Hey da!
Wahnsinn, die letzte Phase der BFS NEUN geht in die Startlöcher - das heißt: Langes Schwatzen ist unnötig!
Lest!
Genießt!
Und votet für eure diesmaligen Lieblinge!
Applaus für alle Teilnehmenden und ebenfalls für Sirius, der sich nicht zu schade war, trotz der knapp bemessenen Zeit noch eine Überraschung beizusteuern!
Es machen diese Runde ja ausschließlich Veteran:innen mit, deshalb fasse ich mich kurz, was das Voten betrifft.
- Jede:r hat 2 Stimmen
- Voting erfolgt bis zum 20.12.2020, 12 Uhr mittags
- und alle, auch alle Nichtteilnehmenden, können mitvoten!
Euren Lesestoff findet ihr hier:
Abbels (K)eine Autobiografie
(K)eine Autobiografie
Kaum schlief ich, wurde ich auch schon durch einen total blöden Traum wach. Meine Katze wurde vom Nachbarshund zerfetzt. Zum Glück hab ich eigentlich keine Katze, aber die hat mein Traum-Ich ja jetzt auch nicht mehr.
Heute ist eigentlich der Tag für meine geplante Aufnahme in der Klapse. Und da es noch viel zu früh war, habe ich ein bisschen mit meinem Handy im Netz nachgelesen. In Nordkorea wollen sie jetzt jeden gegen die Grippe impfen, als Schutz vor Covid. Na ob das was bringt? Immerhin kann es dort keine Impfgegner geben, schließlich würden alle, die sich widersetzten, einfach auf die Streckbank geschnallt werden. Oder schlimmeres. Apropos, meinen Impfpass sollte ich auch noch einstecken. Als ich den mal durchgeschaut hab, stellte ich fest, dass ich manche Impfung gar nicht erhalten hab.
Gegen halb acht wurde es Zeit zum fertig machen. Ich wusch mich zumindest mal schnell. Für mehr hatte ich keine Kraft. Ich nahm meine gepackte Tasche, zog meine Jacke und Schuhe an und steckte meinen Haustürschlüssel in die Jackeninnentasche, nachdem ich die Tür zuschloss.
Draußen war keine einzige Wolke am Himmel und die Wintersonne blendete mich. Das nervige Nachbarskind will mich jedesmal überreden mit den Seifenblasen zu spielen. Diese Kulleraugen! Ich will jedes mal nur reinschlagen. Wieso mögen mich Kinder immer so? Abgrundtiefer hass. Und jedem den ich meine Meinung über Kinder verrate, verfällt in Schnappatmung. Dabei sind die es doch, die einem immer scherzhaft raten keine Kinder zu bekommen.
Als ich an der Haltestelle ankam, lagen dort wieder Spritzen rum. Der Geruch war auch wieder abartig. Stinketofu ist nichts dagegen.
Im Bus war hinten wieder die selbsternannte Partymeile der Jugendlichen, welche die Brunftzeit ausgerufen haben. Also wie immer eigentlich. An meiner Haltestelle stiegen auch ein Paar von denen aus, wovon ich einfach aus Frust noch Jemanden, ganz ausversehen (nicht), in den gegenüberliegenden Dornenbusch schubste. Was suchten die überhaupt hier, haben wohl wohl die Psychiatrie mit Schule verwechselt? Kann mal passieren.
An der Information gab ich meine Einweisung und Karte ab und sollte dann kurz warten. Die Infotussi rief dann wohl die Station an und bat eine Schwester mich abzuholen. So verlaufe ich mich wenigstens nicht.
Sie erzählte mir wohl ein bisschen, merken konnte ich mir aber nichts. Ich spielte nur nervös an meinem Armband rum.
Auf der Station angekommen, musste ich wieder warten. Währenddessen kamen schon Patienten an mir vorbei. Manche fragten, weshalb ich hier sei. Dass ich wegen der Psyche da war, wollten sie nicht akzeptieren. Wie sehr sie mich nervten checkten sie aber auch nicht.
Irgendwann kam endlich der Arzt oder Psychologe und holte mich ins Büro. Das war das Aufnahmegespräch. Ich musste meinen nicht vorhandenen Drogenkonsum erklären, Allergien mitteilen, weshalb ich da bin (die Psyche?) und danach schickte er mich wieder zur Schwester. Die musste bei mir dann noch Fieber und Blutzucker und sowas messen. Da mein Blutzucker wohl niedrig war, wurde ich gefragt, ob ich was essen möchte. Ich hatte ja auch nicht gefrühstückt, also kein Wunder. Das Angebot nahm ich an und schmierte mir ein Brötchen mit einem äußerst stumpfen Brotmesser. Vor Nervosität bekam ich es nur nicht so leicht runter. Ich fühlte mich dabei, als würde ich erwürgt werden. Meinen Dreck am Hals könnte man auch fast für Würgemale halten. Zumindest sieht es vorn am Hals ein bisschen so aus wie ein Hämatom.
Später hatte ich schon meinen ersten Termin bei der (ziemlich gutaussehenden) Psychologin. Dort musste ich auch nochmal ausführlicher erzählen, weshalb ich mir Hilfe wünsche und was ich gerne verändern möchte. Leider ließ meine Konzentration noch zu wünschen übrig und ich konnte mich kaum richtig artikulieren, geschweige denn Wünsche äußern.
Am Liebsten wäre mir, ich fiele in einen tiefen Winterschlaf und wenn es wieder gut ist, wache ich auf.
Diese Aussage wurde zum Anlass genommen, mir eine Pflegekraft mit ins Einzelzimmer zu schicken. Damit ich mal entspannen könne, gab man mir noch ein Medikament. Ich fragte den Pfleger, ob er dann also mein Tripsitter sei. An seinem Humor muss ich noch arbeiten.
Die ganze Zeit beobachtet zu werden brachte mich nicht so recht zum entspannen. Irgendwann schlief ich trotzdem ein.
Wons Edgar Fjord und die Wilde Dreizehn
Edgar Fjord und die Wilde Dreizehn
Oder: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Edgar Fjord war in vielerlei Hinsicht eine Möwe wie jede andere auch; er war frech, strotzte nur so vor eigentlich lieb gemeinter Aggressivität und sein größtes Hobby war es, über dem Pier Kreise zu fliegen und ahnungs- und wehrlosen Touristen die frischen, heißen Pommes mitten aus der Pommestüte zu klauen. Dass er nicht nur einen Vor-, sondern darüber hinaus auch noch einen Nachnamen hatte, war allerdings nicht das, was ihn am meisten von seinen Artgenossen unterschied, nein; was Edgar wirklich zu etwas ganz Besonderem machte, war die Tatsache, dass er ein berühmt-berüchtigter Piratenkapitän war. Der einzige Haken an der Sache war, dass er als Möwe natürlich nicht in der Lage war, alle Aufgaben zu erfüllen, die so ein Piratenkapitän nun einmal zu erfüllen hatte. Aber Edgar wäre nicht Edgar gewesen, hätte er für dieses Problem nicht längst eine perfekte Lösung gefunden. Da seine Mannschaft größtenteils - und es tat Edgar leid, das zugeben zu müssen - aus Vollidioten bestand, hatte Edgar einfach einen von ihnen auserkoren, seine Kapitänsmarionette zu sein. Nun saß er Tag für Tag auf der Schulter dieses Mannes, der von allen nur Der Stumme genannt wurde - der Grund dafür war offensichtlich - und ließ ihn seinen Willen ausführen, während er selbst in Wahrheit die Fäden zog.
Eines schönen Tages im Advent nun, die Mannschaft war schon halb in einen tiefen Winterschlaf gesunken, weil sich auf hoher See einfach nichts tat, geschah es, dass Edgars Mannschaft sich in einer außergewöhnlich ungewöhnlichen Situation wiederfand. Dabei hatte der Tag unspektakulär angefangen wie so viele andere Tage vor ihm; Sieglund der Einäugige hatte sich lauthals darüber beschwert, dass irgendein gemeiner Dieb seine letzten Nordseekrabben aufgefuttert hatte, der irre Ivan hatte auf seinem Stammplatz neben dem Mast gesessen und jedem, den es interessierte - und jedem anderen auch - eine haarsträubende Geschichte von der Pest in Ägypten und einem brennenden Dornbusch erzählt, Pummel und Schweinebacke, die Zwillinge an den Kanonen, hatten mit einem unvollständigen Kartensatz ein Kartenspiel gespielt, dessen Regeln sehr wahrscheinlich über ihrer beider addierten Intellekt hinausging, Pavel der Pavian hatte unter Deck seine tägliche Banane verspeist und Dösi, ein träger, alter, bärtiger Mann, der seinen Spitznamen nicht zu Unrecht trug, hatte mit glasig ins Leere starrenden Augen das Steuerrad festgehalten, als plötzlich vom Ausguck oben Kikis aufgelöster Schrei zu ihnen herunter drang: "Windhose voraus! Windhose voraus!" Schon kam die drahtige Frau mit flinken Füßen von ihrem Ausguck heruntergeklettert und schloss sich der allgemeinen Aufregung an, die inzwischen an Deck herrschte. Alle plapperten wild durcheinander, während sie beunruhigt die Windhose beäugten, die vom Horizont aus immer näher zu kommen schien.
"Das Ende der Welt!", rief der irre Ivan, warf sich mit den Knien auf die Planken und murmelte offenbar ein Gebet vor sich hin.
"So etwas habe ich einmal in einem Dokumentarfilm gesehen!", rief Pavel der Pavian, der gerade eine weitere Banane geschält hatte. "Das kann wirklich unser aller Ende sein!"
"Wir müssen nur ins Auge des Sturms fahren, dann kann uns nichts geschehen", warf Kiki, altklug wie immer, ein, woraufhin Pummel und Schweinebacke sie wüst beschimpften.
"RUHE!", schrie Edgar von der Brücke herunter, als es ihm langsam zu bunt wurde. "Niemand wird hier zugrunde gehen. Seht ihr denn nicht, dass das keine gewöhnliche Windhose ist?"
Statt die von Edgar geforderte Ruhe einzuhalten, brach die Mannschaft nach diesem Kommentar in noch wildere Spekulationen aus; es war zum Aus-den-Federn-Fahren, dachte Edgar mit einem genervten Seufzen.
Doch da drang plötzlich leises Gelächter aus der immer noch bedrohlich näher rückenden Windhose hervor, das die Mannschaft endlich verstummen ließ. Alle horchten angestrengt hin, und da war es wieder, das unheimliche Lachen, unsichtbar, angsteinflößend, geheimnisvoll,...
"Meuterei", knurrte Edgar mit zusammengekniffenen Augen. "Meuterei!"
Im nächsten Augenblick surrte ein Enterhaken knapp an Kikis Kopf vorbei und schlug sich in der Reling fest. Noch bevor Kiki auch nur entsetzt kreischen konnte, kletterte ein feindlicher Pirat am Seil herauf an Bord von Edgars Piratenschiff.
"Du!", rief Edgar aus, als er seinen Erzfeind, den Brocken, mit einem fiesen, zahnlosen Grinsen an Bord klettern sah. Der Brocken war, wie sein Name schon andeutete, ein Fels von einem Mann, riesengroß, muskelbepackt, das Gesicht vor lauter Bart und Narben kaum noch sichtbar, der bullige Hals voller Würgemale aus den zahlreichen Gefechten, aus denen er siegreich hervorgegangen war. Einst war der Brocken, auch wenn Edgar es niemals freiwillig zugeben wollte, dessen großes Vorbild gewesen. Ja, seinetwegen hatte Edgar überhaupt erst entschieden, selbst Pirat zu werden. Der Brocken führte eine stolze Piratenmannschaft an, die sich die Wilde Dreizehn nannte, und Mitglied dieser Crew zu werden, war Edgars größter und geheimster Traum. Jedoch hatte der Brocken seine Bewerbungen - von denen Edgar mehr eingereicht hatte, als er stolz war, zuzugeben - nicht nur abgelehnt, sondern mit höhnischem Gelächter kommentiert und geradezu niedergeschmettert. Eine Möwe, die Pirat werden will? Lächerlich, hatte er gesagt und sich dabei fast in die Hosen gemacht vor Lachen. Edgar würde niemals ein Pirat sein, hatte der Brocken ihm gesagt; doch das hatte Edgars Ehrgeiz nur noch mehr angestachelt. Wenn er schon nicht ein Teil der Mannschaft des Brockens werden konnte, so wollte er wenigstens dessen gefürchteter Erzfeind werden! Und nach und nach, im Lauf der Jahre hatte er sich diesen Traum verwirklicht - zumindest so gut es irgendwie ging. Eine Mannschaft zusammenzustellen, ist alles andere als leicht, wenn man eine Möwe ist und nur schwerlich ernst genommen wird. Aber Edgar hatte nie aufgegeben. Und nachdem er quasi einen Wirt gefunden hatte, der für ihn den Kapitän spielte, war es etwas einfacher geworden. Pummel und Schweinebacke zum Beispiel, die hatte er nicht lange bitten müssen; die beiden waren für so ziemlich alles zu haben, verstanden sie doch meist eh nicht, worum es gerade eigentlich ging. Oder Pavel den Pavian; den hatte er bei einem Nothalt auf einer Insel aufgelesen und seither war er ein treuer Teil der Mannschaft. Oder Kiki, die einzige Frau an Bord, die der zuverlässigste Maat war, den Edgar sich nur wünschen könnte; die hatten er und seine Crew heldenhaft von einem Sklavenmarkt gerettet, auf dem sie verkauft werden sollte. Seither hatte die Mannschaft schon zahlreiche Abenteuer zusammen erlebt, sie waren gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen. Ja, und so manches Mal hatten sie auch schon dem Brocken und seiner Wilden Dreizehn gegenübergestanden, auch wenn die Schlachten stets unentschieden ausgegangen waren.
Vielleicht war heute ja der Tag, auf den sie alle schon so lange, so sehnlich gewartet hatten?
"Feuer frei!", schrie Edgar aus voller Kehle, als gäbe es kein Morgen. "Schießt die Schweine ab, solange sie noch nicht an Bord gekommen sind. Auf die Windhose! Ihr Schiff muss darin verborgen sein!"
Pummel und Schweinebacke stolperten unbeholfen zu den Kanonen und feuerten - gen Himmel.
"Nein!", jammerte Edgar und schlug die Flügel über dem Kopf zusammen. "Das ist doch keine Flugabwehrkanone, oh Gott..."
Der Brocken brach in schallendes Gelächter aus. "Ganz ruhig, Fjord. Ich bin heute alleine."
Kiki starrte ihn misstrauisch und feindselig an. Der irre Ivan plapperte immer noch etwas von Endzeit und Morgensternen vor sich hin, doch niemand schenkte ihm mehr groß Beachtung.
"Es ist wahr", fuhr der Brocken fort. "Meine Mannschaft habe ich heute daheim gelassen, ich komme sozusagen in Frieden."
"Dann spuck aus, was du willst", knurrte Edgar, der dem Brocken kein Stück über den Weg traute.
"Nun", der Brocken zog das Gesagte genüsslich in die Länge, während er an Deck im Kreis lief, "Kürzlich ist mir ein Mannschaftsmitglied abhanden gekommen. Nun könnten wir uns natürlich einfach Die Wilde Zwölf nennen, aber seien wir mal ehrlich, das klänge doch albern. Fjord, du hast dir inzwischen einen Namen gemacht in der Piratenwelt. Und deshalb bin ich heute vorbeigekommen, um dir einen Platz in meiner Mannschaft anzubieten. Na, was sagst du?" Er streckte Edgar die Hand hin und sah ihn abwartend an.
Die Mannschaft tat es ihm gleich. Es war ein offenes Geheimnis, dass Edgar schon lange davon träumte, ein Teil der Wilden Dreizehn zu werden. Natürlich redete er sich selbst ein, dass er diesen Wunsch tief in sich verborgen hielt und niemand je davon erfahren würde, aber die Mannschaft hatte ihm das "Geheimnis" bereits in einer der ersten gemeinsam durchzechten Nächte auf dem Schiff entlockt.
"Wow", flüsterte Kiki und sah den Kapitän mit angehaltenem Atem an. Sogar der irre Ivan hatte zu plappern aufgehört, Pavel der Pavian hatte seine Banane achtlos neben sich fallen lassen und selbst Edgars Wirt schien gebannt auf eine Antwort seitens der Möwe zu warten.
Ewigkeiten schienen zu vergehen, bis Pummel, der sich verschluckt hatte, mit einem Husten die unangenehme Stille brach.
"Ich lehne ab", sagte Edgar schließlich und erneut ging ein unruhiges Raunen durch die Menge. "Ich habe jetzt meine eigene Mannschaft, die viel besser ist, als es deine je sein könnte. Also..." Er holte tief Luft. "Runter von meinem Schiff und bring nächstes Mal deine Wilde Zwölf mit, damit wir uns anständig duellieren können."
Wieder herrschte Totenstille, aber nur für ein paar Sekunden, dann stürzten sich alle Mannschaftsmitglieder unter den verdutzten Blicken des Brockens auf ihren Kapitän und zerquetschten ihn in der größten Gruppenumarmung, die es in der Geschichte der Piratenwelt jemals gegeben hatte.
Edgar schreckte auf; eine Kugel Eis war aus dem Hörnchen eines weinenden Kindes auf ihn gefallen und hatte ihn unter sich begraben und ihn somit aus dem Schlaf gerissen. Was für einen sonderbaren Traum er doch gehabt hatte... Ja, wahrlich sonderbar.
ENDE
???
Thema verfehlt, Note: Mangelhaft.
"Oh, Dreck", murmele ich vor mich hin, während ich beim Verlassen des Hochschulprüfungsamtes stirnrunzelnd die letzte Seite des Dokuments lese. Das heißt dann wohl, dass meine Hausarbeit zum Thema 'Musiktherapie bei Kleinstkindern' versehentlich auf dem Schreibtisch der Jurorin des Kindergeschichtenwettbewerbs gelandet ist, bei dem ich teilgenommen habe - oder eher teilnehmen wollte. Ich wusste, das Trinkspiel mit der ersten Staffel Pokémon zur Feier der Fertigstellung war keine gute Idee; Memo an mich, in Zukunft erst nach der Abgabe feiern. Ach, was soll's?
"Wird später, muss noch Hausarbeit schreiben", texte ich meiner Freundin, während ich mich auf den Weg in die Bibliothek mache. Sie wird mich wahrscheinlich sowieso gleich anrufen und nachhaken und dann komm ich um das peinliche Geständnis nicht drum rum. Oh, sie wird mich auslachen, ja. Aber ich hab's auch irgendwie nicht besser verdient.
CAMIRs Wechselbalg
Wechselbalg
Als die Polizei Erna schließlich fand, starrte sie katatonisch ins Leere. Blut rann
aus ihrer Nase und ihre Unterlippe war aufgeplatzt. An ihrem Hals prangten gut
sichtbare Würgemale, ihr rechter war Arm mehrfach gebrochen. Auf dem nassen
Asphalt vor ihr lag ein umgekippter Kinderwagen, sein Stoff inzwischen vom
Regen durchweicht. Dieser verdeckte das tote Baby zu ihren Füßen.
Amtsgericht, 29.11. 16:05
„Sache Erna Schmitt, Aktenzeichen 1456 VB-09/08,“ stand auf der Akte, die sich
Richter Jonas Gerst in seinem Büro zu Gemüte führte. Er holte sie von dem
dicken Stapel Papiere neben sich. Dann nahm er einen kräftigen Schluck Kaffee
aus seiner Tasse und begann zu lesen. Der Fall war höchst bizarr. Eine junge
Mutter war mit ihrem Baby spazieren gegangen. Mehrere Zeugen berichteten, es
hatte sich um eine tägliche Aktivität der Frau gehandelt. Aber am Tattag war sie
von dem Spaziergang nicht zurückgekehrt. Ihr besorgter Ehemann hatte
schließlich die Polizei gerufen. Aufgrund von Zeugenaussagen hatte man mit
einiger Verzögerung den Weg der Angeklagten schließlich nachvollziehen können.
Und so hatte man sie in einer dunklen Allee abseits ihrer gewöhnlichen Route
aufgefunden. Sie wies schwere Verletzungen auf, das Baby lag tot vor ihr auf
dem Boden. Aber das Seltsamste war, dass die Frau durch die Vorfälle in einen
Schockzustand versetzt worden war, der sämtliche Kommunikation mit ihr
verhinderte. Sie sprach seither in einer völlig unbekannten Sprache.
Richter Gerst wusste nicht, wie oft er die Akten bereits studiert hatte. Er wusste
auch nicht, wie viele Tassen Kaffee er inzwischen intus hatte. Vermutlich stand er
kurz vor dem nächsten Koffeinschock. Bei dem Fall gab es einige
Ungereimtheiten. Dennoch wiesen die meisten Indizien darauf hin, dass Frau
Schmitt ihr eigenes Kind getötet hatte. Dies erklärte zwar ihre zahlreichen
Verletzungen nicht, allerdings hatte sie eine Vorgeschichte und war polizeilich
bekannt. Zwar war sie nie direkt an irgendwelchen gesetzeswidrigen Vorfällen
beteiligt gewesen, aber ihre beiden letzten Arbeitsplätze waren auf merkwürdige
Art und Weise Opfer der Verwüstung geworden. Nein, irgendetwas war ganz und
gar nicht in Ordnung mit der Angeklagten.
Gerst seufzte. Er war ein einfacher Mann. Am liebsten verhandelte er simple,
eindeutige Fälle, in denen es darum ging, ob Angeklagte das Knöllchen zahlen
mussten, das ihnen die Polizei vermeintlich rechtswidrig ausgestellt hatte. Oder
um irgendwelche Morde der Russenmafia – die waren meistens schnell
aufgeklärt, weil irgendein Ivan wieder seinen Wutausbruch nicht unter Kontrolle
hatte. Bei diesem Fall aber taten sich ungeahnte Abgründe auf. Abgründe, für die
sich Gerst zu alt fühlte. Er wollte noch ein paar Jährchen sein Geld verdienen und
dann mit 65 in Pension gehen. Seufzend griff er in die Süßigkeitenschale neben
sich und nahm sich ein Bonbon. Als er das Bonbon aus seinem Papier schälte,
dachte Gerst an seinen Arzt. Der würde ihm vermutlich wieder eine Predigt über
seine ungesunde Lebensweise halten. Der Arzt hatte aber auch nicht den ganzen
Tag mit lauter bizarren Menschen zu tun, von denen irgendwelche Reichsbürger
noch die normalsten waren. Gerst las sich die Akte noch einmal durch, in der
Hoffnung, etwas zu finden, das ihm bisher verborgen geblieben war.
JVA, 29.11. 16:15
„Herr Schmitt?“
Alexander hob den Kopf von seinem Buch und sah den Justizbeamten an. Warum
hatte er das Buch eigentlich mitgenommen? Um sich die Zeit in der Bahn zu
vertreiben? Er hatte doch nur aus dem Fenster gestarrt und an Erna gedacht. An
Erna und Edda. Edda, die angeblich von Erna ermordet worden war. Die Bilder,
die ihm die Polizisten später vom Tatort gezeigt hatten, hatten ihn so nachhaltig
verstört, dass er seither kaum ein Auge zugetan hatte. Er konnte noch immer
nicht fassen, dass jemand seine arme, wehrlose Tochter ermordet hatte. Nur
eine Sache wusste er ganz sicher: Erna war keine Mörderin. Irgendetwas
Entsetzliches musste ihr zugestoßen sein. Irgendjemand hatte sie auf brutale
Weise angegriffen und ihr das Undenkbare angetan. Dafür waren die Würgemale
Beweis genug. Eine solche Verletzung konnte sie sich unmöglich selbst zugefügt
haben. Aber weder Zeugen noch Überwachungskameras hatten irgendjemanden
anderen außer Erna in diese dunkle Allee gehen sehen. Niemand hatte die Allee
danach auch wieder verlassen. Auf diesen Indizien basierte die Anklage.
Alexander aber wusste von Ernas übernatürlicher Herkunft. Dass sie eine
gefallene Walküre war, war weder Polizei noch Justiz geläufig. Er kannte
inzwischen genug alte Bekannte von ihr, um zu wissen, wie wenig aussagekräftig
die Indizien in diesem Fall waren. Jeder einzelne von ihnen konnte sich vor
Menschenaugen verbergen. Leider nutzte ihm dieses Wissen überhaupt nichts, da
ihm niemand glauben würde, dass irgendwelche Trolle oder Riesen die wahren
Täter waren. Man würde ihn für verrückt erklären und einsperren. Trotzdem
hatte er begonnen, sämtliche Überlieferungen über Odin und Konsorten noch
einmal systematisch zu studieren. Vielleicht verbarg sich darin ein Hinweis auf
die wahren Täter?
Diese Tätigkeit hatte zumindest den Vorteil, ihn von der grausamen Realität
abzulenken. Und er war zumindest dahingehend beruhigt, zu wissen, dass Erna
selbst ein Opfer war. Sie wäre zu einer derartigen Tat niemals fähig. Davon allein
kam sie allerdings auch nicht frei. In den Augen des Staates war sie eine
Kindesmörderin, die hinter Gitter gehörte. Aber da war noch etwas anderes. Erna
ließ jegliche Trauer über den Verlust ihres Kindes vermissen, das sie sich so hart
erkämpft hatte. Er hatte erwartet, sie verzweifelter zu sehen.
Der Justizbeamte räusperte sich ungeduldig und Alexander schreckte auf.
„Ich komme,“ sagte er hastig, packte das Buch ein und folgte dem Mann durch
die Gänge des Gefängnisses bis zum Besucherraum.
Erna wartete bereits an einem Tisch auf Alexander. Er sah in diesem Moment nur
sie und blendete all die anderen Anwesenden vollkommen aus. Man ließ ihn zu
ihr gehen und er nahm sie erst einmal wortlos in den Arm. Dann küsste er sie
zuerst auf die Stirn und dann auf den Mund. Sie wirkte blass und verstört und
noch dünner als er sie bisher kannte. Die Gesichtswunden heilten langsam,
allerdings hatte sich an ihrer Lippe Schorf gebildet. An ihrem gebrochenen Arm
hatte man einen sogenannten Fixateur externe angebracht, um den
Heilungsprozess zu beschleunigen. Und dennoch fand er sie noch immer
wunderschön.
„Alexander!“ Ihre Augen leuchteten bei seinem Anblick und Alexander verspürte
Hoffnung. Dann jedoch spürte er einen schweren Schlag in die Magengrube.
„Yndit mitt!“
Noch immer war ihre Sprache nicht zurückgekehrt. Noch immer war das, was sie
sagte, vollkommen unverständlich. Er hatte zwar einen Verdacht, was sie sprach
– aber auch das half ihm nicht weiter. Es gab auf der ganzen Welt keinen
einzigen lebenden Sprecher des Altnordischen mehr. Und sämtliche Altnordisten,
die er kontaktiert hatte, hatten dankend abgelehnt, behilflich zu sein. Sie hielten
ihn für gänzlich verrückt.
Erna griff verzweifelt nach seinen Händen und drückte sie. Tränen standen in
ihren Augen.
„Ek drepti Eddu eigi. Ek gerði þat eigi. Ek er saklaus.“
Alexander strich über ihre Hände. Er konnte nur erahnen, was sie meinte.
„Ich weiß, dass du sie nicht getötet hast,“ flüsterte er. Und dann: „Hilf mir, Erna.
Hilf mir, dir zu helfen.“
Sie sah ihn fragend an. Zwischen ihnen war ein Schleier. Die Erna, die er kannte,
schien in einen ewigen Winterschlaf gefallen zu sein. Stattdessen war ein
verstörtes Wesen an ihre Stelle getreten, das in Zungen sprach und das Eddas
Tod kaltzulassen schien. Aber er wusste, die wahre Erna empfand anders. Und
irgendwo verbarg sie sich!
„Hjálpdu mér,“ flüsterte Erna. Sie zitterte.
Alexander hatte lange nachgedacht. Und so hatte er heute etwas mitgebracht,
das ihm auch die Justizbeamten nicht abgenommen hatten. Er legte einen Stift
und einen Block vor Erna auf den Tisch.
„Hvat er þat?“ Sie deutete darauf und sah ihn fragend an. Behutsam drückte
Alexander Erna den Stift in die Hand. Es mochte niemanden mehr geben, der
Altnordisch sprach. Aber es gab genügend Menschen, die es lesen konnten.
Vielleicht konnte er der Sache auf diese Art und Weise näherkommen?
Verständnis machte sich in Ernas Gesicht breit und sie ergriff den Block. Dann
begann sie, in rasendem Tempo eine Reihe von Runen darauf zu malen. Als sie
fertig war, gab sie Alexander den Block zurück. Das Papier war über und über mit
Schriftzeichen bedeckt. Er konnte kein einziges davon entziffern.
„Svartálfarnir tóku Eddu. Hon er eigi dauð,“ sagte Erna, nun etwas gefasster.
„Barnit sem þau fundu var skiptingr. Hjálpdu mér at koma út og vit getum fundit
Eddu hjá þau.“
Alexander nickte nur. Dann steckte er den Block ein und umarmte seine Frau.
„Wir lösen dein Geheimnis gemeinsam.“
„Besuchszeit ist um!“, intonierte der Beamte.
Alexander küsste Erna noch ein letztes Mal innig. Er merkte, wie sehr sie ihm
bereits fehlte – ihre vertraute Wärme, ihr Geruch und auch ihr Körper. Er würde
nicht zulassen, dass man sie hier verrotten ließ unter Mördern, Kinderschändern,
Trickbetrügern und Drogendealern, die ihre Amphetamine an ihr nächstes Opfer
verschachern wollten. Erna liebte die Menschen so sehr. Alexander konnte nicht
zulassen, dass sie hier verdorben wurde.
JVA, 29.11. 23:00
„Erna?“
Ein heller Schein erleuchtete die Zelle, aber die ehemalige Walküre namens Erna
drehte sich lediglich in ihrem Bett um und zog die Decke über sich.
„Erna, wach auf!“
Als sie merkte, die Worte plötzlich wieder verstehen zu können, saß Erna
senkrecht im Bett. In der Mitte ihrer Zelle war ein brennender Dornenbusch.
„Wer bist du?,“ fragte sie zögerlich, als sie dessen gewahr wurde. Ein
außenstehender Betrachter hätte „Hver ert þú?“ verstanden.
Der Dornbusch zögerte und verwandelte sich kurz darauf in Odin.
„Vater?“ Erna sah ihren Vater verwundert an.
„Ich wollte einmal probieren, wie das wirkt,“ gab dieser ein wenig kleinlaut zu.
„Ich hätte zumindest so nicht mit dir nicht gerechnet,“ sagte Erna. Sie wirkte
traurig.
Odin tat es leid, seine Tochter so leiden zu sehen. „Ich will dir helfen, so gut ich
kann…,“ sagte er dann betreten. „Deshalb bin ich hier.“
Erna streckte ihren Arm aus, sodass Odin die merkwürdige Schiene sah, die
daran hing.
„Wo warst du, als sie mir das antaten? Wo warst du, als sie mir Edda nahmen?“
Tränen sammelten sich in ihren Augen.
„Edda.“
„Deine Enkeltochter.“ Erna setzte sich gerade hin und starrte zu Boden. „Es ist
mir gleich, was sie mit mir tun. Ich bin Prügel gewohnt und diese Wunden
werden heilen. Sie hätten mich totschlagen können. Aber sie haben mir mein
Kind genommen.“
„Du weißt, dass meine Macht nicht mehr so groß ist wie früher…“, setzte Odin an.
„Ein Gott ist nur so stark wie die Zahl der Menschen, die an ihn glauben. Ich
habe in dieser Welt fast keine Kraft mehr.“
„Ich weiß es,“ unterbrach Erna ihn. „Aber schon wieder wurde ich in einen
Konflikt hineingezogen, der mich nichts angeht. Sie haben mich eingesperrt wie
eine gewöhnliche Mörderin. Und ich kann nicht einmal die Wahrheit sagen. Sie
verstehen mich nicht mehr.“
„Sie hätten dir nicht geglaubt.“
„Wirklich? Kannst du mir die Sprache nicht trotzdem wiedergeben? Dann könnte
ich wenigstens Alexander sagen, was passiert ist. Ich habe Angst, er hält mich
für schuldig.“ Sie schluchzte.
„Ich wünschte, ich könnte es,“ seufzte Odin. „Aber ich habe nicht länger Macht
über dich. Schon gar nicht im Reich der Menschen. Das heißt nicht, dass ich dir
nicht trotzdem beistehen kann. Aber ich weiß, dass Alexander an dich glaubt.“
Wortlos trat Odin auf sie zu und legte seine schweren Arme um die zierliche
Frau. Er legte seinen Kopf an ihren. Welch harter Haudegen er auch sonst sein
mochte, Ernas Schicksal ließ ihn nicht kalt. Lange blieben Vater und Tochter in
ihrer Umarmung.
„Ich vermisse Alexander,“ schniefte Erna. „Und ich vermisse Edda.“
Odin drückte sie einfach weiter an sich und strich über ihren Rücken.
„Weine nicht, kleine Erna. Du bist stark.“
Lange Zeit blieb Erna stumm. Endlich fand sie die Sprache wieder.
„Ich bin nicht stark genug. Ich ertrage es nicht, dass mich die Schatten meines
früheren Lebens immer noch verfolgen. Du hast mir versprochen, dass es nicht
mehr vorkommt. Die Trolle respektieren das.“
„Ich habe damit nicht gerechnet,“ sagte Odin leise. „Ich habe wirklich gedacht,
du könntest deinen Frieden bekommen. Kannst du mir das glauben?“
Erna nickte und schluckte die Tränen hinunter.
„Und jetzt?“, fragte sie zaghaft.
Ernas und Alexanders Zuhause, 30.11. 19:00
Alexander konnte nicht fassen, was er da las. Er hatte diese E-Mail so sehnlichst
erwartet, dass er bereits fürchtete, an Postangst erkrankt zu sein. Von dieser
seltsamen Angststörung wurde vor einiger Zeit im Fernsehen berichtet. Er war
nur vorübergelaufen, als Erna sich auf der Couch die Sendung angesehen hatte,
Edda an ihrer Brust. Das waren glücklichere Tage gewesen. Betroffene fürchteten
sich davor, Post bekommen. Und obwohl er auf Antwort wartete, fürchtete
Alexander sich doch vor dem, was darin stehen würde. Als er den vertrauten
Klingelton vernahm, der eine neue E-Mail verkündete, bekam er beinahe einen
Herzinfarkt. Dann jedoch öffnete er sie zaghaft. Eine Professorin für Altnordistik
hatte sich doch bereit erklärt, Ernas Notizen für ihn zu entziffern und ihm zu
antworten. Aus irgendeinem Grund hatte das Bild auf der Institutshomepage ihn
an seine kleine Walküre erinnert. Vielleicht hatte er sie deshalb angeschrieben.
Nach einem netten Anschreiben war sie direkt zur Sache gekommen. Die Notizen
lasen sich daraufhin immer leichter. Zwar bemerkte die Übersetzerin an einigen
Stellen verwundert, was denn der Kontext der seltsamen Nachricht war, dennoch
war ihr Inhalt von solcher Tragweite, dass Alexander den Text zweimal lesen
musste. Er würde der Frau beizeiten antworten. Aber am wichtigsten war: Edda
lebte! Der Rest klang so über die Maßen bizarr, dass er genau wusste, es war
wahr.
Ich bin
unschuldig. Ich habe Edda nicht getötet und das Baby, das man
zu meinen Füßen fand, ist nicht Edda. Kennst du die Geschichten
von Wechselbälgern? Menschenkinder, die geraubt werden und
durch Elfenkinder ausgetauscht werden. Ein solches lag tot vor
mir. Schwarzalben haben mich überfallen. Ein Kind wie Edda, das
zwischen den Welten wandelt, ist für sie von besonderer
Bedeutung. Ich habe mich gewehrt, ich habe um Edda gekämpft,
aber sie waren stärker als ich. Sie ließen ihr Wechselbalg
zurück, aber es wurde im Gefecht getötet. Aber auch dieses Blut
klebt nicht an meinen Händen. Hilf mir, Alexander! Hilf mir,
Edda wiederzubekommen.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Alexander schaute auf die Uhr. Er
erwartete niemanden. Aber als es erneut klingelte, öffnete er doch.
„Du musst ihr helfen, Schwiegersohn,“ sagte Odin ohne Umschweife und stiefelte
in die Wohnung. Verdattert sah Alexander ihm nach, als er direkt auf das
Wohnzimmer zuhielt, sich auf die Couch warf und Snickers aus der Schale auf
dem Couchtisch griff. Alexander schloss die Wohnungstür und folgte Odin.
„Was soll das?“, fragte er.
„Willst du deine Frau nicht zurück?“, fragte Odin, schälte das Snickers und warf
es sich am Stück in den Mund.
„Ich will sie schon seit Tagen zurück. Aber wieder einmal haben du und deine
Freunde uns das Weihnachtsfest versaut!“, schnaubte Alexander.
Odin vertilgte drei weitere Snickers, bevor er mit vollem Mund antwortete.
„Du weißt, dass Edda lebt.“
„In den Händen von solchen Monstern, die Erna so misshandelt haben, dass sie
noch immer die Spuren davon trägt. Wie soll sie jemals ein normales Leben
führen, wenn immer wieder irgendwelche Gestalten auftauchen und ihr oder
Edda ans Leder wollen?“
„Hör mir zu, mein Junge,“ sagte Odin ungeduldig. „Glaubst du, mit mir hört alles
auf? Es ist erst der Anfang! Es ist alles wahr, verstehst du? Alles. Aber ich
habe meine Domäne. Ich kann mich um meine Feinde kümmern, aber nicht um
andere Wesen. Edda wandelt zwischen den Welten. Das bleibt auch den anderen
nicht verborgen. Denen, über die ich keine Macht habe.“
Verzweifelt warf Alexander die Hände nach oben.
„Das sind ja wunderbare Aussichten. Das heißt, so einmal im Jahr kommen
irgendwelche Dschinns, Geister, Totems, Drachen, Dämonen und anderes
Gesocks auf die Idee, Erna zu verprügeln oder Edda zu entführen? Das hält sie
niemals durch! Das wird sie töten!“
„Sie ist bereits einmal gestorben und hat es recht gut verkraftet,“ entgegnete
Odin lapidar und vertilgte sein fünftes Snickers.
Geschlagen ließ sich Alexander auf die Couch fallen.
„Wie soll ich ihr da helfen? Ich bin ein einfacher Bankkaufmann.“
„Nein, du bist ein Idiot,“ sagte Odin, zerknüllte die Snickerspapiere und krümelte
sie auf den Boden.
Alexander funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts. Er hatte immerhin Odin vor
sich sitzen. Angeblich war er der Gott der Weisheit. Und noch von irgendwelchem
anderen Unsinn.
„Verstehst du es wirklich nicht?“, fragte Odin nach einer Weile des peinlichen
Schweigens.
„Dass ich ein Idiot bin? Na ja, wer sich solch einen Schwiegervater aussucht, ist
wahrhaftig ein Idiot. Vielen Dank für das Gespräch,“ erwiderte Alexander patzig
und starrte Odin weiter an.
„Mit dieser Aussage hast du es gerade bestätigt,“ sagte Odin und stellte traurig
fest, dass es keine Snickers mehr gab. „Aber vielleicht muss ich es für euch
Sterbliche ein bisschen einfacher formulieren. Erna. Was hältst du von ihr?“
Alexander blinzelte mehrmals. „Das solltest du wissen.“
„Sag es mir.“ Odin blieb unerbittlich.
Alexander wand sich ein wenig und sank unter dem prüfenden Blick des einen
Auges zusammen.
„Sie ist rundum wunderbar.“
Odin starrte ihn unvermindert an. „Du weißt, was sie für dich getan hat? Sie hat
ihre Natur überwunden. Walküren geben sich keinen Männern hin und sie
bekommen keine Kinder.“
„Ich liebe sie sehr. Und ich würde alles für sie tun. Sie ist schön, sie ist lustig und
sie ist voller Liebe und Neugier.“
„Na bitte, mein Söhnchen. Geht doch!“ Jovial klopfte Odin Alexander auf die
Schulter, der ihn verwirrt ansah.
„Und was hat das jetzt gebracht?“
„Deine Liebe für sie wird sie retten. Genau wie ihre Liebe für dich sie gerettet
hat.“
„Ist das so? Für mich hört sich das nach sentimentalem Unfug an. Sie sitzt im
Gefängnis. Nur, weil ich sie liebe, kommt sie nicht magisch von dort fort.“
Odin lachte.
„Das ist richtig. Aber an dieser Stelle komme ich ins Spiel!“
JVA, 30.11. 00:00
Als ein greller Lichtblitz Erna dieses Mal aus dem Schlaf riss, war sie darauf
vorbereitet. Darauf, wie viele Personen sich in ihre kleine Zelle drängten, war sie
allerdings nicht vorbereitet. Odin hatte dieses Mal nicht nur Alexander
mitgebracht, dessen Augen bei ihrem Anblick aufleuchteten. Er hatte auch zwei
andere gute Bekannte im Gepäck. Die beiden Trolle Wumm und Wamm hatten
sie vor einem guten Jahr erfolgreich ins Jenseits befördert. Hinterher hatten sie
aber großes Bedauern über diese Tat geäußert und sich kurz darauf mit Erna und
Alexander angefreundet. Für Edda waren sie ideale Patenonkel und Babysitter.
Erna starrte Odin an.
„Vater?“
Für Alexander klang es wie „Faðir?“
Gönnerhaft klopfte Odin seiner Tochter auf die Schulter.
„Ich habe ein paar Freunde mitgebracht, die gerne dafür sorgen möchten, dass
die Schwarzalben heute Abend ihre Henkersmahlzeit einnehmen.“
„Ihr letztes Stündchen hat geschlagen!“, rief Wamm und schlug die Faust in
seine andere Handfläche.
„Können Stunden schlagen?“, fragte Wumm und bekam kurz darauf einen Schlag
auf den Kopf.
„Sei still!“
Odin und die Trolle berieten kurz daraufhin eifrig, wie sie den Kindesentführern
am effektivsten den Garaus machen konnten. Während Wumm einen Autounfall
vorschlug, war Wamm eher für eine Bombe. Odin hingegen wollte es subtiler
angehen.
Erna wurde das Gespräch zusehends unangenehmer. Sie kauerte sich auf ihr
Bett und hielt sich die Ohren zu. Egal, was man ihr angetan haben mochte, sie
verabscheute Gewalt.
Alexander bemerkte sofort, dass mit ihr etwas nicht stimmte und setzte sich
neben sie. Dann zog er sie auf seinen Schoß und legte die Arme um sie. Er
verstand zwar kein Wort von dem, was gesprochen wurde, erahnte aber den
Unterton. So sah er seine Aufgabe darin, für seine Erna da zu sein, die sichtbar
litt. Liebevoll streichelte er über ihren Rücken und Erna entspannte sich langsam.
Dann geschah etwas Seltsames.
Er spürte eine Wärme in sich und kurz darauf diese Wärme auch an Erna. Sie
blickte ihn überrascht an, als sie dasselbe bemerkte. Odin sagte etwas für
Alexander Unverständliches und unvermittelt küsste Erna ihn. Sie tat es lange
und ausgiebig, innig und liebevoll. Das Gefühl der Wärme war nun noch
intensiver und es erschien Alexander, dass er geradezu glühte und seine Frau in
seinen Armen ebenso. Als Erna sich von ihm löste, war irgendetwas anders.
„Ich danke dir,“ flüsterte sie und Alexander blinzelte verwundert.
„Du… ich… ich kann dich verstehen?!“
„Ich habe dir doch gesagt, dass du ein Idiot bist,“ bemerkte Odin spitz.
„Lass das, Vater!“, empörte sich Erna.
Odin zuckte mit den Achseln und schielte zu Alexander. „Hast du es immer noch
nicht kapiert?“
Ratlos blickte Alexander von Erna zu Odin und den Trollen. Erst jetzt fiel ihm auf,
dass er auch die Trolle verstehen konnte.
„Was ist geschehen?“ fragte er.
Odin verschränkte die Arme. „Du bist wirklich ein begriffsstutziger Dödel.“
„Vater!“ (Es klang immer noch ein bisschen wie Faðir.)
„Na schön.“ Odin warf einen Seitenblick auf Erna, die ihn streng über ihre Brille
ansah. „Hast du dich eigentlich nie gefragt, wie ihr Menschen bis heute überlebt
habt? Götter kommen und gehen. Manche verlieren ihre Macht, andere treten an
ihre Stelle.“
„Hast du deine Macht auch verloren?“
„Du merkst aber auch alles. Es reicht noch für ein paar Taschenspielertricks hier
auf dieser Welt.“
„Du hast aber letztes Jahr Erna von den Toten zurückgebracht. Ist das nicht eine
große Tat?“
In Odins Blick machte sich Verzweiflung breit über so viel Unwissen.
„Ich habe Macht in meiner Domäne. Erna war in meinem Reich. Aber hier
auf Midgard sind meine Kräfte begrenzt.“
„Und was ist mit Edda? Nach allen Regeln dieser Welt dürfte es sie nicht geben.
Trotzdem ist sie da.“
Odin zuckte mit den Achseln. „Das war Lokis Werk. Er macht viele Dinge, die
unerklärlich sind. Ich glaube aber, dass…“
„Wann hauen wir jetzt endlich die Schwarzalben zu Mus?“, wollte Wumm
ungeduldig wissen.
„Gar nicht,“ sagte Erna bestimmt. Sie war in die Mitte getreten und in der Zelle
wurde es nun wirklich langsam eng.
Alexander sah sie erstaunt an.
„Aber was ist mit Edda?! Wollen wir ihnen einfach unser Kind überlassen?!“
„Nein.“ Erna war erstaunlich ruhig und gefasst. „Aber schaut euch doch an. Es ist
kurz vor Weihnachten und alles, woran ihr denken könnt, ist Gewalt. Besonders
ihr beiden solltet es inzwischen besser wissen.“ Jetzt versah sie die Trolle mit
einem strengen Blick. Ertappt blickten beide auf ihre Füße und versteckten ihre
Pranken hinter dem Rücken.
Odin blieb der Mund offen stehen.
„Ich habe Asgard und Hel in Bewegung gesetzt, um dich heute Nacht hier
rauszuholen und Gerechtigkeit walten zu lassen und du willst nicht?!“
„Ich will Edda wiederhaben. Es gab keine Sekunde, in der ich nicht an sie
gedacht habe. Aber hast du nicht etwas vergessen, Faðir? Du hast Alexander das
Wichtigste nicht gesagt.“
Odin schnaubte. Es schien beinahe, als wäre ihm Wumms Unterbrechung
geradezu recht gewesen.
„Söhnchen, die einzige Kraft, die auf dieser Welt noch irgendetwas bewirkt, ist
die Liebe. Du warst es mit deiner Liebe zu Erna, der bewirkt hat, dass wir hier in
ihrer Zelle stehen. Und du hast ihr die Sprache zurückgegeben. In der
Vorweihnachtszeit wirkt diese Kraft besonders stark.“ Dann wandte er sich an
Erna. „Zufrieden?!“
Sie nickte. „Ja.“
„Du hast diese Lektion vor mir gelernt, aber bilde dir ja nichts darauf ein. Du
warst trotzdem eine miserable Walküre.“
Erna zuckte mit den Schultern.
„Dann ist es ja gut, dass ich einen Karrierewechsel vorgenommen habe.“
„Aber wie hilft uns das alles jetzt?!“ fragte Alexander verwirrt. Er verlor langsam
den Überblick.
„Das will ich euch sagen!“ Erna stemmte einen Arm in die Hüfte. Der andere war
ja fixiert. „Hass gebiert neuen Hass. Glaubt ihr auch nur für einen Moment, die
Schwarzalben werden mich zufrieden lassen, wenn wir uns Edda mit Gewalt
zurückholen?“ Sie zeigte auf die Trolle. „Vor einem Jahr wolltet ihr meinen Tod.
Und jetzt sind wir Freunde. Wieso sollte das nicht auch bei anderen
funktionieren?“
„Sie hat Recht,“ murmelte Wamm und Wumm nickte zustimmend. „Freunde. Die
Mini-Walküre schafft Freunde.“
„Ich will zuerst mit ihnen reden,“ fasste Erna ihren Entschluss zusammen. „Es
wird schließlich Weihnachten.“
„Na schön,“ seufzte Odin geschlagen und zückte ein Gerät, das aussah wie ein
Insulinpen. Damit öffnete er Ernas Zellentür und sie spazierten hinaus.
Handelsbank, Büro des Chefs, 1.12. 02:00
Robin Goodfellow lächelte und rieb sich die Hände. Alles lief genau nach Plan.
Sein Herr und Meister würde zufrieden sein, sehr zufrieden. Das Baby neben ihm
in seinem Bettchen schlief tief und fest. Robin hatte allerdings ein paar Tricks
anwenden müssen, damit das kleine unselige Balg endlich Ruhe gab. Es hatte
seit seiner Entführung nur gebrüllt und war nicht zu trösten gewesen. Aber jetzt
schlief es und war leise. In diesem Zustand brauchte es auch keine Nahrung. Die
Mutter war ausgeschaltet und der kleine Weltengänger gehörte jetzt ihnen. Ein
solch wertvolles Kind bei einer so wertlosen Mutter zu lassen, war die wahre
Schande, auch wenn es Robin leidtat, dass sie den Wechselbalg verloren hatten.
Aber mit Verlusten war immer zu rechnen gewesen. Für ihre Statur hatte die
Mutter gekämpft wie eine Löwin. Das hätte er dieser ausgehungerten
Vogelscheuche gar nicht zugetraut. Aber all das war nun egal. Am Ende zählten
die Ergebnisse und die Macht.
Da flog die Tür zu seinem Büro auf und Robin fand sich der traurigsten
Ansammlung von Gruselgestalten gegenüber. Keiner von ihnen hatte die Grazie
eines Alben. Nicht einmal die ausgehungerte, verhärmte Frau, die sie anführte.
Robin musste blinzeln. Diese Krähe war die Mutter des Babys. Und im Gegensatz
zu all den ahnungslosen und dummen Menschen, die tagein und tagaus in sein
Büro kamen, wusste er – sie würde das Baby sehen können. Tatsächlich hielt sie
einen Moment inne und eilte dann auf das Bettchen zu.
„Edda!“, rief sie.
Robin setzte ein falsches Lächeln auf. „Guten Abend, womit kann ich Ihnen
dienen?“
Hinter der Frau kamen zwei dümmliche Trolle, ein wertloser Sterblicher und…
Odin persönlich in das Büro.
„Ich will meine Enkeltochter zurück!“, knurrte Odin. „Wir wollen die Mini-Walküre
wieder!“ riefen die Trolle im Chor und das mickrige Männchen eilte ebenfalls an
die Wiege.
Die Frau kniete sich zu dem Kind hinunter und streichelte seine Stirn. Sie konnte
es aber nicht hochheben, da sie nur einen gesunden Arm hatte. Stattdessen
holte das Männlein das Kind heraus und brach damit den Zauber, der es am
Schlafen hielt. Es erwachte und brüllte. Robin hätte sich am liebsten die Ohren
zugehalten.
Die beiden versuchten eine Weile, das Kind wieder zu beruhigen, indem sie leise
auf es einredeten, es küssten und der Mann es in seinen Armen wiegte.
Irgendwann hörte das Gebrülle auf.
„Da ihr das Kind jetzt habt, gibt es wohl nichts mehr zu sagen,“ säuselte Robin
und wurde kurz darauf von sechs Augenpaaren feindselig angefunkelt. Nur die
Eltern kümmerten sich um das Kind.
„Wenn es nach uns ginge,“ sagte der eine Troll. „Dann lägst du jetzt da unten auf
der Straße für das, was du Erna angetan hast.“
„Und was hindert euch daran?“, fragte Robin patzig.
„Erna,“ riefen die Trolle im Chor. Alle Augen wanderten zur Mutter. Auch Robin
starrte sie an.
Diese Frau musste die armseligste Walküre sein, die Robin jemals gesehen hatte.
Sie war dürr, kurzhaarig und kurzsichtig. Aber seine Quellen hatten ihm
zuverlässig davon berichtet, dass sie eine von Odins Töchtern war. Dessen
Anwesenheit bestätigte das nur. Und doch… in dem Moment, als Robins und ihre
Blicke sich trafen, erstarrte der Schwarzalb. Er hatte noch nie einen so starken
Willen gesehen.
Sie trat auf ihn zu – die Spuren ihres Scharmützels noch immer deutlich zu
sehen, ihr rechter Arm hing schlaff nach unten.
„Warum hast du mir Edda genommen?“, fragte sie und es lag weder ein Vorwurf
noch Hass in ihrer Stimme. Sie wollte es einfach wissen.
Robin zuckte die Schultern und grinste ein blütenweißes Lächeln.
„Weil sie ein Weltengänger ist,“ sagte er dann. „Solche Kinder sind selten und
wertvoll. Wenn alles gut gegangen wäre, hättest du den Tausch nicht einmal
bemerkt.“
„Und was soll jetzt geschehen?“, fragte sie weiter.
Die Trolle schlugen unisono ihre Fäuste in die Handflächen.
„Du wirst dich sicher rächen wollen,“ sagte Robin tonlos.
„Nein. Rache gebiert weitere Rache. Ich will nichts weiter, als in Frieden mit
meinem Mann und Kind leben.“
Robin lachte. „Du weißt, wir werden es erneut versuchen.“
„Darf ich jetzt?“, knurrte Wumm.
Die Frau zeigte keine Regung. „Warum?“
„Weil es unsere Natur ist,“ sagte Robin und fand, das war Erklärung genug.
„Ich habe meine Natur geändert, die Trolle haben ihre Natur geändert, warum
nicht auch du? Ich kann gute Freunde brauchen, die sich um mein Kind kümmern
und ihm Dinge zeigen, die es als Weltengänger wissen muss. Aber ich möchte
nicht in ständiger Angst um Edda leben.“
Die Trolle funkelten bedrohlich.
„Was schlägst du vor?“ Langsam bröckelte Robins arrogante Fassade und seine
Verachtung für die Walküre schwand. Wie machte sie das?
„Warum müssen wir Feinde sein? Warum möchtest du mich verletzen und meine
Tochter nehmen? Kannst du nicht ein Einfluss sein, ohne Gewalt und Tod?“
„Du… du willst, dass wir Freunde werden?“, stammelte Robin. Das war das
absurdeste, was er jemals gehört hatte. Die anderen Anwesenden schienen das
ähnlich zu sehen. Andererseits war das Glasfenster hinter ihm hoch oben und die
Trolle schienen weniger Skrupel zu haben.
„Warum nicht?“, fragte die Walküre. Das Baby war inzwischen von sich aus
eingeschlafen. Seine Eltern hatten binnen Minuten geschafft, was Robin nur mit
Tricks gelungen war.
„Weil es das noch niemals gab?“, hakte Robin unsicher nach.
„Es hat auch noch keine Walküre jemals zuvor ein Kind bekommen,“ rief das
Männlein. Und Odin rief gar: „Die Zeiten ändern sich!“
Robin stand hinter seinem Schreibtisch auf und trat auf die Walküre zu. Je näher
er kam, um so weniger hässlich fand er sie. Ihre Schönheit kam von innen.
Wortlos griff er nach ihrem verletzten Arm und drückte ihre Hand. Nach kurzer
Zeit fiel der Fixateur ab – der Arm war nicht länger gebrochen.
„Einverstanden,“ flüsterte er, immer noch unsicher. Und dann: „Darf ich sie
einmal halten?“
Die Walküre nickte und der Mann gab Robin das schlafende Kind. Dieses Mal
wachte es nicht auf, sondern blieb friedlich. Sie testete dann ihren verheilten
Arm.
„Danke,“ sagte sie und Robin nickte.
„Ich habe zu danken!“
Amtsgericht, 5.12. 16:05
Verwirrt schloss Jonas Gerst die Akte der Kindsmörderin. Das vermeintlich tote
Kind war aufgetaucht und damit war auch die Grundlage für eine Anklage
hinfällig. Sie kam pünktlich vor Weihnachten aus der Untersuchungshaft nach
Hause. Und irgendwie freute ihn das.
Wahnsinn, die letzte Phase der BFS NEUN geht in die Startlöcher - das heißt: Langes Schwatzen ist unnötig!
Lest!
Genießt!
Und votet für eure diesmaligen Lieblinge!
Applaus für alle Teilnehmenden und ebenfalls für Sirius, der sich nicht zu schade war, trotz der knapp bemessenen Zeit noch eine Überraschung beizusteuern!
Es machen diese Runde ja ausschließlich Veteran:innen mit, deshalb fasse ich mich kurz, was das Voten betrifft.
- Jede:r hat 2 Stimmen
- Voting erfolgt bis zum 20.12.2020, 12 Uhr mittags
- und alle, auch alle Nichtteilnehmenden, können mitvoten!
Euren Lesestoff findet ihr hier:
Buttfucking Story 9
~ A Tea Bag Boogie ~
~ A Tea Bag Boogie ~
- PDF - DIN A5
- PDF - DIN A4
- E-Book EPUB (freie Reader wie Tolino etc.)
- E-Book MOBI (Amazons Kindle)
(K)eine Autobiografie
Kaum schlief ich, wurde ich auch schon durch einen total blöden Traum wach. Meine Katze wurde vom Nachbarshund zerfetzt. Zum Glück hab ich eigentlich keine Katze, aber die hat mein Traum-Ich ja jetzt auch nicht mehr.
Heute ist eigentlich der Tag für meine geplante Aufnahme in der Klapse. Und da es noch viel zu früh war, habe ich ein bisschen mit meinem Handy im Netz nachgelesen. In Nordkorea wollen sie jetzt jeden gegen die Grippe impfen, als Schutz vor Covid. Na ob das was bringt? Immerhin kann es dort keine Impfgegner geben, schließlich würden alle, die sich widersetzten, einfach auf die Streckbank geschnallt werden. Oder schlimmeres. Apropos, meinen Impfpass sollte ich auch noch einstecken. Als ich den mal durchgeschaut hab, stellte ich fest, dass ich manche Impfung gar nicht erhalten hab.
Gegen halb acht wurde es Zeit zum fertig machen. Ich wusch mich zumindest mal schnell. Für mehr hatte ich keine Kraft. Ich nahm meine gepackte Tasche, zog meine Jacke und Schuhe an und steckte meinen Haustürschlüssel in die Jackeninnentasche, nachdem ich die Tür zuschloss.
Draußen war keine einzige Wolke am Himmel und die Wintersonne blendete mich. Das nervige Nachbarskind will mich jedesmal überreden mit den Seifenblasen zu spielen. Diese Kulleraugen! Ich will jedes mal nur reinschlagen. Wieso mögen mich Kinder immer so? Abgrundtiefer hass. Und jedem den ich meine Meinung über Kinder verrate, verfällt in Schnappatmung. Dabei sind die es doch, die einem immer scherzhaft raten keine Kinder zu bekommen.
Als ich an der Haltestelle ankam, lagen dort wieder Spritzen rum. Der Geruch war auch wieder abartig. Stinketofu ist nichts dagegen.
Im Bus war hinten wieder die selbsternannte Partymeile der Jugendlichen, welche die Brunftzeit ausgerufen haben. Also wie immer eigentlich. An meiner Haltestelle stiegen auch ein Paar von denen aus, wovon ich einfach aus Frust noch Jemanden, ganz ausversehen (nicht), in den gegenüberliegenden Dornenbusch schubste. Was suchten die überhaupt hier, haben wohl wohl die Psychiatrie mit Schule verwechselt? Kann mal passieren.
An der Information gab ich meine Einweisung und Karte ab und sollte dann kurz warten. Die Infotussi rief dann wohl die Station an und bat eine Schwester mich abzuholen. So verlaufe ich mich wenigstens nicht.
Sie erzählte mir wohl ein bisschen, merken konnte ich mir aber nichts. Ich spielte nur nervös an meinem Armband rum.
Auf der Station angekommen, musste ich wieder warten. Währenddessen kamen schon Patienten an mir vorbei. Manche fragten, weshalb ich hier sei. Dass ich wegen der Psyche da war, wollten sie nicht akzeptieren. Wie sehr sie mich nervten checkten sie aber auch nicht.
Irgendwann kam endlich der Arzt oder Psychologe und holte mich ins Büro. Das war das Aufnahmegespräch. Ich musste meinen nicht vorhandenen Drogenkonsum erklären, Allergien mitteilen, weshalb ich da bin (die Psyche?) und danach schickte er mich wieder zur Schwester. Die musste bei mir dann noch Fieber und Blutzucker und sowas messen. Da mein Blutzucker wohl niedrig war, wurde ich gefragt, ob ich was essen möchte. Ich hatte ja auch nicht gefrühstückt, also kein Wunder. Das Angebot nahm ich an und schmierte mir ein Brötchen mit einem äußerst stumpfen Brotmesser. Vor Nervosität bekam ich es nur nicht so leicht runter. Ich fühlte mich dabei, als würde ich erwürgt werden. Meinen Dreck am Hals könnte man auch fast für Würgemale halten. Zumindest sieht es vorn am Hals ein bisschen so aus wie ein Hämatom.
Später hatte ich schon meinen ersten Termin bei der (ziemlich gutaussehenden) Psychologin. Dort musste ich auch nochmal ausführlicher erzählen, weshalb ich mir Hilfe wünsche und was ich gerne verändern möchte. Leider ließ meine Konzentration noch zu wünschen übrig und ich konnte mich kaum richtig artikulieren, geschweige denn Wünsche äußern.
Am Liebsten wäre mir, ich fiele in einen tiefen Winterschlaf und wenn es wieder gut ist, wache ich auf.
Diese Aussage wurde zum Anlass genommen, mir eine Pflegekraft mit ins Einzelzimmer zu schicken. Damit ich mal entspannen könne, gab man mir noch ein Medikament. Ich fragte den Pfleger, ob er dann also mein Tripsitter sei. An seinem Humor muss ich noch arbeiten.
Die ganze Zeit beobachtet zu werden brachte mich nicht so recht zum entspannen. Irgendwann schlief ich trotzdem ein.
Edgar Fjord und die Wilde Dreizehn
Oder: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Edgar Fjord war in vielerlei Hinsicht eine Möwe wie jede andere auch; er war frech, strotzte nur so vor eigentlich lieb gemeinter Aggressivität und sein größtes Hobby war es, über dem Pier Kreise zu fliegen und ahnungs- und wehrlosen Touristen die frischen, heißen Pommes mitten aus der Pommestüte zu klauen. Dass er nicht nur einen Vor-, sondern darüber hinaus auch noch einen Nachnamen hatte, war allerdings nicht das, was ihn am meisten von seinen Artgenossen unterschied, nein; was Edgar wirklich zu etwas ganz Besonderem machte, war die Tatsache, dass er ein berühmt-berüchtigter Piratenkapitän war. Der einzige Haken an der Sache war, dass er als Möwe natürlich nicht in der Lage war, alle Aufgaben zu erfüllen, die so ein Piratenkapitän nun einmal zu erfüllen hatte. Aber Edgar wäre nicht Edgar gewesen, hätte er für dieses Problem nicht längst eine perfekte Lösung gefunden. Da seine Mannschaft größtenteils - und es tat Edgar leid, das zugeben zu müssen - aus Vollidioten bestand, hatte Edgar einfach einen von ihnen auserkoren, seine Kapitänsmarionette zu sein. Nun saß er Tag für Tag auf der Schulter dieses Mannes, der von allen nur Der Stumme genannt wurde - der Grund dafür war offensichtlich - und ließ ihn seinen Willen ausführen, während er selbst in Wahrheit die Fäden zog.
Eines schönen Tages im Advent nun, die Mannschaft war schon halb in einen tiefen Winterschlaf gesunken, weil sich auf hoher See einfach nichts tat, geschah es, dass Edgars Mannschaft sich in einer außergewöhnlich ungewöhnlichen Situation wiederfand. Dabei hatte der Tag unspektakulär angefangen wie so viele andere Tage vor ihm; Sieglund der Einäugige hatte sich lauthals darüber beschwert, dass irgendein gemeiner Dieb seine letzten Nordseekrabben aufgefuttert hatte, der irre Ivan hatte auf seinem Stammplatz neben dem Mast gesessen und jedem, den es interessierte - und jedem anderen auch - eine haarsträubende Geschichte von der Pest in Ägypten und einem brennenden Dornbusch erzählt, Pummel und Schweinebacke, die Zwillinge an den Kanonen, hatten mit einem unvollständigen Kartensatz ein Kartenspiel gespielt, dessen Regeln sehr wahrscheinlich über ihrer beider addierten Intellekt hinausging, Pavel der Pavian hatte unter Deck seine tägliche Banane verspeist und Dösi, ein träger, alter, bärtiger Mann, der seinen Spitznamen nicht zu Unrecht trug, hatte mit glasig ins Leere starrenden Augen das Steuerrad festgehalten, als plötzlich vom Ausguck oben Kikis aufgelöster Schrei zu ihnen herunter drang: "Windhose voraus! Windhose voraus!" Schon kam die drahtige Frau mit flinken Füßen von ihrem Ausguck heruntergeklettert und schloss sich der allgemeinen Aufregung an, die inzwischen an Deck herrschte. Alle plapperten wild durcheinander, während sie beunruhigt die Windhose beäugten, die vom Horizont aus immer näher zu kommen schien.
"Das Ende der Welt!", rief der irre Ivan, warf sich mit den Knien auf die Planken und murmelte offenbar ein Gebet vor sich hin.
"So etwas habe ich einmal in einem Dokumentarfilm gesehen!", rief Pavel der Pavian, der gerade eine weitere Banane geschält hatte. "Das kann wirklich unser aller Ende sein!"
"Wir müssen nur ins Auge des Sturms fahren, dann kann uns nichts geschehen", warf Kiki, altklug wie immer, ein, woraufhin Pummel und Schweinebacke sie wüst beschimpften.
"RUHE!", schrie Edgar von der Brücke herunter, als es ihm langsam zu bunt wurde. "Niemand wird hier zugrunde gehen. Seht ihr denn nicht, dass das keine gewöhnliche Windhose ist?"
Statt die von Edgar geforderte Ruhe einzuhalten, brach die Mannschaft nach diesem Kommentar in noch wildere Spekulationen aus; es war zum Aus-den-Federn-Fahren, dachte Edgar mit einem genervten Seufzen.
Doch da drang plötzlich leises Gelächter aus der immer noch bedrohlich näher rückenden Windhose hervor, das die Mannschaft endlich verstummen ließ. Alle horchten angestrengt hin, und da war es wieder, das unheimliche Lachen, unsichtbar, angsteinflößend, geheimnisvoll,...
"Meuterei", knurrte Edgar mit zusammengekniffenen Augen. "Meuterei!"
Im nächsten Augenblick surrte ein Enterhaken knapp an Kikis Kopf vorbei und schlug sich in der Reling fest. Noch bevor Kiki auch nur entsetzt kreischen konnte, kletterte ein feindlicher Pirat am Seil herauf an Bord von Edgars Piratenschiff.
"Du!", rief Edgar aus, als er seinen Erzfeind, den Brocken, mit einem fiesen, zahnlosen Grinsen an Bord klettern sah. Der Brocken war, wie sein Name schon andeutete, ein Fels von einem Mann, riesengroß, muskelbepackt, das Gesicht vor lauter Bart und Narben kaum noch sichtbar, der bullige Hals voller Würgemale aus den zahlreichen Gefechten, aus denen er siegreich hervorgegangen war. Einst war der Brocken, auch wenn Edgar es niemals freiwillig zugeben wollte, dessen großes Vorbild gewesen. Ja, seinetwegen hatte Edgar überhaupt erst entschieden, selbst Pirat zu werden. Der Brocken führte eine stolze Piratenmannschaft an, die sich die Wilde Dreizehn nannte, und Mitglied dieser Crew zu werden, war Edgars größter und geheimster Traum. Jedoch hatte der Brocken seine Bewerbungen - von denen Edgar mehr eingereicht hatte, als er stolz war, zuzugeben - nicht nur abgelehnt, sondern mit höhnischem Gelächter kommentiert und geradezu niedergeschmettert. Eine Möwe, die Pirat werden will? Lächerlich, hatte er gesagt und sich dabei fast in die Hosen gemacht vor Lachen. Edgar würde niemals ein Pirat sein, hatte der Brocken ihm gesagt; doch das hatte Edgars Ehrgeiz nur noch mehr angestachelt. Wenn er schon nicht ein Teil der Mannschaft des Brockens werden konnte, so wollte er wenigstens dessen gefürchteter Erzfeind werden! Und nach und nach, im Lauf der Jahre hatte er sich diesen Traum verwirklicht - zumindest so gut es irgendwie ging. Eine Mannschaft zusammenzustellen, ist alles andere als leicht, wenn man eine Möwe ist und nur schwerlich ernst genommen wird. Aber Edgar hatte nie aufgegeben. Und nachdem er quasi einen Wirt gefunden hatte, der für ihn den Kapitän spielte, war es etwas einfacher geworden. Pummel und Schweinebacke zum Beispiel, die hatte er nicht lange bitten müssen; die beiden waren für so ziemlich alles zu haben, verstanden sie doch meist eh nicht, worum es gerade eigentlich ging. Oder Pavel den Pavian; den hatte er bei einem Nothalt auf einer Insel aufgelesen und seither war er ein treuer Teil der Mannschaft. Oder Kiki, die einzige Frau an Bord, die der zuverlässigste Maat war, den Edgar sich nur wünschen könnte; die hatten er und seine Crew heldenhaft von einem Sklavenmarkt gerettet, auf dem sie verkauft werden sollte. Seither hatte die Mannschaft schon zahlreiche Abenteuer zusammen erlebt, sie waren gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen. Ja, und so manches Mal hatten sie auch schon dem Brocken und seiner Wilden Dreizehn gegenübergestanden, auch wenn die Schlachten stets unentschieden ausgegangen waren.
Vielleicht war heute ja der Tag, auf den sie alle schon so lange, so sehnlich gewartet hatten?
"Feuer frei!", schrie Edgar aus voller Kehle, als gäbe es kein Morgen. "Schießt die Schweine ab, solange sie noch nicht an Bord gekommen sind. Auf die Windhose! Ihr Schiff muss darin verborgen sein!"
Pummel und Schweinebacke stolperten unbeholfen zu den Kanonen und feuerten - gen Himmel.
"Nein!", jammerte Edgar und schlug die Flügel über dem Kopf zusammen. "Das ist doch keine Flugabwehrkanone, oh Gott..."
Der Brocken brach in schallendes Gelächter aus. "Ganz ruhig, Fjord. Ich bin heute alleine."
Kiki starrte ihn misstrauisch und feindselig an. Der irre Ivan plapperte immer noch etwas von Endzeit und Morgensternen vor sich hin, doch niemand schenkte ihm mehr groß Beachtung.
"Es ist wahr", fuhr der Brocken fort. "Meine Mannschaft habe ich heute daheim gelassen, ich komme sozusagen in Frieden."
"Dann spuck aus, was du willst", knurrte Edgar, der dem Brocken kein Stück über den Weg traute.
"Nun", der Brocken zog das Gesagte genüsslich in die Länge, während er an Deck im Kreis lief, "Kürzlich ist mir ein Mannschaftsmitglied abhanden gekommen. Nun könnten wir uns natürlich einfach Die Wilde Zwölf nennen, aber seien wir mal ehrlich, das klänge doch albern. Fjord, du hast dir inzwischen einen Namen gemacht in der Piratenwelt. Und deshalb bin ich heute vorbeigekommen, um dir einen Platz in meiner Mannschaft anzubieten. Na, was sagst du?" Er streckte Edgar die Hand hin und sah ihn abwartend an.
Die Mannschaft tat es ihm gleich. Es war ein offenes Geheimnis, dass Edgar schon lange davon träumte, ein Teil der Wilden Dreizehn zu werden. Natürlich redete er sich selbst ein, dass er diesen Wunsch tief in sich verborgen hielt und niemand je davon erfahren würde, aber die Mannschaft hatte ihm das "Geheimnis" bereits in einer der ersten gemeinsam durchzechten Nächte auf dem Schiff entlockt.
"Wow", flüsterte Kiki und sah den Kapitän mit angehaltenem Atem an. Sogar der irre Ivan hatte zu plappern aufgehört, Pavel der Pavian hatte seine Banane achtlos neben sich fallen lassen und selbst Edgars Wirt schien gebannt auf eine Antwort seitens der Möwe zu warten.
Ewigkeiten schienen zu vergehen, bis Pummel, der sich verschluckt hatte, mit einem Husten die unangenehme Stille brach.
"Ich lehne ab", sagte Edgar schließlich und erneut ging ein unruhiges Raunen durch die Menge. "Ich habe jetzt meine eigene Mannschaft, die viel besser ist, als es deine je sein könnte. Also..." Er holte tief Luft. "Runter von meinem Schiff und bring nächstes Mal deine Wilde Zwölf mit, damit wir uns anständig duellieren können."
Wieder herrschte Totenstille, aber nur für ein paar Sekunden, dann stürzten sich alle Mannschaftsmitglieder unter den verdutzten Blicken des Brockens auf ihren Kapitän und zerquetschten ihn in der größten Gruppenumarmung, die es in der Geschichte der Piratenwelt jemals gegeben hatte.
Edgar schreckte auf; eine Kugel Eis war aus dem Hörnchen eines weinenden Kindes auf ihn gefallen und hatte ihn unter sich begraben und ihn somit aus dem Schlaf gerissen. Was für einen sonderbaren Traum er doch gehabt hatte... Ja, wahrlich sonderbar.
ENDE
???
Thema verfehlt, Note: Mangelhaft.
"Oh, Dreck", murmele ich vor mich hin, während ich beim Verlassen des Hochschulprüfungsamtes stirnrunzelnd die letzte Seite des Dokuments lese. Das heißt dann wohl, dass meine Hausarbeit zum Thema 'Musiktherapie bei Kleinstkindern' versehentlich auf dem Schreibtisch der Jurorin des Kindergeschichtenwettbewerbs gelandet ist, bei dem ich teilgenommen habe - oder eher teilnehmen wollte. Ich wusste, das Trinkspiel mit der ersten Staffel Pokémon zur Feier der Fertigstellung war keine gute Idee; Memo an mich, in Zukunft erst nach der Abgabe feiern. Ach, was soll's?
"Wird später, muss noch Hausarbeit schreiben", texte ich meiner Freundin, während ich mich auf den Weg in die Bibliothek mache. Sie wird mich wahrscheinlich sowieso gleich anrufen und nachhaken und dann komm ich um das peinliche Geständnis nicht drum rum. Oh, sie wird mich auslachen, ja. Aber ich hab's auch irgendwie nicht besser verdient.
Wechselbalg
Als die Polizei Erna schließlich fand, starrte sie katatonisch ins Leere. Blut rann
aus ihrer Nase und ihre Unterlippe war aufgeplatzt. An ihrem Hals prangten gut
sichtbare Würgemale, ihr rechter war Arm mehrfach gebrochen. Auf dem nassen
Asphalt vor ihr lag ein umgekippter Kinderwagen, sein Stoff inzwischen vom
Regen durchweicht. Dieser verdeckte das tote Baby zu ihren Füßen.
Amtsgericht, 29.11. 16:05
„Sache Erna Schmitt, Aktenzeichen 1456 VB-09/08,“ stand auf der Akte, die sich
Richter Jonas Gerst in seinem Büro zu Gemüte führte. Er holte sie von dem
dicken Stapel Papiere neben sich. Dann nahm er einen kräftigen Schluck Kaffee
aus seiner Tasse und begann zu lesen. Der Fall war höchst bizarr. Eine junge
Mutter war mit ihrem Baby spazieren gegangen. Mehrere Zeugen berichteten, es
hatte sich um eine tägliche Aktivität der Frau gehandelt. Aber am Tattag war sie
von dem Spaziergang nicht zurückgekehrt. Ihr besorgter Ehemann hatte
schließlich die Polizei gerufen. Aufgrund von Zeugenaussagen hatte man mit
einiger Verzögerung den Weg der Angeklagten schließlich nachvollziehen können.
Und so hatte man sie in einer dunklen Allee abseits ihrer gewöhnlichen Route
aufgefunden. Sie wies schwere Verletzungen auf, das Baby lag tot vor ihr auf
dem Boden. Aber das Seltsamste war, dass die Frau durch die Vorfälle in einen
Schockzustand versetzt worden war, der sämtliche Kommunikation mit ihr
verhinderte. Sie sprach seither in einer völlig unbekannten Sprache.
Richter Gerst wusste nicht, wie oft er die Akten bereits studiert hatte. Er wusste
auch nicht, wie viele Tassen Kaffee er inzwischen intus hatte. Vermutlich stand er
kurz vor dem nächsten Koffeinschock. Bei dem Fall gab es einige
Ungereimtheiten. Dennoch wiesen die meisten Indizien darauf hin, dass Frau
Schmitt ihr eigenes Kind getötet hatte. Dies erklärte zwar ihre zahlreichen
Verletzungen nicht, allerdings hatte sie eine Vorgeschichte und war polizeilich
bekannt. Zwar war sie nie direkt an irgendwelchen gesetzeswidrigen Vorfällen
beteiligt gewesen, aber ihre beiden letzten Arbeitsplätze waren auf merkwürdige
Art und Weise Opfer der Verwüstung geworden. Nein, irgendetwas war ganz und
gar nicht in Ordnung mit der Angeklagten.
Gerst seufzte. Er war ein einfacher Mann. Am liebsten verhandelte er simple,
eindeutige Fälle, in denen es darum ging, ob Angeklagte das Knöllchen zahlen
mussten, das ihnen die Polizei vermeintlich rechtswidrig ausgestellt hatte. Oder
um irgendwelche Morde der Russenmafia – die waren meistens schnell
aufgeklärt, weil irgendein Ivan wieder seinen Wutausbruch nicht unter Kontrolle
hatte. Bei diesem Fall aber taten sich ungeahnte Abgründe auf. Abgründe, für die
sich Gerst zu alt fühlte. Er wollte noch ein paar Jährchen sein Geld verdienen und
dann mit 65 in Pension gehen. Seufzend griff er in die Süßigkeitenschale neben
sich und nahm sich ein Bonbon. Als er das Bonbon aus seinem Papier schälte,
dachte Gerst an seinen Arzt. Der würde ihm vermutlich wieder eine Predigt über
seine ungesunde Lebensweise halten. Der Arzt hatte aber auch nicht den ganzen
Tag mit lauter bizarren Menschen zu tun, von denen irgendwelche Reichsbürger
noch die normalsten waren. Gerst las sich die Akte noch einmal durch, in der
Hoffnung, etwas zu finden, das ihm bisher verborgen geblieben war.
JVA, 29.11. 16:15
„Herr Schmitt?“
Alexander hob den Kopf von seinem Buch und sah den Justizbeamten an. Warum
hatte er das Buch eigentlich mitgenommen? Um sich die Zeit in der Bahn zu
vertreiben? Er hatte doch nur aus dem Fenster gestarrt und an Erna gedacht. An
Erna und Edda. Edda, die angeblich von Erna ermordet worden war. Die Bilder,
die ihm die Polizisten später vom Tatort gezeigt hatten, hatten ihn so nachhaltig
verstört, dass er seither kaum ein Auge zugetan hatte. Er konnte noch immer
nicht fassen, dass jemand seine arme, wehrlose Tochter ermordet hatte. Nur
eine Sache wusste er ganz sicher: Erna war keine Mörderin. Irgendetwas
Entsetzliches musste ihr zugestoßen sein. Irgendjemand hatte sie auf brutale
Weise angegriffen und ihr das Undenkbare angetan. Dafür waren die Würgemale
Beweis genug. Eine solche Verletzung konnte sie sich unmöglich selbst zugefügt
haben. Aber weder Zeugen noch Überwachungskameras hatten irgendjemanden
anderen außer Erna in diese dunkle Allee gehen sehen. Niemand hatte die Allee
danach auch wieder verlassen. Auf diesen Indizien basierte die Anklage.
Alexander aber wusste von Ernas übernatürlicher Herkunft. Dass sie eine
gefallene Walküre war, war weder Polizei noch Justiz geläufig. Er kannte
inzwischen genug alte Bekannte von ihr, um zu wissen, wie wenig aussagekräftig
die Indizien in diesem Fall waren. Jeder einzelne von ihnen konnte sich vor
Menschenaugen verbergen. Leider nutzte ihm dieses Wissen überhaupt nichts, da
ihm niemand glauben würde, dass irgendwelche Trolle oder Riesen die wahren
Täter waren. Man würde ihn für verrückt erklären und einsperren. Trotzdem
hatte er begonnen, sämtliche Überlieferungen über Odin und Konsorten noch
einmal systematisch zu studieren. Vielleicht verbarg sich darin ein Hinweis auf
die wahren Täter?
Diese Tätigkeit hatte zumindest den Vorteil, ihn von der grausamen Realität
abzulenken. Und er war zumindest dahingehend beruhigt, zu wissen, dass Erna
selbst ein Opfer war. Sie wäre zu einer derartigen Tat niemals fähig. Davon allein
kam sie allerdings auch nicht frei. In den Augen des Staates war sie eine
Kindesmörderin, die hinter Gitter gehörte. Aber da war noch etwas anderes. Erna
ließ jegliche Trauer über den Verlust ihres Kindes vermissen, das sie sich so hart
erkämpft hatte. Er hatte erwartet, sie verzweifelter zu sehen.
Der Justizbeamte räusperte sich ungeduldig und Alexander schreckte auf.
„Ich komme,“ sagte er hastig, packte das Buch ein und folgte dem Mann durch
die Gänge des Gefängnisses bis zum Besucherraum.
Erna wartete bereits an einem Tisch auf Alexander. Er sah in diesem Moment nur
sie und blendete all die anderen Anwesenden vollkommen aus. Man ließ ihn zu
ihr gehen und er nahm sie erst einmal wortlos in den Arm. Dann küsste er sie
zuerst auf die Stirn und dann auf den Mund. Sie wirkte blass und verstört und
noch dünner als er sie bisher kannte. Die Gesichtswunden heilten langsam,
allerdings hatte sich an ihrer Lippe Schorf gebildet. An ihrem gebrochenen Arm
hatte man einen sogenannten Fixateur externe angebracht, um den
Heilungsprozess zu beschleunigen. Und dennoch fand er sie noch immer
wunderschön.
„Alexander!“ Ihre Augen leuchteten bei seinem Anblick und Alexander verspürte
Hoffnung. Dann jedoch spürte er einen schweren Schlag in die Magengrube.
„Yndit mitt!“
Noch immer war ihre Sprache nicht zurückgekehrt. Noch immer war das, was sie
sagte, vollkommen unverständlich. Er hatte zwar einen Verdacht, was sie sprach
– aber auch das half ihm nicht weiter. Es gab auf der ganzen Welt keinen
einzigen lebenden Sprecher des Altnordischen mehr. Und sämtliche Altnordisten,
die er kontaktiert hatte, hatten dankend abgelehnt, behilflich zu sein. Sie hielten
ihn für gänzlich verrückt.
Erna griff verzweifelt nach seinen Händen und drückte sie. Tränen standen in
ihren Augen.
„Ek drepti Eddu eigi. Ek gerði þat eigi. Ek er saklaus.“
Alexander strich über ihre Hände. Er konnte nur erahnen, was sie meinte.
„Ich weiß, dass du sie nicht getötet hast,“ flüsterte er. Und dann: „Hilf mir, Erna.
Hilf mir, dir zu helfen.“
Sie sah ihn fragend an. Zwischen ihnen war ein Schleier. Die Erna, die er kannte,
schien in einen ewigen Winterschlaf gefallen zu sein. Stattdessen war ein
verstörtes Wesen an ihre Stelle getreten, das in Zungen sprach und das Eddas
Tod kaltzulassen schien. Aber er wusste, die wahre Erna empfand anders. Und
irgendwo verbarg sie sich!
„Hjálpdu mér,“ flüsterte Erna. Sie zitterte.
Alexander hatte lange nachgedacht. Und so hatte er heute etwas mitgebracht,
das ihm auch die Justizbeamten nicht abgenommen hatten. Er legte einen Stift
und einen Block vor Erna auf den Tisch.
„Hvat er þat?“ Sie deutete darauf und sah ihn fragend an. Behutsam drückte
Alexander Erna den Stift in die Hand. Es mochte niemanden mehr geben, der
Altnordisch sprach. Aber es gab genügend Menschen, die es lesen konnten.
Vielleicht konnte er der Sache auf diese Art und Weise näherkommen?
Verständnis machte sich in Ernas Gesicht breit und sie ergriff den Block. Dann
begann sie, in rasendem Tempo eine Reihe von Runen darauf zu malen. Als sie
fertig war, gab sie Alexander den Block zurück. Das Papier war über und über mit
Schriftzeichen bedeckt. Er konnte kein einziges davon entziffern.
„Svartálfarnir tóku Eddu. Hon er eigi dauð,“ sagte Erna, nun etwas gefasster.
„Barnit sem þau fundu var skiptingr. Hjálpdu mér at koma út og vit getum fundit
Eddu hjá þau.“
Alexander nickte nur. Dann steckte er den Block ein und umarmte seine Frau.
„Wir lösen dein Geheimnis gemeinsam.“
„Besuchszeit ist um!“, intonierte der Beamte.
Alexander küsste Erna noch ein letztes Mal innig. Er merkte, wie sehr sie ihm
bereits fehlte – ihre vertraute Wärme, ihr Geruch und auch ihr Körper. Er würde
nicht zulassen, dass man sie hier verrotten ließ unter Mördern, Kinderschändern,
Trickbetrügern und Drogendealern, die ihre Amphetamine an ihr nächstes Opfer
verschachern wollten. Erna liebte die Menschen so sehr. Alexander konnte nicht
zulassen, dass sie hier verdorben wurde.
JVA, 29.11. 23:00
„Erna?“
Ein heller Schein erleuchtete die Zelle, aber die ehemalige Walküre namens Erna
drehte sich lediglich in ihrem Bett um und zog die Decke über sich.
„Erna, wach auf!“
Als sie merkte, die Worte plötzlich wieder verstehen zu können, saß Erna
senkrecht im Bett. In der Mitte ihrer Zelle war ein brennender Dornenbusch.
„Wer bist du?,“ fragte sie zögerlich, als sie dessen gewahr wurde. Ein
außenstehender Betrachter hätte „Hver ert þú?“ verstanden.
Der Dornbusch zögerte und verwandelte sich kurz darauf in Odin.
„Vater?“ Erna sah ihren Vater verwundert an.
„Ich wollte einmal probieren, wie das wirkt,“ gab dieser ein wenig kleinlaut zu.
„Ich hätte zumindest so nicht mit dir nicht gerechnet,“ sagte Erna. Sie wirkte
traurig.
Odin tat es leid, seine Tochter so leiden zu sehen. „Ich will dir helfen, so gut ich
kann…,“ sagte er dann betreten. „Deshalb bin ich hier.“
Erna streckte ihren Arm aus, sodass Odin die merkwürdige Schiene sah, die
daran hing.
„Wo warst du, als sie mir das antaten? Wo warst du, als sie mir Edda nahmen?“
Tränen sammelten sich in ihren Augen.
„Edda.“
„Deine Enkeltochter.“ Erna setzte sich gerade hin und starrte zu Boden. „Es ist
mir gleich, was sie mit mir tun. Ich bin Prügel gewohnt und diese Wunden
werden heilen. Sie hätten mich totschlagen können. Aber sie haben mir mein
Kind genommen.“
„Du weißt, dass meine Macht nicht mehr so groß ist wie früher…“, setzte Odin an.
„Ein Gott ist nur so stark wie die Zahl der Menschen, die an ihn glauben. Ich
habe in dieser Welt fast keine Kraft mehr.“
„Ich weiß es,“ unterbrach Erna ihn. „Aber schon wieder wurde ich in einen
Konflikt hineingezogen, der mich nichts angeht. Sie haben mich eingesperrt wie
eine gewöhnliche Mörderin. Und ich kann nicht einmal die Wahrheit sagen. Sie
verstehen mich nicht mehr.“
„Sie hätten dir nicht geglaubt.“
„Wirklich? Kannst du mir die Sprache nicht trotzdem wiedergeben? Dann könnte
ich wenigstens Alexander sagen, was passiert ist. Ich habe Angst, er hält mich
für schuldig.“ Sie schluchzte.
„Ich wünschte, ich könnte es,“ seufzte Odin. „Aber ich habe nicht länger Macht
über dich. Schon gar nicht im Reich der Menschen. Das heißt nicht, dass ich dir
nicht trotzdem beistehen kann. Aber ich weiß, dass Alexander an dich glaubt.“
Wortlos trat Odin auf sie zu und legte seine schweren Arme um die zierliche
Frau. Er legte seinen Kopf an ihren. Welch harter Haudegen er auch sonst sein
mochte, Ernas Schicksal ließ ihn nicht kalt. Lange blieben Vater und Tochter in
ihrer Umarmung.
„Ich vermisse Alexander,“ schniefte Erna. „Und ich vermisse Edda.“
Odin drückte sie einfach weiter an sich und strich über ihren Rücken.
„Weine nicht, kleine Erna. Du bist stark.“
Lange Zeit blieb Erna stumm. Endlich fand sie die Sprache wieder.
„Ich bin nicht stark genug. Ich ertrage es nicht, dass mich die Schatten meines
früheren Lebens immer noch verfolgen. Du hast mir versprochen, dass es nicht
mehr vorkommt. Die Trolle respektieren das.“
„Ich habe damit nicht gerechnet,“ sagte Odin leise. „Ich habe wirklich gedacht,
du könntest deinen Frieden bekommen. Kannst du mir das glauben?“
Erna nickte und schluckte die Tränen hinunter.
„Und jetzt?“, fragte sie zaghaft.
Ernas und Alexanders Zuhause, 30.11. 19:00
Alexander konnte nicht fassen, was er da las. Er hatte diese E-Mail so sehnlichst
erwartet, dass er bereits fürchtete, an Postangst erkrankt zu sein. Von dieser
seltsamen Angststörung wurde vor einiger Zeit im Fernsehen berichtet. Er war
nur vorübergelaufen, als Erna sich auf der Couch die Sendung angesehen hatte,
Edda an ihrer Brust. Das waren glücklichere Tage gewesen. Betroffene fürchteten
sich davor, Post bekommen. Und obwohl er auf Antwort wartete, fürchtete
Alexander sich doch vor dem, was darin stehen würde. Als er den vertrauten
Klingelton vernahm, der eine neue E-Mail verkündete, bekam er beinahe einen
Herzinfarkt. Dann jedoch öffnete er sie zaghaft. Eine Professorin für Altnordistik
hatte sich doch bereit erklärt, Ernas Notizen für ihn zu entziffern und ihm zu
antworten. Aus irgendeinem Grund hatte das Bild auf der Institutshomepage ihn
an seine kleine Walküre erinnert. Vielleicht hatte er sie deshalb angeschrieben.
Nach einem netten Anschreiben war sie direkt zur Sache gekommen. Die Notizen
lasen sich daraufhin immer leichter. Zwar bemerkte die Übersetzerin an einigen
Stellen verwundert, was denn der Kontext der seltsamen Nachricht war, dennoch
war ihr Inhalt von solcher Tragweite, dass Alexander den Text zweimal lesen
musste. Er würde der Frau beizeiten antworten. Aber am wichtigsten war: Edda
lebte! Der Rest klang so über die Maßen bizarr, dass er genau wusste, es war
wahr.
Ich bin
unschuldig. Ich habe Edda nicht getötet und das Baby, das man
zu meinen Füßen fand, ist nicht Edda. Kennst du die Geschichten
von Wechselbälgern? Menschenkinder, die geraubt werden und
durch Elfenkinder ausgetauscht werden. Ein solches lag tot vor
mir. Schwarzalben haben mich überfallen. Ein Kind wie Edda, das
zwischen den Welten wandelt, ist für sie von besonderer
Bedeutung. Ich habe mich gewehrt, ich habe um Edda gekämpft,
aber sie waren stärker als ich. Sie ließen ihr Wechselbalg
zurück, aber es wurde im Gefecht getötet. Aber auch dieses Blut
klebt nicht an meinen Händen. Hilf mir, Alexander! Hilf mir,
Edda wiederzubekommen.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Alexander schaute auf die Uhr. Er
erwartete niemanden. Aber als es erneut klingelte, öffnete er doch.
„Du musst ihr helfen, Schwiegersohn,“ sagte Odin ohne Umschweife und stiefelte
in die Wohnung. Verdattert sah Alexander ihm nach, als er direkt auf das
Wohnzimmer zuhielt, sich auf die Couch warf und Snickers aus der Schale auf
dem Couchtisch griff. Alexander schloss die Wohnungstür und folgte Odin.
„Was soll das?“, fragte er.
„Willst du deine Frau nicht zurück?“, fragte Odin, schälte das Snickers und warf
es sich am Stück in den Mund.
„Ich will sie schon seit Tagen zurück. Aber wieder einmal haben du und deine
Freunde uns das Weihnachtsfest versaut!“, schnaubte Alexander.
Odin vertilgte drei weitere Snickers, bevor er mit vollem Mund antwortete.
„Du weißt, dass Edda lebt.“
„In den Händen von solchen Monstern, die Erna so misshandelt haben, dass sie
noch immer die Spuren davon trägt. Wie soll sie jemals ein normales Leben
führen, wenn immer wieder irgendwelche Gestalten auftauchen und ihr oder
Edda ans Leder wollen?“
„Hör mir zu, mein Junge,“ sagte Odin ungeduldig. „Glaubst du, mit mir hört alles
auf? Es ist erst der Anfang! Es ist alles wahr, verstehst du? Alles. Aber ich
habe meine Domäne. Ich kann mich um meine Feinde kümmern, aber nicht um
andere Wesen. Edda wandelt zwischen den Welten. Das bleibt auch den anderen
nicht verborgen. Denen, über die ich keine Macht habe.“
Verzweifelt warf Alexander die Hände nach oben.
„Das sind ja wunderbare Aussichten. Das heißt, so einmal im Jahr kommen
irgendwelche Dschinns, Geister, Totems, Drachen, Dämonen und anderes
Gesocks auf die Idee, Erna zu verprügeln oder Edda zu entführen? Das hält sie
niemals durch! Das wird sie töten!“
„Sie ist bereits einmal gestorben und hat es recht gut verkraftet,“ entgegnete
Odin lapidar und vertilgte sein fünftes Snickers.
Geschlagen ließ sich Alexander auf die Couch fallen.
„Wie soll ich ihr da helfen? Ich bin ein einfacher Bankkaufmann.“
„Nein, du bist ein Idiot,“ sagte Odin, zerknüllte die Snickerspapiere und krümelte
sie auf den Boden.
Alexander funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts. Er hatte immerhin Odin vor
sich sitzen. Angeblich war er der Gott der Weisheit. Und noch von irgendwelchem
anderen Unsinn.
„Verstehst du es wirklich nicht?“, fragte Odin nach einer Weile des peinlichen
Schweigens.
„Dass ich ein Idiot bin? Na ja, wer sich solch einen Schwiegervater aussucht, ist
wahrhaftig ein Idiot. Vielen Dank für das Gespräch,“ erwiderte Alexander patzig
und starrte Odin weiter an.
„Mit dieser Aussage hast du es gerade bestätigt,“ sagte Odin und stellte traurig
fest, dass es keine Snickers mehr gab. „Aber vielleicht muss ich es für euch
Sterbliche ein bisschen einfacher formulieren. Erna. Was hältst du von ihr?“
Alexander blinzelte mehrmals. „Das solltest du wissen.“
„Sag es mir.“ Odin blieb unerbittlich.
Alexander wand sich ein wenig und sank unter dem prüfenden Blick des einen
Auges zusammen.
„Sie ist rundum wunderbar.“
Odin starrte ihn unvermindert an. „Du weißt, was sie für dich getan hat? Sie hat
ihre Natur überwunden. Walküren geben sich keinen Männern hin und sie
bekommen keine Kinder.“
„Ich liebe sie sehr. Und ich würde alles für sie tun. Sie ist schön, sie ist lustig und
sie ist voller Liebe und Neugier.“
„Na bitte, mein Söhnchen. Geht doch!“ Jovial klopfte Odin Alexander auf die
Schulter, der ihn verwirrt ansah.
„Und was hat das jetzt gebracht?“
„Deine Liebe für sie wird sie retten. Genau wie ihre Liebe für dich sie gerettet
hat.“
„Ist das so? Für mich hört sich das nach sentimentalem Unfug an. Sie sitzt im
Gefängnis. Nur, weil ich sie liebe, kommt sie nicht magisch von dort fort.“
Odin lachte.
„Das ist richtig. Aber an dieser Stelle komme ich ins Spiel!“
JVA, 30.11. 00:00
Als ein greller Lichtblitz Erna dieses Mal aus dem Schlaf riss, war sie darauf
vorbereitet. Darauf, wie viele Personen sich in ihre kleine Zelle drängten, war sie
allerdings nicht vorbereitet. Odin hatte dieses Mal nicht nur Alexander
mitgebracht, dessen Augen bei ihrem Anblick aufleuchteten. Er hatte auch zwei
andere gute Bekannte im Gepäck. Die beiden Trolle Wumm und Wamm hatten
sie vor einem guten Jahr erfolgreich ins Jenseits befördert. Hinterher hatten sie
aber großes Bedauern über diese Tat geäußert und sich kurz darauf mit Erna und
Alexander angefreundet. Für Edda waren sie ideale Patenonkel und Babysitter.
Erna starrte Odin an.
„Vater?“
Für Alexander klang es wie „Faðir?“
Gönnerhaft klopfte Odin seiner Tochter auf die Schulter.
„Ich habe ein paar Freunde mitgebracht, die gerne dafür sorgen möchten, dass
die Schwarzalben heute Abend ihre Henkersmahlzeit einnehmen.“
„Ihr letztes Stündchen hat geschlagen!“, rief Wamm und schlug die Faust in
seine andere Handfläche.
„Können Stunden schlagen?“, fragte Wumm und bekam kurz darauf einen Schlag
auf den Kopf.
„Sei still!“
Odin und die Trolle berieten kurz daraufhin eifrig, wie sie den Kindesentführern
am effektivsten den Garaus machen konnten. Während Wumm einen Autounfall
vorschlug, war Wamm eher für eine Bombe. Odin hingegen wollte es subtiler
angehen.
Erna wurde das Gespräch zusehends unangenehmer. Sie kauerte sich auf ihr
Bett und hielt sich die Ohren zu. Egal, was man ihr angetan haben mochte, sie
verabscheute Gewalt.
Alexander bemerkte sofort, dass mit ihr etwas nicht stimmte und setzte sich
neben sie. Dann zog er sie auf seinen Schoß und legte die Arme um sie. Er
verstand zwar kein Wort von dem, was gesprochen wurde, erahnte aber den
Unterton. So sah er seine Aufgabe darin, für seine Erna da zu sein, die sichtbar
litt. Liebevoll streichelte er über ihren Rücken und Erna entspannte sich langsam.
Dann geschah etwas Seltsames.
Er spürte eine Wärme in sich und kurz darauf diese Wärme auch an Erna. Sie
blickte ihn überrascht an, als sie dasselbe bemerkte. Odin sagte etwas für
Alexander Unverständliches und unvermittelt küsste Erna ihn. Sie tat es lange
und ausgiebig, innig und liebevoll. Das Gefühl der Wärme war nun noch
intensiver und es erschien Alexander, dass er geradezu glühte und seine Frau in
seinen Armen ebenso. Als Erna sich von ihm löste, war irgendetwas anders.
„Ich danke dir,“ flüsterte sie und Alexander blinzelte verwundert.
„Du… ich… ich kann dich verstehen?!“
„Ich habe dir doch gesagt, dass du ein Idiot bist,“ bemerkte Odin spitz.
„Lass das, Vater!“, empörte sich Erna.
Odin zuckte mit den Achseln und schielte zu Alexander. „Hast du es immer noch
nicht kapiert?“
Ratlos blickte Alexander von Erna zu Odin und den Trollen. Erst jetzt fiel ihm auf,
dass er auch die Trolle verstehen konnte.
„Was ist geschehen?“ fragte er.
Odin verschränkte die Arme. „Du bist wirklich ein begriffsstutziger Dödel.“
„Vater!“ (Es klang immer noch ein bisschen wie Faðir.)
„Na schön.“ Odin warf einen Seitenblick auf Erna, die ihn streng über ihre Brille
ansah. „Hast du dich eigentlich nie gefragt, wie ihr Menschen bis heute überlebt
habt? Götter kommen und gehen. Manche verlieren ihre Macht, andere treten an
ihre Stelle.“
„Hast du deine Macht auch verloren?“
„Du merkst aber auch alles. Es reicht noch für ein paar Taschenspielertricks hier
auf dieser Welt.“
„Du hast aber letztes Jahr Erna von den Toten zurückgebracht. Ist das nicht eine
große Tat?“
In Odins Blick machte sich Verzweiflung breit über so viel Unwissen.
„Ich habe Macht in meiner Domäne. Erna war in meinem Reich. Aber hier
auf Midgard sind meine Kräfte begrenzt.“
„Und was ist mit Edda? Nach allen Regeln dieser Welt dürfte es sie nicht geben.
Trotzdem ist sie da.“
Odin zuckte mit den Achseln. „Das war Lokis Werk. Er macht viele Dinge, die
unerklärlich sind. Ich glaube aber, dass…“
„Wann hauen wir jetzt endlich die Schwarzalben zu Mus?“, wollte Wumm
ungeduldig wissen.
„Gar nicht,“ sagte Erna bestimmt. Sie war in die Mitte getreten und in der Zelle
wurde es nun wirklich langsam eng.
Alexander sah sie erstaunt an.
„Aber was ist mit Edda?! Wollen wir ihnen einfach unser Kind überlassen?!“
„Nein.“ Erna war erstaunlich ruhig und gefasst. „Aber schaut euch doch an. Es ist
kurz vor Weihnachten und alles, woran ihr denken könnt, ist Gewalt. Besonders
ihr beiden solltet es inzwischen besser wissen.“ Jetzt versah sie die Trolle mit
einem strengen Blick. Ertappt blickten beide auf ihre Füße und versteckten ihre
Pranken hinter dem Rücken.
Odin blieb der Mund offen stehen.
„Ich habe Asgard und Hel in Bewegung gesetzt, um dich heute Nacht hier
rauszuholen und Gerechtigkeit walten zu lassen und du willst nicht?!“
„Ich will Edda wiederhaben. Es gab keine Sekunde, in der ich nicht an sie
gedacht habe. Aber hast du nicht etwas vergessen, Faðir? Du hast Alexander das
Wichtigste nicht gesagt.“
Odin schnaubte. Es schien beinahe, als wäre ihm Wumms Unterbrechung
geradezu recht gewesen.
„Söhnchen, die einzige Kraft, die auf dieser Welt noch irgendetwas bewirkt, ist
die Liebe. Du warst es mit deiner Liebe zu Erna, der bewirkt hat, dass wir hier in
ihrer Zelle stehen. Und du hast ihr die Sprache zurückgegeben. In der
Vorweihnachtszeit wirkt diese Kraft besonders stark.“ Dann wandte er sich an
Erna. „Zufrieden?!“
Sie nickte. „Ja.“
„Du hast diese Lektion vor mir gelernt, aber bilde dir ja nichts darauf ein. Du
warst trotzdem eine miserable Walküre.“
Erna zuckte mit den Schultern.
„Dann ist es ja gut, dass ich einen Karrierewechsel vorgenommen habe.“
„Aber wie hilft uns das alles jetzt?!“ fragte Alexander verwirrt. Er verlor langsam
den Überblick.
„Das will ich euch sagen!“ Erna stemmte einen Arm in die Hüfte. Der andere war
ja fixiert. „Hass gebiert neuen Hass. Glaubt ihr auch nur für einen Moment, die
Schwarzalben werden mich zufrieden lassen, wenn wir uns Edda mit Gewalt
zurückholen?“ Sie zeigte auf die Trolle. „Vor einem Jahr wolltet ihr meinen Tod.
Und jetzt sind wir Freunde. Wieso sollte das nicht auch bei anderen
funktionieren?“
„Sie hat Recht,“ murmelte Wamm und Wumm nickte zustimmend. „Freunde. Die
Mini-Walküre schafft Freunde.“
„Ich will zuerst mit ihnen reden,“ fasste Erna ihren Entschluss zusammen. „Es
wird schließlich Weihnachten.“
„Na schön,“ seufzte Odin geschlagen und zückte ein Gerät, das aussah wie ein
Insulinpen. Damit öffnete er Ernas Zellentür und sie spazierten hinaus.
Handelsbank, Büro des Chefs, 1.12. 02:00
Robin Goodfellow lächelte und rieb sich die Hände. Alles lief genau nach Plan.
Sein Herr und Meister würde zufrieden sein, sehr zufrieden. Das Baby neben ihm
in seinem Bettchen schlief tief und fest. Robin hatte allerdings ein paar Tricks
anwenden müssen, damit das kleine unselige Balg endlich Ruhe gab. Es hatte
seit seiner Entführung nur gebrüllt und war nicht zu trösten gewesen. Aber jetzt
schlief es und war leise. In diesem Zustand brauchte es auch keine Nahrung. Die
Mutter war ausgeschaltet und der kleine Weltengänger gehörte jetzt ihnen. Ein
solch wertvolles Kind bei einer so wertlosen Mutter zu lassen, war die wahre
Schande, auch wenn es Robin leidtat, dass sie den Wechselbalg verloren hatten.
Aber mit Verlusten war immer zu rechnen gewesen. Für ihre Statur hatte die
Mutter gekämpft wie eine Löwin. Das hätte er dieser ausgehungerten
Vogelscheuche gar nicht zugetraut. Aber all das war nun egal. Am Ende zählten
die Ergebnisse und die Macht.
Da flog die Tür zu seinem Büro auf und Robin fand sich der traurigsten
Ansammlung von Gruselgestalten gegenüber. Keiner von ihnen hatte die Grazie
eines Alben. Nicht einmal die ausgehungerte, verhärmte Frau, die sie anführte.
Robin musste blinzeln. Diese Krähe war die Mutter des Babys. Und im Gegensatz
zu all den ahnungslosen und dummen Menschen, die tagein und tagaus in sein
Büro kamen, wusste er – sie würde das Baby sehen können. Tatsächlich hielt sie
einen Moment inne und eilte dann auf das Bettchen zu.
„Edda!“, rief sie.
Robin setzte ein falsches Lächeln auf. „Guten Abend, womit kann ich Ihnen
dienen?“
Hinter der Frau kamen zwei dümmliche Trolle, ein wertloser Sterblicher und…
Odin persönlich in das Büro.
„Ich will meine Enkeltochter zurück!“, knurrte Odin. „Wir wollen die Mini-Walküre
wieder!“ riefen die Trolle im Chor und das mickrige Männchen eilte ebenfalls an
die Wiege.
Die Frau kniete sich zu dem Kind hinunter und streichelte seine Stirn. Sie konnte
es aber nicht hochheben, da sie nur einen gesunden Arm hatte. Stattdessen
holte das Männlein das Kind heraus und brach damit den Zauber, der es am
Schlafen hielt. Es erwachte und brüllte. Robin hätte sich am liebsten die Ohren
zugehalten.
Die beiden versuchten eine Weile, das Kind wieder zu beruhigen, indem sie leise
auf es einredeten, es küssten und der Mann es in seinen Armen wiegte.
Irgendwann hörte das Gebrülle auf.
„Da ihr das Kind jetzt habt, gibt es wohl nichts mehr zu sagen,“ säuselte Robin
und wurde kurz darauf von sechs Augenpaaren feindselig angefunkelt. Nur die
Eltern kümmerten sich um das Kind.
„Wenn es nach uns ginge,“ sagte der eine Troll. „Dann lägst du jetzt da unten auf
der Straße für das, was du Erna angetan hast.“
„Und was hindert euch daran?“, fragte Robin patzig.
„Erna,“ riefen die Trolle im Chor. Alle Augen wanderten zur Mutter. Auch Robin
starrte sie an.
Diese Frau musste die armseligste Walküre sein, die Robin jemals gesehen hatte.
Sie war dürr, kurzhaarig und kurzsichtig. Aber seine Quellen hatten ihm
zuverlässig davon berichtet, dass sie eine von Odins Töchtern war. Dessen
Anwesenheit bestätigte das nur. Und doch… in dem Moment, als Robins und ihre
Blicke sich trafen, erstarrte der Schwarzalb. Er hatte noch nie einen so starken
Willen gesehen.
Sie trat auf ihn zu – die Spuren ihres Scharmützels noch immer deutlich zu
sehen, ihr rechter Arm hing schlaff nach unten.
„Warum hast du mir Edda genommen?“, fragte sie und es lag weder ein Vorwurf
noch Hass in ihrer Stimme. Sie wollte es einfach wissen.
Robin zuckte die Schultern und grinste ein blütenweißes Lächeln.
„Weil sie ein Weltengänger ist,“ sagte er dann. „Solche Kinder sind selten und
wertvoll. Wenn alles gut gegangen wäre, hättest du den Tausch nicht einmal
bemerkt.“
„Und was soll jetzt geschehen?“, fragte sie weiter.
Die Trolle schlugen unisono ihre Fäuste in die Handflächen.
„Du wirst dich sicher rächen wollen,“ sagte Robin tonlos.
„Nein. Rache gebiert weitere Rache. Ich will nichts weiter, als in Frieden mit
meinem Mann und Kind leben.“
Robin lachte. „Du weißt, wir werden es erneut versuchen.“
„Darf ich jetzt?“, knurrte Wumm.
Die Frau zeigte keine Regung. „Warum?“
„Weil es unsere Natur ist,“ sagte Robin und fand, das war Erklärung genug.
„Ich habe meine Natur geändert, die Trolle haben ihre Natur geändert, warum
nicht auch du? Ich kann gute Freunde brauchen, die sich um mein Kind kümmern
und ihm Dinge zeigen, die es als Weltengänger wissen muss. Aber ich möchte
nicht in ständiger Angst um Edda leben.“
Die Trolle funkelten bedrohlich.
„Was schlägst du vor?“ Langsam bröckelte Robins arrogante Fassade und seine
Verachtung für die Walküre schwand. Wie machte sie das?
„Warum müssen wir Feinde sein? Warum möchtest du mich verletzen und meine
Tochter nehmen? Kannst du nicht ein Einfluss sein, ohne Gewalt und Tod?“
„Du… du willst, dass wir Freunde werden?“, stammelte Robin. Das war das
absurdeste, was er jemals gehört hatte. Die anderen Anwesenden schienen das
ähnlich zu sehen. Andererseits war das Glasfenster hinter ihm hoch oben und die
Trolle schienen weniger Skrupel zu haben.
„Warum nicht?“, fragte die Walküre. Das Baby war inzwischen von sich aus
eingeschlafen. Seine Eltern hatten binnen Minuten geschafft, was Robin nur mit
Tricks gelungen war.
„Weil es das noch niemals gab?“, hakte Robin unsicher nach.
„Es hat auch noch keine Walküre jemals zuvor ein Kind bekommen,“ rief das
Männlein. Und Odin rief gar: „Die Zeiten ändern sich!“
Robin stand hinter seinem Schreibtisch auf und trat auf die Walküre zu. Je näher
er kam, um so weniger hässlich fand er sie. Ihre Schönheit kam von innen.
Wortlos griff er nach ihrem verletzten Arm und drückte ihre Hand. Nach kurzer
Zeit fiel der Fixateur ab – der Arm war nicht länger gebrochen.
„Einverstanden,“ flüsterte er, immer noch unsicher. Und dann: „Darf ich sie
einmal halten?“
Die Walküre nickte und der Mann gab Robin das schlafende Kind. Dieses Mal
wachte es nicht auf, sondern blieb friedlich. Sie testete dann ihren verheilten
Arm.
„Danke,“ sagte sie und Robin nickte.
„Ich habe zu danken!“
Amtsgericht, 5.12. 16:05
Verwirrt schloss Jonas Gerst die Akte der Kindsmörderin. Das vermeintlich tote
Kind war aufgetaucht und damit war auch die Grundlage für eine Anklage
hinfällig. Sie kam pünktlich vor Weihnachten aus der Untersuchungshaft nach
Hause. Und irgendwie freute ihn das.
I wasn't playing baseball, no!
I wasn't playing football, no!
I wasn't playing basketball, noo!
I was playing Class War!
I wasn't playing football, no!
I wasn't playing basketball, noo!
I was playing Class War!
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