WICHTIG! Bitte erst diesen Text lesen!
Normalerweise schreibe ich nicht besonders viele Kurzgeschichten, sondern bin eher für lange Geschichten, die sich über viele Seiten hinwegziehen.
Jedoch kann man über das Thema, das ich in jeder dieser Kurzgeschichten aufgreife, am Besten in dieser Form der Epik schreiben.
Dieses Thema ist Homosexualität.
Im Gegensatz zu den meisten Geschichten, in denen es um Schwule/Lesben geht, die von Yaoi-Fangirls oder Yuri-Fanboys gezeichnet/geschrieben werden (das ist die normale Konstellation), haben diese Kurzgeschichten nicht unbedingt ein Happy End.
Einige bestimmt, andere garantiert nicht.
Ich nehme an, einige dieser Geschichten kann man durchaus als Gesellschaftskritik verstehen.
Ich denke, diese Geschichten hier kann jeder lesen, auch Leute, die Homosexualität nicht sonderlich viel abgewinnen können. Es wird keinerlei Sexszenen geben.
Außerdem werden sich diese Geschichten vorrangig um männliche Homosexualität drehen. Aus dem simplen Grund, dass ich selbst männlich bin und homosexuell. Man kann sich also daher denken, dass eventuelle, negative Darstellungen von Homosexualität nur durch die fiktiven Charaktere bedingt ist und nicht im Geringsten meiner eigenen Ansicht entsprechen. Die Kunst am Schreiben ist bekanntlich, sich in andere Rollen hineinzuversetzen.
Ich weiß noch nicht, ob es in einer der Kurzgeschichten auch einmal um Lesben gehen wird. Möglich ist es durchaus.
Ich würde mich wie immer über Kritik freuen, jedoch möchte ich anmerken, dass fehlende Beschreibungen beabsichtigt sind.
Zumeist werde ich hier die Protagonisten nur namentlich beschreiben, vielleicht in extremen Ausnahmefällen auch vom Aussehen. Namen sind ersetzbar. Und genau darum geht es mir. Solche Fälle wie ich sie hier porträtieren werde, können sich überall auf der Welt ähnlich oder genauso ereignen. Im Gegensatz zu meinen anderen Werken geht es mir hier nicht darum, ein Einzelschicksal zu schaffen, sondern nur eine mögliche Situation zu zeigen.
Sollte irgendjemand sich in irgendeiner Form von diesen Kurzgeschichten oder den Einleitungen, die ich selbigen voranstellen werde, angegriffen fühlen, so soll derjenige mir eine Beschwerde per PN zukommen lassen.
Konstruktive Kritik ist mir willkommen, ich werde jedoch kein Flaming in jedweder Art dulden. Ich stecke eine Menge Zeit und Arbeit in diese Kurzgeschichten, und ich bitte euch, dies zu respektieren. Auch ist mir bewusst, dass nicht zwangsweise jeder hier meine Meinung teilen wird.
Und jetzt habe ich natürlich auch schon eine Kurzgeschichte für euch.
Sie ist eine Kritik an dem Zustand der Ablehnung, dem Homosexuelle noch oft genug entgegentreten müssen. Mir ist klar, dass man niemanden dazu zwingen kann, es gutzuheißen, doch ich finde, Toleranz sollte das Mindeste sein.
(Man beachte bitte, dass Toleranz und Akzeptanz keinesweges dasselbe sind.)
Im entsprechenden Thread in diesem Board habe ich die Ansicht gelesen, dass Homosexualität gegen alles ginge, was die Evolution für uns vorgesehen habe.
Ich werde keinen Namen nennen, schon allein, weil ich mir keine gemerkt habe. Sie sind hier auch irrelevant. Mich stört vielmehr die Tatsache, dass diese Art von Denken immer noch existiert, in einer Zeit, in der wir selbst uns als tolerant und aufgeklärt bezeichnen.
Solange diese Denkweisen bestehen, werde ich mich weigern, diese Auffassung zu teilen. Solange in irgendeiner Form in unserer Gesellschaft Diskriminierung (gleich ob wegen Geschlecht, Religionszugehörigkeit, ethnischem Hintergrund oder aufgrund seiner sexuellen Orierntierung) existiert, können wir uns weder als aufgeklärt, noch als tolerant bezeichnen.
Zum Glück sind solche Fälle mittlerweile die Ausnahme. Ich persönlich bin in meinem Umfeld noch nicht auf Personen getroffen, die so denken.
Zu obiger Aussage möchte ich folgendes sagen:
Homosexualität ist einzig und allein gegen die Art von Moral, die uns die Kirche früher aufpressen wollte. Dieses Denken hat sich anscheinend traurigerweise bis in die heutige Zeit bewahrt. Es gibt durchaus Kulturen, die vornehmlich homosexuell agieren, oder sich völlig bisexuell geben.
(Die Männer der Chamorro oder der Thonga besitzen vornehmlich ein homosexuelles Verhalten; während bei den Tschuktschen und den Krähen-Indianern die Frauen häufiger homosexuell sind.)
Schon bei den alten Griechen waren nahezu alle Männer bisexuell. Obwohl sie verheiratet waren, mieteten sie sich Lustknaben oder frönten ihrer Leidenschaft anderweitig. Für sie wäre es ein Frevel gewesen, sich gegen "die Umarmung des Eros" aufzulehnen.
Im Jahre 1968 beispielsweise sammelten die Universitätsprofessoren Cellan S. Ford und Frank A. Beach Daten über homosexuelles Verhalten in 76 Kulturen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass in 28 Gruppen homosexuelle Betätigung völlig oder nahezu fehlt. Alle diese Gesellschaften verurteilen Homosexualität und erziehen ihre Kinder streng heterosexuell.
Bei 49 Gruppen wird homosexuelles oder bisexuelles Verhalten geduldet und für normal gehalten, in einigen Gruppen üben 100% der Männer bisexuelles Verhalten aus.
(vgl.: C. Ford und F. Beach: Das Sexualverhalten von Mensch und Tier, Reinbek: Rowohlt, 1968, Seite 141)
Alle diese Menschen sind biologisch gleich! Man wird keineswegs mit seiner sexuellen Orientierung geboren, sondern durchläuft in seiner Kindheit und Pubertät eine sexuelle Sozialisation. Abhängig davon, in welcher Kultur man aufwächst, wird man also in ein bestimmtes Muster hineingezwängt: Hier ist dieses Muster heterosexuell.
Ich will keineswegs die Art unserer Gesellschaft angreifen, sondern will mehr all diejenigen zum Nachdenken aufrufen, die Homosexualität immer noch als verachtenswert ansehen.
So. Ich finde, ich habe jetzt genug geredet.
Hier sind die ersten vier von neun Szenen der Kurzgeschichte.
Die nächsten folgen so schnell wie möglich.
Leben verboten
Dienstag, 11. April 2006 08:59 pm
Andrew schaute vorsichtig über die Kante des Daches hinab. Unten sah er vereinzelt Menschen vorbei laufen und Autos vorbei fahren. Für einen Moment kroch Todesangst in ihm auf, doch er verdrängte sie.
Er wusste, dass es hier keinen Platz für ihn gab. Sicher, sobald er volljährig war, konnte er tun, was ihm gefiel, doch er würde vorher an seinem Unglück zerbrechen, dessen war er sicher.
Er sah noch einmal über die Schulter zurück, wie ein letzter Blick auf sein Leben.
Donnerstag, 6. April 2006 07:55 am
"Andrew!"
Der laute Schrei seiner Mutter riss Andrew Larkins aus dem Schlaf. Er warf einen kurzen Blick auf die Digitalanzeige seines Weckers und stieß einen leisen Fluch aus. Er würde wieder einmal zu spät kommen.
Sein momentaner Lebensstil war nicht besonders zuträglich für seine Schulnoten. Früh aufstehen, lange wegbleiben. Er wusste genau, dass er das so schnell wie möglich ändern musste. Doch er hatte keinen blassen Schimmer, wie er das anstellen sollte.
Seit ungefähr einem halben Jahr verlief Andrews Leben in Bahnen, die ihm nicht gefielen. Er hatte entdeckt, dass er homophil veranlagt war. An und für sich war dies kein Problem. Die verfahrene Situation, in der er sich deshalb aber befand, wurde von seiner Umwelt hervorgerufen.
Andrew lebte in einem Stadtviertel, das eine relativ mittelalterliche Einstellung zur gleichgeschlechtlichen Liebe hatte. Von vielen wurde sie dort noch als Krankheit, als Schande für die Familie angesehen.
Andrew selbst hatte in den ersten drei Monaten noch so gedacht, sich vor sich selbst geekelt, doch sich dann damit abgefunden.
Niemand, den Andrew kannte, wusste von seiner Situation. Er hatte auch nicht vor, dies zu ändern. Besonders, weil er Angst vor der Reaktion seines Bruders hatte.
Ryan war gerade erst aus der Jugendstrafanstalt zurückgekehrt. Er war zu dieser Strafe verurteilt worden, weil er in betrunkenem Zustand einen Homosexuellen schwerst verletzt hatte. Andrew hatte mit seinem Bruder darüber geredet und war entsetzt, dass Ryan nicht das geringste Zeichen von Reue zeigte. Im Gegensatz, er empfand es unerträglich, dass er für etwas bestraft wurde, was er selbst als erstrebenswert betrachtete.
Schließlich waren Homosexuelle nicht mehr als Abschaum und an der Verbreitung von Aids schuld. Andrew wusste, dass diese Aussage nicht mehr als eine wortwörtliche Wiedergabe des Satzes war, den ihr Vater ihnen immer wieder gepredigt hatte.
Es war nicht daran zu denken, dass Andrew ihm jemals erzählen konnte, wie er empfand. Seine Mutter hingegen würde Angst um ihren Ruf bei den Nachbarn haben.
Schließlich war es doch wichtig zu wissen, dass der Nachwuchs gesund war und man sicher sein konnte, dass sie sich nicht in zwielichtigen Kreisen bewegten.
Fast hätte Andrew aufgelacht, doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass er noch immer im Bett lag.
Hastig stand er auf, zog sich an und rannte anschließend die Treppe hinab. In der Küche wartete seine Mutter schon auf ihn.
"Das wurde ja auch Zeit. Was machst du bloß, dass du in letzter Zeit immer so spät bist?"
"Ich weiß auch nicht, woran es liegt, Ma."
"Nimm das hier und mach, dass du los kommst."
Sie steckte ihm einen Zehn-Dollar-Schein zu. Andrew schnappte sich seinen Rucksack und begab sich zur Schule.
Fünfzehn Minuten später saß Andrew auf seinem Platz im Kunstsaal. Soeben waren die Noten für das alte Bild vergeben worden. Und Andrew hatte kein berauschendes Ergebnis erzielt. Der Lehrer bewertete auf einer Skala von 15 Punkten und Andrew hatte nur vier Punkte erhalten.
"Andrew Larkins, es tut mir Leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber Ihre Zeichnung hat den Anforderungen nicht genügt."
"Kein Problem, Sir. Ich werde darüber hinwegkommen.", meinte der 16jährige ungerührt.
Normalerweise war Andrew in Kunst besser. Er zeichnete sehr gerne und auch viel. Doch in letzter Zeit war er kaum dazu gekommen. Er hatte schlichtweg andere Dinge im Kopf.
"Nun. Sicher werden Sie sich fragen, welches Thema als nächstes ansteht."
Mr Flannery war bekannt dafür, immer so zu klingen, als wende er sich an einen bestimmten Schüler. In Wahrheit sprach er momentan zur gesamten Klasse, auch wenn seine Aufmerksamkeit mehr der Tafel galt.
"Sie zeichnen oft nur das, was Sie selbst anspricht. Doch in der Kunst ist es wichtig, sich ebenfalls für Fremdes zu interessieren."
Schwungvoll zeichnete er mit der Kreide eine Skizze an die Tafel. Zwei Personen, die einander eng umschlungen hatten und leidenschaftlich küssten.
"Nun? Wissen Sie, was dies darstellt?", fragte er.
Einige Mädchen kicherten verhalten. Eins von ihnen meldete sich.
"Miss Seaton?"
"Das sind zwei Jungs, Mr Flannery."
"Exakt. Wenn Sie die Güte hätten, für einen Moment an die Tafel zu kommen?"
Das Mädchen wurde leicht rot, folgte der Aufforderung dann aber.
"Miss Seaton, wären Sie so freundlich, es mir gleichzutun?"
Sie nickte und fertigte ebenfalls eine Skizze an. Der Lehrer begutachtete sie.
"Nein, Miss Seaton, nein. Wie erwartet, haben Sie die Aufgabe nicht begriffen. Es war nicht beabsichtigt, dass Sie ebenfalls zwei Jungs zeichnen. Vielmehr sollten Sie zwei Mädchen zeichnen."
Das Mädchen rümpfte die Nase. "Warum sollte ich Lesben zeichnen wollen?"
"Eben deshalb. Sie sollen dieses Mal das aufs Papier bringen, was Sie nicht wollen."
Einer der Jungen meldete sich.
"Ja, Mr Williams?"
"Bedeutet das, wir sollen Schwule und die Mädchen Lesben zeichnen?"
"Ganz recht, Mr Williams", nickte Flannery.
"Das werde ich nicht tun!"
"So? Nun, dann gestatten Sie mir sicherlich, ihre nächste Note bereits zu verkünden? 0 Punkte. Arbeitsverweigerung."
Andrew hatte bisher geschwiegen, aber er mischte sich jetzt ein.
"Mr Flannery?"
"Ja, Mr Larkins?"
"Angenommen, es gäbe in dieser Klasse Homosexuelle. Wäre es nicht eine Art... Vorteil für sie?"
"Nun, sollte dieser Fall bestehen, hat der Betreffende ein heterosexuelles Paar zu zeichnen."
Andrew musste lachen. "Und sich damit vor der ganzen Klasse zu outen? Ist Ihnen klar, Mr Flannery, in welchem Stadtviertel wir uns befinden?"
"Durchaus, Mr Larkins. Und glauben Sie mir, dass ich mit der Situation hier vertraut bin. Weitaus besser als Sie.", erwiderte der Lehrer.
Andrew antwortete nicht mehr. Sein Tischnachbar beugte sich zu ihm rüber.
"Hey Alter, was sollte das denn?" - "Joey, kümmer' dich um deinen eigenen Kram."
"Wie du meinst. Glaubst du, dass es hier welche gibt?"
"Warum nicht? Kann doch sein. Vielleicht trauen sie sich nur nicht, es zu sagen."
"Ich wüsste gern, ob es hier Lesben gibt..."
"Warum das?"
"Andrew, ich bitte dich. Was kann es Besseres geben, als zwei heiße Bräute auf einmal zu sehen?" Ein abwesendes Grinsen zierte Joeys Lippen.
"Eine einzige, bei der man eine Chance hat?"
Donnerstag, 6. April 2006 05:08 pm
"Andrew, Telefon für dich!"
"Ich komme!", rief Andrew aus seinem Zimmer.
Seine Mutter stand im Hausflur und reichte ihm das Telefon. "Es ist Joey."
"Oh. Gut." Andrew nahm den Hörer entgegen.
"Hi. Was ist?"
"Wir machen einen Videoabend. Hast du Lust, auch zu kommen?", schallte ihm Joeys Stimme entgegen.
"Nein, danke. Ich geh' heute Abend zur großen No Modesty Party im DANCE."
"Achso? Ich glaub', Derrick geht da auch hin."
"Tatsächlich? Vielleicht seh' ich ihn ja."
"Pfeif' doch auf den. Schlepp' lieber ein Mädchen ab, okay?"
Andrew lachte künstlich, doch das konnte Joey zum Glück nicht sehen. "Werd' ich. Viel Spaß noch."
"Jo, dir auch."
Andrew legte auf. Er fühlte sich schlecht dabei, seinen besten Freund zu belügen, doch was sollte er ihm sagen? "Tut mir Leid, aber ich habe kein Interesse an Mädchen."? Dann würde es bald die ganze Schule wissen. Und sobald die Barton High es wusste, würde auch Ryan davon wissen. Und sobald Ryan davon wusste, wüsste auch seine Familie Bescheid. Und anschließend die ganze Nachbarschaft.
"Andrew? Bist du fertig?"
"Ja, bin ich. Ich komme!"
Es war Essenszeit und im Moment konnte Andrew sich keine schlimmere Marter vorstellen.
"Hey Andrew! Wie läuft's mit den Mädchen?", rief ihm sein Bruder entgegen, kaum dass er eingetreten war.
"Gar nicht. Wie immer.", gab Andrew zurück.
"Sei doch nicht immer so schüchtern, Andy! Sonst wird das nie was."
"Halt die Klappe, Ryan."
"Andrew, hör auf, so mit deinem Bruder zu reden. Und du Ryan, hör auf, dich in sein Leben einzumischen. Nur weil du ein Mädchen nach dem anderen hattest, heißt das nicht, dass Andrew es dir gleichtun muss.", mischte sich ihre Mutter ein.
Ryan maulte. "Der soll sich endlich 'ne Freundin besorgen. Ständig fragt man mich, ob Andrew – na, ihr wisst schon."
Andrew verschluckte sich beinahe an dem Schluck Mineralwasser, den er soeben genommen hatte. Der Vater schlug mit der Faust auf den Tisch. "Mein Sohn ist nicht schwul! Sag das deinen Freunden!", brüllte er.
Mit einem leisen Seufzer ließ Andrew sich auf seinen Platz sinken. "Können wir das Thema wechseln? Die Mädchen auf meiner Schule sind alle nicht so toll. Ich find' schon noch die Richtige."
"Das ist die richtige Einstellung.", lobte der Vater.
"Übrigens, ich bin heute Abend nicht da. Ich geh' ins DANCE."
"DANCE? Ist das nicht diese große, teure Disko?"
"Ganz genau. Ich spare seit Wochen, um dahin gehen zu können."
"Na, meinetwegen."
Um 07:30 pm, also etwa anderthalb Stunden später verließ Andrew das Haus. Er war den Weg zum DANCE schon des Öfteren abgefahren. Er würde kurz nach Beginn der Veranstaltung eintreffen. So konnte er sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Bevor er dort irgendetwas anfing, wollte er sicher sein, dass niemand ihn sah, den er kannte. Vor allem nicht Derrick.
Andrew stellte sein Mountainbike in einer Seitengasse ab, dann ging er zum Eingang der Diskothek rüber. Er betrat sie und sah sich um. Auf den ersten Blick konnte er niemanden erkennen, aber zur Vorsicht ging er einmal komplett durch die Reihen. Anschließend lächelte er erleichtert. Anscheinend war niemand aus seiner Nachbarschaft oder Schule hier.
Er setzte sich an die Theke. Die erste Stunde über fand sich für ihn nichts. Zwar luden ihn zwei, drei Mädchen zu einem Drink ein, doch er lehnte ab. Enttäuscht zogen sie wieder ab, nur um den nächsten Typen, der alleine herumstand, ebenfalls zu fragen.
Zu Beginn der zweiten Stunde, die Andrew alleine an der Theke verbrachte, trat ein anderer Junge an ihn heran. Ein kurzer Blick genügte Andrew, um ihn einzuschätzen. Er war schwarzhaarig, etwa so groß wie Andrew selbst und hatte grüne Augen. Sein Körper schien durchtrainiert, vielleicht betätigte er sich hobbymäßig in einem Sportverein.
Vom Alter her schätzte Andrew ihn zwischen sechzehn und achtzehn Jahre.
"Ähm, sorry, wenn ich so direkt frage, aber hast du Lust auf einen Drink? Ich lad' dich ein."
"Klar, setz dich." Andrew grinste freundlich. "Wie heißt du? Ich bin Andrew."
"Ich bin Justin."
"Also, Justin, was suchst du hier? Hast du eine Freundin?", versuchte Andrew, sein Gegenüber in ein Gespräch zu verwickeln.
"Um ehrlich zu sein: Ich will gar keine Freundin. Ich bin schwul."
"Tatsächlich? Was sagen deine Freunde und Eltern dazu?"
"Ich bin nicht geoutet. Ich will damit warten, bis ich einen Freund habe."
"Wie alt bist du?", fragte Andrew neugierig.
"15. Und du?", erwiderte Justin.
"Ich bin ein Jahr älter als du. Und wie der Zufall so will, bin ich auch schwul." Andrews Grinsen wurde noch breiter. "Aber meine Eltern wissen auch nicht Bescheid. Ich kann es ihnen auch nicht sagen. Ich wohne im Barton-Viertel."
"Oh. Das ist sicher hart für dich. Hast du von dem Schwulen gehört, der verprügelt wurde?"
"Ja. Mein Bruder war der Schläger."
"Also, ähm, ich bestell dann mal unsere Drinks, okay?"
"Ja. Ich warte solange hier."
Justin ging eben ans andere Ende der Theke, wo der Barkeeper stand. "Einen Drink für mich und meinen Freund."
"Kommt sofort." Als er den ersten fertig hatte und den zweiten beginnen wollte, stoppte Justin ihn. "Ich hab gesagt, nur einen."
"Dann also zwei Strohhalme, nehme ich an?"
"Genau."
Derrick Williams war nicht der Typ Junge, der sich eine große Party entgehen lassen konnte. Erst recht nicht die alljährliche No Modesty Party im DANCE. Anders als Andrew war er aber später gekommen. Die Klassenkameraden hatten sich nur knapp verpasst und auch während der Party sahen sie einander nicht.
Jedenfalls solange nicht, bis Derricks Blick um etwa 10:00 pm auf die Theke fiel und er zwei einander küssende Jungs sah. Und er einen von ihnen erkannte. Andrew.
Er selbst würde die Aktion, dass er sein Fotohandy aus der Tasche zog und sie ablichtete, als geistesgegenwärtig bezeichnen. Andere vielleicht als verabscheuungswürdig.
Fakt ist: Ohne dieses Foto fände Andrews Leben möglicherweise ein anderes Ende.
Freitag, 7. April 2006 08:00 am
Leise eine Melodie summend trat Andrew am nächsten Morgen auf den Schulhof. Der gestrige Abend war wunderbar gelaufen. Er war mit Justin wunderbar ins Gespräch gekommen und am Ende hatten sie sich sogar geküsst! Immer noch hatte Andrew das Gefühl, Justins Lippen zu spüren, wenn er die Augen schloss.
Bevor sie sich verabschiedet hatten, gab Justin ihm noch seine Handynummer und vice-versa. Sie hatten sich darauf geeinigt, einander nur SMS zu schreiben.
Andrew war so glücklich, dass er nicht auf seine Umgebung achtete, und so Derrick seiner Aufmerksamkeit entging. Zu Andrews Bedauern befand er sich mit diesem allein in einem Flur und so fing Derrick ihn ab. Hart packte er Andrew und drückte ihn gegen die Wand.
"Okay, ich hab' dich gestern gesehen. Du hast fünf Sekunden, mir das zu erklären!"
"Was gibt es da zu erklären. Ich bin schwul, und fertig. Ich denke, das war sichtbar, oder?"
"Allerdings. Hör mir ganz genau zu. Du wirst mir jede Woche 50 Dollar geben, sonst lasse ich dich auffliegen."
Andrew lachte. "Und wie willst du das machen? Ich kann alles abstreiten!"
"So? Kannst du auch dieses Foto abstreiten?"
Derrick hielt Andrew einen Papierfetzen vor die Nase, auf dem er das geschossene Foto ausgedruckt hatte. Andrew war deutlich zu erkennen.
"Wenn du nicht tust, was ich sage, findest du das Foto bald auf allen Handys dieser Schule! Also?"
"Okay, du hast gewonnen, Derrick."
"Gut. Montag bringst du das Geld mit."
"Aber ich hab es nicht!"
"Dein Pech. Du weißt, was passiert."
Normalerweise schreibe ich nicht besonders viele Kurzgeschichten, sondern bin eher für lange Geschichten, die sich über viele Seiten hinwegziehen.
Jedoch kann man über das Thema, das ich in jeder dieser Kurzgeschichten aufgreife, am Besten in dieser Form der Epik schreiben.
Dieses Thema ist Homosexualität.
Im Gegensatz zu den meisten Geschichten, in denen es um Schwule/Lesben geht, die von Yaoi-Fangirls oder Yuri-Fanboys gezeichnet/geschrieben werden (das ist die normale Konstellation), haben diese Kurzgeschichten nicht unbedingt ein Happy End.
Einige bestimmt, andere garantiert nicht.
Ich nehme an, einige dieser Geschichten kann man durchaus als Gesellschaftskritik verstehen.
Ich denke, diese Geschichten hier kann jeder lesen, auch Leute, die Homosexualität nicht sonderlich viel abgewinnen können. Es wird keinerlei Sexszenen geben.
Außerdem werden sich diese Geschichten vorrangig um männliche Homosexualität drehen. Aus dem simplen Grund, dass ich selbst männlich bin und homosexuell. Man kann sich also daher denken, dass eventuelle, negative Darstellungen von Homosexualität nur durch die fiktiven Charaktere bedingt ist und nicht im Geringsten meiner eigenen Ansicht entsprechen. Die Kunst am Schreiben ist bekanntlich, sich in andere Rollen hineinzuversetzen.
Ich weiß noch nicht, ob es in einer der Kurzgeschichten auch einmal um Lesben gehen wird. Möglich ist es durchaus.
Ich würde mich wie immer über Kritik freuen, jedoch möchte ich anmerken, dass fehlende Beschreibungen beabsichtigt sind.
Zumeist werde ich hier die Protagonisten nur namentlich beschreiben, vielleicht in extremen Ausnahmefällen auch vom Aussehen. Namen sind ersetzbar. Und genau darum geht es mir. Solche Fälle wie ich sie hier porträtieren werde, können sich überall auf der Welt ähnlich oder genauso ereignen. Im Gegensatz zu meinen anderen Werken geht es mir hier nicht darum, ein Einzelschicksal zu schaffen, sondern nur eine mögliche Situation zu zeigen.
Sollte irgendjemand sich in irgendeiner Form von diesen Kurzgeschichten oder den Einleitungen, die ich selbigen voranstellen werde, angegriffen fühlen, so soll derjenige mir eine Beschwerde per PN zukommen lassen.
Konstruktive Kritik ist mir willkommen, ich werde jedoch kein Flaming in jedweder Art dulden. Ich stecke eine Menge Zeit und Arbeit in diese Kurzgeschichten, und ich bitte euch, dies zu respektieren. Auch ist mir bewusst, dass nicht zwangsweise jeder hier meine Meinung teilen wird.
Und jetzt habe ich natürlich auch schon eine Kurzgeschichte für euch.
Sie ist eine Kritik an dem Zustand der Ablehnung, dem Homosexuelle noch oft genug entgegentreten müssen. Mir ist klar, dass man niemanden dazu zwingen kann, es gutzuheißen, doch ich finde, Toleranz sollte das Mindeste sein.
(Man beachte bitte, dass Toleranz und Akzeptanz keinesweges dasselbe sind.)
Im entsprechenden Thread in diesem Board habe ich die Ansicht gelesen, dass Homosexualität gegen alles ginge, was die Evolution für uns vorgesehen habe.
Ich werde keinen Namen nennen, schon allein, weil ich mir keine gemerkt habe. Sie sind hier auch irrelevant. Mich stört vielmehr die Tatsache, dass diese Art von Denken immer noch existiert, in einer Zeit, in der wir selbst uns als tolerant und aufgeklärt bezeichnen.
Solange diese Denkweisen bestehen, werde ich mich weigern, diese Auffassung zu teilen. Solange in irgendeiner Form in unserer Gesellschaft Diskriminierung (gleich ob wegen Geschlecht, Religionszugehörigkeit, ethnischem Hintergrund oder aufgrund seiner sexuellen Orierntierung) existiert, können wir uns weder als aufgeklärt, noch als tolerant bezeichnen.
Zum Glück sind solche Fälle mittlerweile die Ausnahme. Ich persönlich bin in meinem Umfeld noch nicht auf Personen getroffen, die so denken.
Zu obiger Aussage möchte ich folgendes sagen:
Homosexualität ist einzig und allein gegen die Art von Moral, die uns die Kirche früher aufpressen wollte. Dieses Denken hat sich anscheinend traurigerweise bis in die heutige Zeit bewahrt. Es gibt durchaus Kulturen, die vornehmlich homosexuell agieren, oder sich völlig bisexuell geben.
(Die Männer der Chamorro oder der Thonga besitzen vornehmlich ein homosexuelles Verhalten; während bei den Tschuktschen und den Krähen-Indianern die Frauen häufiger homosexuell sind.)
Schon bei den alten Griechen waren nahezu alle Männer bisexuell. Obwohl sie verheiratet waren, mieteten sie sich Lustknaben oder frönten ihrer Leidenschaft anderweitig. Für sie wäre es ein Frevel gewesen, sich gegen "die Umarmung des Eros" aufzulehnen.
Im Jahre 1968 beispielsweise sammelten die Universitätsprofessoren Cellan S. Ford und Frank A. Beach Daten über homosexuelles Verhalten in 76 Kulturen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass in 28 Gruppen homosexuelle Betätigung völlig oder nahezu fehlt. Alle diese Gesellschaften verurteilen Homosexualität und erziehen ihre Kinder streng heterosexuell.
Bei 49 Gruppen wird homosexuelles oder bisexuelles Verhalten geduldet und für normal gehalten, in einigen Gruppen üben 100% der Männer bisexuelles Verhalten aus.
(vgl.: C. Ford und F. Beach: Das Sexualverhalten von Mensch und Tier, Reinbek: Rowohlt, 1968, Seite 141)
Alle diese Menschen sind biologisch gleich! Man wird keineswegs mit seiner sexuellen Orientierung geboren, sondern durchläuft in seiner Kindheit und Pubertät eine sexuelle Sozialisation. Abhängig davon, in welcher Kultur man aufwächst, wird man also in ein bestimmtes Muster hineingezwängt: Hier ist dieses Muster heterosexuell.
Ich will keineswegs die Art unserer Gesellschaft angreifen, sondern will mehr all diejenigen zum Nachdenken aufrufen, die Homosexualität immer noch als verachtenswert ansehen.
So. Ich finde, ich habe jetzt genug geredet.
Hier sind die ersten vier von neun Szenen der Kurzgeschichte.
Die nächsten folgen so schnell wie möglich.
Leben verboten
Dienstag, 11. April 2006 08:59 pm
Andrew schaute vorsichtig über die Kante des Daches hinab. Unten sah er vereinzelt Menschen vorbei laufen und Autos vorbei fahren. Für einen Moment kroch Todesangst in ihm auf, doch er verdrängte sie.
Er wusste, dass es hier keinen Platz für ihn gab. Sicher, sobald er volljährig war, konnte er tun, was ihm gefiel, doch er würde vorher an seinem Unglück zerbrechen, dessen war er sicher.
Er sah noch einmal über die Schulter zurück, wie ein letzter Blick auf sein Leben.
Donnerstag, 6. April 2006 07:55 am
"Andrew!"
Der laute Schrei seiner Mutter riss Andrew Larkins aus dem Schlaf. Er warf einen kurzen Blick auf die Digitalanzeige seines Weckers und stieß einen leisen Fluch aus. Er würde wieder einmal zu spät kommen.
Sein momentaner Lebensstil war nicht besonders zuträglich für seine Schulnoten. Früh aufstehen, lange wegbleiben. Er wusste genau, dass er das so schnell wie möglich ändern musste. Doch er hatte keinen blassen Schimmer, wie er das anstellen sollte.
Seit ungefähr einem halben Jahr verlief Andrews Leben in Bahnen, die ihm nicht gefielen. Er hatte entdeckt, dass er homophil veranlagt war. An und für sich war dies kein Problem. Die verfahrene Situation, in der er sich deshalb aber befand, wurde von seiner Umwelt hervorgerufen.
Andrew lebte in einem Stadtviertel, das eine relativ mittelalterliche Einstellung zur gleichgeschlechtlichen Liebe hatte. Von vielen wurde sie dort noch als Krankheit, als Schande für die Familie angesehen.
Andrew selbst hatte in den ersten drei Monaten noch so gedacht, sich vor sich selbst geekelt, doch sich dann damit abgefunden.
Niemand, den Andrew kannte, wusste von seiner Situation. Er hatte auch nicht vor, dies zu ändern. Besonders, weil er Angst vor der Reaktion seines Bruders hatte.
Ryan war gerade erst aus der Jugendstrafanstalt zurückgekehrt. Er war zu dieser Strafe verurteilt worden, weil er in betrunkenem Zustand einen Homosexuellen schwerst verletzt hatte. Andrew hatte mit seinem Bruder darüber geredet und war entsetzt, dass Ryan nicht das geringste Zeichen von Reue zeigte. Im Gegensatz, er empfand es unerträglich, dass er für etwas bestraft wurde, was er selbst als erstrebenswert betrachtete.
Schließlich waren Homosexuelle nicht mehr als Abschaum und an der Verbreitung von Aids schuld. Andrew wusste, dass diese Aussage nicht mehr als eine wortwörtliche Wiedergabe des Satzes war, den ihr Vater ihnen immer wieder gepredigt hatte.
Es war nicht daran zu denken, dass Andrew ihm jemals erzählen konnte, wie er empfand. Seine Mutter hingegen würde Angst um ihren Ruf bei den Nachbarn haben.
Schließlich war es doch wichtig zu wissen, dass der Nachwuchs gesund war und man sicher sein konnte, dass sie sich nicht in zwielichtigen Kreisen bewegten.
Fast hätte Andrew aufgelacht, doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass er noch immer im Bett lag.
Hastig stand er auf, zog sich an und rannte anschließend die Treppe hinab. In der Küche wartete seine Mutter schon auf ihn.
"Das wurde ja auch Zeit. Was machst du bloß, dass du in letzter Zeit immer so spät bist?"
"Ich weiß auch nicht, woran es liegt, Ma."
"Nimm das hier und mach, dass du los kommst."
Sie steckte ihm einen Zehn-Dollar-Schein zu. Andrew schnappte sich seinen Rucksack und begab sich zur Schule.
Fünfzehn Minuten später saß Andrew auf seinem Platz im Kunstsaal. Soeben waren die Noten für das alte Bild vergeben worden. Und Andrew hatte kein berauschendes Ergebnis erzielt. Der Lehrer bewertete auf einer Skala von 15 Punkten und Andrew hatte nur vier Punkte erhalten.
"Andrew Larkins, es tut mir Leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber Ihre Zeichnung hat den Anforderungen nicht genügt."
"Kein Problem, Sir. Ich werde darüber hinwegkommen.", meinte der 16jährige ungerührt.
Normalerweise war Andrew in Kunst besser. Er zeichnete sehr gerne und auch viel. Doch in letzter Zeit war er kaum dazu gekommen. Er hatte schlichtweg andere Dinge im Kopf.
"Nun. Sicher werden Sie sich fragen, welches Thema als nächstes ansteht."
Mr Flannery war bekannt dafür, immer so zu klingen, als wende er sich an einen bestimmten Schüler. In Wahrheit sprach er momentan zur gesamten Klasse, auch wenn seine Aufmerksamkeit mehr der Tafel galt.
"Sie zeichnen oft nur das, was Sie selbst anspricht. Doch in der Kunst ist es wichtig, sich ebenfalls für Fremdes zu interessieren."
Schwungvoll zeichnete er mit der Kreide eine Skizze an die Tafel. Zwei Personen, die einander eng umschlungen hatten und leidenschaftlich küssten.
"Nun? Wissen Sie, was dies darstellt?", fragte er.
Einige Mädchen kicherten verhalten. Eins von ihnen meldete sich.
"Miss Seaton?"
"Das sind zwei Jungs, Mr Flannery."
"Exakt. Wenn Sie die Güte hätten, für einen Moment an die Tafel zu kommen?"
Das Mädchen wurde leicht rot, folgte der Aufforderung dann aber.
"Miss Seaton, wären Sie so freundlich, es mir gleichzutun?"
Sie nickte und fertigte ebenfalls eine Skizze an. Der Lehrer begutachtete sie.
"Nein, Miss Seaton, nein. Wie erwartet, haben Sie die Aufgabe nicht begriffen. Es war nicht beabsichtigt, dass Sie ebenfalls zwei Jungs zeichnen. Vielmehr sollten Sie zwei Mädchen zeichnen."
Das Mädchen rümpfte die Nase. "Warum sollte ich Lesben zeichnen wollen?"
"Eben deshalb. Sie sollen dieses Mal das aufs Papier bringen, was Sie nicht wollen."
Einer der Jungen meldete sich.
"Ja, Mr Williams?"
"Bedeutet das, wir sollen Schwule und die Mädchen Lesben zeichnen?"
"Ganz recht, Mr Williams", nickte Flannery.
"Das werde ich nicht tun!"
"So? Nun, dann gestatten Sie mir sicherlich, ihre nächste Note bereits zu verkünden? 0 Punkte. Arbeitsverweigerung."
Andrew hatte bisher geschwiegen, aber er mischte sich jetzt ein.
"Mr Flannery?"
"Ja, Mr Larkins?"
"Angenommen, es gäbe in dieser Klasse Homosexuelle. Wäre es nicht eine Art... Vorteil für sie?"
"Nun, sollte dieser Fall bestehen, hat der Betreffende ein heterosexuelles Paar zu zeichnen."
Andrew musste lachen. "Und sich damit vor der ganzen Klasse zu outen? Ist Ihnen klar, Mr Flannery, in welchem Stadtviertel wir uns befinden?"
"Durchaus, Mr Larkins. Und glauben Sie mir, dass ich mit der Situation hier vertraut bin. Weitaus besser als Sie.", erwiderte der Lehrer.
Andrew antwortete nicht mehr. Sein Tischnachbar beugte sich zu ihm rüber.
"Hey Alter, was sollte das denn?" - "Joey, kümmer' dich um deinen eigenen Kram."
"Wie du meinst. Glaubst du, dass es hier welche gibt?"
"Warum nicht? Kann doch sein. Vielleicht trauen sie sich nur nicht, es zu sagen."
"Ich wüsste gern, ob es hier Lesben gibt..."
"Warum das?"
"Andrew, ich bitte dich. Was kann es Besseres geben, als zwei heiße Bräute auf einmal zu sehen?" Ein abwesendes Grinsen zierte Joeys Lippen.
"Eine einzige, bei der man eine Chance hat?"
Donnerstag, 6. April 2006 05:08 pm
"Andrew, Telefon für dich!"
"Ich komme!", rief Andrew aus seinem Zimmer.
Seine Mutter stand im Hausflur und reichte ihm das Telefon. "Es ist Joey."
"Oh. Gut." Andrew nahm den Hörer entgegen.
"Hi. Was ist?"
"Wir machen einen Videoabend. Hast du Lust, auch zu kommen?", schallte ihm Joeys Stimme entgegen.
"Nein, danke. Ich geh' heute Abend zur großen No Modesty Party im DANCE."
"Achso? Ich glaub', Derrick geht da auch hin."
"Tatsächlich? Vielleicht seh' ich ihn ja."
"Pfeif' doch auf den. Schlepp' lieber ein Mädchen ab, okay?"
Andrew lachte künstlich, doch das konnte Joey zum Glück nicht sehen. "Werd' ich. Viel Spaß noch."
"Jo, dir auch."
Andrew legte auf. Er fühlte sich schlecht dabei, seinen besten Freund zu belügen, doch was sollte er ihm sagen? "Tut mir Leid, aber ich habe kein Interesse an Mädchen."? Dann würde es bald die ganze Schule wissen. Und sobald die Barton High es wusste, würde auch Ryan davon wissen. Und sobald Ryan davon wusste, wüsste auch seine Familie Bescheid. Und anschließend die ganze Nachbarschaft.
"Andrew? Bist du fertig?"
"Ja, bin ich. Ich komme!"
Es war Essenszeit und im Moment konnte Andrew sich keine schlimmere Marter vorstellen.
"Hey Andrew! Wie läuft's mit den Mädchen?", rief ihm sein Bruder entgegen, kaum dass er eingetreten war.
"Gar nicht. Wie immer.", gab Andrew zurück.
"Sei doch nicht immer so schüchtern, Andy! Sonst wird das nie was."
"Halt die Klappe, Ryan."
"Andrew, hör auf, so mit deinem Bruder zu reden. Und du Ryan, hör auf, dich in sein Leben einzumischen. Nur weil du ein Mädchen nach dem anderen hattest, heißt das nicht, dass Andrew es dir gleichtun muss.", mischte sich ihre Mutter ein.
Ryan maulte. "Der soll sich endlich 'ne Freundin besorgen. Ständig fragt man mich, ob Andrew – na, ihr wisst schon."
Andrew verschluckte sich beinahe an dem Schluck Mineralwasser, den er soeben genommen hatte. Der Vater schlug mit der Faust auf den Tisch. "Mein Sohn ist nicht schwul! Sag das deinen Freunden!", brüllte er.
Mit einem leisen Seufzer ließ Andrew sich auf seinen Platz sinken. "Können wir das Thema wechseln? Die Mädchen auf meiner Schule sind alle nicht so toll. Ich find' schon noch die Richtige."
"Das ist die richtige Einstellung.", lobte der Vater.
"Übrigens, ich bin heute Abend nicht da. Ich geh' ins DANCE."
"DANCE? Ist das nicht diese große, teure Disko?"
"Ganz genau. Ich spare seit Wochen, um dahin gehen zu können."
"Na, meinetwegen."
Um 07:30 pm, also etwa anderthalb Stunden später verließ Andrew das Haus. Er war den Weg zum DANCE schon des Öfteren abgefahren. Er würde kurz nach Beginn der Veranstaltung eintreffen. So konnte er sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Bevor er dort irgendetwas anfing, wollte er sicher sein, dass niemand ihn sah, den er kannte. Vor allem nicht Derrick.
Andrew stellte sein Mountainbike in einer Seitengasse ab, dann ging er zum Eingang der Diskothek rüber. Er betrat sie und sah sich um. Auf den ersten Blick konnte er niemanden erkennen, aber zur Vorsicht ging er einmal komplett durch die Reihen. Anschließend lächelte er erleichtert. Anscheinend war niemand aus seiner Nachbarschaft oder Schule hier.
Er setzte sich an die Theke. Die erste Stunde über fand sich für ihn nichts. Zwar luden ihn zwei, drei Mädchen zu einem Drink ein, doch er lehnte ab. Enttäuscht zogen sie wieder ab, nur um den nächsten Typen, der alleine herumstand, ebenfalls zu fragen.
Zu Beginn der zweiten Stunde, die Andrew alleine an der Theke verbrachte, trat ein anderer Junge an ihn heran. Ein kurzer Blick genügte Andrew, um ihn einzuschätzen. Er war schwarzhaarig, etwa so groß wie Andrew selbst und hatte grüne Augen. Sein Körper schien durchtrainiert, vielleicht betätigte er sich hobbymäßig in einem Sportverein.
Vom Alter her schätzte Andrew ihn zwischen sechzehn und achtzehn Jahre.
"Ähm, sorry, wenn ich so direkt frage, aber hast du Lust auf einen Drink? Ich lad' dich ein."
"Klar, setz dich." Andrew grinste freundlich. "Wie heißt du? Ich bin Andrew."
"Ich bin Justin."
"Also, Justin, was suchst du hier? Hast du eine Freundin?", versuchte Andrew, sein Gegenüber in ein Gespräch zu verwickeln.
"Um ehrlich zu sein: Ich will gar keine Freundin. Ich bin schwul."
"Tatsächlich? Was sagen deine Freunde und Eltern dazu?"
"Ich bin nicht geoutet. Ich will damit warten, bis ich einen Freund habe."
"Wie alt bist du?", fragte Andrew neugierig.
"15. Und du?", erwiderte Justin.
"Ich bin ein Jahr älter als du. Und wie der Zufall so will, bin ich auch schwul." Andrews Grinsen wurde noch breiter. "Aber meine Eltern wissen auch nicht Bescheid. Ich kann es ihnen auch nicht sagen. Ich wohne im Barton-Viertel."
"Oh. Das ist sicher hart für dich. Hast du von dem Schwulen gehört, der verprügelt wurde?"
"Ja. Mein Bruder war der Schläger."
"Also, ähm, ich bestell dann mal unsere Drinks, okay?"
"Ja. Ich warte solange hier."
Justin ging eben ans andere Ende der Theke, wo der Barkeeper stand. "Einen Drink für mich und meinen Freund."
"Kommt sofort." Als er den ersten fertig hatte und den zweiten beginnen wollte, stoppte Justin ihn. "Ich hab gesagt, nur einen."
"Dann also zwei Strohhalme, nehme ich an?"
"Genau."
Derrick Williams war nicht der Typ Junge, der sich eine große Party entgehen lassen konnte. Erst recht nicht die alljährliche No Modesty Party im DANCE. Anders als Andrew war er aber später gekommen. Die Klassenkameraden hatten sich nur knapp verpasst und auch während der Party sahen sie einander nicht.
Jedenfalls solange nicht, bis Derricks Blick um etwa 10:00 pm auf die Theke fiel und er zwei einander küssende Jungs sah. Und er einen von ihnen erkannte. Andrew.
Er selbst würde die Aktion, dass er sein Fotohandy aus der Tasche zog und sie ablichtete, als geistesgegenwärtig bezeichnen. Andere vielleicht als verabscheuungswürdig.
Fakt ist: Ohne dieses Foto fände Andrews Leben möglicherweise ein anderes Ende.
Freitag, 7. April 2006 08:00 am
Leise eine Melodie summend trat Andrew am nächsten Morgen auf den Schulhof. Der gestrige Abend war wunderbar gelaufen. Er war mit Justin wunderbar ins Gespräch gekommen und am Ende hatten sie sich sogar geküsst! Immer noch hatte Andrew das Gefühl, Justins Lippen zu spüren, wenn er die Augen schloss.
Bevor sie sich verabschiedet hatten, gab Justin ihm noch seine Handynummer und vice-versa. Sie hatten sich darauf geeinigt, einander nur SMS zu schreiben.
Andrew war so glücklich, dass er nicht auf seine Umgebung achtete, und so Derrick seiner Aufmerksamkeit entging. Zu Andrews Bedauern befand er sich mit diesem allein in einem Flur und so fing Derrick ihn ab. Hart packte er Andrew und drückte ihn gegen die Wand.
"Okay, ich hab' dich gestern gesehen. Du hast fünf Sekunden, mir das zu erklären!"
"Was gibt es da zu erklären. Ich bin schwul, und fertig. Ich denke, das war sichtbar, oder?"
"Allerdings. Hör mir ganz genau zu. Du wirst mir jede Woche 50 Dollar geben, sonst lasse ich dich auffliegen."
Andrew lachte. "Und wie willst du das machen? Ich kann alles abstreiten!"
"So? Kannst du auch dieses Foto abstreiten?"
Derrick hielt Andrew einen Papierfetzen vor die Nase, auf dem er das geschossene Foto ausgedruckt hatte. Andrew war deutlich zu erkennen.
"Wenn du nicht tust, was ich sage, findest du das Foto bald auf allen Handys dieser Schule! Also?"
"Okay, du hast gewonnen, Derrick."
"Gut. Montag bringst du das Geld mit."
"Aber ich hab es nicht!"
"Dein Pech. Du weißt, was passiert."
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