Shadowrun-Shorts

    • Shadowrun-Shorts

      Sodele, ich wollte einfach mal ein paar Kurzgeschichten von mir hier reinstellen :) Da normal keiner was kapieren wird: Die Kurzgeschichten sind eigentlich "Anhänge" zu Charakteren von mir, deshalb sollen sie eigentlich vor allem eine Atmosphäre erzeugen und den Charakter einigermaßen rüberbringen. Die Charaktere sind aus dem RPG Shadowrun (wer es nicht kennt, hier gibts ne gute Kurzinfo) und, naja, ich stell erstmal drei rein und wenn der Wunsch danach besteht, später mehr ^_^''

      Der erste Charakter ist ein Spinnenschamane aus Seattle, der einen erbitterten Kampf mit Insektengeistern aufgenommen hat, seit ihn seine große Liebe auf dem College benutzt hat, um solche Dämonen zu beschwören und zu verbreiten, was er nie überwunden hat.
      Der zweite Charakter ist ein total durchgeknallter Psycho, ein ehemaliger Magier bei Saeder-Krupp, der bei einem Kriegseinsatz in Marokko verheizt werden sollte, um einen strategisch wichtigen Punkt einzunehmen. Er überlebte gerade so nach einem wochenlangen Spießrutenlauf durch die Wüste und übt nun Rache an den Verantwortlichen von damals...
      Der dritte schließlich ist ein Ex-Militär der UCAS (Nachfolger der USA), der zu einer "Friedensmission" nach Chicago geschickt wurde, als dieses von Ghulen und Insektengeistern eingenommen wurde. Statt Überlebenden zu helfen, sollte sein Team jedoch nur strategisch wichtige Punkte auskundschaften. Ares warf eine Bombe mit magisch aktiven Bakterien über der Stadt ab, sozusagen ein Killervirus für astrale Wesen - wie Ghule, Insektengeister und Magier.


      GALOEDES (The story of Dan Timmons)

      Das Neonlicht flackerte leicht. Galoedes hob den Kopf und sah misstrauuisch auf seine Armbanduhr. Keine Nachricht der anderen. Also war es entweder Zufall oder...
      Der Griff des Schamanen um seinen Kampfstab verstärkte sich leicht. Oder es waren die Monster. Schritt für Schritt tastete Galoedes sich durch den dunklen Gang nach vorne. Der abgewetzte, rote Teppichboden unter seinen Füßen knirschte leise, Staub rieselte von den Wänden und der Decke. Galoedes wusste, dass der Schein trog. Dieses Gebäude war weder verlassen noch harmlos.
      Die Neonbeleuchtung sprang wieder an und

      enthüllte ihr Gesicht, als sie ihm verführerisch zulächelte. "Guten Morgen, Schatz, wie geht es dir?" Dan erwiderte das Lächeln nicht. "Hör auf mit dem Theater, Kim. Was hast du mit Sean gemacht?" Die Angesprochene kicherte leise und senkte den Blick. "Wer weiß? Vielleicht hat er sich in mich verliebt und hat die Stadt verlassen. Was weiß ich? Es kümmert mich nicht. Komm zu mir und..." Sie lächelte eindeutig und breitete ihre Arme aus. Lud ihn ein. Wie zufällig verrutschte dabei ihr zartblauer Bademantel und enthüllte jede Menge, mehr, als Dan lieb war. Diesmal wollte er widerstehen. Langsam machte er einen Schritt vorwärts und

      blickte vorsichtig um die Ecke. Irgendwo hier musste das Vieh stecken, er konnte das Kratzen des Chitins in seinem Kopf hören. Ein Zischeln, Kratzen, Schaben... Galoedes schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. ‚RAUS AUS MEINEM KOPF!' Plötzlich hörte er ein Geräusch. Diesmal nicht in seinem Kopf. Blitzschnell wirbelte er herum und sah einen dunklen Schatten unter der Treppe verschwinden. Jagdzeit.
      Galoedes umfasste seine Waffe fester und jagte dem Schatten hinterher. Im Rennen schickte er eine Message an sein Team ab, damit es wusste, dass

      das so nicht weitergeht!" Dan atmete tief durch. "Verdammt, ich weiß, dass du mich betrügst und ich weiß, dass du mich verarschst, aber das war mir bisher egal, aber... Ich will wissen, was du mit Sean gemacht hast!" Kim kicherte leise und schob den Bademantel noch ein Stück zur Seite. Sie trug nichts darunter. Kokett schob sie eine Strähne ihres blonden, gelockten Haares hinter ihr spitzes Elfenohr. "Och, Schatz... du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich liebe doch nur dich... Du liebst mich doch auch, oder?" Sie legte den Kopf schief und lächelte verführerisch. "Komm, du... unser letztes Mal ist so lange her, ich brauche dich jetzt..." Kim schob ihren Bademantel noch weiter auseinander, und enthüllte damit auch ihren Schritt. Dan sah

      den Schatten hinter einer Tonne verschwinden. Das Chitinknäuel wusste, dass er da war. Überlegend wog er seinen Stab in der Hand und sah sich nach einem Versteck für den Notfall um. Hinter der anderen Tonne konnte er sich verbergen und dann aus dem Hinterhalt zuschlagen, wenn dann der Geist herumwirbelte, dann konnte er sich dort auf dem Brett abfangen und zur Decke klettern. Dann ein, zwei Pfeile und... Ja, das war gut. Leise schlich er zu seiner Tonne und ging leicht in die Knie, um

      seine Pistole aus seinem Tarnhalfter zu ziehen und auf Kim zu richten. Seine Augen flackerten kalt. Er hoffte, dass sie nicht merkte, dass er bluffte. Die Waffe war geladen, aber er wusste, er könnte nie schießen. Dan schluckte und versuchte, seine Stimme hart klingen zu lassen. "Kim, Schluss mit der Maskerade. Was hast du mit Sean gemacht? Er hat die Stadt nicht verlassen, und er war auch nicht in dich verliebt. Was hast du mit ihm angestellt?"
      Das Lächeln auf Kims Gesicht gefror, als sie in den Lauf der Manhunter blickte. "Aber, aber Schatz... was soll das? Komm doch, du wirst schon wieder paranoid. Wie damals, als du von den Insekten geträumt hast... Komm doch, mein Schatz, komm zu mir und vergiss deine Sorgen..." Mit einer raschen Bewegung strich sie den Bademantel ab und ging mit ihrem tänzelnden Schritt nackt auf ihn zu. Mit eindeutiger Absicht kniete sie sich vor ihn. "Komm her und wir beide können... in aller Ruhe..." Sanft versuchte sie, den Lauf der Waffe zur Seite zu schieben.
      Dan umfasste ihre Hand mit hartem Griff und drückte zu. "Sag mir erst, was mit Sean passiert ist."
      Kim schüttelte sanft den Kopf und lächelte sanft. "Weißt du, Dan, es gibt Dinge, die möchtest du nicht wissen. Glaub mir... Schatz, komm einfach zu mir und wir können zusammen vergessen, dass


      dort hinter dieser Tonne immer noch ein Schabengeist lauerte! Galoedes schüttelte unwillig den Kopf. Nicht in Erinnerungen verlieren. Angreifen. Galoedes packte seinen Kampfstab fest, wirbelte herum und sprang über die beiden Tonnen. Mit einem widerwärtigen Knacken sauste der Kampfstab auf den Panzer der Kreatur nieder, dieser verspritzte eine grünliche, schleimige Flüssigkeit. Mit einem heiseren Fiepen sauste der Schabengeist davon und auf die Tür zu. Verdammt! Galoedes setzte hinter ihm her, denn die Tür

      öffnete sich plötzlich und enthüllte, dass das Zimmer dahinter in tiefe Dunkelheit gehüllt war. Kims Lächeln erstarrte und sie blickte entsetzt zur Tür. "Sean... nein, bleib... du..." Hilfesuchend suchte ihr Blick zwischen Dan und dem Zimmer hin und her. Plötzlich war ein menschlicher Umriss in der Tür zu erkennen. Kim klang, als hätte sie körperliche Schmerzen. "Bitte, Sean, bleib da, du... Dan, nein, bitte... Komm her zu mir, du... nein..." Dan ging einen Schritt auf die Tür zu, die Waffe immer noch auf Kim gerichtet und

      zog im Laufen seinen Bogen vom Rücken und lud einen Pfeil. Mit einer oft geübten Bewegung ging er in die Knie und legte an. Aus den Augenwinkeln realisierte er, dass hinter der Tür

      Sean hervortrat. Doch es war nicht mehr Sean, der dort hervor kam... Es war ein Monster in Seans Körper, dem Facettenaugen und Mandibeln gewachsen waren. Das Vieh hatte außer zwei Armen zwei weitere Armstummel, mit denen es hektisch herumzuckte und betrachtete Dan stumpf. Seine Mandibeln klackten bedrohlich. In diesem Augenblick verstand Dan. Seine Augen weiteten sich und seine Hand zitterte. "Kim... du... du... du hast mich benutzt... In...sekten?" Sein verzweifelter Blick suchte den von Kim, auf der Suche nach irgendetwas, das seinen grauenhaften Verdacht wiederlegen könnte. Doch sie sah ihn nur von ihrer knienden Position traurig und um Verzeihung bittend an, bedeckte ihre Scham mit den Händen und

      sah sich kurz um, als hätte der Geist etwas geahnt. Mit einer schnellen Bewegung korrigierte Galoedes seine Schussrichtung, zielte dem Biest zwischen die Augen und

      schoss Kim mitten ins Gesicht. Ihr letzter Blick drückte Verwunderung aus und

      Erleichterung, dass das Biest sich nicht mehr rührte. Mit einer routinierten Berührung kontrollierte er, dass der Körper tot am Boden lag. Galoedes atmete tief durch. Einer weniger. Einer mehr auf seiner Liste. Seine Lippen verzogen sich zu einem halbherzigen Lächeln. Zu viele übrig.

      Mit langsamen Schritten ging Galoedes zum Eingang des Hauses zurück und gab seinem Team das Zeichen, dass alles okay war. Keine weiteren Komplikationen.





      COBWEB (The story of Odan Wayster)

      "Lass mich in Ruhe!" Die Stimme des fetten Buchhalters überschlug sich vor Panik, als er den spiegelnden Gang hinunterrannte. "Lass mich...einfach in Ruhe!" Die Neonröhren waren ausgefallen und der Gang war in ein düsteres, flackerndes, blaues Licht getaucht. Und dieses Licht kam von... Nein, nicht darüber nachdenken! Irgendwo hier musste doch die Tür zur Zentrale sein? Oder irgend eine andere? Noch mehr Panik überflutete den Mann, als ihm bewusst wurde, dass er sich total verrannt hatte. Nervös sah er sich um und sah das blaue Flackern bereits um die Ecke biegen. Und dann prallte er frontal gegen eine Wand. Sackgasse.

      Lautlos schwebte glitt die Gestalt etwa einen halben Meter über der Erde über die Erde. Ein androgynes Gesicht lächelte den beleibten, schwitzenden Mann kalt an, in altertümliche, nachtschwarze Kleidung gehüllt, weite Gewänder, die leicht über den Boden schleiften. Ein undefinierbares, eisblaues Leuchten ging von der Gestalt aus und tauchte den Gang in ein unheimliches Licht, die farblosen Augen spiegelten das Licht genauso wie ein Anhänger, ein gekrümmter Gegenstand der aussah wie ein Stück...
      Nein, nicht darüber nachdenken! Entsetzt versuchte sich James Gonara weiter an der Wand entlangzudrücken, aber er war in der Falle. In diesem Moment sah er die blassen Umrisse der Tür. Direkt hinter der... Gestalt. Aber auch wenn er dort gewesen wäre, hätte die Tür ihm nichts genutzt - ohne Strom war sie genauso nutzlos wie die Neonlichter. Die Gestalt verzog ihre Lippen zu einem grausamen Lächeln und hob einen ihrer - oder seiner? - Arme. Strohartige Fasern ragten heraus. Auf James wirkten sie wie Adern, die aus dem Armstumpf eines abgetrennten... Schluss!
      "Mister... Mister, wie auch immer, ich weiß nicht, wer sie sind, aber ich bin mir sicher, wir können ins Geschäft kommen!" James stellte zufrieden fest, dass seine Stimme weniger zitterte, als er befürchtet hatte. Sein Aftershave ließ ihn schmählich im Stich und er roch streng nach Schweiß und wahrscheinlich würde bald auch der einer vollen Unterhose dazukommen. Aber das war jetzt nebensächlich. "Mister... Mister Shadowrunner, ich biete ihnen zwanzigtausend Nuyen und Zugang zu sämtlichen Konten des Konzerns, zu denen ich Zugriff habe, aber... bitte verschonen sie mich, ich habe Frau und Kinder und..."

      Die Gestalt lächelte nur. "Oh, ein korrupter Angestellter. Saeder-Krupp wird es freuen, dass ich sie aus ihren Reihen tilge." James kroch noch enger an die Wand, als könnte sie ihm Schutz bieten. "Warum... warum tun sie das? Wer sind sie?"
      Die Gestalt lächelte weiter. Immer weiter, als wäre das alles ein großartiges Trideoschauspiel. "James Gonara, ich werde sie töten. Ich will kein Geld und ich will keine Konten, ich will etwas viel Wertvolleres... Rache." Die Gestalt schwebte langsam näher. "Aber bevor ich sie wie den Eiterpickel ausdrücke, der sie sind, sollen sie wissen, wer sie getötet hat. Ich bin Sergeant Odan Wayster."

      James schüttelte entsetzt den Kopf. Das konnte nicht sein. "Das... das ist nicht möglich! Verdammt, Odan Wayster ist tot, er ist vor Jahren gestorben, in den Wüstenkriegen, ich habe selbst dafür gesorgt, dass er..." James verstummte urplötzlich. Die Gestalt lächelte weiter.
      Mit einer langsamen Geste schob sie den Ärmel ihres Umhangs zurück. Zwischen vielen Narben, neueren, alten, weißen, rot verkrusteten, Schürfnarben, Schnittnarben, war eine Nummer zu erkennen. 247-28269-2621-36. James Stimme krächzte nur noch, als er wieder zum Sprechen ansetzte. "Das kann nicht sein... sie müssen tot sein!"

      Die Gestalt lächelte immer noch. Immer dasselbe, kalte, grausame Lächeln. Mit einer fahrigen, fast beiläufigen Bewegung holte er einen hölzernen Nussknacker aus seinem Umhang. Und eine Walnuss. Grausam langsam legte er die Nuss in den Nussknacker und lächelte dabei James freundlich zu. Dann verstärkte er den Druck auf die Nuss. James wiederholte seinen letzten Satz, diesmal schrie er ihn. "SIE MÜSSEN TOT SEIN!"
      Freundlich lächelnd beugte sich die Gestalt - Odan? - fast verschwörerisch zu James herunter und lächelte ihm zu. "Wissen sie, James, ich werde ihnen ein letztes Geheimnis verraten. Sie denken, ich müsste tot sein. Nun..."

      Mit einem lauten Knacken zerbarst die Nuss im Nussknacker und ein heller Lichtblitz durchzuckte den Gang. Eine übel riechende Rauchwolke bahnte sich ihren Weg und die autarken Rauchmelder versuchten verzweifelt, ein Notsignal zu senden. Aber niemand hörte sie schreien.
      Leise und geübt verstaute die Gestalt den Nussknacker in ihrer Jacke, landete sanft auf dem Fußboden und verminderte ihr blaues Leuchten.
      "Nun... das bin ich auch."

      Als Cobweb sich umwandte und den Gang zurückließ, blieb nichts zurück als ein dunkler Schmauchfleck und ein paar zerbrochene Nussschalen.




      PHLEG MEDIC (The story of Frederic Jarquan)

      Es war ein kalter Tag. Frederic Jarquan fühlte, wie der Wind durch seine Haare strich, sie sanft zerzauste und dann wieder freigab. Doch er nahm es nicht bewusst war, seine Gedanken waren weit, weit fort. White Dove.
      Der Sonnenuntergang über Chicago färbte die Straßen in einer Farbe, die an getrocknetes Blut erinnerte. Jarquan schauderte bei dem Vergleich und bei der Erinnerung - zu viele Erinnerungen. Er fröstelte. Mit einer zögerlichen Bewegung zog er seine Jacke enger um sich. Ob jetzt wohl die Frau auch friert...? Seine Gedanken wanderten zurück zu der Frau, die er vor zwei Tagen gesehen hatte. Seine Vorgesetzten sagten ihm, sie wäre böse, seine Soldaten sagten ihm, sie wäre böse. Aber er konnte sie nicht vergessen, ihre spitzen Zähne, ihre weißen Augen, mit denen sie ihn flehend, vorwurfsvoll ansah, und doch so leer... leer.
      Leer wie die Straßen. Jarquan wusste genau, es war notwendig gewesen. Die Insekten waren einfach zu viele gewesen, einfach zu verdammt viele, sie mussten hart vorgehen. Aber woher nahmen sie alle die Gewissheit, dass die Bomben wirklich zwischen Freund und Feind unterscheiden konnten...?
      Frederic Jarquan schob den Gedanken resolut beiseite und drehte sich vom Horizont weg, weg vom Blut. Er brauchte keine Melancholie.
      Er brauchte jetzt nur einen guten Soykaf.

      In der Nacht kamen die Flieger. Jarquan wusste nichts von ihnen. Sie waren einfach da und warfen ab. Bomben. Niemand wusste, was es war, bis ihr Magier plötzlich aus der Nase blutete und umfiel. FAB. Die Geheimwaffe der Militärs. Der Tod alles Magischen.
      Jarquan verstand genug von Magie, keinen Blick ins Astrale zu werfen. Und er verstand genug von Taktik. Die Stadt war verloren. In Washington hatte es zweifellos den Befehl gegeben, Chicago zu reinigen, koste es, was es wolle. Die Mauer war zu einem tödlichen Hindernis geworden. Niemand kam mehr heraus. White Dove, die weiße Taube, war zum Abschuss freigegeben.
      "Sir?" Der junge Rekrut war noch außer Atem, als er hinter Jarquan ins Zimmer trat. Frederic gab nur ein zustimmendes Grunzen von sich. "Wir haben hier Probleme... Ghule." Jarquan runzelte die Stirn, wandte sich um und betrachtete den Rekruten. Er war noch jung, vielleicht 18, jünger? Hatte wohl ein falsches Alter angegeben. Nervös strich er sich durch sein braunes Haar. "Ja... sie scheinen von diesem Fab-Zeugs auch angegriffen zu werden und jetzt machen sie uns verantwortlich."
      Jarquan straffte die Schultern. "Stellung halten. Niemand will jetzt eine Panik. Zur Selbstverteidigung auch Gewalt anwenden, ansonsten den Mob unter Kontrolle halten. Ihr Name?" Der junge Rekrut salutierte. "Jack Fletcher, drittes Regiment, Sir." Jarquan nickte. "Abtreten."
      Fluchtartig verließ der Rekrut den Raum und überließ Jarquan seinen Gedanken. 'Die Ghule... auch angegriffen... machen sie uns verantwortlich...' Er konnte es ihnen nicht verdenken. Sie waren verantwortlich. Frederic vergrub das Gesicht in den Händen. Erinnerungen... Verantwortlichkeiten.
      In der Ferne trommelten die Bomben weiter.

      Am nächsten Morgen waren die Ghule nicht mehr aufständisch. Sie waren tot. Grüne Wolken aus FAB-Bakterien hatten die Straßen durchzogen und alles Leben ausgelöscht, Freund wie Feind. Jarquan sah den Körper der jungen Frau, um eine Laterne geklammert. Sie blutete aus der Nase. Alle bluteten sie aus der Nase, alle Ghule, alle Insektengeister, alle Magier, die sie fanden. Und sie fanden viele. Jarquan ballte die Faust. Gestorben gegen einen Gegner, den man nicht sehen und nicht bekämpfen kann. War das das Versprechen der glorreichen UCAS...?
      Die Frau sah ihn an. Aus weißen, flehenden, vorwurfsvollen, leeren Augen.

      Das Loch rauchte noch. Nichts war mehr übrig von der Cermak Street als ein rauchendes Loch, überzogen mit seltsamem Schleim. Jarquan schüttelte entgeistert den Kopf. Ein unbestimmtes Flirren schwebte über dem Einschlagspunkt der Bombe. Astral gesehen war die Stadt ein Alptraum. Frederic wünschte, er könnte diesen Anblick mit jemandem teilen. Mit irgendeinem anderen Magier. Aber es gab keine anderen mehr.
      Chicago war ein Grab. Frederic Jarquan senkte den Blick. Seine Stadt. Ein Grab.
      Sein Grab.

      "Und nun das neueste vom Tage. Wie führende UCAS-Militärs berichten, konnte gegen die Terroristen in Chicago ein durchschlagender Erfolg erzielt werden. Durch den gezielten Einsatz von magisch-biologischen Waffen konnten mit minimalen Verlusten der Zivilbevölkerung beinahe alle feindlichen Stützpunkte vernichtet werden. Ein sichtlich zufriedener General Flatbottom sprach von einem 'geradezu chirurgischen Schlag für Freiheit und Gerechtigkeit'. Vor einigen Monaten hatten führende Terroristenführer den Ausbruch von VITAS in Chicago genutzt, um in der Stadt ihre eigene Machtbasis zu errichten. Zum Sport. Die Seattler Huskies gewannen im Auswärts-Derby gegen die..."
    • Nicht übel, gar nicht übel - schade, dass es nur Kurzgeschichten sind, denn daraus könnte man durchaus etwas Längeres machen, ganz besonders Geschichte 2 hätte viel länger sein können. ^^ So aber auch ziemlich gut, keine Fehler, guter Stil, alles in bester Ordnung. :)

      ...Auch wenn ich von Shadowrun noch nie etwas gehört habe... :ugly:


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Stell nochmal drei rein, vielleicht kommt dann ja etwas mehr Feedback ;)
      Numero eins ist ein Amnesie-Patient, persönliches Projekt von mir - ich hab in einem Shadowrun-Forum angefangen und das ganze Forum war bei seiner Backstory beteiligt.
      Nummer zwei ist ein etwas kauziger Magier, der steif und fest überzeugt ist, dass er in der Matrix (genau, der Film) lebt und seine Magie nur eine subtile Manipulation des Codes ist. Den Astralraum nimmt er sogar wahr wie Neo. Klar, er ist Psioniker, aber das wird er nie akzeptieren...
      Nummer drei schließlich ist ein technophiler Drohnenrigger, der in seiner Kindheit für die Voodoo-Kriege zum magischen Krieger ausgerüstet werden sollte, aber in seiner Ausbildung lief etwas schief und er wurde von einem toxischen Geist besessen. Unter dessen Zwang tötete er sein ganzes Dorf und floh verstört nach Seattle, wo er gegen Geld seine Magie komplett zerstören ließ... Er wurde zu einem Drohnenrigger, einem Menschen, der durch Gedanken zahllose kleine Roboter und Fluggeräte steuern kann... "Mein Name ist Legion, denn wir sind viele."


      DRAYG (The story of ???)

      Alles war so dunkel... alles... wieso war alles so dunkel? ER versuchte vorsichtig die Augen zu öffnen, aber es ging nicht. Es schien ihm, als wären seine Lider mit Bleigewichten zugehängt. Er konnte auch nichts bewegen, weder seine Arme, seine Beine noch seinen Kopf. Alles, was er konnte, war Schmerz empfinden. Starken Schmerz. Überall. Mit größter Anstrengung versuchte er noch einmal, die Augen zu öffnen.
      Diesmal klappte es. Er sah eine graue Decke. Eine Lampe. Hell... ihr Licht brannte in seinen Augen, durch seine Augen hindurch direkt in sein Gehirn hinein... Dann sank er wieder weg in die Welt der gnädigen, schmerzlosen Ohnmacht.

      Kühle. Ein kühler Hauch wehte IHN von der Seite an. Wer war er? Wo war er? Es war ihm egal. Er wollte nur weiterschlafen, immer weiter...
      Was war los? Mit einer schier übermenschlichen Anstrengung versuchte er die Augen zu öffnen. Er schaffte es, einen Spalt Licht zu erhaschen, und damit stürzten die Eindrücke auf ihn herein: Der matte Geruch nach Motoröl und Chloroform, die harte, kalte Liege, auf der er lag, ein bitterer Geschmack nach Schleim auf seiner Zunge, das leise Knattern irgendeines Geräuschs im Hintergrund, seine Arme, auf denen sich Gänsehaut abzeichnete. Die graue Decke. Vorsichtig versuchte ER, seinen Kopf zu drehen, aber es ging nicht. Sein Kopf war festgestellt. In einer Schraubzwinge. Was war los?

      Wieder Kühle. Diesmal fühlte ER, dass er nicht allein war. Wieder dauerte es einige Minuten, bis er die Augen öffnen konnte, doch diesmal lohnte es sich: Er blickte in das nervöse Lächeln eines älteren Mannes, der auf bizarre Weise dem Weihnachtsmann ähnelte: weißes Haar, weißer Vollbart, blaue Augen. Nur statt der roten Bommelmütze trug er eine Basecap und statt dem Mantel einen ölbefleckten Blaumann.
      Naja, was konnte man in seiner Lage groß erwarten. Immerhin besser als ein Osterhase.

      Der Mann lächelte nervös und beugte sich über ihn. "Ah, ich sehe, mein Patient ist wach... Wie geht es ihnen?" ER versuchte etwas zu sagen, aber seine Zunge war wie am Gaumen festgeklebt. Als er wieder versuchte, den Kopf zu drehen, knackte es unangenehm in seinem Genick. "Oh, ich verstehe, einen Moment." Der Weihnachtsmann-Techniker tauchte kurz aus seinem Blickfeld ab und ER spürte, wie der Druck der Schraubzwingen von seinem Kopf wich. Vorsichtig drehte er den Kopf und sah sich um. Er schien sich in einer Art Allzweckraum zu befinden - er sah ein Motorrad, dass offensichtlich repariert werden sollte, eine weitere Arztliege und eine Kochnische. Über Verbindungen dieser drei Tätigkeitsfelder dachte er lieber nicht nach. Dann tauchte der Weihnachtsmann wieder auf. "So, wie ich sehe, geht es meinem Patienten wieder besser." Er lachte und machte dabei ein eigenartig glucksendes Geräusch. "Mit wem habe ich denn die Ehre?"
      ER wollte antworten, aber in diesem Moment fiel ihm auf, dass er es nicht wusste. Er wusste nichts mehr. Sein Name? Wo kam er her? Irgendetwas? Panik braute sich in ihm zusammen und sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Ihm wurde fast übel vor Angst. NICHTS? Um irgendetwas zu sagen, sprach er das erste sinnvolle Wort aus, dass ihm in den Kopf kam. Seine Stimme war heiser, seine Zunge klebte an den Zähnen und seine Lippen waren taub, aber er verstand sich selbst. "Drayg."



      GHOSTWRITER (The story of Titus Maweiogh)

      Der Gang war kahl. Ghostwriter atmete tief ein und betete zu einem Gott, wenn es ihn gab. Bitte, der Gang war kahl, okay? Der Gang war kahl.
      Vorsichtig spähte der Runner um die Ecke. Der Gang war nicht kahl. Scheiße.
      Mehrere Türen gingen vom Gang ab, vier Säulen stützten die Decke und dazu standen noch einige dichte Pflanzen herum. Irgendwo da vorne musste einfach ein Hinterhalt liegen, das ging gar nicht anders. Ghostwriter bedeutete seinem Team, zurückzubleiben. Er hatte noch einen Trumpf. Die Gardisten wussten zwar, dass sie keinen Magier hatten, aber sie wussten nicht, dass sie einen Codesurfer dabei hatten. Er verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Die meisten wussten nicht einmal von Codesurfern.

      Ghostwriter konzentrierte sich und schloss die Augen. Zuerst war alles schwarz, dann fingen die grünen Zeichen der Macht an, herabzufallen, immer mehr, immer dichter. Sie formten blitzschnell Flächen, Formen, Gegenstände. Ghostwriter öffnete die Augen wieder. Jetzt betrachtete er die Matrix durch die Augen des Codesurfers. Jetzt sah er den Code. Er setzte seinen Codekörper auf dem Boden ab und ließ seinen Geist schweifen.
      Verblendete Magier nannten es "Astrale Projektion", aber er wusste es besser. Er war nicht wie sie. Er war erleuchtet. Sein Geist strich vorsichtig durch die codegenerierten Gänge und untersuchte die Topfpflanzen. Niemand dahinter. Die Säulen waren ebenfalls clear.
      Ärgerlich schob der Codesurfer einen kleinen Binärcode zur Seite, der ihn seit einiger Zeit umschwirrte. Hinter den Türen vielleicht?

      Mit einer raschen Bewegung glitt Ghostwriter auf die erste Tür zu, ignorierte den Code und wanderte direkt durch die Codeform der Tür. Blitzschnell glitt er hindurch. In der Welt, die die Verblendeten sahen, hatte man davon nichts bemerkt. Der Raum hinter der Tür war bis auf einen Tisch und einige Stühle leer. Ghostwriter blickte zurück zur Tür, überlegte es sich dann aber anders. Diesmal nahm er den direkten Weg: Er durchschwebte die Wand und glitt direkt in den Raum daneben. Bingo.

      Zwei menschliche Gestalten standen mit gewehrartigen Gebilden an der Tür. Ghostwriter kam langsam etwas näher. Ein Ork und ein Mensch.
      Bingo. Da war also die Falle. Oder? Um sicher zu gehen, untersuchte Ghostwriter schnell den Code der beiden. Viele Verwirbelungen, ein Überschwall an binären Zeichen und eine Codeabstrahlung im negativen Bereich... Diese beiden Gestalten waren gespannt, warteten auf etwas.
      Eine Falle also. Ghostwriter wollte gerade zu seinem Codekörper zurückgleiten, als ihn eine Bewegung in den Augenwinkeln ablenkte.

      Vor ihm schwebte eine humanoide Gestalt, aber ihr Code war nicht grün, wie alles andere hier, sondern in einem rötlich schimmernden Goldgelb gehalten. Ein Halbseher also. Ein Magier. Verdammt. Mit einer leichten Bewegung wischte Ghostwriter wieder diesen lästigen Binärcode zur Seite.
      Dem Magier war seine Verwirrung anzusehen, er ging aber in Kampfstellung. "Ich dachte, ihr habt keine Magier, Straßenpack?" Die metallische Stimme des Magiers hallte in Ghostwriters Kopf wieder. "Da hast du auch Recht, Einäugiger. Ich bin Codesurfer." Der Astralkörper des Magiers zog erstaunt eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf. "Ich werde euch nie verstehen." Dann griff er an.

      Die ersten Attacken waren leicht, fast spielerisch. Der Magier testete ihn aus, das war ihm klar. Aber wieder einmal besaß der Magier den Makel aller Verblendeten: Er erkannte nicht, was das Sehen der Wirklichkeit für Macht verlieh. Mit einer schnellen Bewegung stieß der Runner vor und versetzte dem Magier einen harten Schlag. Der Astralkörper des Magiers taumelte zurück und überschlug sich. Plötzlich schoss etwas hellgelbes auf Ghostwriter zu. Er wirbelte halb herum und zerschlug den Codekörper, den der Magier aus dem Handgelenk geworfen hatte, mit der blanken Faust.

      In der Zwischenzeit hatte der Magier sich wieder gefangen und stieß neu vor. Verdammt, jetzt brannte auch noch seine Hand wie Feuer... An manchen Tagen lief einfach alles schief. Plötzlich hatte Ghostwriter eine Idee. Während er noch einen Schlag des Magiers abblockte und sich durch ein Drehmanöver in Sicherheit brachte, suchte er den kleinen, nervigen Code, der ihn seit einiger Zeit umschwirrte. Da war er.

      Mit einer schnellen Bewegung griff Ghostwriter nach dem Code und konzentrierte sich. Unter seinen Händen nahm das Codefragment Gestalt an, es formte sich, es dehnte sich aus. Ghostwriter lächelte. Ein Kampfprogramm war genau das, was er jetzt brauchte. Der Runner wich weiter den Schlägen des Magiers aus, während er mit seinen Gedanken das Fragment programmierte. Dann ließ er es los.

      Mit einem grausamen Schrei stürzte sich der Code auf den völlig überraschten Magier und warf ihn um. Ein siegessicheres Lächeln erschien auf Ghostwriters Lippen. Er war mit der Zeit ein wirklich guter Programmierer geworden. Das verzweifelte Rufen des Magiers folgte ihm, während er zu seinem Körper zurückglitt.

      Der Codekörper von Ghostwriter schlug die Augen auf und nickte seinem Team zu. "Hinter der linken Tür sind zwei Wachen, aber sonst alles ruhig."




      LEGION (The story of Garreth Borloo)

      Staub klebte an seinen Schuhen. Der Junge ging langsam durch die Straßen seiner Heimatstadt. Ungläubig, wie in Trance, blickte er von einem Haus zum anderen. Niemand übrig? Niemand mehr da?
      Immer noch nicht begreifend, was geschehen war, was er getan hatte, blickte er auf seine Hände. Ein wenig Blut klebte an ihnen. Der Junge wusste nicht mehr, von wem es war. Niemand war übrig. Seine Füße trugen ihn weiter, obwohl er nicht wollte.
      Er hatte sie getötet. Er hatte es nicht gewollt, aber trotzdem getan. Nachdem dieser Geist in ihn gefahren war, hatte er das Messer genommen und...
      Ghede war schuld. Er, Garreth, hatte keine Schuld, nein. Er hatte doch nur getan, was der Geist gewollt hatte, er hatte doch keine Kontrolle, er hatte doch nicht... Er hatte doch nichts getan...
      Garreths Füße trugen ihn weiter, Tränen liefen seine staubbedeckten Wangen hinab. Bilder vor seinem inneren Auge, seine Mutter, sein Vater, wie sie ihn ungläubig ansahen, bevor er ihre Kehlen durchschnitt. Garreth wollte in die Geisterwelt flüchten, sich mit seinem Elementar treffen, sich ausweinen. Aber er wagte es nicht. Was, wenn er wiederkehrte und wieder nicht Herr seiner Sinne war?

      Eine, vielleicht zwei Stunden später kehrte Garreth zurück zu der Medizinhütte. Der alte Voodonista saß immer noch traurig in der Ecke. Ohne ihn wäre Garreth immer noch befallen. Garreth schluckte, er hatte lange nachgedacht, aber... er wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. "Es tut mir leid."
      Der alte Mann versuchte sich an einem Lächeln und legte Garreth sanft die Hand auf die Schulter. "Es ist nicht deine Schuld. Der Geist des Baron Samedi ist in dich gefahren und hat dich beherrscht."
      Garreth seufzte leise und schüttelte den Kopf. "Ich war zu schwach. Ich hätte ihn beherrschen müssen. Mein Meister hat immer gesagt, wer die Geister nicht beherrscht, ist nicht würdig, beherrscht zu werden." Der alte Mann blickte traurig ins Leere. "Ich will nicht schlecht über deinen Meister sprechen, Garreth. Über Tote soll man nur Gutes sagen, aber... Er wusste nicht, mit welchen Kräften er spielte. Niemand aus diesem Dorf hätte diese Geister beherrschen können."
      Garreth stampfte wütend mit dem Fuß auf, immer noch liefen Tränen seine Wange hinab. "Nein, das ist nicht wahr! Ich habe versagt... ich habe sie alle getötet, ich habe... Ich bin schuld, Ghede ist schuld, die Kriege sind Schuld, ich..." Garreth verstummte, drehte sich auf dem Absatz um und rannte hinaus in die Wildnis. Blut klebte an seinen Händen.
    • Ich bin noch am Lesen und werd heute wahrscheinlich auch nicht merh fertig. Aber ich muss schon sagen, das gefällt mir alles sehr gut! Dass du schreiben kannst, hast du hier ja früher schon mal bewiesen (jawohl, ich weiß das noch!), und hier sprechen mich auch die Hintergründe an. Vor allem bei den drei letzten Storys.
      Nichts war je genug,
      Und nichts wird so wie früher sein!
      Die Hoffnung stirbt zuletzt,
      Doch vor ihr stirbt aller Glaube.
      Wir atmen Zug um Zug
      Den fernen Tag der Rache ein:
      Die Sonne, die die Schatten hetzt
      Wird uns das Letzte rauben!

      Wie laut muss das Schweigen sein,
      Damit das Flehen wird erhört?
      Wie leise soll ich schreiben,
      Damit Dich mein Leben immer noch betört?


      - Samsas Traum, Tineoidea