depressionen

    • Sooo *tiefeinatme* Jetzt muss ich als direkt Betroffener auch mal meinen Senf dazu geben.
      Bevor jemand anfängt: Ich BIN direkt betroffen, habe jahrelang an schweren Depressionen gelitten, inkl. Selbstverstümmelung, Selbstmordversuchen etcetera, war zwei Monate in der halbgeschlossenen Psychatrie und bin seit über einem Jahr in ambulanter Psychotherapie. Medikamente blieben mir zum Glück erspart.
      Ich weiß also ziemlich gut, wovon ich rede, und erstmal möchte ich Danke sagen an Madman, weil seine Darstellung der Situation den Kern wirklich genau trifft. Es gibt keinen größeren Unterschied zwischen dem, was wirkich Depressionen sind und was im Allgemeinen dadrunter verstanden wird. Jeder erlebt sie natürlich anders, und ich kann nur für mich selbst sprechen, aber bei mir kamen (und kommen) Depressionen immer schubweise, getriggert durch spontane Erlebnisse, großen Stress, Probleme etc. Es beginnt meistens mit einem flauen Gefühl im Magen, das sich ausbreitet und eiskalt wird. Es ist ein Gefühl, als würde flüssiger Stickstoff durch meine Adern fließen, und überall, wo es mich von innen berührt, bekomme ich Muskelkrämpfe, dazu Atemnot und Magenkrämpfe bis hin zum Erbrechen, dazu die ganze Palette der rein psychischen Symptome: totale Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, Selbsthass, der unbezwingbare Wunsch, sich den Arm aufzuschneiden, kurz: jede Sekunde, die ich lebe, ist eine Sekunde zu viel. Dieser Zustand dauert meist mehrere Stunden bis ein, zwei Tage an, danach geht es wieder - früher habe ich Wochen und Monate in diesem Zustand verbracht, mit wellenartig auftretenden Krämpfen... (es ist unglaublich, wie wenig Menschen wirklich bemerken, wenn sie es nicht sehen wollen)
      Was mich im Moment am meisten fertig macht, ist die Gewissheit, dass es keine Heilung gibt. Ich mag die Krankheit im Griff haben, aber irgendwo da drin lauert sie noch, mein ganzes Leben lang, und wartet nur drauf, dass ich mal nicht aufpasse...
      Das kann einen verdammt mürbe machen.
      Das allerschlimmste allerdings daran, an Depressionen zu leiden, sind die Reaktionen von der breiten Masse, die dabei an "schlecht fühlen" denken... Ich weiß, wie es ist, kurz davor zu sein, sich mal wieder den Arm aufzuschneiden, und die einzige Reaktion auf einen Hilferuf ist "Ochgott, mach doch mal am WE was! Ist doch so schönes Wetter!"
      Es ist nicht schön.
      Was mir dazu auch oft durch den Kopf geht: Viele sagen, ich soll froh sein, "nur" Depressionen zu haben, es könnte ja auch was wirklich Schlimmes wie Krebs oder ne Lähmung sein. Aber jedes Mal, wenn mir das jemand sagt, muss ich an die Menschen denken, die ich selbst kenne, die mutig und lebensfroh gegen die Krankheit aufgestanden sind, erfolgreich oder nicht, aber sich die Lebensfreude dabei bis zur letzten Minute bewahrt haben. Man kann solche Leute bewundern, ich tue es. Aber was ist dann weniger schlimm an einer Krankheit, die einen von innen auffrisst und dabei noch jede Möglichkeit nimmt, Lebensfreude zu empfinden?

      Also, an alle die, die nicht wissen, wie es ist, Depressionen zu haben und "nur" düstere Phasen haben (ist auch nicht schön, ich weiß): Dankt Gott oder Allah oder wem auch immer dafür, nicht wissen zu müssen, wie es ist.
    • Ja, ich verstehe was du meinst, ich bin zwar erst 13 aber mein Onkel hat auch ähnliches.

      Mein Onke denktl dann, das er es nicht verdient hätte zu leben und so, um nur ein Beispiel zu nennen, da es auch für mich schrecklich ist.
      Er hat es zwar nur so 1 mal im Jahr, aber dafür laaange.
      Ich muss dir recht geben, AstartusSavall, an einer schmerzvollen oder gefählichen Krankheit zu leiden ist höchstens genauso schlimm.
      Hat man Depressionen, hat man keine Lebensfreude.
      Ich hatte mal eine Phase, mit einer "leichten Depression" und die war schrecklich, aber ich hab sie bekämpft denn sie wurde durch ein Ereignis ausgelöst, deshaqlb ist es ja keine echte gewesen, aber sie war schlimm.
      ICh wollte das nur mal sagen, da mich das Thema immernoch sehr beruhrt und hoffe, das ihr die Krankheit sehr gut in den Griff bekommt, oder sogar bekämpft!

      Viel Glück!

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Shiek Meister ()

    • @Eli Innos:
      Das Problem ist, dass viele Leute schnell eine depressive Verstimmung für eine echte Depression halten. Hier lese ich in etlichen Beiträgen etwas von Psychatern (wer zu einem geht, sollte ihn eigentlich schon richtig schreiben: Psych-i-ater), obwohl die meisten Menschen nicht einmal den Unterschied zwischen Psychiater und Psychologe kennen - und der ist gravierend. Ich musste schon zweimal nahe bis sehr nahe Verwandte in Münsters geschlossener Psychiatrie besuchen, weiß also, wovon ich spreche, wenn ich dem Großteil hier eine Depression mangels Unkenntnis abspreche, denn wenn man nur die Postings liest, wird oftmals deutlich, dass tatsächlich nur depressive Verstimmungen vorliegen dürften. Dass generell Depressionen nicht selten sind, habe ich ja nicht behauptet.
    • Das passt zwar grad gar nicht in die Diskussion aber glaubt ihr das Depressionen selbst und auch in ihrem weiterem Sinne auch was mit Vererbung zu tun hat?
      Ich erinner mich nur dran dass man bei der Musterung angeben musste ob Angehörige oder Verwandte an sowas leiden, fand ich damals irgendwie komisch...

      Zu mir selbst, ich glaub nicht dass ich sowas wie Depressionen hab, wie ja auch schon mehrmals im Thread erwähnt äussert sich das schlimmer. Ausserdem bin ich morgens meistens ganz gut drauf, nur abends dann hab ich dann manchmal so ein Gefühl wiedermal irgendwie keinen Schritt voran gekommen zu sein und das alles was ich anfasse kaputt geht oder durch meine Nähe in Stücke fällt (was auch Beziehungen betrifft), aber ich glaub das kommt vom Nachdenken, deshalb nem ich mir dann manchmal ne kleine Auszeit davon und beschäftige mich einfach mit ganz trivialen Dingen wie Comics, ferngesteuerten Autos oder anspruchsloser Unterhaltung xD

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Irrlicht ()

    • Ich habe schon ziemlich oft gehört das Depressionen vererblich sind. Zwar nicht von einem Arzt aber ich halte es auch für plausibel.

      Hmmmmm... *Artikelhervorkram.*

      WdW 4/07
      Im Artikel geht es darum wie Viren uns beeinflussen.

      >>Machen Viren depressiv?

      Viren schlagen auch dort zu, wo man sie nie vermutet hätte: in der menschlichen Psyche. Sie heissen Bornaviren und steuern Vorgänge unseres Gehrins. Die Viren dringen durch die Nase in das Nervensystem ein und wandern ins Gehirn. Dort lassen sie sich im Limbischen System (Gefühlsregion) und im Hypothalamus (der ebenfalls die Körperfunktionen steuert) nieder. Hier stören sie den Gehirnbotenstoffwechsel. Der Effekt: Man fühlt sich unglücklich. Bornaviren schlummern bei manchen Menschen schon seit der Geburt im Körper und werden später aktiv, oft erst nach 20 bis 30 Jahren. Forscher haben Bornaviren vor allem bei Patienten beobachtet, die im Winter geboren wurden - die beste Zeit für Infektionen. Die möglichen Folgen sind psychische Störungen verschiedener Art, wie Depressionen und wahrscheinlich auch Schizophrenie. Bei Patienten, die nachweislich an diesen Störungen erkrankt sind, fanden Forscher eine besonders hohe Anzahl der Virus-Bausteine.<<

      Aber kommt jetzt nicht mit "Ich bin im Winter geboren - das beweist das ich depressiv bin". :mpf:
      Übernehme keine Verantwortung für Beiträge die nach 2:00 geschrieben werden. Entweder unter Schlafmangel oder Alkoholeinfluss, wenn nicht beides. - Danke O_o
    • Dieser Definitionsdrang was nun schlimmer ist oder nicht (z.B. Krebs oder Depression), finde ich persönlich unangebracht, hängt es doch fast ausschließlich vom eigenem Empfinden ab…
      Ich weiß noch das es schwer war in der Gruppentherapie über seine eigenen Probleme zu reden, weil man dachte sie seien nichts im Vergleich zu denen der anderen… Man Maß sich und seine Krankheit an dem was man von den anderen hörte… Klar ist es falsch dies zu tun doch trotzdem war es eine Denkweise die in allen Köpfen herumspukte…

      Tatsache ist das hier viele geschrieben haben sie leiden an Depressionen, aus Unwissen und gerne Selbstdiagnosen stellen, doch diese mit herabwürdigenden Kommentaren darauf hinzuweisen finde ich falsch… Ob man nun Psychiater mit i oder ohne schreibt, hat nichts mit der „Erkrankung“ der Poster an sich und ihrer „Ausgeprägtheit“ zu tun… Aber nun gut das ist wiederum nur Haarspalterei genau wie die falsche Schreibweise… Deshalb reite ich nicht weiter drauf herum, jeder hat das Recht seine Meinung frei zu äußern…

      Ich glaube mitreden zu dürfen als Betroffene (oder ich nehme mir einfach dieses Recht)…
      Ich erkenne vieles von dem was AstartusSavall wieder, doch vieles war oder ist anders bei mir, aber trotzdem möchte ich keine Wertung abgeben, denn wie schon oben beschrieben, liegt dies im Empfinden des Einzelnen…
      Ich bin nur sehr froh mein Leben einigermaßen allein im Griff zu haben und dieses zu gestalten… Klar lebt ich nicht frei und muss sehr auf mich aufpassen… Doch weiß ich eins das ich immer auf meinen besten Freund zählen kann, es ist sehr wichtig jemanden zu haben der immer für einen da ist, der einen auffängt (solange es geht, sonst braucht man professionelle Hilfe)… Denn nur durch Hilfe die man zulässt, ist die Gefahr eines „Rückfalls“ geringer… Ich will nie wieder in einer Intensivstation aufwachen und nie wieder das die Krankheit so schlimm wird wie vor ein paar Jahren…
      Nach drei Jahren Psychotherapie (bei einer Ärztin für Psychotherapeutische Medizin und einem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie für die Medikamente)… Mehrmonatigen Klinik und Psychiatrieaufenthalten… Hoffe ich auch das es mir gelingt…

      Daneben habe ich durch die Krankheit aber begonnen, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, bis hin dazu dass ich schon selbst in einer Psychiatrie gearbeitet habe… Ein Bereich in dem ich lieber arbeite als im Kindergarten, Krankenhaus etc., auch wenn er Psychisch viel Belastender ist, solange man stabil ist und bleibt ist das kein Problem…

      Am Schluss möchte ich noch anmerken das ich dir AstartusSavall 100% zustimmen möchte im Bezug auf die Reaktion der breiten Masse, es ist so wahr (jedenfalls auch in meinen Augen)… Es ist schlimm für etwas Stigmatisiert zu werden für das man so gut wie nichts kann weil es eine Krankheit ist…
      Nicht viele Menschen leisten sich den größten Luxus, den es auf Erden gibt – eine eigene Meinung.
      Alec Guinness

      Seine eigene Dummheit zu erkennen mag schmerzlich sein. Keinesfalls aber eine Dummheit.
      Oliver Hassencamp
    • Aril, es geht nicht darum, jemanden herabzuwürdigen :). Das Thema Depression ist schlichtweg zu ernst, als dass es in den allgemeinen Sprachgebrauch eingehen sollte als Synonym für "mir gehts heute nicht gut". Dass man sich überhaupt diese Diagnose verpasst, resultiert ja wie du sagst tatsächlich aus der Unwissenheit über das Thema. Ich persönlich bin hier nur der Ansicht, dass man mit der Materie vertraut sein muss, bevor man voreilige Schlüsse zieht. Ich kenne tatsächlich Betroffene und die wären froh, wenn sie nur das hätten, was manche hier schon als Depressionen hinstellen. Alleine der Spalterei wegen hat das Verhalten hier sicher niemand angegriffen. Auch die oben von moonangle ansgesprochene Klugscheißerei ganz sicher nicht, denn solche Themen müssen ernst genommen werden. Vielleicht würde es auch die Toleranz der Masse auch ein wenig ankurbeln, wenn die Leute aufhören, Depressionen mit Dingen gleichzustellen und sich stattdessen mit dem auseinandersetzen, was sie sind. Weiter oben z.B. Phael hat den ersten Schritt gemacht, wird aber trotzdem als Besserwisser hingestellt - das ist schade.
      Wenn man aber liest, wie leichtsinnig Leute hier mit dem Begriff umgehen (und sicherlich keine Depressionserkrankung haben), ist es klar, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck "Depressive -> Weicheier/Selbstmitleidige/Aufmerksamkeitssüchtige" entsteht, das würde sich dann auch nie ändern.

      Das ist übrigens kein Versuch, etwas besser zu wissen, sondern nur meine Sicht der Dinge :).

      LG