Grandia

    • Hi
      Vielleicht kennen einige von euch das PC- und Sega- (glaub ich mal)Rollenspiel Grandia. Dazu hab ich ne kleine FF geschrieben, in etwa der Anfang der Story. Lest mal, wenn's euch gefällt, schreib ich weiter ;)


      Grandia

      Prolog



      Es war Mittag, als Ryudo aufblickte. Endlich hatte er den Berg erklommen. Der Wind streifte durch sein schulterlanges schwarzes Haar, als er den Blick senkte.
      Das Land war riesig. Er blickte auf zahllose Flüsse, die sich in unzähligen Windungen dahinschlängelten, auf gigantische Wälder und riesige Ebenen, die sich in der Ferne verliefen, hinab. Sein Blick schweifte gen Westen, wo ein düsteres Bergmassiv sich in den Himmel erstreckte.
      Es war ein merkwürdiger Anblick für Ryudo, da sich auf seiner Augenhöhe bereits die ersten Wolken erstreckten. Die Berge waren schwarz, sie waren aus einer extrem harten Granitsorte.
      Einige der Alten sagen, vor Tausenden von Jahren hätte eine frühe Subkultur diese Berge bewohnt, jetzt sind sie unbevölkert und einsam.
      Ryudo sah nach Osten. Ein weiter Ozean erstreckte sich bis an den Horizont. In der Ferne meinte er das Geschrei der Möwen zu hören, das vom Wind herangetragen wurde.
      An der Küste befanden sich zahllose Fischerstädtchen und einige Kutter waren auf dem Meer zu erkennen.
      ‚Granas’, dachte Ryudo. ‚Das ist also Granas’.
      Er machte sich an den Abstieg, nachdem er den Pass mit der Grenze überwunden hatte.
      Das Seil, das er um den Bauch gebunden hatte, sicherte ihn.

      Er hörte Stimmen. ‚Das müssen die Goblins sein. Endlich habe ich sie gefunden’, dachte Ryudo.
      Nach fünf Meter mühseligem Klettern befand er sich genau über den grünhäutigen Hominiden. Es waren sieben Stück, viel zu viele, um sie zu bekämpfen, aber Ryudo musste an die beiden Truhen herankommen, die die Goblins erbeutet hatten.
      ‚Aber es kann auch anders gehen’. Ryudo zog einen kleinen Lederbeutel aus seiner Tasche. Der Beutel war mit Schwarzpulver gefüllt. Ryudo steckte eine Lunte herein.
      Er nahm sein Feuerzeug zur Hand und wollte die Bombe gerade entzünden, dann jedoch zögerte er. Wenn sie hier auf dem Berg hochgehen würde, könnte die Detonation einen Erdrutsch hervorrufen.
      Also zündete Ryudo die Bombe an und warf sie in ein kleines Wäldchen am Fuße des Berges, ungefähr zwanzig Meter von den Goblins entfernt.
      Die Explosion war ohrenbetäubend.
      Die Goblins schreckten auf. Sechs von ihnen stürmten in den Wald um herauszufinden, was passiert ist, einer blieb als Wache für die Truhen da. ‚Den schaff ich im Handumdrehen!’ dachte Ryudo und sprang die letzten Meter hinunter.
      Die Wache erschrak, sie hatte mit dem überraschenden Angriff nicht gerechnet. Ryodo nutzte die Gelegenheit und zog sein Schwert. Schweißperlen rannen seine Stirn hinunter. Er hatte schon lange nicht mehr getötet. Der Goblin besann sich und hob seine Keule. Er stürmte auf Ryudo zu, welcher ebenfalls seine Klinge erhob.
      Mit einem wütenden Grunzen stürzte sich der Goblin auf Ryudo.
      In Höhe Ryudos Kopf durchschnitt die Waffe die Luft, Ryudo konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite abrollen. Dadurch gelang er in einen großen Vorteil, denn der überhastete Feind war blindlings ins Leere gestürzt. Ryudo sprang auf und hieb mit seinem Schwert in den Rücken der Kreatur. Er hatte voll getroffen, der Goblin sank zu Boden. Sein Blut sickerte auf den Boden und gab dem welken Gras einen satten rötlichen Ton. „Puh!“ sagte Ryudo laut. „Ich bin ganz schön aus der Übung“. Gedankenverloren sah er auf das tote Wesen. Dann wandte er sich den Truhen zu. Sie waren aus massivem Holz, die Kanten waren mit verrostetem Metall verstärkt. Das Schloss war ebenfalls verrostet. Ryudo setzte sein Schwert an, um das Schloss aufzuhebeln. „Da ist sie ja!“, sagte Ryudo und nahm eine kleine blaue Kugel aus dem Innern einer Kiste heraus.“ Auf einmal hörte er ein Zischen in der Luft. Er sah auf und sah gerade noch rechtzeitig fünf Speere auf sich zuschießen.
      Er sprang gerade im rechten Augenblick zurück, denn die Speere schlugen einen halben Meter vor seinen Füßen auf.
      ‚Verdammt!’ dachte Ryudo. ‚ Skye müsste längst hier sein!’
      Ryudo war Söldner. Er nahm jeden Auftrag an, egal von wem.
      ‚Business is Business’ war Ryodos Devise. Geschäft ist Geschäft. Dass es in diesem Job auch mal etwas härter zur Sache gehen konnte, störte ihn nicht.
      Skye war Ryudos Partner, ein sprechender Jagdfalke. Normalerweise gingen sie immer gemeinsam auf Streifzug und erledigten jeden Auftrag gemeinsam. Diesmal war geplant, dass sich Ryudo die Truhen schnappt und zusammen mit Skye flüchtet.
      Doch er kam nicht.
      Währenddessen kamen die Goblins gefährlich nahe an Ryudo heran.
      ‚Verdammt, das wird arschknapp!’ dachte dieser, als er plötzlich einen gellenden Schrei hörte.
      „Skye! Endlich!“ rief Ryudo, steckte die Kugel in eine Tasche seines Mantels, drehte sich um und sprang die Steilklippe hinter sich hinab. Die Goblins schauten ziemlich blöd aus der Wäsche. Feind und Beute weg? Weder Geld noch ein leckeres Abendessen?
      Unvorstellbar! Sie traten an den Rand und sahen herunter. Da flog der Feind, und hielt sich an den Klauen eines mächtigen Raubvogels fest .
      „Aah, das müssen wir mal öfters machen!“, meinte Ryudo, als ihm der Wind ins Gesicht blies. Er sah direkt in den Sonnenuntergang hinein. „Granas ist fantastisch!“
      meinte er. „Oder, Skye?“
      „Jaja, Ryudo, wenn du meinst… Ich kann dich nicht mehr länger halten!“, antwortete der Vogel, als er tiefer flog und eine Schneise im Wald durchsegelte. Nun, im Spätsommer, färbten sich die Blätter der Bäume langsam und nahmen eine orange bis purpurne Farbe an.
      „Stell dich nicht so an, du komischer Vogel!“, rief Ryudo. „Du hockst den ganzen Tag über faul auf meiner auf meiner Schulter herum, und fängst jetzt nach zwei Minuten schon an zu jammern! Weicheiaaaaah!!!“

      „Sorry, Ryudo. Du hättest heute Morgen nicht so viel futtern dürfen.“, rief Skye von einem Ast der Buche hinunter, auf der er gelandet war. „Verdammt! Hättest du nicht etwas tiefer fliegen können, du blödes Vieh?“, rief Ryudo vom Waldboden herauf.
      „Die Kugel hätte zerbrechen können und wir hätten den Vorschuss gerade wieder zurückzahlen können.“
      „Stell dich nicht so an, unsere Auftraggeber dürften jeden Moment kommen. Du weißt ja, wie pingelig der Alte ist…“
      Sie hörten Schritte, die durch den Waldboden gedämpft wurden. Ein Ast knackte, und Ryudo zog vorsichtshalber sein Schwert. Aber es war nur ein alter Mann in Begleitung einer Frau. Ryudo schätzte sie auf Anfang zwanzig. „Ah, Ryudo! Hast du die Kugel?“ fragte sie aufgeregt.
      „Ja, wie abgemacht. Die Goblins hatten sie schon in einer ihrer Truhen versteckt, als ich sie ihnen durch eine List entwenden konnte.“
      „Wie mutig von dir, das war bestimmt nicht einfach, aber für so einen starken und mutigen jungen Mann…“
      „Still“, knurrte der Alte. Ich verbiete dir, mit so etwas zu kommunizieren!“
      „So etwas?“ fragte Ryudo mit einem scharfen Unterton in der Stimme“
      „Vater, sei nicht so unfreundlich!“ rief das Mädchen.
      „Ihr Söldner seid doch alle gleich!“, rief der Mann entzürnt. „Tötet wahllos Menschen, nur weil man euch dafür bezahlt.“ Er drehte sich um und wollte gerade gehen als Ryudo ihm sein Schwert in den Rücken hielt. „Was willst du noch von mir rief der Alte entsetzt?“
      „Nur meinen Lohn, dann ist alles in Ordnung. Außerdem hast DU meine Dienste angenommen und zweitens waren es keine Menschen, sondern nur ein stinkender Goblin.“
      „Jaja, schon in Ordnung“, krächzte der Alte, griff in seine Tasche und nahm eine kleine Geldbörse heraus. „Hier ist dein Geld, 500 Groschen, wie abgemacht.“
      „Okay, das wars, was ich wollte. Wir verziehen uns. Komm, Skye!“ rief Ryudo.
      Der Vogel landete auf seiner Schulter. Ryudo drehte sich um und ging den Waldweg entlang in Richtung Carbo Village, einer kleinen Stadt in der Nähe des Waldrandes.
      „War das nötig, Ryudo? Das ist der Grund, warum die Leute Söldner verachten“ sagte Skye mit einem tadelnden Blick. „Sie war hübsch, oder? Schade dass sie so einen bescheuerten Vater hat. Was meinst du, Ryudo?“
      „Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ich habe an dieser Art von Vergnügen nichts. Ich lebe für meinen Job. Im Real-life hätte ich mit Typen wie denen nichts am Hut!“
      „Oh Ryudo, du wirst erwachsen! Alle Achtung!“ „Schnabel, Skye!“
      Langsam dunkelte es. Der Wind hat von einer warmen, sommerlichen Brise in kühle Böen gewechselt. ‚Oh Mann, es wird richtig ungemütlich hier!’ dachte Ryodo. ‚In der Stadt gibt es sicher ein Gasthaus, in dem ich übernachten kann. Die Bäume raschelten, die welken Blätter gaben ein eigenartiges Knistern von sich. Ryodo gelangte an eine Lichtung. Sie war kreisförmig, als wäre sie durch Menschenhand geschaffen worden. Nur in der Mitte standen drei morsche, schwarze Bäume.
      „Wer hat denn hier gewütet?“, ließ Skye sich von Ryodos Schulter vernehmen.
      „Halt mal kurz den Schnabel, ich glaube, da hängt ein Zettel am Baum“ sagte Ryodo.
      Er lief hin und nahm das Papier vom Ast.
      Es war ein Stellenangebot:
      ‚Sie sind Söldner? Kommen sie nach Carbo Village! Die Kirche von Granas sucht einen fähigen Bodyguard für eine Zeremonie.’ „Das sieht nach einem neuem Job aus, oder, Ryodo?“ fragte Skye mit einem Augenzwinkern.
      „Arbeiten für die Kirche? Niemals!“ „Spinnst du, Ryodo? Das ist ein Job! Und ein Job ist ein Job, das sagst du selbst immer.“
      „Stimmt, da hast du Recht.“ Ryodo seufzte. „So ist es wohl, als Söldner zu leben…“
















      Kapitel 1: Elena


      Ryudo überquerte die Lichtung. Er schaute nach oben. Dunkle Wolken zogen in hohem Tempo über das Land. Die untergehende Sonne strahlte sie hellrosa und orange an. Sie stand nur noch wenige Zentimeter über dem Gebirge, bald begann es zu dunkeln. ‚Wird Zeit, dass ich nach Carbo Village komme’ dachte Ryudo. Er betrat den finsteren Wald erneut.
      Ein Schrei ließ ihn zusammen zucken. „Nur ein Uhu, keine Panik!“ ließ sich Skye von Ryudos Schulter aus vernehmen. „Bald sind wir in Carbo!“
      Er hatte recht. Nach etwa zweihundertfünfzig Metern durchschritt Ryudo das Dickicht. Carbo Village lag direkt vor ihnen.

      Es war ein kleines Dörfchen, bestehend aus ein paar Wohnhäusern, einer Kirche, einem Gasthaus und einem kleinen Lebensmittelladen. Der Architekt hatte wohl etwas viel ‚Schwarzwaldklinik’ gesehen, denn die Häuser waren in dem typischen schwarz-weißen Baustil gestalten. Grüne Fensterläden klapperten im Wind.
      Die Straße war mit Kopfsteinpflaster belegt. Motorradfahrer hatten hier ihren Spaß.
      Ryudo hörte Stimmen. Er schritt durch die Straßen, bis er ein paar Mädchen sah.
      Sie trugen lange weiße Roben, als wären sie Druiden und besprächen gerade die neuesten Heilkräuter. Er schnappte ein paar Gesprächsfetzen auf.
      Ein Mädchen mit langen, roten Haaren hob die Hand.
      „Also dann, Elena, bis nachher!“ Elena war ein Mädchen mit blonden Haaren, die sie in zwei Schleifen gebunden hatte und die von einer weiteren Schleife auf dem Kopf gebunden waren. Sie hatte wunderschöne, grünblaue Augen.
      „Ich weiß, Tessa“ sprach sie nun. „Ich würde ja mitkommen, aber ihr kennt ja die Regeln der Zeremonie. Es tut mir leid.“
      „Mach dir keine Sorgen, heute stehst du im Mittelpunkt. Wir bereiten deine Weihe vor. Es ist ein großer Tag!“
      Ein anderes Mädchen unterbrach sie: „Tessa! Wir müssen lo-hos!“
      „All right. Bis später, Elena!“ Sie drehte sich zu ihrer Gruppe um: „Los gehen wir. Elena, du solltest auch zurück zur Kirche. Es ist schon spät.“
      Elena nickte. „Ja, ihr habt recht.“
      „Ach ja, wir haben einen Bodyguard für dich angeheuert, der dich auf dem Weg zum Garmia-Turm begleiten wird.“
      Elena streckte ihnen die Zunge heraus. „Kümmert euch um eure Angelegenheiten. Tschüss!“ Die anderen drehten sich um und gingen an Ryudo vorbei, zurück in den Wald.
      Eine alte Frau nahte. „Los, Elena, wir müssen zurück!“ Die beiden entfernten sich in Richtung Kirche. Ryudo folgte ihnen. Die Kirche war ebenfalls in diesem Schwarzwald-Stil gehalten. ‚Grüne Fenster müssen hier in Carbo etwa dasselbe sein wie für Kids Bully, für Omis Karl Moik und für Vollidioten Heino – absoluter Kult!’ dachte Ryudo. Elena verschwand in der Kirche. „Hey, Ryudo!“ rief Skye. „Worauf wartest du? Denk an deinen Job!“ „Jaja… Sei mal kurz still. Hörst du diesen Gesang?“
      Eine schöne, melodische Stimme wurde vom Wind zu ihnen getragen. Sie sang ein Kirchenlied. „Ich glaube, das kommt aus der Kirche. Los, hin!“
      Auch von innen sah die Kirche ziemlich gemütlich aus. Die allgemein üblichen Bänken, in denen man sich ab Schuhgröße 46 die Füße einklemmt, die bunten Fenster und purpurne Kissen auf den Bänkchen.
      Der Altar stand im Schiff, davor stand Elena und sang.
      Sie hielt inne. „Ich muss noch viel üben, um eine ‚Schwester von Granas’ zu werden. Die Zeremonie heute um Mitternacht ist der Anfang.“
      „Warum hast du aufgehört? Das klang sehr schön.“ Ryudo hatte sich auf eine Bank gesetzt und artig zugehört. Elena schreckte auf. „We – wer bist du?“, fragte sie. „Wo kommst du her?“ Sie musterte ihn. „Deinen Klamotten zufolge kommst du nicht von hier.“
      „Stimmt, ich bin auf Durchreise. Aber da du mich ‚gemietet’ hast, ist das hier für den Moment mein Zuhause.“ Elena sah ihn mit einem verachtenden Blick an.
      „Dich gemietet?! Ich gebe mich nicht mit solchen Typen wie dir ab!“
      „Hey Schätzchen, beruhig dich mal!“ Ryudo stand auf und kam auf Elena zu. Als er die Hand ausstreckte um sie zu begrüßen wich Elena einen Schritt zurück.
      „Ich bin nicht dein Schätzchen! Komm’ näher und ich fange an zu schreien!“

      Auf einmal knarzte eine Tür. Ryudo drehte sich um und sah einen Priester durch die Tür kommen. „Was ist denn los, Elena? Warum schreist du so?“ sprach er mit warmer Stimme. „Dieser Rüpel belästigt mich!“ „Sei nicht so unfreundlich, ich glaube der junge Herr hat eine sehr gute Erklärung für sein Stören.“
      ‚Mann, hat der Nerven!’ dachte Ryudo. Laut sagte er: „Nun, ich bin der Söldner, den sie angeheuert haben.“ „Ein Söldner?!“ Elena blickte zuerst ihren Vater an, dann warf sie Ryudo einen verächtlichen Blick zu. „Warum, Vater, habt ihr einen Söldner für mich angeheuert?“ „Um dich heute Nacht zu begleiten. Schließlich sollst du alleine den Weg zum Garmia-Turm durch den dunklen Wald gehen. Er beschützt dich. Du weißt, was nachts für Gestalten unterwegs sind…“
      Elenas Blick hellte sich auf. „Nun, das ist natürlich was anderes.“ Sie kam auf Ryudo zu und gab ihm die Hand. Sie fühlte sich warm an und löste seltsamerweise bei Ryudo, der sich normalerweise nicht sehr um Mädchen schert, einen extrem starken Beschützerinstinkt aus. „Die Feier beginnt heute um Mitternacht. Wir gehen gegen halb elf los“, sagte Elena. „Du hast also noch ein paar Stunden Zeit.“
      „Wie wäre es“, schlug ihr Vater vor, „wenn du in den hiesigen Pub gehen würdest?
      Wir würden dich dann abholen kommen.“
      „Meinetwegen“, antwortete Ryudo, „mittlerweile hab’ ich auch ganz schön Hunger bekommen! Wo finde ich denn die Kneipe?“
      „Einfach die Tür raus und die nächste rechts, du kannst es gar nicht verfehlen!“

      Der Pub war nach der Kirche das größte Gebäude des Dorfes. Typischer Weise mit grünen Fensterläden geschmückt, zierte ein am Hals vom Steak getrennter Rinderkopf den Balken über der Tür. ‚Lecker’, dachte Ryudo.
      Er trat ein. Die Kneipe war überraschend sauber. Rosafarbene Häkeldeckchen säumten die Bar und die einzelnen Tische. Kitschige Ölschinken an den holzgetäfelten Wänden und frische Sommerblumen in weißen Vasen zierten die Gastwirtschaft. Der Kneipier war ein untersetzter übellauniger Herr mittleren Alters.
      Er musterte Ryudo abschätzig.
      „Hi!“, meinte dieser. „Könnt’ ich vielleicht ein Bierchen haben?“ Die Gesichtszüge des Wirts erhellten sich. „Moment, ich muss es noch zapfen. Bei uns ist alles frisch!“
      „Wunderbar, dann schmeckt’s am besten!“
      Ryudo trank einen Schluck. Das Bier tat Ryudo gut. Er betrachtete die Kohlensäure, die zügig nach oben strömte. Der goldene Gerstensaft war von bester Qualität.
      „Heute Nacht“, begann der Wirt, „beginnt die Sommerweihe. Ein weiteres junges Mädchen wird zu einer ‚Schwester von Granas’ geweiht.“ „Elena, oder?“ fragte Ryudo, der die Antwort bereits kannte.
      „Ja, woher weißt du das? Nur die Dorfbewohner sind informiert worden.“ „Ich bin Elenas Geleitschutz, wenn man so will.“ „Hä?!“ fragte der Wirt erstaunt.
      „Verdammt, ich bin ein Söldner, der zu ihrer Verteidigung angeheuert wurde.“ „Ein Söldner?“ Der Wirt hob die Augenbrauen. Seine Miene veränderte sich. Er beugte sich zu Ryudo hinunter und flüsterte: „OK, ich weiß, dass die Leute eine natürliche Abneigung gegen eure, ich will mal sagen ‚Zunft’ haben, aber hier sind dir nicht alle feindlich gesinnt. Der Herr Pastor und ich sind da etwas toleranter…“
      Ryudo schaute an ihm vorbei. „Kann ich mich bei Ihnen etwas ausruhen? Ich hab heute Nacht noch ’nen Job zu erledigen.“ „Ja, natürlich. Geh einfach die Treppe hinauf und dann links.“ „OK, danke!“
      Ryudo ging nach oben, ließ sich aufs Bett fallen und war binnen weniger Sekunden eingeschlafen.

      „Ryudo! Ryudo, wach endlich auf!“ Der Wirt raufte sich die Haare. „Unfassbar, diese Schlafmütze soll ein Söldner sein?“ Einige Stunden waren vergangen, als der Wirt Ryudo weckte. „Junge, du musst los! Die Zeremonie beginnt in anderthalb Stunden!“
      Er war sofort wach. „Boah, es kommt mir vor, als hätte ich ’nen halben Tag oder so gepennt.“ Ryudo setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er gähnte herzhaft. „Elena und ihr Vater erwarten dich bereits vor der Kirche. Beeil’ dich!“
      „OK, danke für das Bier und die Unterkunft.“ Ryudo war schon im Gang und rannte die Treppe hinunter.
      Draußen war es ziemlich hell. Der Vollmond warf bleiche Schatten durch die Straßen, in der Ferne war das Geheul von Wölfen zu hören. Ein stürmischer Wind wehte und die Wolken jagten über den dunklen Nachthimmel. Auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfplatzes war die Kirche im Licht des Mondes zu erkennen. Elena und ihr Vater standen davor.
      „Hallo, Vater! Sie wollten, dass ich Ihr Schätzchen begleite?“ Er warf einen Blick auf Elena, die eine beleidigte Schnute zog. Ryudo grinste. „OK. Dann komm mit, Prinzessin.“ Elena warf einen letzten, flehenden Blick auf ihren Vater „Daddy, muss ich wirklich allein mit diesem Söldner in den Wald gehen?“ Der Priester rollte mit den Augen. „Elena, meinst du nicht, dass wir das daheim schon lange genug diskutiert haben? Du kennst deine Aufgabe, deine Sicherheit ist für die diesjährige Zeremonie unerlässlich.“ „Bitte, Daddy, ich kann schon alleine auf mich aufpassen!“
      Endlich mischte sich auch Ryudo in das Gespräch ein: „Hey, hey! Was ist dein Problem, Prinzessin? Dein Vater hat mich schon im Voraus bezahlt! Ich hätte kein Problem damit, in der Kneipe noch ein paar Bierchen zischen zu gehen und mich anschließend aufs Ohr zu hauen…“ Der Priester ignorierte Ryudos Fluchtversuch. „Elena, wie gesagt: du bist der Mittelpunkt der Weihe. Deswegen der Bodyguard. Basta!“ Elena sah zu Boden. „Was hab ich getan, dass ich als einzige mit einem Bodyguard zu tun haben muss…“
      Ryudo wurde die Sache langsam zu blöd. Er seufzte. „Wie gesagt, mir ist es scheißegal. Ich hab mein Geld, ich kann auch gehen. Entweder du kommst jetzt, Prinzessin, oder nicht.“ Elena sah zu Ryudo auf. Ihre Augen strahlten die seinen an.
      „Ich vertraue dir. Ich komme mit.“ Ryudo lächelte sie an. „Danke für die Ehre, Prinzessin.“ „Lass uns gehen…“








      Kapital 2: Die Zeremonie


      Seit Ryudo Carbo betreten hatte, ist der Wald noch düsterer geworden. Die Nacht ist vorangeschritten, und das Wetter hatte sich etwas verbessert, Ryudo trug seinen braunen Kapuzenmantel. „Kennst du den Weg zu diesem verfluchten Turm?“ konnte Elena Ryudos Stimme unter der Kapuze vernehmen. Der Wind pfiff ihnen um die Ohren, sodass eine Kommunikation ziemlich schwierig zu bewerkstelligen war. „Natürlich, ich war ja auch schon oft genug dort. Es ist nicht weit, vielleicht drei Kilometer. Außerdem solltest du etwas mehr Respekt vor unseren Bräuchen zeigen!“
      „Jaja, Prinzessin… reg dich nicht auf! Auch wenn du süß bist, wenn du wütend bist.“
      „Also, das ist ja wohl…“ „Reg dich ab, wir sind doch gleich da.“
      Ein Jaulen wurde vom Wind herbei getragen. „Wa- was war das?“ Elena zuckte zusammen. Ryudo blieb stehen. „Keine Ahnung.“ Das Geräusch ertönte erneut, nur etwa fünfzig Meter weit entfernt ganz nahe. „Es ist hier und beobachtet uns.“ Ryudo zog die Kapuze vom Kopf.
      „Aah!“ schrie Elena und klammerte sich an Ryudo, der aber recht ruhig blieb.
      . „Hast du das gesehen?“ Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn, nacktes Entsetzen hatte von ihr Besitz genommen. „Oh ja…“ Ryudo biss die Zähne zusammen. Wie konnte man im hellen Licht des Mondes dieses Vieh übersehen?
      Ein gewaltiger Hund befand etwa zehn Meter vor ihnen, wo er absolut lautlos auf sie zu schritt. Er war etwa so groß wie ein Kalb und hatte untertellergroße Augen. Sein Rücken glänzte grünlich im Mondschein, als hätte ihm jemand eine phosphoreszierende Substanz darüber gekippt. „Keine Sorge“, flüsterte Ryudo Elena zu. „Das ist ein Gyrtrasch. Er tut dir nichts.“ „Er tut mir nichts?! Da sieht er aber etwas anders aus…“, stammelte Elena. „Diese Viecher tauchen meist völlig lautlos aus dem Nebel auf und erschrecken oder begleiten einsame Reisende. Normalerweise haben diese Tiere zwei Aufgaben: Die eine ist, einsame Reisende zu schützen, die andere ist, einen Todesfall im persönlichen Umfeld anzukündigen -meist stirbt derjenige, der den Hund sieht.“ „Naja, hoffen wir mal, dass ersteres auf uns zutrifft.“, meinte Elena besorgt. ‚Oh ja’, dachte Ryudo, ‚hoffen wir das mal.’
      „Komm, lass uns weitergehen, Elena. Es nicht mehr weit!“, sagte er laut.
      Das Rascheln kleiner Tiere und das Flüstern der Landschaft hing in der Luft. Als Elena und Ryudo an einen Kreuzweg kamen, an dem ein altes, vorgeschichtliches Steinkreuz stand. „Da lang!“, meinte Elena. Nervös gingen sie rechts ab, den Berg weiter hinauf. Nach ein paar Schritten überkam sie wieder dieses eigenartige Gefühl, sie drehten sich um – und sahen einen ernormen schwarzen Schatten, der ihnen folgte. Es war der riesige, zottige schwarze Hund. Merkwürdigerweise verspürte Elena keine Angst mehr – sie war ganz ruhig. Der schwarze Hund trottete fast eine halbe Stunde lang lautlos neben ihnen her und verschwand urplötzlich, als sich wenige Meter vor ihnen der große Garmia-Turm erhob. ‚Bedeutet das ein finsteres Schicksal für jemanden in unserem Bekanntenkreis oder uns selbst?’, dachte Elena.
      Sie glaubte nicht – sie hatte eher das Gefühl, gut beschützt und sicher zu sein.
      „Dieser Hund“, Elena hatte wieder die Fassung gefunden. „Bist du ihm schon einmal begegnet? Meinst du – meinst du wir werden… sterben?“ „Nein, ich habe noch nie vorher einen Gyrtrasch gesehen. Allerdings habe ich in diversen Kneipen einen Haufen Schauermärchen über ihn gehört. Ich habe sie nie geglaubt, aber man lernt eben nie aus…“ Elena sah Ryudo an. Sie bewunderte ihn, dass er so ruhig blieb.
      Doch seine Augen flackerten. Hatte er ihr etwas vorenthalten?



      „Warte hier, Ryudo.“, sagte Elena. Sie sah zu dem schwarzen Turm hinauf. Im obersten Stockwerk brannte Licht. „Die Zeremonie beginnt gleich. Sie dauert etwa zwei Stunden. Dann bin ich zurück.“ „Okay, wie du willst, Prinzessin.“
      Ryudo setzte sich auf einen Baumstumpf. „Dann warten wir eben ein bisschen, oder, Skye?!“ Er schichtete etwas Reisig und ein paar Holzklötze auf einen Haufen, nahm sein Feuerzeug und zündete es an. “Wir können ja was grillen! Was meinst du?“
      „Ja, super Idee, wenn du was dabei hättest…“ „Mist, daran hab ich echt nicht gedacht. Dann penne ich eben ’ne Runde. Weck mich, wenn Elena zurückkommt.“
      Sekunden später war Ryudo eingeschlafen.
      Das Lagerfeuer flackerte und warf Schatten auf Ryudos Gesicht. Skye saß schweigend auf dem Ast einer mächtigen Buche. ‚Wenn die Sache mit dem Gyrtrasch bloß kein böses Ende nimmt’, dachte er, kurz bevor auch er ins Reich der Träume entschwand.
      Ein gellender Schrei durchriss die Stille der Nacht. Er kam aus den oberen Stockwerken des Schwarzen Turmes und riss sowohl Ryudo als auch Skye aus dem Schlaf.
      „Da ist was passiert!“, rief Ryudo und griff nach seinem Schwert. „Ich muss zu Elena!“ „Überstürze nichts!“, konnte Skye gerade noch rufen, doch Ryudo war schon durch das große, finstere Tor gerannt.
      „Puh!“, Ryudo rümpfte die Nase. Der Modergeruch stieg ihm in die Nase. Es war sehr stickig da drinnen, und Ryudo bemühte sich nach allen Kräften, keine klaustrophobischen Anwandlungen aufkeimen zu lassen. Von der Versammlung oben war nichts mehr zu hören. Da es im Raum absolut dunkel war, zückte Ryudo sein Feuerzeug und arbeitete sich im schwachen Schein des Gasflämmchens voran. Diese Tortur dauerte ganz schön lange, und von dem Schmutz, der sich all die jahre hier abgelagert hatte, nahm er das Aussehen eines Schornsteinfegers an, allerdings eines solchen, der bestialisch stank.
      Endlich erreichte Ryudo die Treppe zu den oberen Stockwerken. Er stieg die feuchten und unregelmäßigen Stufen hinauf und frug sich, was ihn hier wohl noch erwarten könnte.
      Finsternis beherrschte diesen Ort, aber durch ein Fenster rechts oben fiel etwas Licht hinein und gewährte eine notdürftige Orientierung. Erneut ziemlich unorientiert, blieb Ryudo keine andere Möglichkeit, als sich auf die Fortsetzung seiner Exkursion einzulassen. Sicherlich würde er in Kürze auf die Ursache des Schreis stoßen. Am Ende des Raumes zeichnete sich eine weitere Treppe nach oben. Ryudo rannte darauf zu und kletterte sie schnell hinauf.
      Was sich dann abspielte, hätte er sich nie träumen lassen…

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    • Talent hast du, das muss man dir lassen, aber...lass mich raten, ist das die erste Story, die du schreibst? ;)

      Denn trotz der wirklich netten Geschichte, dem guten Stil (und der Länge! oO ) sind mir ein paar Kleinigkeiten eingefallen, die nicht ganz so passend sind: Das Wort "annihilieren" passt meiner Meinung nach überhaupt nicht - das kann man vielleicht einen Roboter sagen lassen, aber nicht Ryudo, oder?

      Außerdem würde ich bei Dialogen nach jeder direkten Rede einen Absatz einfügen, wenn zwischen den direkten Reden nichts steht. Nicht, dass zwei Anführungszeichen direkt nebeneinander liegen, das sieht etwas seltsam aus und liest sich nicht ganz so schön. ^^ Ab und zu sind auch ein paar holprige Übergänge, aber das kriegt man mit der zeit in den Griff. :)

      Ansonsten würde ich sagen: Sehr gut, schreib wieder mal weiter. Schauen wir dann, was draus wird, bis jetzt isses sehr vielversprechend. ^^


      So, hoffentlich hab ich dich jetz nicht vergrault, oder so....


      (Ja, man kann draufklicken)