Nachteule

    • *Mit Staub und Erde in den Haaren und zerfleddeten Klamotten aus dem Gulli geklettert komm*

      Hey! Sorry, das ich hier mal wieder so lang nicht hab blicken lassen, aber ich war grade mit was anderem...
      Oh Moment..!

      *Rauchende Knarre und Tüte mit Geldscheinen hinterm Rücken verschwinden lass*

      Eh...hehe...^^" Aber wie dem auch sei! xD
      Zum letzten Kapitel kann ich nicht viel sagen, das ist prima geworden, die beiden anderen sind handwerklich zwar auch einwandfrei, aber der Charakter von Simon wirkte doch ein wenig platt und vorhersehbar... Nicht, das wir Männer nicht schwanzgesteuert wären, aber naja, Simon erschien mir doch in seiner Handlungsweise etwas Strassenköterhaft...wobei ich nichtmal die Strassenköter beleidigen möchte xD Ach, ich find einfach, er hätts Artemis doch nen Zacken schwerer machen können, aber das ist Ansichtssache XD

      [Blockierte Grafik: http://i40.tinypic.com/2hdtmhc.jpg]

    • @ Zeldagirl: Vielen Dank für den Kommi. Das hört man doch gerne, dass dir die Geschichte gefällt. Wenn es dennoch Kritik gibt, gerne sagen...

      @ Irrlicht: Ich musste wirklich grinsen als ich deinen Post gelesen habe. Ehrlich. :) Das hast du schön gesagt. (Auch wenn ich froh bin, dass du wieder da bist XD)
      Ehrlich gesagt hätte ich gedacht, dass du eher meine Darstellung von Artemis' Verhalten kritisierst anstelle von Simons.
      Aber um ehrlich zu sein, hat das so seine Richtigkeit... genau so platt und vorhersehbar wie es war... XD...

      Nun guuut, erstmal weiter im Text mit einem eher nichtssagenden Absatz..
      Muh...

      „Du wirkst so nachdenklich?“ Simons Stimme holte mich aus meinen Gedanken und ich lächelte leicht.
      „Ist das nicht normal? Mir schwirrt einiges im Kopf herum…“
      „Natürlich…“
      Ich legte den Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen, nebenbei zog ich mir die Decke über den Unterkörper. Meine eigene Anlehnungsbedürftigkeit überraschte mich.
      Simon schien sich daran nicht zu stören. Im Gegenteil, er zog die Decke noch ein bisschen höher und begann meine Haare zu streicheln.
      Ehe ich mich versah, war ich eingeschlafen, bis mich das Piepen von Simons Wecker wieder aus dem Schlaf riss…
      Unwillig schlug ich die Augen auf – es war inzwischen acht Uhr, was auch nicht viel besser war.
      Ich fühlte mich wie gerädert. Neben mir brachte Simon grunzend das Gerät zum Schweigen.
      Ich hob mich mühsam aus dem Bett und wollte ins Bad gehen, nur um festzustellen, dass ich ja überhaupt nicht darauf eingerichtet gewesen war, über Nacht zu bleiben. Demzufolge hatte ich auch keine entsprechenden Kleidungsstücke dabei, um mich jetzt anzuziehen. Was ich gestern Abend anhatte war wohl kaum geeignet, es an meinem Arbeitsplatz zu tragen. Es sei denn ich wollte Aufmerksamkeit erregen, aber danach stand mir der Sinn nicht besonders.
      Trotzdem bückte ich mich und hob meine Kleidung auf.
      Eine nennenswerte Alternative hatte ich nicht, sah man davon ab, dass ich Simon um eines seiner Hemden bitten könnte und das hätte auch nicht viel gebracht.
      Ich war schon fast bei der Tür, als ich Simons Stimme vernahm. Sie klang schläfrig.
      „Artemis…“
      Ich drehte mich um.
      „Ja?“
      „Du bist wunderschön…“
      Ich senkte den Blick und ging wortlos aus dem Raum. Dieselben Worte hatte Eric an mich gerichtet und ich konnte es einfach nicht ertragen, sie nun aus Simons Mund zu hören. Er mochte es durchaus ehrlich meinen, die Tatsache, dass ich dies nicht tat, machte es aber nicht besser.
      Ich fand das Bad und schloss die Tür.
      Dann stellte ich mich unter die Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Das Wasser tat gut auf meiner Haut und verursachte ein leichtes Prickeln. Ich hoffte, es würde den Schmutz der vergangenen Nacht zumindest äußerlich abwaschen. Immerhin kehrten meine Lebensgeister zurück.
      Als ich endlich fertig angezogen war und aus dem Bad kam, hantierte Simon schon in der Küche. Zumindest hörte ich Geschirr klappern und der Duft von Kaffee stieg mir in die Nase.
      Ich lehnte mich an den Türrahmen und wartete, bis er mich bemerkte.
      „Das ging aber schnell…“
      „Ich gehöre nicht zu den Frauen, die Stunden im Bad verbringen.“
      „Dafür hinter linguistischer Fachliteratur. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.“
      Ich lächelte gequält.
      „Such es dir aus!“
      „Ein ander Mal. Kann ich dir stattdessen einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu Essen anbieten?“
      Ich schüttelte den Kopf.
      „Nein danke…“ Mir war immer noch schlecht.
      „Oh.“ Er wirkte enttäuscht, insistierte aber nicht weiter, was mir sehr recht war. Ich hoffte, er bemerkte mein bleiches Gesicht nicht. Überhaupt wollte ich bald gehen, nicht nur, weil meine Veranstaltungen bald anfingen, sondern auch, weil ich noch ein wenig Zeit für mich brauchte. Entgegen meinem Wunsch nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich.
      Simon tat es mir gleich und so saßen wir beide erst einmal am Küchentisch und schwiegen, während er sich über sein Frühstück hermachte.
      Irgendwie vermieden wir es beide darauf einzugehen, was geschehen war. Es war ja nicht so, dass wir nicht schon darüber gesprochen hätten, aber die richtige Aussprache fehlte noch. Das obligatorische: ‚Wie soll es nun weitergehen?’. Ich vertraute darauf, dass er zusehr Akademiker war, um darauf zu verzichten. Aber um ehrlich zu sein, wusste ich es selbst nicht. Wollte ich überhaupt länger mit ihm zusammen sein? Am Ende eine Beziehung mit ihm eingehen? Dies würde sicher die meisten Menschen die ich kannte, Simon durchaus eingeschlossen zunächst vor den Kopf stoßen. Immerhin lag Eric kaum unter der Erde, aber darum ging es ja in gewisser Weise…
      Irgendwann ergriff ich das Wort, ich musste wirklich langsam gehen.
      „Danke noch einmal für alles, Simon. Aber ich fürchte meine Arbeit lässt sich nicht aufschieben.“
      Ich schob den Stuhl zurück und stand auf. Er nickte und sah mich an.
      „Ja, meine auch nicht…“ Dann schwieg er kurz. „Artemis… kann ich dich heute noch sehen?“
      „Ich denke schon. Ich weiß nicht genau, wann ich von der Uni komme, aber ich rufe dich einfach an, okay?“
      „Okay… und… danke dass du… dass… ach… ich weiß nicht wie ich es sagen soll…“
      Danke, dass du dich herabgelassen hast, mit mir zu schlafen?
      Ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Er klang so arrogant, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es sich hierbei irgendwie um die tiefere Wahrheit handelte… Aber was war schon Wahrheit?
      „Ist schon in Ordnung,“ brachte ich stattdessen diplomatisch hervor, bevor ich mich Richtung Tür wandte.
      Er war sofort bei mir und legte mir den Arm um die Schulter.
      „Lass mich dich wenigstens noch nur Tür bringen…“
      Er begleitete mich bis vor die Haustür und bevor wir uns verabschiedeten gab er mir noch einen Kuss auf die Stirn.
      Dann ging ich zu meinem Auto.
      Um noch nach Hause zu fahren fehlte mir die Zeit und so fuhr ich direkt an die Universität, mir ganz darüber im Klaren seiend, dass ich heute vermutlich noch geistig abwesender war als sonst.
      Aber wie heißt es so schön: Alles hat einen Sinn…
    • Der Thread hat seinen Namen wirklich zu recht, auch wenn ich die Nachteule bin...

      Nya, hier geht es mal weiter, mit einem hoffentlich weniger sinnfreien Kapitel. Alea jacta est.

      EDIT: Sorry für die bösen Logikfehler... <.< Ich bearbeite das Kap nochmal - bin nur grad nicht mehr zurechnungsfähig...

      VI

      In den kommenden Wochen, beschloss ich, nicht mehr zu viel darüber nachzudenken, was ich getan hatte und zu welchem Zweck. Simon und ich sahen uns nun regelmäßiger und pflegten sozusagen eine „Freundschaft mit gegenseitigem Nutzen“. Viel gesprochen hatten wir seitdem nicht mehr darüber, wir taten es einfach beide und es gehörte dazu. Er glaubte vermutlich, dass ich einen starken Arm brauchte, an den ich mich anlehnen wollte und ich ließ ihn in dem Glauben. Spaß bereitete es mir hingegen nur selten, wenn wir miteinander schliefen, aber wenigstens tat es nicht mehr weh. Ich gewöhnte mich einfach daran und ließ es geschehen ohne groß nachzufragen.
      Ansonsten erzählte ich niemanden etwas von meiner neuen Beziehung, niemand würde es verstehen und darauf hatte ich wahrhaft keine Lust.
      Als wir uns endlich aneinander gewöhnt hatten, machte ich einen zweiten Anlauf, Simon um Hilfe zu fragen.
      Wir waren ein bisschen an die frische Luft gegangen und spazierten durch Feldwege am Stadtrand. Simon hatte den Arm um mich gelegt und wenn man es nicht besser wusste, hätte man uns tatsächlich für ein Liebespaar halten können.
      Natürlich lief ich dadurch Gefahr, Studenten oder Kollegen zu begegnen, aber selbst, wenn ich es ihnen nicht explizit erzählte, so schämte ich mich dennoch nicht dafür. Immerhin hatte ich Gründe.
      Irgendwann setzten wir uns auf eine Bank und blickten auf die im Dunst liegende Silhouette der Stadt. Es war ein angenehmer Herbsttag, nicht zu kühl und nicht zu heiß, einer dieser Tage, an denen die Sonne eine angenehme Wärme spendet. Vögel zogen in Schwärmen über die abgeernteten Felder um sich für ihre Reise nach Süden zu wappnen und am grauen Himmel zu verschwinden. Die Natur machte sich auf ihren Winterschlaf gefasst.
      Wieder ertappte ich mich dabei, die Füße vor mich auf die Bank zu ziehen und meine Arme darum zu schlingen, genau wie an jenem Abend Heidelberg, als mir Simon nachgelaufen war. Tränen rannen über meine Wangen und ich machte mir nicht die Mühe, sie zu entfernen.
      Sanft schob Simon meine Haare zur Seite und als er sah, was mit mir los war, blickte er mich besorgt an.
      „Artemis? Geht es dir gut?“
      Ich schüttelte den Kopf.
      „Es ist wegen Eric.“
      „Ja, natürlich…“ Behutsam strich er mir über den Rücken.
      „Es belastet mich noch immer, nicht zu wissen, was mit ihm passiert ist, auch nach drei Monaten… Und auch was er mit der Mail an dich gemeint hat…“
      „Artemis…“
      „Ja, ich weiß, du willst seinen letzten Willen respektieren, allerdings frage ich mich…“
      Ich hob den Kopf und sah ihn an und er verstand die unausgesprochene Frage:
      Du betrügst ihn doch sowieso, indem du mit seiner Verlobten schläfst. Kommt es darauf noch an?
      „Kannst du nicht verstehen, dass mir das den Schlaf raubt? Er hat mir sehr viel bedeutet.“
      „Aber heute bedeutest du mir noch mehr als damals… Ich habe das Gefühl, dich inzwischen viel besser zu kennen… Ich kann es noch immer nicht verantworten.“
      „Und wenn du für mich gehst? Du wolltest sowieso nachforschen. Wenn ich dich nun bitte, das an meiner Stelle zu tun? Du hast viel leichter Zugriff zu all jenen Dingen und du kannst es bestimmt so geschickt anstellen, dass niemand bemerkt, was du suchst. Ist dir eigentlich in der letzten Zeit noch etwas Seltsames aufgefallen?“
      „Nur, dass sie Erics Büro erstaunlich schnell geräumt hatten. Seine Sachen sind jetzt wohl eingelagert, da du sie bisher nicht geholt hast.“
      „Als ich dort war nachfragen, sagte man mir nur, man hätte sie eingelagert, machte aber keine Anstalten, sie mir zu geben.“
      „Das ist merkwürdig, aber irgendwie nicht verwunderlich, wenn man die Umstände bedenkt. Ja, ich hätte es mir denken können.“
      „Kannst du für mich nachsehen? In seinem Arbeitszimmer fehlen seine Ordner der letzten zwei Jahre. Wäre es nicht möglich, sie dort zu finden?“
      „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Inzwischen hatten sie genügend Zeit, das Beweismaterial zu vernichten…“
      „Und du hast keine Ahnung, wer das sein könnte und was sie machen? Nicht einmal eine Vermutung?“
      Wieso stellte ich all diese Fragen eigentlich erst jetzt?
      „Eine Vermutung habe ich schon, aber ich möchte niemanden verdächtigen, bevor ich nicht mehr weiß. Mord ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man mit Verdächtigungen um sich wirft.“
      „Das verstehe ich… Zumal ich zeitweise auch überlegt hatte, den Fall noch einmal der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Allerdings will ich vorher absichern. Ich möchte erst etwas in der Hand haben. Und da kommst du ins Spiel.“
      Er nickte.
      „Ja, das könnte funktionieren. Es tut mir leid, dass ich in den letzten Wochen nichts deswegen unternommen habe, aber ich hatte immer gehofft, wenn ich sie nur beobachte, finde ich vielleicht etwas Verdächtiges. Erics Sachen durchzusehen kam mir nicht in den Sinn.“
      „Schon in Ordnung… Weißt du sonst noch irgendetwas?“
      „Nichts Konkretes, nein. Ich habe mich nicht getraut, explizit zu schnüffeln, auch wegen dir. Ich wollte nicht, dass man mich erwischt und du noch jemanden verlierst.“
      „Das ist sehr lieb von dir.“ Ich küsste ihn auf die Wange.
      „Ich will dich auch zu nichts anstiften, was du nicht wirklich willst.“
      „Nein, du hast vollkommen recht. Ich habe mich falsch verhalten, ganz besonders dir gegenüber. Du verdienst es wohl, die Wahrheit zu wissen und ich helfe dir gerne. Es war nicht richtig, dich anfangs zurückzuweisen, vor allem wenn man bedenkt, wie viel Eric dir bedeutet hat. Wir haben womöglich wertvolle Zeit deswegen verloren, es tut mir leid.“
      „Ist schon in Ordnung. Ich bin sicher, wir finden noch immer etwas Brauchbares.“
      „Ich hoffe es.“
      Ich schlang meine Arme um ihn und legte meinen Kopf verträumt auf die Schulter. Aus welchem Grund auch immer er unsere momentane ‚Beziehung’ nicht mit meinem Anliegen in Verbindung brachte, ich war ihm dankbar dafür. Vielleicht war ich ja einen Schritt weitergekommen…

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von CAMIR ()

    • Simon wird also almählich weich, der Keim gedeiht... hehe...
      Die Beziehung der Beiden zueinander ist zwar etwas unterkühlt, wobei - Situationen in denen man sich gegenübersitzt ohne sich was zu sagen zu haben find ich fürchterlich schrecklich, ich glaub um mich in so einer Situation dazu zu bewegen nicht fluchtartig aus dem Raum zu stürmen müsste man mich schon am Stuhl festtackern^^"

      Aber wie dem auch sei, auf die Fortsetzung darf man erneut überaus gespannt sein, und eine Sache möchte ich auch noch erwähnen, die Szene mit dem Spaziergang am Stadtrand, der im Dunst liegenden Silhouette der Stadt und den abgeernteten Feldern hast du wundergut hinbekommen, da lief im Kopf so n richtiger kleiner Film ab xD

      [Blockierte Grafik: http://i40.tinypic.com/2hdtmhc.jpg]

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Irrlicht ()

    • So, ich hab dass dann mal auch fertig gelesen... (muaha, nich mal 2 Stunden, ich bin guuuut~)

      Gefällt mir. Ernsthaft. Ich mag Artemis unglaublich. Eric war auch toll. Irgendwie weiß ich bei Simon nicht so recht, woran ich bin. Vor allem, weil wir noch einen Verdächtigen brauchen xD

      maaah, die Story erinnert mich an das Krimi-Teil, das ich selbst mal ein wenig angefangen habe... Muss ich evtl mal weiterschreiben. oder auch nicht. *unkreativ*

      Ich willl meeeehr~
      senfsamen (22:58): außerdem gebe ich nichts, ich nehme nur. deine würde, deinen stolz, dein gefühl, eine privatssphäre zu haben 8D

      Ein wenig Drama zum Whine?
      ... aber ich mag doch den Keks ... T_T
      Geh in die Küche und wein.
    • @ Irrlicht: Genau das ist Absicht - diese Beziehung soll so unterkühlt sein. Immerhin ist sie lediglich Teil eines Handels, wenn man es so will. Aber ich weiß genau was du meinst ^^ - mich müsste man vermutlich auch festbinden.
      Und freut mich, dass du die Beschreibung mochtest - ich hatte auch das Gefühl, das gut darstellen zu können...

      @ Shiek-kun: 2 Stunden? OMG :ugly: Du *bist* gut, ich dachte immer, man bräuchte länger... Ohje, dann ist sie viel zu kurz...
      Freut mich dass du sie magst, hatte schon Angst du fändest sie grausam. Mich würde noch interessieren, was du an Artemis magst. (XD), zumal sie schon nicht ganz zu Unrecht als Mary-Sue bezeichnet wurde.. ´_`...
      Auf dein Krimiteil bin ich dann aber mal gespannt...
      Achja Simon? Christian? Ich glaube Verdächtige gibt es ne ganze Reihe... XD

      Und weiter geht es...

      Es dauerte ungefähr eine Woche, bis ich den ersten Beleg dafür hatte, dass meine Taktik aufging. Ich lag zuhause auf der Couch und versuchte mich zu entspannen. In den letzten Tagen war es mir nicht sonderlich gut gegangen, ich hatte ständig unter Kopfschmerzen und Übelkeit zu leiden, was vermutlich mit meiner momentanen doppelten Belastung zusammenhing. Obwohl ich meine eigentliche Arbeit zurückstellte, ganz ignorieren konnte ich sie nicht. Auf meinem Couchtisch stapelten sich Hausarbeiten von Studenten, die alle gelesen und bewertet werden wollten. Außerdem wollte unser Fachbereich im kommenden Semester eine Tagung organisieren vor der ich mich nicht drücken konnte, auch wenn ich bisher sämtlichen meiner Kollegen aus dem Weg gegangen war, um ja nicht darauf angesprochen zu werden. Hinzu kam ein immenses Pensum an Schlafmangel. Mein gesamter Körper schrie nach Schlaf, aber die Arbeit musste getan werden. Ich pumpte mich einfach mit Tabletten voll und machte weiter. Ich war wohl gerade am Wegdämmern, als das Telefon klingelte. Ein wenig verschlafen nahm ich ab.
      „Ja, hallo?“
      „Artemis, ich bin es, Simon!“
      „Oh… hallo…“
      „Alles klar bei dir?“
      „Was? Oh.. jaja, bin nur etwas müde.“
      „Komme ich dann vielleicht ungelegen?“
      „Nein, ist schon in Ordnung, wirklich.“ Ich setzte mich auf um wacher zu werden. „Womit kann ich dir helfen?“
      „Um ehrlich zu sein, bin ich heute derjenige, der dir helfen kann. Ich habe Erics Ordner gefunden.“
      „Was?!“
      „Erics Ordner, die von denen du mir sagtest, sie würden fehlen, ich habe sie gefunden.“
      „Wirklich?“ Nun war ich komplett wach. „Wo?“
      „Sie befanden sich auf dem Boden einer Kiste unter seinen eingelagerten Sachen.“
      „Ich hätte es mir denken können… Und, steht etwas Brauchbares darin?“
      „Ich habe noch nicht hineingesehen. Ich wollte es mit dir gemeinsam machen, immerhin ist es mehr oder weniger dein Fall.“
      „Wie das klingt. Mein Fall… Ich bin nun wirklich keine professionelle Ermittlerin! Ich bin einfach nur beunruhigt und will die Wahrheit wissen, bevor ich die Staatsanwaltschaft nochmals damit belästige…“
      „Ich verstehe dich sehr gut. Wie dem auch sei – soll ich vorbeikommen?“
      „Ja, bitte…“
      Gesagt getan, wenige Augenblicke später stand er unter der Tür. Ich hatte die Zwischenzeit genutzt, mich noch ein wenig frisch zu machen, aber vermutlich hatte es wenig bis gar keinen Nutzen. Zumindest nicht nach Simons Kommentar zu urteilen, der mich sorgenvoll ansah, als er mich erblickte.
      „Um Gottes Willen, Artemis. Du siehst ja wirklich fertig aus. Bist du dir sicher, dass wir das jetzt erledigen wollen?“
      Ich winkte ab. Langsam hatte ich wirklich genug davon, meine geistige Verfassung von meiner körperlichen abhängig zu machen, zumal ich in letzter Zeit fast nur mitgenommen aussah.
      „Ja, ich bin mir sicher…“
      „Du bist sehr blass, leg dich wenigstens hin, während wir das Ganze besprechen.“
      „Wenn es dich glücklicher macht…“
      Gesagt getan, ich führte ihn ins Wohnzimmer, nachdem er es abgelehnt hatte, etwas zu essen oder zu trinken zu bekommen. Er ließ es sich nicht nehmen, zu warten, bis ich mich wieder auf die Couch gelegt hatte, holte dann eine Decke und deckte mich zu. Obwohl mir nicht kalt war, ließ ich ihn gewähren. Dann setzte er sich in den Sessel mir gegenüber, öffnete seine Tasche und zauberte zwei Ordner hervor, die zwar ein wenig zerfleddert aussahen, aber dennoch stark an Erics erinnerten. Ihr Anblick versetzte mir einen Stich. Genau so hatte ich erwartet, dass sie aussehen müssten. Unwillkürlich setzte ich mich auf.
      Simon schüttelte leicht den Kopf, kam dann mit den Ordnern zu mir herüber und setzte sich neben mich. Er legte den Ordner auf seine Knie und öffnete ihn.
      „Und du hast wirklich noch nicht hineingesehen?“ fragte ich.
      „Nein. Es ist das erste Mal, dass ich sehe, was Eric archiviert hat.“
      „Ich verstehe.“ Auf den ersten Blick sahen die ganzen Seiten wie Operationsberichte und Rechnungen aus, die nach Datum sortiert aneinandergereiht waren. Hin und wieder befand sich eine handschriftliche Notiz dazwischen, in der Eric etwas näher erläuterte. Vorsichtig legte ich meine Finger zwischen die Seiten und blätterte um, immer in der Hoffnung, etwas Auffälliges zu finden. Simon sah mir dabei zu und hielt meine andere Hand fest. Ich spürte, dass auch er angespannt war, er zitterte sogar. Seine Augen waren abwechselnd auf das Papier und auf mein Gesicht geheftet. Irgendwann blickte ich auf.
      „Du zitterst ja.“
      „Ja, ich habe das Gefühl wir sind der Lösung ganz nahe. Es beschäftigt mich natürlich, was mit Eric passiert ist, immerhin war er ein so gewissenhafter und guter Mediziner und zudem mein Freund.“
      „Ich weiß was du meinst…“
      Ich blätterte weiter und mit jedem Blatt stieg meine Enttäuschung. Es schien beim besten Willen nichts dabei zu sein, das darauf hinwies, dass es nicht mit rechten Dingen zuging. Die Operationsberichte waren genauso sauber, wie die Rechnungen, auch wenn mir auffiel, dass Eric wohl recht viele Transplantationen vorgenommen hatte, aber das war ja eine Spezialität ihrer Klinik, wie ich auf dem Kongress erfahren hatte.
      Der zweite Ordner brachte genauso viele Ergebnisse ein, sodass wir die Arbeit nach einigen Stunden enttäuscht niederlegten.
      Wie war das möglich?
      Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass das alles gewesen war. Irgendetwas hatten wir übersehen, davon war ich ziemlich überzeugt. Oder war vielleicht schon vorher jemand an den Ordnern gewesen und hatte das Relevante daraus entfernt? Oder war womöglich nie etwas Wichtiges darin gestanden und Eric hatte die Ordner einfach im Klinikum liegen lassen? Ich wusste es nicht und Simon neben mir schien genauso enttäuscht und verzweifelt.
      Auch ein zweites Nachsehen half nicht weiter und irgendwann gaben wir auf.
    • Harr. Bewerft mich mit Steinen. Aber dieser Knalleffekt musste noch sein, bevor ich in den Urlaub entschwebe... Have fun.. *sich dreckig ins Fäustchen lacht*

      Frustriert klappte ich die Ordner zu, hob sie auf und trug sie in Eric Arbeitszimmer. Ich wollte sie nicht mehr sehen, zumindest vorerst. Es war nicht so, dass ich Fehlschläge nicht tolerierte, aber langsam wünschte ich mir wirklich, irgendwie weiterzukommen. Einen Hinweis zu bekommen, oder etwas ähnlich Brauchbares. Natürlich konnte ich kaum erwarten, das Mysterium von heute auf Morgen zu lösen, aber ein weiteres Puzzleteil hätte sicher gutgetan. Zumal ich der Meinung war, dass ich gerade dabei war, Fortschritte zu machen… wenn man denn von Fortschritten sprechen konnte. Ich hatte nur sehr wenig, mit dem ich arbeiten konnte und es fiel mir umso schwerer, an die Informationen zu kommen, hatte ich doch keinen Zugriff auf das, was im Klinikum geschah. Folglich musste ich mich auf Simon verlassen. Das gefiel mir nicht sonderlich, aber vorerst hatte ich keine andere Wahl. Ich musste mit dem leben, was ich bekam. Das andere musste sich dann irgendwie ergeben. Ich konnte nur hoffen, dass ich Simon vertrauen konnte, hatte aber kaum Zweifel daran. Ich hatte ihn mehr oder weniger an mich gebunden. Sein Einlenken war der beste Beweis dafür gewesen… Ich durfte einfach die Hoffnung nicht aufgeben, dass er etwas entdeckte, und das musste früher oder später geschehen.
      Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, saß er noch immer auf der Couch. Als er mich hörte, blickte er auf und runzelte die Stirn.
      „Du siehst wirklich nicht gut aus, Artemis. Ich denke es ist besser, wenn ich gehe. Bitte tu mir den Gefallen und leg dich hin.“
      Ich näherte mich ihm und setzte mich zu ihm, was ihn veranlasste, die Hand auf meine Stirn zu legen.
      „Fieber hast du keines, aber du wirkst einfach nicht gesund auf mich.“
      Behutsam entfernte ich seine Hand.
      „Mir geht es gut. Ich bin nur übermüdet.“ Von meinen Kopfschmerzen und der Übelkeit erzählte ich ihm nichts.
      Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es alleine daher kommt.“
      „Woher soll es denn dann kommen? Ich wüsste nicht, dass etwas anderes in Frage kommen könnte.“
      „Es stimmt schon, die letzten Wochen waren hart für dich... ach ich weiß auch nicht... Mach einfach ein bisschen langsamer. Um den Rest kümmere ich mich erst mal.“ Sanft küsste er meine Stirn. „Mach dir keine Gedanken, wenn das heute erfolglos war. Ich gebe so schnell nicht auf.“
      Ich nickte knapp. „Danke, Simon.“
      „Keine Ursache... Soll ich heute Nacht bei dir bleiben?“
      Ich dachte kurz darüber nach, verneinte dann aber.
      „Es geht schon, danke.“ Aus irgendeinem Grund wollte ich alleine bleiben. Es irritierte mich ein wenig, wie fürsorglich Simon plötzlich war, zumal ich persönlich nichts Schlimmes an meiner Verfassung erkennen konnte. Ich war ziemlich sicher, mit genügend Schlaf und etwas ausgewogener Ernährung bekäme ich das wieder in den Griff.
      Er zögerte kurz und sah mir dann fest in die Augen.
      „Ich denke, es ist dennoch besser, wenn ich da bleibe.“
      „Simon, ich bitte dich! Es ist nichts. Morgen geht es mir bestimmt wieder besser.“
      „Mag sein, aber ich habe das Gefühl, dich die letzten Tage etwas vernachlässigt zu haben. Ich möchte nicht, dass es dir schlecht geht.“
      Sein bittender Blick brachte mich schließlich zum Einlenken und so blieb er die Nacht da, auch wenn er mich dieses Mal nicht anfasste. Er brachte mich relativ bald zu Bett und wachte dann darüber, dass ich auch schlief – ich tat ihm den Gefallen. Schlaf konnte ich wirklich brauchen...

      Drei Wochen später hatte ich zumindest eine Gewissheit dazuerlangt. Was ich darüber denken sollte, wusste ich noch nicht.
      Ich saß in meinem Büro, hatte die Tür abgeschlossen und weinte. War es Verzweiflung? Ratlosigkeit? Freude? Meine Gefühle waren komplett durcheinander und wieder einmal vermisste ich Eric schmerzlich. Gerade ihn hätte ich nun dringender gebraucht als alles andere. Es klopfte an der Tür und ich ignorierte es geflissentlich. Ich wollte niemanden sehen und am wenigsten irgendwelche ratsuchenden Studenten. Der einzige Grund, warum ich noch nicht Zuhause war, war der dass ich nicht wollte, dass mich irgendjemand so sah. Es war zwar nicht das erste Mal, dass ich weinte, aber das erste Mal, dass dies an meinem Arbeitsplatz geschah. Und das unter die Öffentlichkeit zu bringen hielt ich nicht für erstrebenswert.
      Es klopfte erneut. Und wieder schwieg ich.
      „Frau Professor Henning. Ich weiß dass Sie da sind, bitte öffnen Sie die Tür.“ Der Dekan! Das hatte mir gerade gefehlt. Er war so ziemlich die letzte Person, die ich sehen wollte. Langsam stand ich auf, drehte den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Tür. Dann drehte ich mich wortlos um und schlurfte an meinen Tisch zurück, um mein Gesicht unter den Bergen von Taschentüchern zu verstecken. Ich hörte ihn eintreten und die Tür schließen, dann herrschte betretene Stille. Es war ihm offensichtlich peinlich, mich so vorzufinden.
      „Was gibt es?“ murmelte ich schließlich und hob den Kopf.
      Er starrte mich an.
      „Es... es tut mir leid.. Ich wusste nicht... Ich meine... kann ich irgendetwas für Sie tun?“
      „Nein.“
      „Oh.“
      „Warum wollten Sie mich sprechen?“
      „Nun, Sie wissen sicher, dass im nächsten Semester die Linguistentagung geplant ist. Da Sie bisher in dieser Hinsicht untätig waren und nie da waren, wenn über die Ausführung gesprochen wurde, sah ich mich genötigt Sie aufzusuchen.“
      „Und worum geht es?“
      „Um Ihre Mitarbeit. Sie haben den Lehrstuhl dieser Abteilung, folglich auch die Verantwortung.“
      „Ich verstehe. Ich nehme an, Sie möchten, dass ich mich an der Organisation beteilige? Themen zusammenstelle und Ähnliches? Und weil ich bisher noch nichts dergleichen getan habe, suchen Sie mich auf?“
      „Genau.“
      „Es tut mir leid, wenn ich so schwer erreichbar war, aber ich fürchte dennoch, Sie müssen sich jemand anderen für die Organisation suchen.“
      „Aber Sie waren die größte Befürworterin! Sie sind dafür zuständig!“
      „Ich kenne meine Pflichten, aber darum geht es nicht.“
      „Worum geht es dann?“
      „Ich werde nächstes Semester nicht hier sein.“
      „Wie darf ich das verstehen?“
      „Ich bekomme ein Kind!“
    • *auch mal wieder meldet*
      Artemis bekommt ein Kind von Simon? Das könnte interessant werden - sogar sehr *schon freut*
      Aber ich hab (endlich) einen Kritikpunkt gefunden.
      Beim vorletzten Kapitel hast du zwei Absätze mit "gesagt getan" angefangen, hört sich meiner Meinung nach nicht so schön an ^-^'

      Am Schluss wünsch ich dann noch einen schönen Urlaub :)
    • Original von Zeldagirl
      *auch mal wieder meldet*
      Artemis bekommt ein Kind von Simon? Das könnte interessant werden - sogar sehr *schon freut*
      Aber ich hab (endlich) einen Kritikpunkt gefunden.
      Beim vorletzten Kapitel hast du zwei Absätze mit "gesagt getan" angefangen, hört sich meiner Meinung nach nicht so schön an ^-^'

      Am Schluss wünsch ich dann noch einen schönen Urlaub :)


      ich denke eher von Erik, DA: sie ja schon vor den frei ab 18 dingern zum Arzt ging.
      Meine Stadt:

      Stadt
    • @ Zeldagirl: Danke für die guten Wünsche. Der Urlaub ist wirklich sehr schön. Da ich mich aber mal kurz ins Netz schleichen konnte (Laptop und WLAN sei dank...) dachte ich, ich poste die Fortsetzung und liefere ein paar Hintergründe... Ich glaube nämlich Artemis hat einiges zu erklären..

      Freut mich aber dass dir die Wendung gefällt. Ich kann versprechen, dass es interessant wird...
      Zu dem Kritikpunkt: Du hast vollkommen recht, da hab ich gepennt. Wird ausgebessert... Wenn du noch mehr findest: Logikfehler, out of character, Rechtschreibfehler... ungeschickte Formulierungen: Nur her damit.

      @ Aniki: Hey, noch jemand der meine Story liest. *freu* Aber es ist tatsächlich Simon, der der Vater ist. Es stimmt zwar, Artemis war zuvor beim Arzt, aber der bestätigte, dass sie nicht schwanger war. Und dann hat sie mit Simon geschlafen. Also ist der der Vater....

      (dachte mal ne Zeitlang daran, dass sie von Eric schwanger ist und ne Fehlgeburt erleidet, aber die Arme macht noch soviel mit, wir wollen es nicht übertreiben *buahahahahahahahahahaha*)


      Er starrte mich ungläubig an, zumindest für einen kurzen Moment. Dann besann er sich, dass sein Verhalten vielleicht unangebracht sei und senkte den Blick. Ich konnte mir ziemlich genau vorstellen, was in seinem Kopf vorging.
      „Wie bitte? Aber… aber Sie…“ Er brach ab, aber das war gar nicht notwendig. Ich konnte den Satz auch so ergänzen: … aber Ihr Partner ist doch verstorben. Da haben Sie sich aber schnell getröstet! Natürlich würde er es mir nicht ins Gesicht sagen, aber dass er so dachte stand außer Frage.
      Ja, Simon war der Vater, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Wie das passieren konnte?
      Genau konnte ich es nicht sagen, hatte aber eine Vermutung. Wir beide pflegten inzwischen gut zweieinhalb Monate unseren sexuellen Kontakt und das auch recht häufig. Seit jenem niederschmetternden Tag bei meinem Frauenarzt war ich mit all dem leichtfertiger umgegangen. Irgendwie war mir alles recht. Es ist schwierig, dieses Gefühl zu beschreiben, aber vielleicht trifft es der Begriff Trotzreaktion am ehesten. Meistens hatten wie verhütet, aber doch einige Male nicht und ich hatte auch keinen besonderen Wert darauf gelegt. Immer hatte ich im Hinterkopf, sowieso zu alt für ein Kind zu sein, wieso also Vorsicht walten lassen? Das alleine klingt ziemlich dumm, vor allem wenn es aus dem Mund einer studierten Frau kommt und deshalb muss ich noch etwas ergänzen: ein kleiner Teil von mir wünschte sich auch insgeheim eine Schwangerschaft. Simon war mehr oder weniger das letzte, was ich von Eric hatte, also war ein Kind von ihm sozusagen meine letzte Chance. Ich hatte lediglich nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren würde. Mit Eric hatte es immerhin nie geklappt. Aber nun war es da und ich musste damit leben, auch wenn ich zugegebenermaßen noch immer nicht glauben konnte, dass es wahr war. Immerhin hatte ich die deutlichen Schwangerschaftsanzeichen lange Zeit sorgfältig ignoriert. Erst das unnatürlich lange Ausbleiben der Regel ließ mich auf den Gedanken kommen, dass ich möglicherweise ein Kind erwartete und der an jenem Morgen in der Apotheke gekaufte Schwangerschaftstest bestätigte meine Vermutung. Der Streifen lag auf meinem Schreibtisch inmitten der Ansammlung von Taschentüchern. Meine Gefühle befanden sich dementsprechend im Aufruhr, ich war verwirrt und auch ein bisschen verängstigt, zumal ich nicht sicher war, Simon überhaupt davon berichten zu wollen. Ich wollte ihn da nicht mit hineinziehen. Er mochte der Vater sein, aber von einer Familie hatten wir beide nie gesprochen. Es war also alleine meine Verantwortung und ich konnte ihm auch nicht böse sein, wenn er daran nicht teilhaben wollte.
      Was mich fast mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass ausgerechnet der Dekan als erster davon erfahren musste. Wir beide waren uns seit einem Streit vor gut zweieinhalb Jahren nicht wirklich grün. Ich hatte ihn auf einer Konferenz vor der versammelten akademischen Elite als unfähig bezeichnet und er mich daraufhin als eine sexuell frustrierte Emanze. Ich denke, es ist unnötig weiter in die Details zu gehen. Nun stand er hier in meinem Büro und starrte mich an, die Situation bestimmt ebenso unangenehm findend. Zumindest konnte er mich nicht mehr für sexuell frustriert halten…
      Er streckte mir eine verschwitzte Hand entgegen.
      „Darf man… gratulieren? Seit wann wissen Sie davon?“
      Ich nahm die Hand an.
      „Seit… lassen Sie mich nachdenken… ich denke seit gut drei Stunden.“
      „Oh.“ Viel peinlicher konnte es für ihn nicht mehr werden, es sei denn er fragte nach dem Vater.
      „Ist schon in Ordnung,“ brachte ich heraus. „Früher oder später hätte ich es Ihnen sowieso melden müssen, also ist es besser, Sie wissen es gleich. Ich bitte Sie nur darum, diese Information noch geheim zu halten.“
      „Natürlich…“ Schweißperlen zeigten sich auf seiner Stirn. Ich hoffte, er hielt Wort.
      „Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Bitte verzeihen Sie, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereite.“
      Er nickte, vermutlich das Gegenteil denkend, drehte sich dann um und ging in Richtung Tür. Kurz vorher wandte er sich allerdings erneut mir zu.
      „Frau Professor Henning?“
      „Ja?“
      „Kann ich offen zu Ihnen sein?“
      Was kommt jetzt?
      „Selbstverständlich.“
      „Ich bin mir nicht sicher, was ich von Ihrem Verhalten halten soll. Ich weiß, dass Sie momentan große private Probleme haben, die möglicherweise jetzt noch verstärkt sind, aber Ihre momentane Arbeit hier an der Universität lässt zu wünschen übrig. Sie drücken sich vor Aufgaben, die eigentlich genau in Ihre Verantwortung fallen und scheinen auch sonst sehr schlampig vorzugehen. Ich würde das nicht besonders hervorheben, wäre es nicht einmal anders gewesen.“
      „Es tut mir leid, ich gebe wirklich mein Bestes. Aber wissen Sie überhaupt was das ist? Wissen Sie überhaupt was ich gerade durchmache?“ Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, sachlich zu bleiben, aber ich bemerkte gerade noch, wie ich meine Grenzen überschritt.
      „Ich schlafe ganze Nächte nicht, weil ich versuche meinen Beruf und mein Privatleben zu vereinigen. Dass es momentan der Beruf ist, der dabei auf der Strecke bleibt, tut mir leid, ist aber nicht zu ändern. Seit Erics Tod ist mein Leben die Hölle und ich kämpfe jeden Tag darum, das zu ändern. Das mögen Sie nicht verstehen, besonders nicht vor dem Hintergrund, dass ich nun schwanger bin, aber es ist so.“
      Er schluckte und ich wusste, dass er mir kein Wort glaubte. Aber das spielte keine Rolle.
      „Verzeihen Sie, ich wollte nicht…“
      „Sie kamen, wofür Sie gekommen sind, bitte lassen Sie mich nun alleine.“
      Er tat wie ihm geheißen und sobald die Tür ins Schloss gefallen war, schossen mir erneut die Tränen in die Augen. Dieser ignorante Idiot hatte doch überhaupt keine Ahnung, wie konnte er sich anmaßen über mich zu urteilen?
      Ein weiteres Klopfen an der Tür riss mich aus meiner Melancholie.
    • Oookay trotz Urlaub zumindest eine kleine Fortsetzung... Irgendjemand der jetzt schreit: OMG Artemis ist ja VOLL die Mary Sue!!! Alle wollen was von ihr!!! Dem sei gesagt: Nicht wirklich... ;) Man nehme zum Beispiel den... Dekan... xD
      Nein Scherz beiseite... es hat schon seine Richtigkeit. Und nochmal: sie ist keine Mary Sue ==> ich bin nicht ihr Vorbild.

      Ich schrie fast.
      „Was ist denn nun schon wieder?!“ Es mochte mit 41 Jahren etwas spät sein, mir einen Hang zur Hysterie zuzulegen, aber das war jetzt auch egal.
      Von draußen herein drang Christians gedämpfte Stimme.
      „Störe ich?“
      Da in diesem Fall Höflichkeit angebrachter war, als Ehrlichkeit verneinte ich und öffnete ihm. Er war die Person, die mir immer beigestanden hatte, ich konnte und durfte es nicht verantworten, ihn zu vergraulen.
      Er trat ein und sah mich dann unglücklich an.
      „Irgendwie habe ich das Talent, immer dann aufzutauchen, wenn es dir nicht gut geht.“
      Ich versuchte zu lächeln.
      „Sagen wir es einmal so: mir geht es fast immer nicht gut, von daher hast du wohl kaum eine Wahl.“
      „Artemis, das ist nicht richtig.“
      „Wie meinst du das?“
      „Es ist nur… du hast es einfach nicht verdient. Du arbeitest so hart, um wenigstens ein bisschen glücklich zu sein und irgendwie scheint alles umsonst. Das tut mir so leid.“
      Erneut schossen mir die Tränen in die Augen. Selbstmitleid alleine ist schon schlimm, aber wenn man darin bestätigt wird, ist es noch schlimmer. Ich wandte mich um, damit Christian dies nicht sehen konnte und ließ mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder.
      Mit einem weiteren Handgriff beförderte ich all die benutzten Taschentücher in den Mülleimer und sah ihn dann mit vermutlich ziemlich geröteten Augen an.
      Ihm war sichtlich unwohl, zumindest lief er recht nervös im Raum auf und ab.
      „Kann ich etwas für dich tun, Christian?“
      „Ich denke, die Frage muss ich zurückgeben… Gibt es etwas, das ich für dich tun kann? Um ehrlich zu sein wollte ich nur wissen, wie es dir geht. In den letzten Wochen haben wir uns kaum gesehen und das wollte ich wiedergutmachen…“
      „Danke, das bedeutet mir sehr viel. Ich fürchte jedoch, es gibt wenig, wobei du mir momentan helfen kannst.“
      „Ich verstehe… Solltest du jedoch irgendwann mit mir reden wollen, ich bin da. Ich mag dir vielleicht keinen Ratschlag geben können, aber zuhören kann ich allemal.“
      „Das weiß ich. Ich fürchte nur, dich unnötig mit Dingen zu belasten und dir das Herz schwer zu machen und das kann ich nicht verantworten.“
      „Um Gottes Willen, bitte denke nicht so etwas. Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt, wage aber kaum zu fragen, was es ist. Wenn du es mir nur nicht sagen willst, um mich zu schonen, dann bitte ich dich: Nimm keine Rücksicht auf mich.“
      Ich seufzte, wohl wissend, dass ich sein Angebot nicht wirklich annehmen konnte. Aber ihn abzuweisen würde ihn vermutlich auch verletzen.
      Mit einer Hand wies ich auf den Stuhl neben mir. „Setz dich, Christian…“
      Er tat, wie ihm geheißen und sah mich erwartungsvoll an. Als ich längere Zeit schwieg, nicht wissend wie ich beginnen sollte, ergriff er meine Hand.
      „Darf ich dich etwas fragen?“
      Ich nickte, in der Hoffnung, dass er keine Bemerkung über mein ‚schlechtes Aussehen’ machen würde, hatte aber Glück.
      „Der Dekan, er ging gerade irgendwie leicht gereizt aus deinem Büro und murmelte etwas von „…glaubt sie kann sich alles erlauben…“. Was ist passiert?“
      Ich senkte den Blick.
      „Es ist, denke ich, kein Geheimnis, dass wir uns nicht leiden können. Er kam hierher, um mich für eine Arbeit zu einzuspannen, die ich beim besten Willen nicht verrichten kann und mich außerdem an meine Pflichten zu erinnern. Dabei ging es natürlich kontrovers zu. Ich denke, ich habe ihn wieder verärgert, aber es ist auch ein bisschen seine Schuld. Ich bin heute einfach leicht gereizt und er hat das Talent mich grundsätzlich auf dem falschen Fuß zu erwischen.“
      „Du bist ziemlich mutig, Artemis. Ich glaube, du bist hier im Institut die Einzige, die sich so offen mit ihm angelegt hat.“
      „Ich habe nicht viel zu verlieren, obwohl mir ganz sicher eine andere Bezeichnung einfiele, als mutig…“
      „Nunja…“ Er wurde rot. „Es ist nur… ich denke, er ist wenig einfühlsam und verdient es nicht besser.“
      Ich zuckte mit den Schultern. „Führungspersonen… aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich mir darüber keine Gedanken machen. Er kann mir nicht wirklich sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe…“
      Er schwieg eine Weile und nickte dann. Manchmal vergaß ich einfach, dass er als wissenschaftlicher Mitarbeiter noch auf den Dekan angewiesen war, auch wenn seine Promotion bald beendet sein durfte. Immerhin arbeitete er bereits seit drei Jahren daran.
      „Wie dem auch sei, irgendwie möchte ich darüber nicht mehr reden. Auch deshalb, weil ich mich trotz allem irgendwie schlecht deswegen fühle. Ich denke, ich habe mich dabei auch ein bisschen daneben benommen. Vielleicht werde ich mich später noch bei ihm entschuldigen.“
      „Das würdest du tun?“
      „Zu einem Streit gehören immer zwei… Und gerade in meiner momentanen Situation ist es vielleicht besser, wenn ich mich nicht mit jedem anlege.“
      „Momentane Situation? Ist irgendetwas passiert?“
      Ich zögerte. Eigentlich hätte es mir klar sein müssen, dass er nachfragte.
      Eigentlich wollte ich ihm noch nicht davon erzählen, ich fürchtete, ihn damit schwer zu enttäuschen… Doch nun schien es, hatte ich gar keine andere Wahl, ich war nicht der Mensch, der gerne log.
      Stumm hob ich den Streifen des Schwangerschaftstests auf und gab ihn Christian in die Hand.
      Überrascht sah er mich an.
      „Was hat das zu bedeuten? Was ist das?“
      Ich lächelte matt.
      „Das ist ein Teststreifen eines Schwangerschaftstests, Christian. Ich bekomme ein Kind.“
      „WAS?! Ich meine, wie ist das möglich, Artemis? Bist du dir sicher?“
      „Ziemlich, immerhin verdränge ich die Anzeichen schon seit einigen Wochen.“
      „Und es besteht kein Zweifel? Ich habe mir sagen lassen, diese Dinger seien nicht besonders zuverlässig.“
      „Sie sind zuverlässiger je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist. Da bei mir schon einige Zeit vergangen ist, kann ich mir zu fast hundert Prozent sicher sein. Wenn ich heute Nachmittag zum Arzt gehe, ist das nur eine Formalität.“
      Er wurde bleich.
      „Seit Wochen, du verdrängst sie seit Wochen? Artemis, bitte entschuldige, wenn ich zu aufdringlich bin, aber was meinst du damit?“
      „Es bedeutet, dass ich bereits einige Zeit mit ziemlich eindeutigen Schwangerschaftsanzeichen zu kämpfen hatte, so wie Übelkeit, Kopfschmerzen, das Ausbleiben der Blutung, aber alles dies aufgrund des ersten Fehlalarms als Stresssymptome abgetan habe.“
      „Ich… ich verstehe…“ Er senkte den Blick und versuchte so zu verbergen, was er gerade empfand. „Aber… aber das bedeutet ja…“
      „Ja, Christian, das bedeutet, dass ich mit einem anderen Mann geschlafen habe. Um genauer zu sein, mit Simon. Du kennst ihn.“
      „Aber… warum? Artemis, warum? Warum solltest du so etwas tun?“
      Wie ich es mir gedacht hatte, ich hatte ihn maßlos enttäuscht. Irgendwie tat es auch mir weh.
      „Weil ich Informationen brauchte. Ich musste mich seiner Kooperation versichern, er ist der einzige, der mir helfen kann, das Mysterium um Eric aufzuklären. Und nachdem er sich ursprünglich geweigert hatte, musste ich etwas finden, womit ich ihn dazu überreden konnte.“ Nachdem diese Worte, die Beschreibung meines Planes, ausgesprochen worden waren, fühlten sie sich mit einem Mal hohl und schal an. Zum ersten Mal war ich nicht mehr ganz sosehr davon überzeugt. Hinzu kam Christians verstörter Blick.
      Ich hatte also Recht behalten, als ich fürchtete, seine Träume zu zerstören.
      „Aber… aber… wie konntest du so etwas tun??!!! Artemis… warum du? Du... du warst immer so … anders…“
      Warum ich? Ja, warum? Warum hatte man mir Eric genommen? Warum musste ich dieses schäbige Dasein noch ertragen?
      Ich schwieg. Genau genommen hatte ich mit einer solchen Reaktion gerechnet, aber was hätte es mir gebracht, all das Christian zu verschweigen? Früher oder später hätte er es ja doch herausgefunden…
      Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verbarg sein Gesicht darin. Dann begann er zu schluchzen, etwas das mir das Herz zerriss.
      Behutsam berührte ich seinen Arm.
      „Christian…“
      Er sah hoch.
      „Warum du? Ich habe dich immer für so einfühlsam und mitfühlend gehalten… aber ich habe mich wohl getäuscht. Du bist in Wahrheit kalt und berechnend.
      Du verkaufst dich wie eine gewöhnliche Prostituierte, nimmst sogar eine Schwangerschaft von einem Mann den du nicht einmal liebst in Kauf und wofür? Für Informationen, die du möglicherweise niemals bekommst. Wie weit willst du noch gehen, wie viel noch zerstören?“ Er spie mir all diese Worte entgegen und jedes einzelne davon traf mich hart.
      „Christian… bitte… es tut mir leid.“
      „Mir tut es leid. Leid, dass ich die Wahrheit nicht schon früher erkannt habe. Welches Spiel spielst du eigentlich?“
      „Ich…“ Unfähig etwas zu sagen, brach ich ab. Auch meine Augen füllten sich mit Tränen.
      „Kannst du es denn nicht verstehen? Du hast es von Anfang an nicht verstanden!“
      Er erhob sich und sah mich mit zornerfülltem Blick an. Seine Stimme überschlug sich fast, als er mir die Worte entgegenschleuderte, die ich schon so lange geahnt hatte: „Ich liebe dich verdammt nochmal, Artemis Henning!“
      „Du… du… nein.“ Ich wandte mich ab. Es war nicht so, dass es überraschend kam, aber auf einmal machte alles Sinn.
      Er schrie weiter: „Hast du eine Ahnung, wie sehr es mich schmerzt zu sehen, wie du dich Tag für Tag quälst und dich selbst an den Abgrund treibst? Hör auf! Hör verdammt nochmal auf damit!“
      Dann drehte er sich um und rannte aus der Tür.
    • Soo, nach langer Zeit mal ne sinnfreie Fortsetzung. Sagt net wirklich viel aus...
      Und wenn ich morgen nicht um 7 rausmüsste hätte ich noch mehr geschrieben.
      Aber ihr seht, die Story ist net vergessen, ich bin nur grad im Stress (wann mal nicht... -_-)

      Ich hob die Hand und rief ihm ein „Christian, warte bitte!“ hinterher. Aber entweder wollte er mich nicht hören, oder er hörte mich tatsächlich nicht mehr. Auf alle Fälle knallte die Tür so erbarmungslos ins Schloss, dass ich sogar zusammenzuckte. Danach trat Stille ein, sah man von dem üblichen Hintergrundmurmeln ab, das bei einem funktionierenden Universitätsbetrieb gerade vormittags üblich war. Für mich jedoch war es Stille. Ich seufzte und legte den Kopf auf den Tisch. Auch wenn ich inzwischen zum Weinen nicht mehr fähig war, so fühlte ich mich doch elend. Irgendwie kam an diesem Tag alles zusammen und ich war mir nicht sicher, ob ich noch eine weitere „Neuigkeit“ verkraften konnte. Für einen kurzen Augenblick hatte ich sogar daran gedacht, Christian hinterherzulaufen, entschied mich dann aber dagegen. Ich wollte zwar auf alle Fälle noch einmal mit ihm reden, hatte aber, vor allem in seinem Interesse, nicht vor die Gerüchteküche noch weiter anzufachen. Zumal ich mir ziemlich sicher war, dass gerade ich inzwischen ein gefragtes Objekt derselben war. Ihn wollte ich daher heraushalten, immerhin hatte er noch eine Karriere zu verlieren.
      Schuldig fühlte ich mich dennoch. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ihm all das zu ersparen und nun war es doch dazu gekommen. Ich hatte wohl gespürt, was er für mich empfand, von daher konnte ich seine Reaktion nachvollziehen. Zum Nachdenken brachte sie mich deswegen allemal. Alles stand Kopf und was Eric anging, war ich tatsächlich kaum einen Schritt weiter. Ich wusste weder ein noch aus und auch Simon schien mir gerade nicht helfen zu können. Zudem war er gerade für vierzehn Tage verreist. Seine Reise hatte wohl berufliche Gründe, aber ich hatte mir nicht merken können, worum es wirklich ging.
      Vermutlich war das Chaos in meinem eigenen Kopf ein guter Grund dafür.
      Chaos... man sagte uns Professoren schon seit Jahr und Tag eine gewisse Zerstreutheit nach, aber lange Zeit war ich sehr stolz gewesen, dass sich das bei mir in Grenzen hielt. Diese Auffassung hatte ich inzwischen zähneknirschend revidieren müssen. Seit Erics Tod hatte ich das Gefühl, mein Kopf schwamm, zu oft konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen oder war einfach durcheinander. Ich hatte immer das Gefühl, Ziele vor Augen zu haben und im letzten Moment schlüpften sie mir durch die Finger – einfach so. Nicht nur am Arbeitsplatz war das der Fall, auch privat... Ich gelangte ins Grübeln, um dann irgendwann wie aus einem Traum aufzuwachen und mich zu fragen, worüber ich nachgedacht hatte. Bisher hatte ich noch niemanden davon erzählt, dazu war diese Beobachtung in meinen Augen zu peripher...
      In solch einem Zustand befand ich mich auch zu jenem Zeitpunkt, was die Frage aufwirft, ob es sich hierbei um einen Schutzmechanismus meines Körpers handelte, um mit schockierenden Nachrichten umgehen zu können. Um daraus wieder zu erwachen, versuchte ich mich daran, ein wenig Ordnung in meine Bücher- und Ordnerstapel zu bekommen, doch als auch dies nicht half, packte ich kurzerhand meine Sachen zusammen, verließ den Raum und schloss ab. Auf dem Gang angekommen, überkam mich erneut Ratlosigkeit. Sollte ich zuerst die Sache mit Christian aus der Welt schaffen oder zunächst mit dem Dekan sprechen? Letzteres erschien mir weniger unangenehm, hatte ich dort doch nichts zu verlieren. Diese Tatsache gab den Ausschlag, erst nach Christian zu suchen, um sozusagen das Härteste vornewegzunehmen.
      Natürlich konnte ich nicht wissen, wo er hingegangen war, aber eine Ahnung hatte ich schon. Wenn ich meine Ruhe haben wollte, so ging ich in mein Büro. Es war mein kleines Refugium, das ich gestalten konnte, wie ich wollte. Es war auch der einzige Privatraum zu dem ich den Studenten Zutritt gewährte. Zwar teilte sich Christian sein Büro noch mit einem Kollegen, aber ich war dennoch davon überzeugt, dass er dort hin gegangen war. So lenkten mich meine Schritte in diese Richtung und während ich abwesend die Menschen begrüßte, die mir begegneten, versuchte ich mir zurechtzulegen, was ich wohl sagen würde, wenn ich ihm dann endlich gegenüberstand.
      Auch wenn ich sonst nicht auf den Mund gefallen war, so versagten mir hier die Argumente, mit dem Endergebnis, dass seine Tür vor mir aufragte und ich genauso schlau war, wie am Anfang. Ich holte tief Luft, biss mir auf die Unterlippe und klopfte.
    • Okay... hier geht es wieder weiter...
      Es tut mir leid, wenn es gerade etwas kitschig wurde... Ich verspreche, dass es jetzt relativ bald mit der wirklichen Krimihandlung vorangeht und hoffe ihr habt nicht die Geduld mit mir verloren. Hier folgt das etwas verwirrende Gespräch zwischen Christian und Artemis. Jegliche Kritik ist wie immer sehr erwünscht.

      Mir war nicht wohl dabei, aber es musste einfach sein.
      Ein paar Studenten streunten an mir vorbei und ich fragte mich, ob sie die Lächerlichkeit der Situation begriffen. Vermutlich nicht, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass es sich für mich so anfühlte. Ich kam mir vor, wie in einem schlechten Film...
      In den Millisekunden, die bis zu einer Antwort von hinter der Tür vergingen, schaffte ich es sogar noch, ihnen nachzusehen und mir zu wünschen, dazuzugehören. Die Tatsache, dass sie wohl eher mit mir tauschen wollten, machte das Ganze nach absurder.
      Eine matte Stimme unterbrach meine wirren Gedanken.
      „Ja?“
      Sie gehörte eindeutig Christian. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen sollte. Desweiteren war ich unschlüssig, ob ich einfach hineingehen sollte oder vorher ankündigen, dass ich es war. Wenn man bedachte, dass Christian noch vor gar nicht allzu langer Zeit in meiner Situation war...
      Ja, das hatte ich ganz wunderbar hinbekommen...
      Da es offensichtlich nicht mehr schlimmer ging, drückte ich die Klinke hinunter und betrat sein Büro. Ich wollte mir die Peinlichkeit ersparen, an der Tür abgespeist zu werden. Im Gegensatz zu mir hatte er nicht abgeschlossen und so stand ich im Raum, bevor er widersprechen konnte.
      Er sah mich an und ich erkannte, dass auch er geweint hatte. Duplizität der Fälle schoss es mir durch den Kopf.
      „Ich wusste, dass du noch kommen würdest,“ sagte er schließlich und seine Stimme klang so gefasst, dass es beinahe unheimlich war.
      „Ja, vermutlich...“
      „Aber ich muss dir ernsthaft sagen, dass ich es vorziehen würde, wenn du gingst, Artemis.“
      „Ich habe damit gerechnet dass du das sagen würdest.“ Immerhin spielten wir beide gerade fast bis ins kleinste Detail gehend die Hauptgeschichte eines jeden Kitschfilmes nach. Ich konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft ich solche Szenarien bereits im Kino gesehen hatte.
      „Und warum tust du es dann nicht?“ Sein Blick wurde wütender.
      „Weil ich der Meinung bin, du solltest mich anhören...“
      „Hast du mir noch etwas zu sagen?“ Seine Züge entspannten sich und sahen jetzt fast verzweifelt aus. Wie, als hätte jede Hoffnung verloren.
      Ich setzte mich vorsichtig vor ihn auf den Schreibtisch.
      „Ja.“
      „Dann sag, was du sagen willst und danach geh bitte.“
      Ich nickte und bemerkte erst jetzt, dass er zitterte. Oh Christian, warum machst du es dir so schwer?
      „Einverstanden..... Zunächst einmal musst du mir Folgendes glauben: Es lag niemals in meiner Absicht, jemanden zu verletzen.“
      Er schüttelte den Kopf.
      „Ich... Artemis... das weiß ich doch. Und genau das macht es so schlimm für mich.“
      Ich ergriff seine Hand.
      „Christian, besonders dir wollte ich niemals wehtun. Du bist ein so wertvoller Mensch für mich und ich hatte immer das Gefühl, ich würde dir irgendwann deine Illusionen nehmen. Aber offensichtlich genügte das nicht. Es tut mir leid.“
      Er schwieg, aber das konnte ich verstehen. Sein Schmerz und damit die Enttäuschung saßen tiefer. Er wusste die Dinge, die ich ihm sagte wirklich bereits, aber das änderte nichts an alldem. Es tat ihm dennoch weh.
      „Darum geht es doch überhaupt nicht. Was du wolltest und nicht wolltest ist nebensächlich. Ich frage mich allerdings ernsthaft, was für ein Mensch du bist. Merkst du denn nicht, was du tust?“
      „Ich verstehe...“
      „Nein, du verstehst nicht. Wenn du verstehen würdest, dann würdest du jetzt kein Kind bekommen.
      Versteh mich bitte nicht falsch, im Grunde genommen weiß ich genau, dass du Simon nicht fallen lassen wirst, wenn du das bekommen hast, was du wolltest. Aber auch darum geht es nicht: es geht darum, wie du dir selbst unnötig wehtust, ohne es merken zu wollen. Und bitte verzeih mir, wenn ich das nicht mitansehen kann.“
      „Christian, ich...“
      „Ich weiß, was du mir jetzt sagen möchtest: Es ist alles gar nicht so schlimm. Aber kannst du mir ehrlich ins Gesicht sagen, dass du glücklich bist?“
      Ich schüttelte den Kopf.
      „Ich fürchte das kann ich nicht. Aber ich fühle mich inzwischen besser. Am schlimmsten war es, als Eric gerade gestorben war. Inzwischen finde ich wieder einen Sinn, in dem was ich tue. Und wenn ich Simon glücklich machen kann, so soll es mir recht sein.“
      „Indem du ihn anlügst?“
      „Ich denke, er kennt unsere Vereinbarung ganz gut.“
      „Ich frage mich nur, ob sie jetzt noch funktionieren wird? Möchte er überhaupt Vater werden? Und wenn nicht, sitzt du alleine da mit einem Kind, dessen Vater du nicht einmal liebst.“
      „Daran habe ich auch schon gedacht. Ich weiß noch nicht, was wird, aber ich weiß, dass ich dieses Kind behalten möchte.“
      Er nickte, vielleicht ein wenig überrascht.
      „Trotzdem glaube ich, du quälst dich mit dieser ganzen Sache unnötig. Ich kann gut verstehen, dass du wissen möchtest, was mit Eric geschah. Mir würde das auch keine ruhige Minute lassen, bestünde nur der Hauch eines Zweifels an der Todesursache eines geliebten Menschen. Aber, was mich dabei umtreibt ist die Tatsache, dass du dafür ohne mit der Wimper zu zucken deine Seele verkaufst. Ich bin mir sicher, du hast alles reiflich durchdacht und genau das macht es so schwer zu begreifen.“
      „Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe.“
      Ich sah, wie sich in seinen Augen Tränen bildeten und spürte einen Stich in der Magengegend. Es war wirklich nicht meine Absicht gewesen, ihn so zu desillusionieren.
      Er wandte sich kurz ab, wischte die Tränen ab und sah mich dann an.
      „Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast dich mir gegenüber nicht falsch verhalten. Es liegt alleine an mir, dass ich so reagiere.“
      „Das macht es nicht besser. Immerhin bin ich ja doch der Anlass dafür.“
      Er schwieg kurz und gab mir dann unvermittelt einen flüchtigen Kuss. Ich schloss die Augen und ließ es zu. Warum nicht alles noch komplizierter machen? Es war wirklich erstaunlich, wie schnell einem das Leben aus den Fingern gleiten konnte... und ich hatte einmal alles im Griff gehabt.
      Dann wandte er sich erneut ab.
      „Gibt mir ein bisschen Zeit, Artemis. Ich denke ich muss über all das einfach noch ein bisschen nachdenken. Ich wäre dir dankbar, wenn du jetzt gingst.“
      Ich nickte verständnisvoll, gab ihm die Hand und ging aus der Tür.
      Als ich wieder auf dem Gang stand, fühlte ich mich allerdings nicht besser. Ich war mir nicht sicher, etwas erreicht zu haben.
      Warum musste ich mir aber auch alles so kompliziert machen?
    • Tut mir echt leid für den Fünffachpost, aber es geht irgendwie nicht anders...

      Naja... *laber* Ich hoffe ich habe meine Leser nicht mit dem Kitschgesülze verschreckt, jetzt geht es wieder weiter mit dem, was uns alle interessiert: warum musste Eric sterben. *salbader*
      Kritik ist sehr erwünscht, auch wenn es nur ein kurzes Stückchen ist.

      Als ich an jenem Abend nach Hause kam, war ich sehr erschöpft. Zu viele Dinge belasteten meinen sowieso schon schweren Kopf. Mit Christian hatte ich nicht wirklich etwas erreicht, außer zu warten. Dafür war das Gespräch mit dem Dekan besser gelaufen. Immerhin gab es jetzt wieder eine gemeinsame Arbeitsbasis zwischen uns, auch wenn es mich immer noch viel Überwindung kosten sollte. Es ist schwierig, etwas gegen eine intrinsische Abneigung zu unternehmen, ich wollte mich jedoch bessern.
      Und wie erwartet, war der Arztbesuch nur eine Formalität gewesen: jetzt hatte ich schriftlich, was ich schon heute morgen gewusst und auch so fleißig diskutiert hatte. Ohne groß nachzudenken, knallte ich meine Tasche in Erics Arbeitszimmer, das direkt an den Flur angrenzte und schlurfte in die Küche, um mir eine Kanne Tee zu kochen. Hinterher wollte ich mir noch ein entspannendes Vollbad gönnen und einfach vergessen. Vor allem aber wollte ich das verhindern, was grundsätzlich geschah, wenn ich abends alleine war: das Grübeln. Mit dem heutigen Tag hatte ich noch mehr Grund dazu und genau darum suchte ich es zu vermeiden.
      Es war vermutlich gut, dass Simon gerade nicht in der Stadt war, vielleicht hätte ich ihm sonst doch sofort von meinem Zustand erzählt – so hingegen konnte ich mich noch ein wenig geistig damit auseinandersetzen. Natürlich hatte ich seine Handynummer, aber ich hatte eine grundsätzliche Abneigung, Leute auf ihrem Mobiltelefon anzurufen, weil ich immer fürchtete, sie in einem ungünstigen Moment zu erwischen. Und da Simon gerade dienstlich unterwegs war, war diese Wahrscheinlichkeit sehr groß.
      Ich fragte mich, ob er auch an mich dachte oder ob gerade mein Bedürfnis nach Nähe bei mir durchschien. Zumindest konnte ich mich trösten, dass er einige Kleidungsstücke bei mir vergessen hatte, sogar einen Arztkittel in dessen Taschen noch einiges verborgen war. Ich hatte sie ein wenig gebürstet und bis zu seiner Wiederkehr feinsäuberlich zu Erics Dingen in den Schrank gehängt. Ich brachte es einfach nicht über mich, diese zu entsorgen, selbst seine Schlüssel besaß ich noch.
      Bevor das Teewasser zu kochen begann, fiel mir ein, dass sich in meiner Thermoskanne in der Tasche noch ein kleiner Rest befand, den ich zuerst trinken sollte.
      Also kehrte ich in Erics Zimmer zurück um ihn zu holen.
      Als ich das Licht anknipste, fluchte ich. Meine Tasche war wohl an den Schreibtisch angestoßen und hatte den sowieso etwas wacklig dort liegenden Ordner heruntergeworfen, den Simon mir vor einer Woche vorbeigebracht hatte und in dem nichts Brauchbares gestanden hatte. Eigentlich wollte ich diesen Ordner so schnell nicht mehr sehen, aber nun musste ich mich bücken und ihn aufheben, was ich dann widerwillig tat.
      Ich legte ihn auf den Schreibtisch zurück und gerade als ich in meiner Tasche die Thermoskanne holen wollte, fiel mir das Stück Papier auf, das noch auf dem Boden lag. War es etwa aus dem Ordner gefallen?
      Ich hob es auf und nahm es in die Hand. Es kam mir nicht so vor, als hätte ich es schon einmal gesehen, aber woher sollte es wohl sonst kommen?
      Gedankenverloren ging ich damit in die Küche und besah mir näher, was darauf stand. Vielleicht war es ja ein Hinweis.
      Im Küchenlicht konnte ich besser erkennen, um was es sich handelte: es war eine Rechnung einer Firma mit Sitz in Prag für die Lieferung mit „Medizinischen Geräten“ und sie war auf Eric ausgestellt. Auf den ersten Blick schien das alles ganz normal zu sein, was mich jedoch irritierte, waren mit Bleistift angestrichene Wörter und eine hastig an den Rand gekritzelte Zahlenfolge, die wohl eine Telefonnummer oder etwas ähnliches darstellte. Am linken Rand befanden sich zwei Löcher, die darauf hindeuteten, dass hier eine Tackernadel entfernt wurde, aber was am Irritierendsten war, war das Datum der Rechnung: eine Woche vor Erics Tod! Genau zu dem Zeitpunkt, als er Simon diese beunruhigte Mail geschrieben hatte.
    • du hast artemis von ihrer marry sue haftigkeit befreit, schön zu sehen. :)
      leider bin ich nicht oft genug hier um regelmäßig zu kommentieren, aber ich lese deine geschichte gerne
      bedauerlich, dass sich die leute beim kommentieren anscheinend nur auf fantasystories zu stürzen scheinen, du hast mindestens genausoviele verdient
      *ein aufruf an alle hier gefälligst zu posten*
      christian kommt mir etwas zu aalglatt vor, ich frag' mich welche rolle du ihm noch zugeteilt hast
      anscheinend vogelfrei
      [Blockierte Grafik: http://www.z-elda.com/content-img/banner-gross_1.jpg]
    • @ shiekahlady: Vielen Dank - ich hab mir auch Mühe gegeben...
      Aber es freut mich zu hören, dass du die Story gerne liest, auch wenn du vllt nicht so häufig postest.. ^^ Freue mich dennoch immer über Kommis.

      Christian? ^^' *verschwiegen kicher* Sei versichert er kriegt noch seinen Auftritt... Mehr sei aber nicht verraten.
      Ansonsten geht es erstmal weiter mit... Naja Artemis' Gedankenwelt...

      Seufzend legte ich das Blatt zur Seite. Der Wassertopf hatte aufgehört zu rauschen und ich wusste, dass es nun kochte.
      Während ich es vom Herd nahm und den Tee damit überbrühte wanderten meine Gedanken zurück zu dem Stück Papier, das auf dem Tisch lag. Irgendwie hatte das Schicksal schon eine seltsame Art von Humor, mir immer dann dubiose Papiere und Ähnliches zu schicken, wenn ich gerade am Verzweifeln war. Ich konnte mir noch immer nicht erklären, warum es Simon und mir beim Durchblättern nicht aufgefallen war.
      Mit der Teetasse in der Hand kehrte ich an den Tisch zurück und besah es mir von Neuem. Die mit Bleistift unterstrichenen Wörter befanden sich in einer langen Liste der in Rechnung gestellten „Geräte“, genau wie die dafür verlangten Preise.
      Obwohl die Firma eindeutig in Tschechien war, war das Schreiben auf Deutsch verfasst, eine Tatsache, die mir erst jetzt auffiel. Desweiteren fragte ich mich, warum man die dort gelisteten Geräte – es wurden Röntgengeräte und Ähnliches aufgeführt – ausgerechnet dort bestellen sollte. Es ergab keinen Sinn, zumindest für mich. Vielleicht wusste man als Mediziner einfach besser über die momentane Marktsituation Bescheid – oder etwas war ganz gewaltig faul.
      Noch mehr irritierte mich die seltsame Nummer. Nummern die auf dubiose Papierzettel gekritzelt waren ließen schon automatisch die Alarmglocken schrillen, aber ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es zu spät war, jetzt noch anzurufen.
      Ich würde das morgen von meinem Büro aus erledigen, was mir auch einen gewissen Schutzraum verschaffte – mein Büro war sowieso halb öffentlich.
      Es kam mir in den Sinn, Simon jetzt noch anzurufen und zu fragen, ob er Näheres wusste, schreckte dann aber wieder davor zurück. Es klang paradox, aber irgendetwas in mir sperrte sich, mit ihm zu reden.
      Es mochte jetzt ein wenig spät sein, das Vertauen in ihn zu verlieren, aber Christians Worte hallten mir noch immer im Kopf nach: Du verkaufst dich wie eine gewöhnliche Prostituierte, nimmst sogar eine Schwangerschaft von einem Mann den du nicht einmal liebst in Kauf und wofür? Für Informationen, die du möglicherweise niemals bekommst.
      Das hatte mich getroffen. Es klang so wahr, auch wenn ich nicht sagen konnte, ob Christian etwas spürte, oder einfach nur eifersüchtig war. Irgendwie hatte es mein Misstrauen geweckt.
      Was, wenn Simon mir nicht alles sagte, was er wusste? Wenn ich ihm von meiner Entdeckung erzählen würde, könnte er vielleicht etwas unternehmen, das mir die Suche erschweren sollte...
      Das war alles so verwirrend, zumal ich ihn ja ausdrücklich um Hilfe gebeten hatte. Und jetzt misstraute ich ihm plötzlich.
      Ich nahm einen großen Schluck Tee aus der Tasse und blickte erneut auf das Blatt.
      Rational betrachtet ergab das alles keinen Sinn, beschloss ich. Dennoch entschied ich mich dagegen, ihn anzurufen.
      Ich konnte zumindest noch einmal einen Vorstoß auf eigene Faust machen und ihm dann davon berichten. Und sein Arztkittel würde mir dabei bestimmt gute Dienste erweisen, wenn ich mich nicht allzu auffällig benahm.
      Ich schlürfte die Tasse leer, schenkte mir nach und ging dann ins Badezimmer.
      Das Vollbad hatte ich mir jetzt wirklich verdient – zumal es eine der wenigen Gelegenheiten war, die es mir erlaubten, alleine mit mir selbst zu sein. Sogar Eric hatte ich dann immer den Zutritt in den Raum verwehrt, obwohl ich mir jetzt wünschte, es nicht getan zu haben.
      Ich vermisste seine zärtlichen Berührungen, seine Vorsicht – Simon gab mir nichts davon. Ich wusste, dass er es nicht mit Absicht tat, aber sein besitzergreifendes Wesen erlaubte es mir nicht, Spaß daran zu finden, was ich mit ihm tat.
      Alleine mit mir selbst konnte ich das möglicherweise nachholen, auch wenn ich mich fragte, ob es wirklich wichtig war. Aber auf der anderen Seite: was ist schon wichtig?
    • Mit einem kurzen Absatz melde ich mich aus der Versenkung zurück. Jetzt beginnt der Krimiteil hoffentlich wirklich. Keine Schnulzereien mehr, ich versuche es! Wie immer wird um Reviews gebeten, von daher im Westen nichts Neues!

      Edit: Es gibt eine neue Illu von Artemis
      Ist eine sogenannte Kakaokarte... Ich mags...

      Btw, wer sie bei ihrem Job sehen will, sollte mal in meinen Krakels-Thread
      kucken... (zumindest die letzte Seite...) Genug der Eigenwerbung...


      Ich stieg erst aus der Wanne, als das Wasser richtig abgekühlt war und ich mich nicht mehr darin wohlfühlen konnte. Dann schlüpfte ich in mein Nachthemd und beeilte mich ins Bett zu kommen.

      Ich kroch unter die Decke, aber richtig heimisch fühlte ich mich nicht. Instinktiv griff ich nach Erics Kissen und presste es an mich. Ich bildete mir ein, dass noch immer sein Geruch daran haftete, aber das war natürlich Unsinn. Stattdessen suchte ich nach einem inadäquaten Ersatz, den ich glaubte in jenem Kissen zu finden. Tränen rannen mir über die Wangen und ich verfluchte mich innerlich. Den ganzen Abend hatte ich verzweifelt versucht, mich vom Grübeln abzuhalten, aber kaum lag ich im Bett, brach alles wieder über mich herein. Ich vergrub den Kopf in Erics Kissen, unschlüssig, ob ich mich gehen lassen sollte, oder versuchten sollte, mich wieder zu fangen. Ich entschied mich für ersteres... und irgendwann hatte ich mich in einen traumlosen Schlaf geweint...
      ... aus dem ich am nächsten Morgen dank des Wecker gnadenlos gerissen wurde. Ich fühlte mich wie gerädert, wie als hätte ich kein Auge zugemacht, wusste aber zeitgleich, dass das nicht stimmen konnte.
      Reiß dich zusammen, Artemis! Deine Vorlesung wartet! Und der Anruf auch...
      Unwillig schleppte ich mich aus dem Bett...

      Als ich das Institutsgebäude betrat, war meine Müdigkeit zwar oberflächlich verschwunden. Das Brennen in den Augen erinnerte mich jedoch daran, dass es mir nicht wirklich gut ging. Dennoch besaß mein Körper die Fähigkeit von einem Moment auf den anderen bestimmte Bedürfnisse zurückzustellen, sobald ich mich an meinem Arbeitsplatz befand. Wie als wüsste er genau, wie er Dienst und Freizeit zu trennen hatte. Die Vorlesung stand ich, dank gut vorbereiteter – und drei Jahre alter – Notizen gut durch und nachdem niemand der Studenten eine Frage an mich hatte konnte ich guten Gewissens in mein Büro entschwinden. In meiner Tasche lag der dubiose Zettel nur darauf wartend, dass ich austestete, ob es sich bei jener Nummer um eine Telefonnummer handelte.
      Ich knallte die Tür hinter mir zu, warf meine Tasche auf einen Stuhl und hechtete ans Telefon. Mit schwitzenden Händen, ergriff ich das Gerät und nestelte den Zettel aus der Tasche. Mein Herz klopfte schneller, als ich es mir hätte träumen lassen, normalerweise war diese Art der Nervosität nicht gerade typisch für mich. Meine Gedanken rasten und ich merkte, wie die Ungeduld mich ungeschickt werden ließ. Kaum hielt ich den Zettel in der Hand, saugten meine Augen gierig die Ziffern auf und ich hämmerte sie in die Zahlentasten, während ich mit der anderen Hand den Hörer an mein Ohr presste. Es gab immer eine kurze Stille in der Leitung, bevor der Apparat sich mit dem Amt verbunden hatte und das obligatorische Tuten erklang. Dieses Mal kam mir dieser Moment wie eine Ewigkeit vor, doch als die Verbindung endlich stand, musste ich mir enttäuscht eingestehen, einer falschen Spur aufgesessen zu sein.
      Kein Anschluss unter dieser Nummer!
      Ich hätte es mir denken können. So einfach würde es nicht werden. Und genau in diesem Augenblick fasste ich meinen Entschluss. Ich hatte viel zu lange gewartet, mich viel zu lange abspeisen lassen. Damit war jetzt Schluss! Ich würde dem Klinikum noch einmal einen Besuch abstatten!

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von CAMIR ()

    • Määääh, wieder geht es weiter... Hatte leider letzte Woche die Word Doc nicht greifbar.
      Kritisiert doch mal wieder! Ich hoffe es wird nicht allzu kitschig...

      VII

      Als ich nach der Uni nach Hause kam, war meine Müdigkeit wie verflogen. Stattdessen hatte sie einem anderen Gefühl Platz gemacht, das man vielleicht am ehesten mit Bewusstheit beschreiben konnte. Ich glaubte regelrecht zu spüren, was auf mich zukommen konnte und welches Risiko ich möglicherweise einging. Aber das war mir egal.
      Unwillkürlich und gegen meinen Willen stellte sich mir die Frage, ob mir Simons Abwesenheit nicht zugute kam. Simon... Ein Schauer lief mir über den Rücken, als sich meine Gedanken ihm zuwendeten. Mein Verstand sagte mir, dass ich mich ihm gegenüber nicht fair verhielt und normalerweise glaubte ich meinem Verstand. Aber war es nicht auch so, dass das sogenannte Bauchgefühl in manchen Dingen über den Verstand siegte?
      Vermutlich befand sich mein Gefühl im Unrecht, so wie meistens, aber da Simon momentan sowieso abwesend war, konnte ich es zumindest einmal darauf ankommen lassen.
      Mit raschen Schritten ging ich in mein Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und holte Erics Arztkittel heraus. Ich überlegte kurzfristig, das Namensschild daran zu entfernen, ließ es dann aber aus zweierlei Gründen stecken: erstens respektierte ich Erics Dinge zu sehr, um sie zu zerstören und zweitens gehörte das Schild an den Kittel, wenn es fehlte würde es vermutlich auffallen und genau das wollte ich ja vermeiden.
      Ganz recht, ich versuchte mir mithilfe dieses Kleidungsstücks eine kleine Tarnung zuzulegen. Mir war schon klar, dass diese Tarnung nicht wirklich standhalten konnte, wenn man mich näher ansah, aber zumindest für flüchtige Blicke sollte es wohl ausreichen.
      Was erhoffte ich zu finden, was Simon mir nicht beschaffen konnte? Zunächst wollte ich noch einmal nach Erics eingelagerten Dingen sehen und diese auch mit nach Hause nehmen. Dafür brauchte ich den Kittel natürlich nicht.
      Er diente dem zweiten Grund meiner kleinen Expedition: ich wollte mir mithilfe von Erics Schlüssel Zutritt in sein ehemaliges Büro verschaffen und sehen, ob es dort irgendwelche verdächtigen Sachen gab. Und hoffen, dass mich in diesem Moment niemand beobachtete.
      Ich streifte das Kleidungsstück über und betrachtete mich im Spiegel. Auch wenn es für einen männlichen Körper geschneidert war, fiel es nur bei genauem Hinsehen auf, dass ich nicht hineinpasste. Meine leicht maskuline Statur kam mir dabei sicher zugute. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, nickte meinem Spiegelbild zu und wandte mich dann ab. Im Gehen griff ich mir noch eine von Erics wichtig aussehenden Aktentaschen und machte mich dann auf dem Weg.

      Als der eckige Gebäudekomplex der Kliniken vor mir aufragte wurde mir doch etwas mulmig. Ich versuchte das Gefühl zu unterdrücken, bog auf den Parkplatz ein und suchte mir eine freie Stellfläche. Dann stieg ich aus und versuchte so selbstbewusst wie möglich auszusehen.
      Die Gebäude selbst waren noch aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts und wirkten dementsprechend. Sie verfügten über große Fenster, Flachdächer und eine inzwischen trotz mehreren Renovierungsversuchen verschmutzte Fassade. Über dem Haupteingang der aus einer automatischen Flügeltür bestand prangte in großen Lettern ‚Universitätskliniken’. Ich war mir sicher, dass diese nach Anbruch der Dunkelheit anfingen zu leuchten.
      So schritt ich also über den Parkplatz, überrascht darüber, dass offensichtlich recht viele Besucher anwesend waren. Dann fiel es mir wieder ein, als Universitätsklinikum besaß dieses Krankenhaus einen besonderen Ruf. Viele Menschen setzten ihre letzten Hoffnungen auf eine dort stattfindende Behandlung.
      Wenn man bedachte, aus welchem Grund ich nun hier war, wurde mir schlecht.
      An der Tür angekommen, öffnete diese sich automatisch und kurz darauf befand ich mich im Inneren des Gebäudes. Die typische Geruchsmischung aus Desinfektionsmittel, Kantinenessen und Siechtum umgab mich sofort. Irgendwie hatte jedes Krankenhaus diesen Geruch an sich haften.
      Den Reflex zu unterdrücken, mich auffallend umzusehen oder gar an der Information nachzufragen, ging ich zielstrebig auf den Lift zu und drückte den Knopf. Ich hatte Eric ganz früher ein paar Mal hierher begleitet und wusste daher eigentlich, wohin ich zu gehen hatte. Ich konnte nur hoffen, dass man mich nicht allzu genau betrachtete. Ich prüfte noch einmal nach, ob ich die dubiose Rechnung und Erics Schlüssel auch wirklich eingepackt hatte und war erleichtert zu bemerken, dass dem tatsächlich so war. Beruhigt lehnte ich mich an die Wand, darauf wartend, dass der Lift kam.
      Danach ging alles recht schnell. Nach einer viel zu kurzen Fahrt stand ich vor den Toren der Station für Innere Medizin – Erics ehemaligem Arbeitsplatz. Ich atmete tief durch. Das ist es dann wohl – jetzt gibt es kein Zurück! Und trat ein.
      Innen herrschte geschäftiges Treiben und niemand schien mich wirklich wahrhaben zu wollen. Ein paar vorbeihuschende Schwestern nickten knapp und waren dann schon wieder verschwunden. Ich hatte kaum Zeit den Gruß zu erwidern, was vielleicht auch besser war.
      Ich konnte mich erinnern, dass Erics Büro damals am Ende des Korridors lag und so folgte ich meinen Erinnerungen.
      Ich konnte mich leider nicht mehr an den Anlass erinnern, zu dem er mich mit hierher genommen hatte, meinte aber, es hätte etwas damit zu tun gehabt, dass er mir einmal zeigen wollte, wie er denn arbeitete.
      Damals war ich aus Höflichkeit mitgegangen, heute war ich ihm dankbar dafür.
      Meine Schritte schienen ungewöhnlich laut auf dem Linoleumboden zu hallen und ich hatte trotz allem das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich fühlte mich selbst fehl am Platz und fragte mich, ob das nicht anderen doch auffallen sollte. Also beeilte mich, ohne gehetzt wirken zu wollen.
      Endlich am Ende des Ganges angekommen, sah ich die Tür vor mir aufragen, die ich gemeint hatte. Das Schild daneben sagte ‚Henrich /Thorwald’.
      Was?! Simon war nun in Erics altem Büro. Wie war das möglich?
      Ich schluckte und drückte die Klinke. Natürlich war abgeschlossen. Instinktiv griff ich in die Taschen des Kittels und versuchte den Schlüssel zu finden.
      Nach einigem Nesteln hatte ich ihn auf gefunden, zog ihn heraus und steckte ihn ins Schloss.
      Niemand auf dem Korridor schien etwas davon zu bemerken.
      Bevor sich das änderte, öffnete ich die Tür und schlüpfte in den Raum.
      Kaum etwas in seinem Inneren, erinnerte noch an Erics Büro, alles war komplett umgestellt.
      Zwei Schreibtische mit Computern darauf und jede Menge Regale mit Ordnern und Büchern füllten die Regale. Es waren so viele, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte.
      Vielleicht bei Simons Seite? Immerhin war mir neu, dass er nun diesen Raum nutzte. Seltsam war das schon. Ich trat einen Schritt vor, kniff die Augen zusammen und versuchte die Beschriftungen der Ordner zu entziffern. Alles schien gleichzeitig vielversprechend und doch nutzlos und mir war klar, dass ich nicht viel Zeit hatte.
      Ich machte Gebrauch von meinem Talent des Querlesens und überflog die meisten Sachen. Gerade, als ich meinte, etwas gefunden zu haben, dass vielleicht brauchbar sein könnte, hörte ich, wie sich hinter mir die Tür öffnete. Ich hatte es geahnt! Es hatte einfach passieren müssen!
      Ich hatte keine Zeit mehr zu entkommen und so drehte ich mich instinktiv um, um einem Mann gegenüberzustehen, den ich niemals zuvor gesehen hatte.
      „Wer sind Sie?“
    • ...ich könnte versuchen mich nach Rechtfertigungen umzusehen, aber ich denke das du längst mal die Erfahrung gemacht hast das, wer einmal ne treulose Tomate ist halt nunmal ne treulose Tomate bleibt... -.-

      Aber die Story entwickelt sich wie ich sehe auch ohne meine plumpen Kommentare (oder vielleicht auch grade deshalb^^) sehr gut, als eine sehr markante Stelle empfand ich den... - Showdown- zwischen Christian und Artemis in ihrem Büro, das hat auch fast dazu geführt das ich derzeit eher wieder Simon den schwarzen Peter zuschieben würde, okay, Christian liebt Artemis, das macht ihn verdächtig, aber er wirkte in der Passage doch recht aufrichtig, und Simon ist nunmal eher der mit der passenden Gelegenheit... hmm... Was noch..?
      Achja! Kritik!
      Die Stelle die Zeldagirl beschrieben hat fiel mir ebenfalls auf, auch auf den Ausdruck "wie ihm geheissen" stiess ich auch mal kurz nacheinander aber, mein Gott, is ja kein Beinbruch, etwas verwundert war ich nur an der Stelle nachdem Christian aus Artemis Büro gestürmt ist, ich hätte eher vermutet das er die Uni verlassen würde, ihm würde ja klar gewesen sein das Artemis in zu allererst in seinem Büro suchen würde, aber er wollte ja vermeiden mit ihr zu sprechen...
      Naja, okay, das ist nur subjektives Blabla, jeder würde vermutlich in so einer Situation anders reagieren, denk ich... und tja, ich glaub das wars dann auch... O.o

      Jedenfalls, nur Mut und weiter mit der Story!

      [Blockierte Grafik: http://i40.tinypic.com/2hdtmhc.jpg]

    • OMG fast einen Monat später geht es weiter mit der Fortsetzung. Die Geschichte ist nicht vergessen - ich war nur im Urlaub und hatte da zwar Internet aber keine Muße, weiterzuschreiben. Das ändert sich jetzt, ich verspreche regelmäßige Updates.

      @ Irrlicht: Ich bin so froh über den Review. Ich hatte schon Angst, das ganze Rumgeschnulze hätte dich abgeschreckt... aber mit "treulose Tomate" kann ich wunderbar leben. :D
      Trotzdem weiß ich die Kommis zu schätzen und es freut mich, dass dir mein Machwerk noch gefällt...
      Jaja... ich sage erst einmal nichts zum schwarzen Peter... Sagen wir nur: es ist nichts, wie es scheint...
      OMG... sprachliche Doppelungen... Wenn sowas kommt, immer sagen. Bin auch um Handwerkliches dankbar.
      Dazu warum Christian die Uni nicht verlassen hat: ich hatte mir immer noch vorgestellt, dass er danach nochmal eine Veranstaltung halten muss und daher seinen Arbeitsplatz nicht verlässt, aber das hätte ich vllt. besser kennzeichnen sollen.

      Und damit geht es dann endlich mal weiter... mit der Auflösung des Cliffhangers. Und vielleicht schon wieder dem nächsten? ;)

      Wenn ich eines in meinen langen Jahren der Berufserfahrung gelernt habe, dann, keine Nervosität oder gar Angst nach außen zu tragen. Es macht einfach keinen guten Eindruck, zitternd vor über zweihundert Studenten zu stehen und keinen Ton herauszubringen, weil der Adrenalinspiegel ins Unermessliche gestiegen ist. Daher hatte ich mir schnell angewöhnt, äußere Signale zu unterdrücken, auch wenn mein Herz bis zum Anschlag raste und sich auf meinen Handflächen eine dünne Schweißschicht bildete. Es ist unnötig zu erwähnen, dass diese Fähigkeit sich gerade als äußerst nützlich erwies.
      Scheinbar seelenruhig ging ich ein paar Schritte auf den Mann zu, während in meinem Kopf Wortfetzen rasten. Fieberhaft versuchte ich mir eine Antwort zu überlegen, die halbwegs überzeugend klang und mir war klar, dass ich dafür nur Sekundenbruchteile Zeit hatte.
      Die Wahrheit kam natürlich als allerletztes in Frage, das war klar... aber zumindest ein kleiner Teil der Wahrheit...
      Ich bemerkte, dass er begann ungeduldig zu werden, weil ich wohl gerade den Zeitabstand überschritten hatte, der für eine angemessene Antwort allgemein akzeptabel war. Und deshalb ertappte ich mich dabei, wie folgende Worte aus meinem Mund flossen:
      „Oh, entschuldigen Sie bitte. Anscheinend wurden wir einander noch nicht vorgestellt. Ich bin Schwester Inge Theissen aus der Urologie. Man hat mich gebeten, aus diesem Zimmer ein paar Unterlagen zu holen. Und da niemand hier war und die Tür offen stand, bin ich einfach hinein gegangen. Es tut mir leid.“
      Er sah mich argwöhnisch an. Eine durchaus verständliche Reaktion, wenn man bedachte, dass meine Geschichte mehr Löcher hatte, als ein Schweizer Käse. Ich hoffte nur, er würde sie lange genug schlucken, um mich aus dem Staub zu machen.
      Zunächst lächelte ich erst einmal gewinnend.
      „Inge Theissen, sagen Sie?“
      „Ja...“
      „Nie gehört den Namen... obwohl... ich hatte mal einen Kollegen namens Theissen. Eric Theissen... er ist vor einem guten Jahr verstorben.“
      Bildete ich mir das ein, oder hatte er gerade das letzte Wort besonders betont? Ich bemühte mich, möglichst keine Reaktion zu zeigen und senkte den Blick.
      „Oh...“
      Langsam bewegte ich mich in Richtung Tür. Etwas, das dadurch erschwert wurde, dass er mir den Weg blockierte. Ich lächelte erneut – auch wenn es dieses Mal höchstwahrscheinlich zu einer Fratze verkam. Die Nervosität wich langsam aber sicher Panik. Irgendetwas war hier nicht richtig.
      Er ergriff meinen Arm und ich war nicht schnell genug, um ihn wegzuziehen.
      „Sie sagen, die Tür stand offen?“
      „Oh... habe ich das gesagt?“
      „Haben Sie. Und das, obwohl ich genau weiß, dass ich sie immer verschließe...“
      „Was ich... was ich damit meinte, ist... sie war nicht abgeschlossen.“ Du bist mir ja eine schöne Linguistin!
      „... und abschließe.“
      Ich holte tief Luft und versuchte sämtliche Emotionen zu verdrängen.
      „Das ist interessant, denn wie ich bereits sagte, sie war nicht zugeschlossen.“
      Er zog mich an meinem Arm näher zu sich hin und ich spürte, wie sein Händedruck zu schmerzen begann.
      „Sie lügen.“
      Ich senkte erneut den Blick und widerstand der Versuchung meinen Arm abrupt fortzuziehen und zu schreien.
      „Ich... ich...“
      Und dann geschah etwas absolut Unglaubliches:
      „Sie sagt die Wahrheit!“ rief eine Stimme aus der Richtung des Türrahmens.
      Überrascht drehte sich mein Gegenüber um und auch ich warf einen Blick in die Richtung aus der der Ruf kam. Eine kleine, etwas korpulentere Frau mittleren Alters, die den Kittel einer Krankenschwester trug, rückte in mein Blickfeld. Auf ihrem Namensschild prangte der Name „Helbig“.
      „Wie bitte?“ hörte ich den Mann sagen und ich hätte um ein Haar dasselbe ausgerufen. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten, um mich selbst nicht Lügen zu strafen.
      „Sie haben mich schon richtig verstanden, Herr Dr. Thorwald. Diese Schwester sagt die Wahrheit. Ich war vorhin in diesem Raum, um ein paar Operationsberichte abzuholen und schloss absichtlich nicht ab, damit ich es später einfacher hätte, sie zurückzubringen.“
      Diese Frau log. Und das ohne mit der Wimper zu zucken. Und das auch noch, um mir aus der Patsche zu helfen... Ich zwang mich, ruhig stehen zu bleiben, um die bröcklige Fassade zumindest noch ein wenig aufrecht zu erhalten. Stattdessen nickte ich zustimmend.
      Thorwald blickte konsterniert von Schwester Helbig zu mir. Dann ließ er mich zögerlich los. Sofort zog ich den Arm zurück und rieb mir über die Druckstelle. Während ich mich unauffällig zur Tür begab, lauschte ich dem Gespräch weiter.
      „Das... das ist... Sie wissen doch genau, dass ich darauf bestehe, dass dieser Raum abgeschlossen wird.“
      Sie nickte.
      „Ich hatte einfach gehofft, Sie würden es nicht bemerken.“
      „Ich wünsche nicht, dass dies noch einmal vorkommt...“
      Mehr hörte ich nicht mehr, weil ich in diesem Moment den Gang betrat. Betont lässig und langsam entfernte ich mich von der Tür. Ich hoffte immer noch, ein paar Worte mit dieser Krankenschwester wechseln zu können und hatte deswegen keine Eile.
      Dafür schossen mir tausend Fragen durch den Kopf und sie hatten alle mit Simon zu tun, dem Mann, dessen Kind ich trug.
      Thorwald hatte sich eindeutig verdächtig verhalten. Vor allem was seine Angst anging, den Raum geöffnet zu hinterlassen. Und Simon teilte das Büro mit ihm. Das machte ihn auch verdächtig. Ich spürte wie ein kalter Hauch nach meiner Kehle griff und lehnte mich an die Wand. Nicht Simon! Das durfte nicht sein. Das konnte nicht sein!