Das Meckern... kann beginnen!
[...]
Als die ersten Pfeile einschlugen, befand sich Korgas im Tempel. Er hatte alle Hände damit zu tun, die Leute zu beruhigen, die trotz dem Beistand der ansässigen Priesterinnen kaum zu bändigen waren. Gevin hatte sich irgendwann im Gedränge verloren. Und immer wieder klopften Menschen an die Pforten und baten um Einlass. Und immer wieder schickte man sie fort.
„Verdammt.“ Korgas blieb mitten in den Menschenmassen stehen und wischte sich mit einer Hand eine Haarsträhne, die sich aus seinem straffen Zopf gelöst hatte, aus der verschwitzten Stirn. „Kriegen die sich überhaupt jemals wieder ein? Ich hatte nicht vor, so lange hier zu bleiben.“
„Herr?“ Als Korgas sich umdrehte, eilte einer der Priesterinnen auf ihn zu. Korgas sah nur ihre Augen und erkannte sie. Er war ihr schon begegnet, vor wenigen Stunden, auf dem Marktplatz. „Ihr habt Recht behalten“, sagte sie, als sie vor ihm stand. Sie war atemlos, und auf ihrer Stirn glänzte ebenso wie auf seiner ein feiner Schweißfilm. Auf ihrer grünen Schärpe, auf der der Adler Hyrules und das Triforce mit Goldfaden aufgestickt war, waren dunkle Flecken. Wahrscheinlich hatte jemand weinend an ihrem Rock gehangen und sie angefleht, zu Farore zu beten, dass man diese Nacht heil überstünde.
„Das ist ein ziemlich schlechter Grund, mich anzusprechen; was wollt Ihr?“, fragte Korgas stirnrunzelnd.
„Mein Name ist Elen“, sagte sie und neigte den Kopf. „Ich muss mich bei Euch entschuldigen.“
Korgas sah sie kurz an, dann wandte er sich ab. „Vergesst es, kümmert euch lieber um die Menschen. Sie brauchen Euren Beistand.“
Elen kam nicht dazu, noch etwas zu sagen, denn im nächsten Moment hatte Gevin ihn von der Seite angefallen. Seine Finger gruben sich in Korgas’ Schultern und in seinen Augen stand der pure Horror.
„Feuerpfeile!“, stieß er hervor. „Wir sind unter Beschuss, sie haben magische Feuerpfeile, sie brauchen jeden Mann, Korgas, was sollen wir tun?!“
„Reg dich ab!“, sagte Korgas und löste Gevins Finger aus seinem Kettenhemd. „Was stehst du hier noch rum, wenn sie jeden brauchen? Du bist Schütze, oder? Du hast eine verdammte Ausbildung hinter dir. Du hast gute Augen, Kleiner. Verdammt noch mal, reiß dich endlich zusammen! Dir in die Hosen zu machen bringt dir nichts. Du musst kämpfen, wenn du überleben willst. Und nun nimm deinen Bogen und deine Pfeile und sieh zu, dass du auf die Mauer kommst! Wenn sie erst einmal in der Stadt sind...“ Korgas brach ab und starrte Gevin einen Augenblick an. Der Junge starrte zurück. Auf seinen Wangen glitzerten Tränenspuren, die langsam erst trockneten. „Du schaffst das schon“, zwang Korgas sich, entgegen seiner Prinzipen, zu sagen. Dann schob er Gevin langsam von sich. „Nun geh schon“, meinte er. „Du bist doch Soldat.“
Gevin nickte und fuhr sich einmal mit dem Ärmel seiner Uniform über die Augen. Dann straffte er die Schultern, wandte sich um und lief davon. Er musste sich durch die Menschenmenge schlagen, bis er endlich bei den Toren war, sie aufstieß und in den Regen lief. In der Stadt war es etwas ruhiger geworden, aber nur, weil man mittlerweile die Überzahl der Zivilisten in Sicherheit gebracht hatte. Es waren noch immer viele Soldaten unterwegs, einige davon trugen Wassereimer zum Löschen der Feuer im ersten Verteidigungsring der Stadt. Einige liefen auch in die entgegengesetzte Richtung, aber Gevin hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Noch beim Laufen zog er seinen Bogen vom Rücken und hetzte durch die verregten Straßen. Zweimal rutschte er auf dem spiegelglatten Kopfsteinpflaster auf, und er war sich sicher, sich das linke Knie aufgeschlagen zu haben, aber er blieb nicht stehen. Das einzige, was er wahrnahm, waren verschwommene, monotone Bilder von verängstigten Menschen, ob nun Zivilisten, die ins Stadtinnere getrieben wurden, oder den versteinerten, ergrauten Gesichtern der Soldaten, die zur Stadtmauer hin eilten. Hin und wieder lagen Leichen auf der Straße. Man hatte manche Menschen einfach im Gedränge niedergetrampelt und niemand hatte jetzt die Zeit, die Toten wegzuschaffen.
„Gevin!“
Gevin erschrak, als ihn jemand an der Schulter packte, und drehte sich halb um. Durch den prasselnden Regen erkannte er einen Jungen wieder, der mit ihm die Soldatenausbildung gemacht hatte. Sein Gesicht war aschfahl und Blut rann aus seiner Nase. Er schien in einen Aufruhr verwickelt gewesen zu sein. „Wo läufst du hin?“, fragte er.
„Zum Tor“, sagte Gevin wie mechanisch. „Sie brauchen die Schützen. Ich bin Schütze.“
„Bist du wahnsinnig?“, rief der Junge und griff wieder nach Gevins Schulter. „Die schlachten dich doch ab!“
„Ich muss zum Tor“, sagte Gevin wieder, leise, und löste seine Schulter aus dem Griff des Jungens. „Sie brauchen jeden Mann. Und ich bin ein guter Schütze. Ich schaffe das. Wir dürfen sie nicht in die Stadt kommen lassen. Wenn sie erst einmal drin sind...“ Genauso wie Korgas ließ er den Satz unvollendet. „Wenn du Angst hast, geh und hilf den Zivilisten. Aber steh hier nicht so unnütz herum.“ Er wandte sich um und begann wieder zu laufen. Er wusste, dass es ihm nicht zustand, über die anderen zu richten, aber es machte ihm Mut.
Es dauerte eine Weile, bis er durch eines der großen Tore zum ersten Verteidigungsring durchgelassen wurde. Die Tore hatte man schon verriegelt und die Soldaten, die noch auf die Mauer wollten oder mussten, wurden nur durch eine kleine Tür durchgelassen, was den Fluss der Schar durchaus stockte. Gevin schob sich an zwei älteren Soldaten vorbei und erstarrte.
Hier brannte fast jeder Dachstuhl. Feuerpfeile zischten durch den nachtschwarzen Himmel und prallten am weißen Stein der hohen Mauer des ersten Verteidigungsrings ab oder schlugen zischend in nasses Holz ein. Soldaten fielen, von Pfeilen getroffen, von der Mauer und rissen im schlimmsten Fall noch weitere mit in den Tod.
„Aus dem Weg!“ Eine Gruppe von Soldaten mit Wassereimer schubsten den bewegungsunfähigen Gevin beiseite und eilten davon, auf ein brennendes Gebäude zu.
„He, du! Soldat!“ Wie im Schlaf drehte Gevin sich langsam um. Ein Hauptmann schrie ihn von der Seite an. „Du hast einen verdammten Bogen! Hoch mit dir, wird’s bald!“
Gevin starrte ihn einen Moment lang an, dann biss er die Zähne zusammen, nickte und eilte zu einer der Treppen, die auf die Zinnen der Stadtmauer führten. Er musste über Leichen steigen und spürte mit jedem Schritt seinen Mut sinken.
Plötzlich, als er auf den Zinnen der Außenmauer ankam, krachte keinen Fußbreit neben ihm ein Enterhaken in das Mauerwerk, schlidderte über den Boden, riss einen Soldaten von den Füßen und verhakte sich dann in den Mauerritzen.
„Sie haben Entherhaken! An die Schwerter!“, schrie von irgendwo irgendwer.
Gevin, der noch Pfeil und Bogen in den Fingern hatte, drängte sich weiter nach vorne – und sah gerade in die goldenen Augen einer Gerudo. Er sah ihre Augen, ihre Nase, den Schmuck auf ihrer Stirn und unter dem violetten Schleier erkannte er ein hämisches Grinsen.
Er hatte keine zeit zu überlegen, er spannte den Pfeil und schoss.
Mit einem schrei fiel die Frau getroffen zu Boden, verschwand irgendwann im undurchsichtigen Grau des Regens.
„Gut gemacht!“ Hinter Gevin hatte irgendwer das Seil des Enterhakens durchtrennt. Schreie von Frauen waren zu hören, aber schon hakten sich überall auf der Südmauer die Enterhaken ein. Die Gerudo, die kaum Rüstung trugen und so um ein vielfaches schneller und weniger waren als die hylianischen Soldaten, tanzten die gespannten Seile hinauf zum Schloss, wichen den Pfeilen gekonnt aus oder wehrten sie mit ihren breiten Krummsäbeln ab.
Gevin stand an einer Zinne, den gespannten Pfeil auf der Sehne, ein Auge zugekniffen und die Zungenspitze konzentriert im Mundwinkel eingeklemmt. Auf den Seilen konnte man die Gerudokriegerinnen nicht treffen, wohl aber, sobald sie einen Fuß auf die Zinnen setzen. Und in den Moment schoss er.
Und verfehlte.
Die Pfeilspitze sauste nur eine handbreit neben der Nase der Gerudo vorbei. Wütend wandte sie sich nach dem Schützen um, und ehe ein feindlicher Schlag sie auch nur streifen konnte, war sie abgesprungen und lief über die Soldaten hinweg. Sie trat auf deren Schultern und streckte dabei manch einen noch zu Boden.
Dann riss sie ihren Säbel hoch und stürzte sich mit einem lauten Schrei in einer Sprache, die Gevin nicht verstand, auf ihn.
..:: Zweiter Tag - Mittag ::..
Tropische Hitze ließ die Luft im Gerudotal flimmern. Niemand war auf den Straßen zwischen den hohen Steingebäuden zu sehen. Kein Lufthauch strich über die Dünen am Rande der Stadt. Zu Mittag wurde jeder, der den Schatten verließ, unerbittlich von der Sonne niedergestreckt. Die Luft war trocken und trug den Sand von der Gespensterwüste herüber.
Nadisha, eigentlich eine recht unbedeutende Musikerin, saß in einem der kühlsten Räume der Festung in einer Badewanne und ließ sich von einem der Dienstmädchen die langen, flammendroten Haare waschen.
„Ihr müsst sehr glücklich sein, dass Seine Exzellenz Euch ehelichen will“, sagte das Mädchen und klang etwas neidisch. „Er ist so ein schöner Mann!“
„Wenn man schief guckt vielleicht“, murrte Nadisha und sank etwas weiter in das erfrischend kühle Wasser. „Aber strohdumm. Einen Krieg gegen Hyrule führen – pah! Was denkt er sich?! Über Jahrhunderte galt der Waffenstillstand und dann krönt man dieses... Kind und schon stürmt er mit gezogenem Säbel auf Schloss Hyrule zu! Das ist Irrsinn! Bei Din, spielt etwas anderes, etwas anderes!“, sagte sie dann verärgert und gestikulierte in Richtung der drei Musikerinnen, die am Ende des mit Tüchern verhangenen Raumes saßen und leise gespielt hatten, um ihre Herrin bei Laune zu halten. Ganz offenbar gelang ihnen das nicht gut, und verunsichert sahen sie einander an. Sie kamen allerdings nicht dazu, ein neues Stück anzufangen, denn der leichte, weiße Vorhang, der den Durchgang zu Nadishas Gemächern verhüllte, wurde beiseite geschoben.
Der Gerudokönig Garmin persönlich stattete seiner Zukünftigen einen Besuch ab. Die Musikerinnen und das Dienstmädchen erschraken, verneigten sich und eilten schnell an dem großgewachsenen Gerudo vorbei, als er sie mit einer Geste aus dem Raum winkte.
Nadisha setzte sich etwas in ihrer in den Boden eingelassenen Wanne auf. „Habt Ihr gar keinen Anstand?“, fragte sie etwas pikiert. „Ich bade schließlich.“
„Nur noch heute, Nadisha, und du wirst sowieso immer an meiner Seite sein, gewöhn dich dran.“ Mit einem Lächeln zog Garmin einen mit rotem Tuch gepolsterten Hocker zu sich und ließ sich darauf nieder. Er war in voller Rüstung, nur die Schulterpolster hatte er abgelegt. Das Dienstmädchen hatte recht gehabt; er war in der Tat stattlich und wirklich sehr ansehnlich, aber Nadisha konnte ihn trotzdem nicht ausstehen. Da mochte er tausendmal sandfarbene Augen haben, die bei den Mädchen so beliebt waren. Seit seiner Krönung vor etwas mehr als zehn Jahren war er gut in die schwere, lederne Rüstung der Gerudokönige aus den vorigen Dekaden hineingewachsen. Nadisha erinnerte sich gut an den Tag, an dem Garmin gekrönt worden war. Er war ein kleiner, recht hagerer Junge von gerade fünfzehn Jahren gewesen, er hatte seinen Säbel oft im Kampfe fallengelassen, seine Rippen hatten sich deutlich unter der Haut abgezeichnet und nicht einmal einen Bart hatte er gehabt. Er wäre niemals König geworden, hätte es das Gesetz nicht vorgeschrieben.
Jetzt, nach vielen Jahren des Trainings durch die Kriegerinnen, war er nicht nur zwei Köpf größer als die meisten der Frauen im Dorf, sondern auch fast doppelt so breit und dreimal so stark. Seine magische Begabung ließ zu wünschen übrig, aber mit seinen Säbeln war er ungeschlagen. Nadisha konnte ihn hassen, sooft sie mochte, doch er entwickelte sich zu einem wahren zweiten Großmeister... Das erste Mal seit über fünfhundert Jahren.
„Was wollt Ihr?“, fragte sie, lehnte sich etwas zurück und achtete sorgfältig darauf, dass die dichte Seifenschaumschicht auf dem Wasser ihren nackten, braungebrannten Körper im Wasser gut verhüllte. Es war kein Geheimnis, dass Garmin sie als seine Gattin ausgewählt hatte, weil sie eine der schönsten Gerudo ihres Jahrganges war. Er würde ein oder zwei Töchter von ihr und, wenn sie Glück hatte, vielleicht einigen anderen Gerudo in die Welt setzen, und allein der Gedanke, mit ihm zu verkehren, ekelte sie an. Na schön, wenn er nicht spräche und sie nur auf sein Aussehen achtete, würde sie es vielleicht sogar verkraften. Hoffentlich wurden seine Töchter nicht so hohl im Kopf wie er.
„Der erste Verteidigungsring ist gefallen“, sagte Garmin und beugte sich etwas vor. Sein Lächeln war breit und zeigte zwei reihen makelloser Zähne. „Du hast die Wette verloren. Dreihundert Rubine, erinnerst du dich?“
Nadisha sah ihn an und fluchte ihm unhöflich ins Gesicht. „Warum tust Ihr das? Warum greift Ihr Hyrule an; was soll das?!“
Garmin strich sich mit Zeigefinger und Daumen über seinen ordentlich geschnittenen Kinnbart, von dem aus zwei leicht gebogene Striche vorbei an seinen Mundwinkeln wuchsen; eine Angewohnheit, die er nicht los wurde. „Heißt es nicht, dass männliche Gerudo autoritär und kriegssüchtig sind?“, fragte er mit einem kleinen Lächeln. „Ich bediene nur das Klischee. Ich habe gehört, wie die Kriegerinnen mich mit dem Großmeister des Bösen verglichen haben. Meinst du nicht, dass das extrem verlockend ist?“ Nadisha grunze unwillig und versank bis zum Kinn im Badewasser. Er betrachtete sie wohlwollend. „Keine Sorge, sobald Hyrule erst mal uns gehört und wir aus der Wüste rauskommen, wirst du deine Meinung mir gegenüber ändern.“
„Soweit wird es nicht kommen“, sagte Nadisha und machte sich nicht die Mühe, zu erläutern, ob sie seinen Krieg oder ihre Gefühle ihm gegenüber meinte. „Würdet Ihr die Güte haben, mich nun allein zu lassen? Ich möchte mein Bad beenden.“
„Wie Ihr wünscht, Nadisha“, sagte er, erhob sich und verbeugte sich höflich, ehe er mit einem Lächeln auf den Lippen ihr Bad verließ. Wie er diese Frau liebte; ihre schnelle Zunge und ihre vor Trotz funkelnden, braunen Augen. Nicht nur die Schönste seines Volkes, definitiv auch die einzige, die es wert war.
Er verließ ihr Bad und ihre Gemächer und fand sich schnell unter der glühenden Sonne außerhalb der Festung wieder. Er blinzelte in den Himmel. Hoch im Norden hatte es geregnet, als er mit der ersten Schicht der Verletzten zurück zum Tal gereist war, hier aber war alles ausgedörrt.
Die Wüste schenke kein Leben, sie nahm es nur. Ebenso wie er.
Er war die Wüste.
„König Garmin, Sire!“ Eine Frau in roten Kleidern, ein Hauptmann, kam auf ihn zu und kniete sich vor ihm auf den Boden. Mir einer Kopfbewegung deutete er ihr, frei zu sprechen, während er auf einen Vorsprung schritt. Von hier konnte er auf die weißen Zelte hinabsehen, in denen man einige Verwundete behandelte. Bis heute Abend würden sie dank der ausgesprochen guten hylianischen Heilkunst wieder auf den Beinen sein.
Beim Gedanken daran, Hyrule endlich einzunehmen, musste Garmin grinsen.
„Sire?“ Der Hauptmann war neben ihn getreten.
„Hmm?“, machte Garmin und wedelte seine Luftschlösser mental beiseite.
„Werdet Ihr heute Abend wieder mit der Armee zurückreiten, Sire, wenn die Verwundeten versorgt sind?“, fragte der Hauptmann höflich.
„Nein“, sagte Garmin. „Ihr habt genaue Befehle. Mir ist egal, wie viele Hylianer sterben, meinetwegen rottet sie komplett aus. Es geht mir einzig und allein um die Stadt, und unsere Armee ist denen der Hylianer um ein weites überlegen.“
„Gewiss, Sire“, sagte der Hauptmann und machte eine wohlüberlegte Pause, ehe er weitersprach: „Aber Sire, wegen der Zeremonie morgen...“
„Keine Sorge, auf den üblichen Militärschnickschnack kann ich verzichten; ich habe Musiker hier und einige Köche und die Alten. Mir wird schon nicht langweilig werden.“ Er stemmte eine Hand in die Hüfte und strich sich wieder mit zwei Fingern über den Bart. „Nach meiner Hochzeitsnacht komme ich womöglich nach, obwohl ich Angst habe, dass Nadisha abhaut, wenn ich nicht ununterbrochen ein Auge auf sie habe.“
„Sire“, sagte die Frau ergeben, weil man damit nichts falsch machte.
„Gut, gut“, meinte Garmin. „Ihr seid der einzige Hauptmann in der Festung?“
„Momentan schon, Sire“, nickte die Frau. „Der General ist noch in der Schlacht, ebenso wie die meisten anderen Hauptmänner.“
„Ihr habt die volle Befehlsmacht, wenn das so ist“, sagte Garmin. „Ich werde mich zurückziehen. Falls etwas ist, schickt nach mir.“
„Shiva, Euer Majestät?“, hakte der Hauptmann nach.
„Wie immer.“ Garmin gestikulierte vage und machte sich auf gen Norden, wo die Stallungen waren. Die besten Rosse waren entweder in der Schlacht oder aber momentan frei, um sich etwas von der Schlacht zu erholen, aber er fand dennoch einen großen, schwarzen Hengst, der offenbar nicht als Schlachtross geeignet gewesen war.
Er schnaubte Garmin unfreundlich an, als der König an dessen Box trat.
„Hoh, ruhig, ruhig“, sagte Garmin, griff nach dem Halfter des Tieres und strich ihm mit der Hand über die Nüstern, kraulte ihm die Stirn. „Du musst nicht in die Schlacht, beruhig dich, Schwarzer.“
Das Tier schien alles andere als begeistert zu sein, weil Garmin ihn nahezu aus der Box zerren musste, und den Sattel ließ er sich auf nicht aufsetzen, Garmin war aber niemand, der sich von so etwas aufhalten ließe.
Es war ein kurzer Kampf zwischen zwei äußerst störrischen Herren, den Garmin allerdings verlor. Der Hengst trabte aus der Box und der König blieb entehrt mit dem Sattel in der Hand zurück.
Garmin fluchte sehr unmajestätisch und folgte dem Tier, musste aber feststellen, dass es schon eingefangen worden war.
Nadisha hielt das Halfter in einer Hand und wollte den Hengst gerade wieder zurückbringen, als sie ihren Verlobten sah. Sofort erkaltete ihre Miene, Garmin hingegen lächelte. „Du hast ihn eingefangen? Vielen Dank.“
„Ihr habt ihn rausgelassen? Hoffentlich schenkt Nayru Euch im nächsten Leben mehr Hirn.“
Garmin grinste. „Ich könnte dich für diese Diffamierung einsperren lassen, Nadisha.“
Sie blieb nah vor ihm stehen und schob sich auf die Zehenspitzen und sagte leise, ihr Gesicht nah an seinem: „Aber das werdet Ihr nicht, Hoheit.“ Er spürte ihren Atem auf seinen Lippen, roch den Duft des Schaumbades noch an ihr. Er atmete den Geruch einmal tief ein, und da war sie auch schon wieder fort und wollte den Hengst wieder in seine Box bringen.
„Lass nur, ich brauche ihn“, sagte er und folgte ihr.
„Das ist mein Pferd“, sagte Nadisha und sah Garmin an, als sei damit alles geklärt.
„Na und? Er ist das einzige Pferd, das ich momentan benutzen kann.“
„Pferde benutzt man nicht“, spuckte Nadisha.
Garmin verdrehte die Augen und zuckte die Schultern. „Meinetwegen.“
„Wo wollt Ihr denn hin?“, fragte Nadisha skeptisch. Sie hoffte, dass er wieder in die Schlacht zöge und endlich krepieren würde.
„In den Tempel“, sagte Garmin ruhig und strich sich geistesabwesend über den Bart. „Shiva um Unterstützung bitten.“
„Shiva kann Euch auch nicht mehr helfen.“ Nadisha öffnete die Box und wollte den Hengst wieder hineinlassen, aber Garmin war schneller und griff nach ihrer Hand, nahm ihr das Halfter ab. „Geh lieber wieder in die Festung“, sagte er und strich ihr sanft eine kleine Locke aus der Stirn, der sich aus ihrem gerudotypischen, hohen Zopf gelöst hatte.
„Meinen Hengst bekommt Ihr nicht!“, sagte sie und schob seine Hand von sich.
„Sagt wer?“ Garmin legte dem Pferd den Sattel um. Diesmal wehrte sich das Tier nicht. Ehe Nadisha etwas tun konnte, hatte er sich auf dessen Rücken geschwungen, Nadisha schnappte nach Luft. Garmin beugte sich noch einmal zu ihr: „Morgen Abend wirst du meine Frau sein, Nadisha“, sagte er leise. „Egal, ob du willst oder nicht, mir ist es gleich. Du wirst mir gehören.“
„Mein Körper vielleicht“, zischte sie und macht einen Schritt zurück. „Meine Seele jedoch nie!“
„Wer weiß? Vielleicht reicht mir das ja.“ Garmin richtete sich wieder auf und drückte dem Hengst die Hacken in die Seite. Das Pferd trabte hinaus in die Mittagshitze. Nadisha blieb zurück und kochte vor Wut.
[...]
Als die ersten Pfeile einschlugen, befand sich Korgas im Tempel. Er hatte alle Hände damit zu tun, die Leute zu beruhigen, die trotz dem Beistand der ansässigen Priesterinnen kaum zu bändigen waren. Gevin hatte sich irgendwann im Gedränge verloren. Und immer wieder klopften Menschen an die Pforten und baten um Einlass. Und immer wieder schickte man sie fort.
„Verdammt.“ Korgas blieb mitten in den Menschenmassen stehen und wischte sich mit einer Hand eine Haarsträhne, die sich aus seinem straffen Zopf gelöst hatte, aus der verschwitzten Stirn. „Kriegen die sich überhaupt jemals wieder ein? Ich hatte nicht vor, so lange hier zu bleiben.“
„Herr?“ Als Korgas sich umdrehte, eilte einer der Priesterinnen auf ihn zu. Korgas sah nur ihre Augen und erkannte sie. Er war ihr schon begegnet, vor wenigen Stunden, auf dem Marktplatz. „Ihr habt Recht behalten“, sagte sie, als sie vor ihm stand. Sie war atemlos, und auf ihrer Stirn glänzte ebenso wie auf seiner ein feiner Schweißfilm. Auf ihrer grünen Schärpe, auf der der Adler Hyrules und das Triforce mit Goldfaden aufgestickt war, waren dunkle Flecken. Wahrscheinlich hatte jemand weinend an ihrem Rock gehangen und sie angefleht, zu Farore zu beten, dass man diese Nacht heil überstünde.
„Das ist ein ziemlich schlechter Grund, mich anzusprechen; was wollt Ihr?“, fragte Korgas stirnrunzelnd.
„Mein Name ist Elen“, sagte sie und neigte den Kopf. „Ich muss mich bei Euch entschuldigen.“
Korgas sah sie kurz an, dann wandte er sich ab. „Vergesst es, kümmert euch lieber um die Menschen. Sie brauchen Euren Beistand.“
Elen kam nicht dazu, noch etwas zu sagen, denn im nächsten Moment hatte Gevin ihn von der Seite angefallen. Seine Finger gruben sich in Korgas’ Schultern und in seinen Augen stand der pure Horror.
„Feuerpfeile!“, stieß er hervor. „Wir sind unter Beschuss, sie haben magische Feuerpfeile, sie brauchen jeden Mann, Korgas, was sollen wir tun?!“
„Reg dich ab!“, sagte Korgas und löste Gevins Finger aus seinem Kettenhemd. „Was stehst du hier noch rum, wenn sie jeden brauchen? Du bist Schütze, oder? Du hast eine verdammte Ausbildung hinter dir. Du hast gute Augen, Kleiner. Verdammt noch mal, reiß dich endlich zusammen! Dir in die Hosen zu machen bringt dir nichts. Du musst kämpfen, wenn du überleben willst. Und nun nimm deinen Bogen und deine Pfeile und sieh zu, dass du auf die Mauer kommst! Wenn sie erst einmal in der Stadt sind...“ Korgas brach ab und starrte Gevin einen Augenblick an. Der Junge starrte zurück. Auf seinen Wangen glitzerten Tränenspuren, die langsam erst trockneten. „Du schaffst das schon“, zwang Korgas sich, entgegen seiner Prinzipen, zu sagen. Dann schob er Gevin langsam von sich. „Nun geh schon“, meinte er. „Du bist doch Soldat.“
Gevin nickte und fuhr sich einmal mit dem Ärmel seiner Uniform über die Augen. Dann straffte er die Schultern, wandte sich um und lief davon. Er musste sich durch die Menschenmenge schlagen, bis er endlich bei den Toren war, sie aufstieß und in den Regen lief. In der Stadt war es etwas ruhiger geworden, aber nur, weil man mittlerweile die Überzahl der Zivilisten in Sicherheit gebracht hatte. Es waren noch immer viele Soldaten unterwegs, einige davon trugen Wassereimer zum Löschen der Feuer im ersten Verteidigungsring der Stadt. Einige liefen auch in die entgegengesetzte Richtung, aber Gevin hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Noch beim Laufen zog er seinen Bogen vom Rücken und hetzte durch die verregten Straßen. Zweimal rutschte er auf dem spiegelglatten Kopfsteinpflaster auf, und er war sich sicher, sich das linke Knie aufgeschlagen zu haben, aber er blieb nicht stehen. Das einzige, was er wahrnahm, waren verschwommene, monotone Bilder von verängstigten Menschen, ob nun Zivilisten, die ins Stadtinnere getrieben wurden, oder den versteinerten, ergrauten Gesichtern der Soldaten, die zur Stadtmauer hin eilten. Hin und wieder lagen Leichen auf der Straße. Man hatte manche Menschen einfach im Gedränge niedergetrampelt und niemand hatte jetzt die Zeit, die Toten wegzuschaffen.
„Gevin!“
Gevin erschrak, als ihn jemand an der Schulter packte, und drehte sich halb um. Durch den prasselnden Regen erkannte er einen Jungen wieder, der mit ihm die Soldatenausbildung gemacht hatte. Sein Gesicht war aschfahl und Blut rann aus seiner Nase. Er schien in einen Aufruhr verwickelt gewesen zu sein. „Wo läufst du hin?“, fragte er.
„Zum Tor“, sagte Gevin wie mechanisch. „Sie brauchen die Schützen. Ich bin Schütze.“
„Bist du wahnsinnig?“, rief der Junge und griff wieder nach Gevins Schulter. „Die schlachten dich doch ab!“
„Ich muss zum Tor“, sagte Gevin wieder, leise, und löste seine Schulter aus dem Griff des Jungens. „Sie brauchen jeden Mann. Und ich bin ein guter Schütze. Ich schaffe das. Wir dürfen sie nicht in die Stadt kommen lassen. Wenn sie erst einmal drin sind...“ Genauso wie Korgas ließ er den Satz unvollendet. „Wenn du Angst hast, geh und hilf den Zivilisten. Aber steh hier nicht so unnütz herum.“ Er wandte sich um und begann wieder zu laufen. Er wusste, dass es ihm nicht zustand, über die anderen zu richten, aber es machte ihm Mut.
Es dauerte eine Weile, bis er durch eines der großen Tore zum ersten Verteidigungsring durchgelassen wurde. Die Tore hatte man schon verriegelt und die Soldaten, die noch auf die Mauer wollten oder mussten, wurden nur durch eine kleine Tür durchgelassen, was den Fluss der Schar durchaus stockte. Gevin schob sich an zwei älteren Soldaten vorbei und erstarrte.
Hier brannte fast jeder Dachstuhl. Feuerpfeile zischten durch den nachtschwarzen Himmel und prallten am weißen Stein der hohen Mauer des ersten Verteidigungsrings ab oder schlugen zischend in nasses Holz ein. Soldaten fielen, von Pfeilen getroffen, von der Mauer und rissen im schlimmsten Fall noch weitere mit in den Tod.
„Aus dem Weg!“ Eine Gruppe von Soldaten mit Wassereimer schubsten den bewegungsunfähigen Gevin beiseite und eilten davon, auf ein brennendes Gebäude zu.
„He, du! Soldat!“ Wie im Schlaf drehte Gevin sich langsam um. Ein Hauptmann schrie ihn von der Seite an. „Du hast einen verdammten Bogen! Hoch mit dir, wird’s bald!“
Gevin starrte ihn einen Moment lang an, dann biss er die Zähne zusammen, nickte und eilte zu einer der Treppen, die auf die Zinnen der Stadtmauer führten. Er musste über Leichen steigen und spürte mit jedem Schritt seinen Mut sinken.
Plötzlich, als er auf den Zinnen der Außenmauer ankam, krachte keinen Fußbreit neben ihm ein Enterhaken in das Mauerwerk, schlidderte über den Boden, riss einen Soldaten von den Füßen und verhakte sich dann in den Mauerritzen.
„Sie haben Entherhaken! An die Schwerter!“, schrie von irgendwo irgendwer.
Gevin, der noch Pfeil und Bogen in den Fingern hatte, drängte sich weiter nach vorne – und sah gerade in die goldenen Augen einer Gerudo. Er sah ihre Augen, ihre Nase, den Schmuck auf ihrer Stirn und unter dem violetten Schleier erkannte er ein hämisches Grinsen.
Er hatte keine zeit zu überlegen, er spannte den Pfeil und schoss.
Mit einem schrei fiel die Frau getroffen zu Boden, verschwand irgendwann im undurchsichtigen Grau des Regens.
„Gut gemacht!“ Hinter Gevin hatte irgendwer das Seil des Enterhakens durchtrennt. Schreie von Frauen waren zu hören, aber schon hakten sich überall auf der Südmauer die Enterhaken ein. Die Gerudo, die kaum Rüstung trugen und so um ein vielfaches schneller und weniger waren als die hylianischen Soldaten, tanzten die gespannten Seile hinauf zum Schloss, wichen den Pfeilen gekonnt aus oder wehrten sie mit ihren breiten Krummsäbeln ab.
Gevin stand an einer Zinne, den gespannten Pfeil auf der Sehne, ein Auge zugekniffen und die Zungenspitze konzentriert im Mundwinkel eingeklemmt. Auf den Seilen konnte man die Gerudokriegerinnen nicht treffen, wohl aber, sobald sie einen Fuß auf die Zinnen setzen. Und in den Moment schoss er.
Und verfehlte.
Die Pfeilspitze sauste nur eine handbreit neben der Nase der Gerudo vorbei. Wütend wandte sie sich nach dem Schützen um, und ehe ein feindlicher Schlag sie auch nur streifen konnte, war sie abgesprungen und lief über die Soldaten hinweg. Sie trat auf deren Schultern und streckte dabei manch einen noch zu Boden.
Dann riss sie ihren Säbel hoch und stürzte sich mit einem lauten Schrei in einer Sprache, die Gevin nicht verstand, auf ihn.
..:: Zweiter Tag - Mittag ::..
Tropische Hitze ließ die Luft im Gerudotal flimmern. Niemand war auf den Straßen zwischen den hohen Steingebäuden zu sehen. Kein Lufthauch strich über die Dünen am Rande der Stadt. Zu Mittag wurde jeder, der den Schatten verließ, unerbittlich von der Sonne niedergestreckt. Die Luft war trocken und trug den Sand von der Gespensterwüste herüber.
Nadisha, eigentlich eine recht unbedeutende Musikerin, saß in einem der kühlsten Räume der Festung in einer Badewanne und ließ sich von einem der Dienstmädchen die langen, flammendroten Haare waschen.
„Ihr müsst sehr glücklich sein, dass Seine Exzellenz Euch ehelichen will“, sagte das Mädchen und klang etwas neidisch. „Er ist so ein schöner Mann!“
„Wenn man schief guckt vielleicht“, murrte Nadisha und sank etwas weiter in das erfrischend kühle Wasser. „Aber strohdumm. Einen Krieg gegen Hyrule führen – pah! Was denkt er sich?! Über Jahrhunderte galt der Waffenstillstand und dann krönt man dieses... Kind und schon stürmt er mit gezogenem Säbel auf Schloss Hyrule zu! Das ist Irrsinn! Bei Din, spielt etwas anderes, etwas anderes!“, sagte sie dann verärgert und gestikulierte in Richtung der drei Musikerinnen, die am Ende des mit Tüchern verhangenen Raumes saßen und leise gespielt hatten, um ihre Herrin bei Laune zu halten. Ganz offenbar gelang ihnen das nicht gut, und verunsichert sahen sie einander an. Sie kamen allerdings nicht dazu, ein neues Stück anzufangen, denn der leichte, weiße Vorhang, der den Durchgang zu Nadishas Gemächern verhüllte, wurde beiseite geschoben.
Der Gerudokönig Garmin persönlich stattete seiner Zukünftigen einen Besuch ab. Die Musikerinnen und das Dienstmädchen erschraken, verneigten sich und eilten schnell an dem großgewachsenen Gerudo vorbei, als er sie mit einer Geste aus dem Raum winkte.
Nadisha setzte sich etwas in ihrer in den Boden eingelassenen Wanne auf. „Habt Ihr gar keinen Anstand?“, fragte sie etwas pikiert. „Ich bade schließlich.“
„Nur noch heute, Nadisha, und du wirst sowieso immer an meiner Seite sein, gewöhn dich dran.“ Mit einem Lächeln zog Garmin einen mit rotem Tuch gepolsterten Hocker zu sich und ließ sich darauf nieder. Er war in voller Rüstung, nur die Schulterpolster hatte er abgelegt. Das Dienstmädchen hatte recht gehabt; er war in der Tat stattlich und wirklich sehr ansehnlich, aber Nadisha konnte ihn trotzdem nicht ausstehen. Da mochte er tausendmal sandfarbene Augen haben, die bei den Mädchen so beliebt waren. Seit seiner Krönung vor etwas mehr als zehn Jahren war er gut in die schwere, lederne Rüstung der Gerudokönige aus den vorigen Dekaden hineingewachsen. Nadisha erinnerte sich gut an den Tag, an dem Garmin gekrönt worden war. Er war ein kleiner, recht hagerer Junge von gerade fünfzehn Jahren gewesen, er hatte seinen Säbel oft im Kampfe fallengelassen, seine Rippen hatten sich deutlich unter der Haut abgezeichnet und nicht einmal einen Bart hatte er gehabt. Er wäre niemals König geworden, hätte es das Gesetz nicht vorgeschrieben.
Jetzt, nach vielen Jahren des Trainings durch die Kriegerinnen, war er nicht nur zwei Köpf größer als die meisten der Frauen im Dorf, sondern auch fast doppelt so breit und dreimal so stark. Seine magische Begabung ließ zu wünschen übrig, aber mit seinen Säbeln war er ungeschlagen. Nadisha konnte ihn hassen, sooft sie mochte, doch er entwickelte sich zu einem wahren zweiten Großmeister... Das erste Mal seit über fünfhundert Jahren.
„Was wollt Ihr?“, fragte sie, lehnte sich etwas zurück und achtete sorgfältig darauf, dass die dichte Seifenschaumschicht auf dem Wasser ihren nackten, braungebrannten Körper im Wasser gut verhüllte. Es war kein Geheimnis, dass Garmin sie als seine Gattin ausgewählt hatte, weil sie eine der schönsten Gerudo ihres Jahrganges war. Er würde ein oder zwei Töchter von ihr und, wenn sie Glück hatte, vielleicht einigen anderen Gerudo in die Welt setzen, und allein der Gedanke, mit ihm zu verkehren, ekelte sie an. Na schön, wenn er nicht spräche und sie nur auf sein Aussehen achtete, würde sie es vielleicht sogar verkraften. Hoffentlich wurden seine Töchter nicht so hohl im Kopf wie er.
„Der erste Verteidigungsring ist gefallen“, sagte Garmin und beugte sich etwas vor. Sein Lächeln war breit und zeigte zwei reihen makelloser Zähne. „Du hast die Wette verloren. Dreihundert Rubine, erinnerst du dich?“
Nadisha sah ihn an und fluchte ihm unhöflich ins Gesicht. „Warum tust Ihr das? Warum greift Ihr Hyrule an; was soll das?!“
Garmin strich sich mit Zeigefinger und Daumen über seinen ordentlich geschnittenen Kinnbart, von dem aus zwei leicht gebogene Striche vorbei an seinen Mundwinkeln wuchsen; eine Angewohnheit, die er nicht los wurde. „Heißt es nicht, dass männliche Gerudo autoritär und kriegssüchtig sind?“, fragte er mit einem kleinen Lächeln. „Ich bediene nur das Klischee. Ich habe gehört, wie die Kriegerinnen mich mit dem Großmeister des Bösen verglichen haben. Meinst du nicht, dass das extrem verlockend ist?“ Nadisha grunze unwillig und versank bis zum Kinn im Badewasser. Er betrachtete sie wohlwollend. „Keine Sorge, sobald Hyrule erst mal uns gehört und wir aus der Wüste rauskommen, wirst du deine Meinung mir gegenüber ändern.“
„Soweit wird es nicht kommen“, sagte Nadisha und machte sich nicht die Mühe, zu erläutern, ob sie seinen Krieg oder ihre Gefühle ihm gegenüber meinte. „Würdet Ihr die Güte haben, mich nun allein zu lassen? Ich möchte mein Bad beenden.“
„Wie Ihr wünscht, Nadisha“, sagte er, erhob sich und verbeugte sich höflich, ehe er mit einem Lächeln auf den Lippen ihr Bad verließ. Wie er diese Frau liebte; ihre schnelle Zunge und ihre vor Trotz funkelnden, braunen Augen. Nicht nur die Schönste seines Volkes, definitiv auch die einzige, die es wert war.
Er verließ ihr Bad und ihre Gemächer und fand sich schnell unter der glühenden Sonne außerhalb der Festung wieder. Er blinzelte in den Himmel. Hoch im Norden hatte es geregnet, als er mit der ersten Schicht der Verletzten zurück zum Tal gereist war, hier aber war alles ausgedörrt.
Die Wüste schenke kein Leben, sie nahm es nur. Ebenso wie er.
Er war die Wüste.
„König Garmin, Sire!“ Eine Frau in roten Kleidern, ein Hauptmann, kam auf ihn zu und kniete sich vor ihm auf den Boden. Mir einer Kopfbewegung deutete er ihr, frei zu sprechen, während er auf einen Vorsprung schritt. Von hier konnte er auf die weißen Zelte hinabsehen, in denen man einige Verwundete behandelte. Bis heute Abend würden sie dank der ausgesprochen guten hylianischen Heilkunst wieder auf den Beinen sein.
Beim Gedanken daran, Hyrule endlich einzunehmen, musste Garmin grinsen.
„Sire?“ Der Hauptmann war neben ihn getreten.
„Hmm?“, machte Garmin und wedelte seine Luftschlösser mental beiseite.
„Werdet Ihr heute Abend wieder mit der Armee zurückreiten, Sire, wenn die Verwundeten versorgt sind?“, fragte der Hauptmann höflich.
„Nein“, sagte Garmin. „Ihr habt genaue Befehle. Mir ist egal, wie viele Hylianer sterben, meinetwegen rottet sie komplett aus. Es geht mir einzig und allein um die Stadt, und unsere Armee ist denen der Hylianer um ein weites überlegen.“
„Gewiss, Sire“, sagte der Hauptmann und machte eine wohlüberlegte Pause, ehe er weitersprach: „Aber Sire, wegen der Zeremonie morgen...“
„Keine Sorge, auf den üblichen Militärschnickschnack kann ich verzichten; ich habe Musiker hier und einige Köche und die Alten. Mir wird schon nicht langweilig werden.“ Er stemmte eine Hand in die Hüfte und strich sich wieder mit zwei Fingern über den Bart. „Nach meiner Hochzeitsnacht komme ich womöglich nach, obwohl ich Angst habe, dass Nadisha abhaut, wenn ich nicht ununterbrochen ein Auge auf sie habe.“
„Sire“, sagte die Frau ergeben, weil man damit nichts falsch machte.
„Gut, gut“, meinte Garmin. „Ihr seid der einzige Hauptmann in der Festung?“
„Momentan schon, Sire“, nickte die Frau. „Der General ist noch in der Schlacht, ebenso wie die meisten anderen Hauptmänner.“
„Ihr habt die volle Befehlsmacht, wenn das so ist“, sagte Garmin. „Ich werde mich zurückziehen. Falls etwas ist, schickt nach mir.“
„Shiva, Euer Majestät?“, hakte der Hauptmann nach.
„Wie immer.“ Garmin gestikulierte vage und machte sich auf gen Norden, wo die Stallungen waren. Die besten Rosse waren entweder in der Schlacht oder aber momentan frei, um sich etwas von der Schlacht zu erholen, aber er fand dennoch einen großen, schwarzen Hengst, der offenbar nicht als Schlachtross geeignet gewesen war.
Er schnaubte Garmin unfreundlich an, als der König an dessen Box trat.
„Hoh, ruhig, ruhig“, sagte Garmin, griff nach dem Halfter des Tieres und strich ihm mit der Hand über die Nüstern, kraulte ihm die Stirn. „Du musst nicht in die Schlacht, beruhig dich, Schwarzer.“
Das Tier schien alles andere als begeistert zu sein, weil Garmin ihn nahezu aus der Box zerren musste, und den Sattel ließ er sich auf nicht aufsetzen, Garmin war aber niemand, der sich von so etwas aufhalten ließe.
Es war ein kurzer Kampf zwischen zwei äußerst störrischen Herren, den Garmin allerdings verlor. Der Hengst trabte aus der Box und der König blieb entehrt mit dem Sattel in der Hand zurück.
Garmin fluchte sehr unmajestätisch und folgte dem Tier, musste aber feststellen, dass es schon eingefangen worden war.
Nadisha hielt das Halfter in einer Hand und wollte den Hengst gerade wieder zurückbringen, als sie ihren Verlobten sah. Sofort erkaltete ihre Miene, Garmin hingegen lächelte. „Du hast ihn eingefangen? Vielen Dank.“
„Ihr habt ihn rausgelassen? Hoffentlich schenkt Nayru Euch im nächsten Leben mehr Hirn.“
Garmin grinste. „Ich könnte dich für diese Diffamierung einsperren lassen, Nadisha.“
Sie blieb nah vor ihm stehen und schob sich auf die Zehenspitzen und sagte leise, ihr Gesicht nah an seinem: „Aber das werdet Ihr nicht, Hoheit.“ Er spürte ihren Atem auf seinen Lippen, roch den Duft des Schaumbades noch an ihr. Er atmete den Geruch einmal tief ein, und da war sie auch schon wieder fort und wollte den Hengst wieder in seine Box bringen.
„Lass nur, ich brauche ihn“, sagte er und folgte ihr.
„Das ist mein Pferd“, sagte Nadisha und sah Garmin an, als sei damit alles geklärt.
„Na und? Er ist das einzige Pferd, das ich momentan benutzen kann.“
„Pferde benutzt man nicht“, spuckte Nadisha.
Garmin verdrehte die Augen und zuckte die Schultern. „Meinetwegen.“
„Wo wollt Ihr denn hin?“, fragte Nadisha skeptisch. Sie hoffte, dass er wieder in die Schlacht zöge und endlich krepieren würde.
„In den Tempel“, sagte Garmin ruhig und strich sich geistesabwesend über den Bart. „Shiva um Unterstützung bitten.“
„Shiva kann Euch auch nicht mehr helfen.“ Nadisha öffnete die Box und wollte den Hengst wieder hineinlassen, aber Garmin war schneller und griff nach ihrer Hand, nahm ihr das Halfter ab. „Geh lieber wieder in die Festung“, sagte er und strich ihr sanft eine kleine Locke aus der Stirn, der sich aus ihrem gerudotypischen, hohen Zopf gelöst hatte.
„Meinen Hengst bekommt Ihr nicht!“, sagte sie und schob seine Hand von sich.
„Sagt wer?“ Garmin legte dem Pferd den Sattel um. Diesmal wehrte sich das Tier nicht. Ehe Nadisha etwas tun konnte, hatte er sich auf dessen Rücken geschwungen, Nadisha schnappte nach Luft. Garmin beugte sich noch einmal zu ihr: „Morgen Abend wirst du meine Frau sein, Nadisha“, sagte er leise. „Egal, ob du willst oder nicht, mir ist es gleich. Du wirst mir gehören.“
„Mein Körper vielleicht“, zischte sie und macht einen Schritt zurück. „Meine Seele jedoch nie!“
„Wer weiß? Vielleicht reicht mir das ja.“ Garmin richtete sich wieder auf und drückte dem Hengst die Hacken in die Seite. Das Pferd trabte hinaus in die Mittagshitze. Nadisha blieb zurück und kochte vor Wut.
⁂ Næhmachinery
Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
The world in a cyclone, pouring out.
No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
The world in a cyclone, pouring out.
No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.