt nicht verstanden haben.
      Faseln immer irgendwas von Chancen und Mitmenschen und Spenden und dann is'es für sie doch besser als ein Orgasmus dabei zuzusehen, wie einer, der sich nicht wehren kann, zusammengeschlagen wird.
      Sie denken, sie wären cool.
      Sie würden Anerkennung und sonstwas kriegen. Denken, sie müssten zu allem eine Meinung haben und alles andere wäre falsch. Haben etwa so viele Argumente wie 'ne Kuh mit BSE.
      Wenn jemand anderes schwächer ist, dann fühlen sie sich übermächtig und stark. Sie übermalen lieblos ihr eigenes Versagen und pumpen radikal ihr verschrumpeltes Ego auf. Sie können und kennen es nicht anders.
      Das sind solche Idioten, die immer Recht von ihren Eltern kriegen und schon schreien, wenn sie nicht zu 'nem Spiel von den Yankees oder sowas dürfen, weil ihr Zeugnis Müll ist. Oder die rumheulen, wenn sie Butter statt Magarine auf'm Brot haben.
      Die brauchen das, wem, dem's sowieso schlechter geht, eine reinzuhauen. Sie wehren sich ja nichtmal, sie fangen an, weil
      sie's nicht anders auf die Reihe kriegen, mit ihren Problemen klar zu kommen.
      Und dann werden sie von diesen Kindern begafft, die denken, sie wären etwas Besseres. Die einen hassen, ohne einen zu kennen und ohne nur den kleinsten Grund zu haben. Da ist die Mutter beim KKK und das Kind eifert heftig mit.

      Da schrein sie alle wieder rum, weil man irgendwas macht, was ihnen nicht passt.

      Vielleicht ist meine Nase zu groß oder meine Haare sind zu schwarz.
      Vielleicht liegt's dran, dass ich in Sport nicht so'n Stipendienkandidat bin. Ist ja alles, was hier zählt.
      Und wenn du mal mit 'wem über deine Hobbies reden willst und es irgendwas ist, was ihnen nicht passt, gucken sie dich an, als wärst du irgendso'n hässliches Geschwür. Was für'n Freak man ist, wenn man immer vorm Computer sitzt.
      Ich häng' nicht immer davor,- mann, ich hab' nur nicht tausende tolle Freunde, die sich gar nicht wirklich für einen interessieren. Und dann haben sie ihre tollen Vorurteile und finden's plötzlich schrecklich witzig, bei allem aufzuschreien was man angefasst hat und sie auch dann anfassen müssen und immer zu gähnen, wenn man irgendwas vortragen soll, und was auch immer man gerade ist so zum offiziellen Schimpfwort zu machen.
      Sie haben vor zwei Tagen angefangen, Leute mit Jude zu beleidigen. Der Direktor sieht das nicht gerne, aber den schert's doch eigentlich gar nicht. Muss bloß politisch korrekt sein, um keinen Ärger zu kriegen. Die meisten Lehrer tun bloß ihren Job und das war's. Als würden die jemals irgendwas machen wollen. Irgendwas machen können ist ja auch schon zu viel verlangt.

      Ich bin da anders als Mitch, glaube ich. Als er mich plötzlich angesprochen hat hab' ich mich irgendwie gewundert,- Hab' immer gedacht, er wär' einer, der sich einfach raushält und vorbeiläuft.
      Mitch hat eine Meinung und würde dafür mit allem stehen, was er hat.
      Ist dafür 'n paar Mal schon fast von der Schule geflogen, wie ich's mitbekommen hab'. Hat sich mit den falschen Leuten angelegt und die falschen Dinge angegriffen.

      Er sieht gar nicht nervös aus. Vermutlich genießt er es schon jetzt.
      Kann ich ihm wirklich nicht verübeln, schließlich bin ich da nicht anders. Es ist mehr Vorfreude als Angst vor Versagen die mich so nervös macht, wenn ich darüber nachdenke.
      Als die in seiner Klasse rausgefunden haben, dass er schwul ist, war es für ihn ja sowieso mehr oder weniger aus. Die Lehrer haben schön mitgemacht und alle haben ihn behandelt wie den letzten Idioten.
      Sie haben sich nicht getraut, ihn zu treten, aber Gott, die haben ihn behandelt als wäre er zurückgeblieben und seine Noten wohl vermutlich mit'm Würfel gemacht.

      Etwas in mir fühlt sich stark, wenn ich jetzt so zusammen mit ihm hier reingehe.
      Ich glaube, es ist einfach die Gewissheit, nicht allein zu sein.
      Und in allem, was wir tun, sind wir immernoch besser als die.
      Wir werden wenigstens nicht so feige sein und so tun als würden sie uns interessieren, wenn einer nachfragt.
      Wir werden wenigstens nicht draufhauen und wegrennen sondern das bis zum Ende durchstehen.
      Im Endeffekt tun wir der Welt einen Gefallen. Wenn solche Leute ins tolle Berufsleben kommen, werden sie immer so weiter machen wie vorher. Sie sind unnütz und alles, was sie machen, ist die Welt zu verdrecken und zu zerstören.
      'was anderes können sie gar nicht.

      Und ich hab' sowieso nichts übrig, also zum Geier, was soll's.
      Wenn ich mir schon vorstelle, wie Sarah Miller heulen wird und mich anfleht, aufzuhören.
      Sie kann dann nicht mehr ihrem Freund sagen, dass meine Fresse sie nervt.
      Sie wird dann so alleine sein, wie sie's immer anderen gewünscht hat, ohne es zu wissen.
      Immerhin wird man mich beim nächsten Klassentreffen nicht als den kleinen Idioten Craig Benson in Erinnerung behalten, sondern als einen,
      der sich mit einem lauten Knall verabschiedet hat."



      ______________________

      Der Autor möchte betonen das der Inhalt dieses.. Textgeschichtenstücks nicht zwangsläufig mit den Ansichten des Autors zu tun hat.
      Oder auch- Nehmt's nicht wörtlich.
      Ihr wisst, was ich meine. Hoffe ich.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Citizen Insane ()

    • Hm, Schreibstil gefällt mir. Ich-Perspektive kommt bei sowas immer gut. ^^ Is das nun der Anfang einer längeren Geschichte oder bleibt das so im Raum stehen?
      Imho eignet sich das gut als Anfang zu einer längeren Story. oo
      (Wobei es interessant wäre, das Szenario aus dem Blickwinkel einer anderen Figur auch noch zu lesen.)

      (Btw. - Hat das einen besonderen Hintergrund, dass es in Amerika spielt?)


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Original von Ulyaoth
      Hm, Schreibstil gefällt mir. Ich-Perspektive kommt bei sowas immer gut. ^^ Is das nun der Anfang einer längeren Geschichte oder bleibt das so im Raum stehen?
      Imho eignet sich das gut als Anfang zu einer längeren Story. oo
      (Wobei es interessant wäre, das Szenario aus dem Blickwinkel einer anderen Figur auch noch zu lesen.)

      (Btw. - Hat das einen besonderen Hintergrund, dass es in Amerika spielt?)


      Bin mir dabei selber nicht ganz sicher.
      Einerseits passt es so, andererseits könnte man es ausführen- Wobei ich mir bei dem Thema nicht sicher bin, ob man es wirklich zu etwas längerem machen sollte.
      Habe drüber nachgedacht, die Tat an sich aus Mitchell's Perspektive zu schildern btw. auf diese genauer einzugehen. Aber irgendwie wurd's dann (bislang) so.

      Danke btw. : >

      Und an sich.. Columbine.
      Eine kurze Reportage gestern im Fernsehen.
      Gestern an sich.
      Wenn man weiß, was gestern war.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Citizen Insane ()

    • Schoen geschrieben.
      Find's sehr interessant aufgebaut. Erst dacht' ich "wtf worum gehts?", dann "Aha, okay", dann wieder "Huh? Und nun?" und letztlich wieder der Aha-Effekt. Macht's sehr spannend zu lesen.

      Und ich denke mal, es is abgeschlossen, oder?
      Faend ich jedenfalls besser, als das noch weiter auszubauen.
    • Gefällt mir irgendwie ziemlich gut, vor allem weil es zum Nachdenken anregt.

      Natürlich ist es im Nachhinein leicht gesagt, sich in die Täter hineinzuversetzen, aber dennoch regt es wirklich zum Nachdenken an.

      Kp, was ich sonst noch sagen kann, außer dass es mir gefällt und naja, Stil ist auch ziemlich gut. :)
      Weiter so...
    • In deinem Text findet man sich teilweise selbst wieder. Das berührt. Ich habe den Text gleich mehrmals verschlungen. Und vor allem der Inhalt an sich - aber das weißt du ja.


      Ich weiß da auch nicht so genau, was ich wil. Einserseits würde es mich interessieren, ob der Zustand von Craig ewig so geblieben ist, aber auf der anderen Seite ist dieser Text ein wichtiges Statement an die moderne Gesellschaft und sollte vielleicht doch lieber allein und für sich stehen.


      Dieser Teil hat mich besonders berührt:

      Und in allem, was wir tun, sind wir immernoch besser als die.
      Wir werden wenigstens nicht so feige sein und so tun als würden sie uns interessieren, wenn einer nachfragt.
      Wir werden wenigstens nicht draufhauen und wegrennen sondern das bis zum Ende durchstehen.
      Im Endeffekt tun wir der Welt einen Gefallen. Wenn solche Leute ins tolle Berufsleben kommen, werden sie immer so weiter machen wie vorher. Sie sind unnütz und alles, was sie machen, ist die Welt zu verdrecken und zu zerstören.
      'was anderes können sie gar nicht.


      Wie recht du doch hast. Und dabei prägt die Schule so sehr. ich kann es so verdammt gut nachvollziehen, aber sowas von!


      No pity for the majority!
      -
    • Ich mag den Text.
      Ja, ich mag ihn wirklich. Kann nicht sagen, warum oder wieso.
      Werd's aber trotzdem mal versuchen.

      Er hat etwas Urehrliches an sich, was ich bisher noch bei keinem Text zu diesem Thema gesehen habe. Kein Pathos, kein Kitsch, keine Klischees. Es ist realitätsnah, realistisch - ohne dabei allzu langatmig zu wirken oder den Leser mit Informationen zu überfordern. Sehr angenehmer Stil also.

      Zum Inhalt an sich noch was gesagt - ich mag die ganzen Hints innerhalb der Story. Man hat beim Lesen das Gefühl, dass man auf ein Ziel zusegelt, aber man hat gar keine Ahnung, welches Ziel das sein soll. Bis man plötzlich über eine Andeutung, eine Formulierung oder sonstiges stolpert, die einem bestätigen, dass man auf der richtigen Spur ist.
      Eben bis zur sehr leisen und irgendwie schon zynisch friedlichen Totalklärung der Sachlage im letzten Satz.

      Toll. Gefällt mir sehr. :3

      dead girls dry each others eyes
      and pretend for a while
      that we're still alive.


      ________

      Twitter | DIE BASIS
    • bis auf ein paar satzzeichenfehler hab ich grammatikalisch nichts zu bemaengeln...
      der stil ist perfekt fuer das thema. eindringlich und ehrlich.
      bin aehnlich wie die anderen sehr angetan.
      ich wuerds ebenfalls bei einem one shot belassen~

      ------
      hast du was dagegen, wenn ich den text kopiere, um ihn einer freundin zu zeigen? nur, damit sie ihn lesen kann. nicht auf ner seite, die ihn oeffentlich verbreiten wuerde... und halt mit vermerk auf fremden autor.
      »Denn wir können, wenn wir nur die Entschlossenheit besitzen,
      die Hure Erinnerung und ihr ganzes Gelumpe und Gesindel aus dem Haus weisen.«

      - Virginia Woolf -
    • Original von Maybe
      hast du was dagegen, wenn ich den text kopiere, um ihn einer freundin zu zeigen? nur, damit sie ihn lesen kann. nicht auf ner seite, die ihn oeffentlich verbreiten wuerde... und halt mit vermerk auf fremden autor.


      Natürlich nicht. Fühle mich sogar geehrt. :>

      Danke für die ganzen Kommentare und alles. Yay. Hätte nicht damit gerechnet, dass das auf so viel Anklang stößt (sondern eher damit, dass es eine Diskussion über die Verteilung der Opferrolle auslöst die diesen Thread töten würde). : O
    • Original von Citizen Insane
      Hätte nicht damit gerechnet, dass das auf so viel Anklang stößt (sondern eher damit, dass es eine Diskussion über die Verteilung der Opferrolle auslöst die diesen Thread töten würde).


      Na ja, du hast den Text aus der Perspektive von Craig geschrieben, insofern konnte die Opferrolle gar nicht anders zugeteilt werden. Aus dem Blickwinkel eines anderen Schülers hätte das natürlich anders ausgesehen. xD


      (Ja, man kann draufklicken)