Bedingungsloses Grundeinkommen und soziale Gerechtigkeit

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    • Juandalyn schrieb:

      Ich glaube nicht dass die Produktion darunter leidet, wenn man bedenkt wie viel importiert wird (besonders Kleidung, aber auch Smartphones etc.).

      Die BRD hat seit Jahren einen Leistungsbildanzüberschusss, d.h. sie exportiert mehr als importiert wird. Das ist nicht unbedingt gut, da es bedeutet, dass die Differenz Forderungen unsererseits an andere andere Wirtschaftsräume sind. Besser wäre eine ausgeglichene Bilanz. Nichtsdestotrotz ist Deutschland ein Produktionsland. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass das GDP drastisch abfallen würde, würde man das BGE einführen. Und das ist auch irgendwie nicht von der Hand zu weisen. Die Sorge ist weniger, dass wir weniger Güter zum konsumieren haben werden, sondern dass der allgemeine Wohlstand dieses Landes dann auf wackeligen Beinen steht. Wie Evilitschi schon meinte, haben wir keine Ressourcen, die unseren Wohlstand decken, sondern leben ausschließlich von Produktion und Dienstleistungen. Kippt der Wohlstand, kippt auch die Einnahmequelle des Staates und damit ist das BGE auf lange Sicht nicht finanzierbar.

      Juandalyn schrieb:

      Ich dachte immer, dass die Kaufkraft in Deutschland recht schlecht ist, verglichen mit Arbeitslosenrate und generellem Wohlstand (verglichen mit anderen EU-Ländern). Es muss ja auch nicht jeder auf einmal halbtags arbeiten gehen. An meinem Beispiel wollte ich eben klar machen dass es gut für Menschen ist, die eben nicht den ganzen Tag arbeiten können, sei es wegen ihrer Familie (Kinderbetreuung, Pflege von Verwandten) oder eigenen gesundheitlichen Problemen. Dann greift es vielleicht sowieso nur den Dienstleistungssektor und nicht den produzierenden Sektor.

      In Deutschland wird generell schon recht wenig gearbeitet. 38, 39 oder 40 Stunden mag "unsere" Vorstellung von einer Ganztagskraft sein, in anderen Ländern (Südkorea, China, Japan, aber auch USA) wird deutlich länger gearbeitet. Die Kaufkraft ist verglichen mit anderen Industrienationen mit unter vielleicht deswegen schlechter, da das Lohnniveau deutlich Spielraum nach oben hätte (nicht umsonst sprechen wir vom Brain drain), aber dieses Lohnniveau sollte m.E. eben erwirtschaftet und nach Leistung/Nutzen oder eben entsprechend des Angebots und der Nachfrage angehoben werden. Gleichzeitig sind die Sozialabgaben extrem hoch... Bis zu 45% alleine für die Einkommenssteuer werden von der sog. Mittelschicht abgezogen. Viele leben bzw. arbeiten gar nicht lange genug, um sich ein eigenes, kleines Vermögen aufbauen zu können.
    • @Evilitschi wünschst du dir denn, dass Großbritannien der EU erhalten bleibt oder umgekehrt? Das geht aus deinem Beitrag nicht ganz hervor.

      Habe dazu auch nur hier und da ein paar Meinungen gelesen und diverse gute Begründungen gegen den Brexit, konnte mir dazu aber noch keine eigene Meinung bilden. Ich nehme an, es wäre sinnvoller, GB bleibt in der EU?


      @Colt hättest du eine Idee (oder mehrere), was den Lebensstandard der Menschen (auch solcher "Spezialfälle") sinnvoll und dauerhaft erhöhen könnte, wenn nicht das Grundeinkommen? Ich habe dazu bisher, durch meinen eigenen Wunsch natürlich, nur positiv gefärbte Untersuchungen und Berichte gelesen, daher zweifle ich immer ein wenig an den Aussagen von anderen Wirtschafforschern, die auf mich allzu neoliberal eingestellt wirken.

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    • Es gibt m.M.n. keine allgemeine Lösung und schon gar keine staatliche. Auch das BGE nicht. Es gab im April ca. 43,5 Millionen berufstätige Menschen auf man gerne noch ein paar Millionen Arbeitslose, Rentner und Studenten dazu addieren kann. Bei 1000 Euro BGE im Monat sprechen wir von 522 Milliarden Euro im Jahr! Der Bundeshaushalt 2016 beträgt etwa 312 Milliarden Euro. Woher soll das Geld kommen und wer soll es auf lange Sicht erwirtschaften?
      Meiner bescheidenen Meinung nach gibt es nur individuelle Lösungen zur Erhöhung des eigenen Lebensstandards. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen. Ich bin glücklicherweise (wobei es eher ein Zusammenspiel aus viel harter Arbeit und ein wenig Zufall war) in einer Position, wo ich monatlich genügend Geld übrig habe, welches ich sparen kann. Ich habe ein Sparbuch, ich habe ETF-Sparpläne, ich habe Aktien und sehr bald kaufe ich mir in einer Studentenstadt eine Wohnung, die ich an Studenten weitervermieten werde. Und irgendwann noch eine und dann noch eine usw. Das tue ich alles für meine eigene, kleine, private Altersvorsorge. Für den Job, den ich habe, musste und muss ich sehr viele Opfer bringen, aber ich weiß, dass ich irgendwann finanziell unabhängig sein werde. Dazu brauche ich weder eine Sozialgemeinschaft noch einen Staat und das verschafft mir Genugtuung. Ja, das ist meine neoliberale Sichtweise, aber ich denke, wenn sich jeder auf sein eigenen Verankommen konzentriert, dann braucht es keinen aufgeblähten Wohlfahrtsstaat. Lasst den Leuten genug Geld, welches sie bei Seite legen können, um sich oder anderen innerhalb des engsten Familienkreises selbst helfen zu können.
    • Colt schrieb:

      Ja, das ist meine neoliberale Sichtweise, aber ich denke, wenn sich jeder auf sein eigenen Verankommen konzentriert, dann braucht es keinen aufgeblähten Wohlfahrtsstaat. Lasst den Leuten genug Geld, welches sie bei Seite legen können, um sich oder anderen innerhalb des engsten Familienkreises selbst helfen zu können.
      Ich würde dir da wirklich gerne zustimmen können, weil ich die Ansicht "wenn jeder für sich selber sorgt, ist für alle gut gesorgt" durchaus nachvollziehen kann, keine Frage. Das Problem bei der ganzen Sache ist schlichtweg, dass wir weder alle mit den gleichen Grundvoraussetzungen starten, noch alle die gleichen Möglichkeiten während unseres Lebenswegs haben. Jetzt auch mal ganz unabhängig von irgendwelchen Krankheiten betrachtet und alldem: Menschen kommen aus reichen Familien, sie kommen aus armen Familien, sie kommen aus bildungsfernen und auf Bildung konzentrierten Familien, Bildung wiederum kostet Geld, wer keines hat, kann sich keine Bildung erlauben, doch wer schon fett Kohle von den Eltern bekommt, jetzt mal überspitzt ausgedrückt, muss sich um all das auch keine Sorgen machen und kann nach Herzenslaune seinen Interessen frönen.

      Wenn wir alle die gleichen Grundvoraussetzungen hätten, okay, dann könnte ich mit der Ansicht problemlos mitgehen. Doch dem ist nicht so. Daher halte ich den Gedanken, dass es doch jeder irgendwie schaffen kann ("vom Tellerwäscher zum Millionär") für eine Illusion, die uns vorgegaukelt wird, damit wir uns schön kaputtarbeiten und nicht darüber nachdenken, dass es auch anders gehen könnte - ohne Ausbeutung derer, die ohnehin schon zu wenig haben.

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    • Bereth schrieb:

      Ich würde dir da wirklich gerne zustimmen können, weil ich die Ansicht "wenn jeder für sich selber sorgt, ist für alle gut gesorgt" durchaus nachvollziehen kann, keine Frage. Das Problem bei der ganzen Sache ist schlichtweg, dass wir weder alle mit den gleichen Grundvoraussetzungen starten, noch alle die gleichen Möglichkeiten während unseres Lebenswegs haben. Jetzt auch mal ganz unabhängig von irgendwelchen Krankheiten betrachtet und alldem: Menschen kommen aus reichen Familien, sie kommen aus armen Familien, sie kommen aus bildungsfernen und auf Bildung konzentrierten Familien, Bildung wiederum kostet Geld, wer keines hat, kann sich keine Bildung erlauben, doch wer schon fett Kohle von den Eltern bekommt, jetzt mal überspitzt ausgedrückt, muss sich um all das auch keine Sorgen machen und kann nach Herzenslaune seinen Interessen frönen.

      Das ist jetzt nichts persönliches und schon gar nicht gegen Dich gerichtet, aber dieses fett hervorgehobene Argument habe ich schon soooo oft gehört, dass ich mittlerweile einen dicken Hals bekomme, sobald man in dieser Diskussion mündet.

      Ich will jetzt hier gar nicht großartig aus dem Nähkästchen plaudern und auf nahestehende Freunde oder Bekannte verweisen, die jeweils die unterschiedlichsten familiären Voraussetzungen hatten, aber ich bin definitiv der Meinung, dass in einem Land wie Deutschland JEDER - und damit meine ich wirklich JEDEN - es schaffen kann! Wir leben nicht in den USA, wo man 40, 50, 60 oder 70.000 Dollar im Jahr aufbringen muss, um an einer renomierten Uni studieren zu können. Wir leben nicht in Japan, wo bereits mit der Wahl des richtigen oder falschen Kindergartens die Kinder rausgefiltert und der Weg in die Zukunft bereitet wird oder verbaut wird. Wir leben auch nicht in einer Gesellschaft wie UK, wo historisch begründet ein sehr starkes feudales Klassendenken vorherrscht und einem der Weg in gute Lehrinstitute aufgrund der reinen sozialen Herkunft verbaut wird. Nein, wir leben in Deutschland, wo jeder - entsprechend Fleiß vorausgesetzt, auf's Gymnasium gehen und einen Abschluss erwerben kann. Wir leben in einem Land, wo ich - entsprechende Noten vorausgesetzt - so ziemlich in jede Fachrichtung studieren kann. Im Gegensatz zu Dritte Welt-Ländern, wo sich die Eltern das Geld für die Uni über Jahrezehnte vom Munde absparen, kann hier jeder studieren. Meine Eltern sind arm? Wir haben BaföG, Studienkredite, die Möglichkeit, neben dem Studium zu arbeiten oder im Vorfeld etwas zu lernen, dann zu arbeiten, dann zu studieren. Meine Eltern sind "bildungsfern" (toller Euphemismus für ungebildet btw.)? Was hindert mich daran, mir andere Vorbilder zu suchen? Ich habe genug gesehen... Studenten die keine "fette Kohle" hatten, kein 800 Euro-Apartment, nicht die Bücher in der neuesten Auflage. Die meisten Studenten, die ich kannte, waren in der Tat selbst relativ arm. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Unser relativ günstiges Bildungssystem verleitet eher dazu, dass man sich als Student teilweise zu sehr, zu oft ausprobiert. Die Wahl des Studiums bringt keine besonders kostspieligen Konsequenzen mit sich. Theoretisch kann ich in jedem Semester von Studienfach zu Studienfach springen, sofern mich eine Uni/Hochschule nimmt. Manche machen dies vielleicht zu oft, lassen daher Ehrgeiz und Durchhaltevermögen missen. Darin liegen vielleicht auch die vergleichsweise hohen Abbrecherquoten in einzlenen Fachrichtungen begründet.
      Also ich sehe das definitiv ein wenig anders...
    • Ich glaube, du hinterfragst zu wenig in der ganzen Sache, ohne dir da jetzt zu nahe treten zu wollen.

      Studierende wechseln die Studiengänge nicht aus Langeweile, sondern aus einem Überangebot heraus. Hinzu kommt eine generelle Unsicherheit, was man mit seinem Abschluss am Ende anfangen soll, da nach der Bologna-Reform ein Bachelor-Studium weder großartig wissenschaftlich noch ansatzweise praxisrelevant ist - man schwimmt sozusagen dazwischen und wer ein wenig kritisch hinterfragt, der verliert sehr schnell die Lust an einem Studium, das keine Perspektiven eröffnet. Kommt es dann zu einem Fachwechsel, dürfen Studierende sich warm anziehen, denn irgendwann dürfen sowohl die Eltern als auch das Amt den Geldhahn zudrehen. Konsequenz: Irgendwann steht man ohne was da, ohne Abschluss, ohne Perspektive, ohne Orientierung, ohne Geld - denn selbst wenn man noch nie Bafög empfangen hat, hat man auch keinen Anspruch darauf, sobald man entweder nach dem 4. Fachsemester einen Studiengangwechsel vollzogen hat oder wenn man schon zwei Wechsel hinter sich hat, denn "eröffnete mir keine Perspektive" reicht natürlich nicht als Begründung.

      Aus meiner Perspektive hierzu kurz wieder: Ich bin arm. Ich bin nicht faul, doch ich kämpfe mit meinem Studium, weil es mich nicht zufriedenstellt (nachzulesen auch in Was "könnt" ihr? - Ausbildung und Beruf), das Bisschen an Arbeit, das ich schaffe, reicht nicht zum Lebensunterhalt etc.p.p., ich hab das ja schon mal ausgeführt.

      Dass dich das o.g. Argument so sehr stört, kann ich nicht nachvollziehen. Denn es IST schlichtweg so, dass verdammt nochmal nicht jeder Mensch gleich gut mit schwierigen Situationen umgehen kann. Ein Teil der Gesellschaft hat Vorteile, das kann man schlichtweg nicht wegdiskutieren. Diejenigen, die es TROTZ dieser Ungerechtverteilung von Wohlstand schaffen, sich hochzuarbeiten und ihren Traumjob zu finden, haben schlicht eine besonders harte Schale - über die nicht alle verfügen. Zu argumentieren, dass "jeder" es schaffen könne, wenn er sich nur genug anstrenge, heißt, davon auszugehen, dass alle Menschen gleich sind. Und das ist einfach nur illusorisch, tut mir leid.


      Kurzes Edit: Ich entschuldige mich, wenn das Ganze jetzt emotionaler rübergekommen ist als vielleicht notwendig, aber ich ertrage dieses (für mich) fadenscheinige "jeder kann es schaffen, wenn er nur will" ehrlich gesagt nicht mehr.

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Bereth ()

    • Bereth schrieb:

      @Evilitschi wünschst du dir denn, dass Großbritannien der EU erhalten bleibt oder umgekehrt? Das geht aus deinem Beitrag nicht ganz hervor.
      Ich habe ihnen gewünscht, dass sie gehen können. Ich habe das Ergebnis direkt nach dem Aufwachen nachgeschlagen und wurde positiv überrascht.


      Bereth schrieb:

      Ich glaube, du hinterfragst zu wenig in der ganzen Sache, ohne dir da jetzt zu nahe treten zu wollen.
      Und ich möchte dir (und den anderen) auch nicht zu nahe treten, und ich drücke es jetzt absichtlich überspitzt aus, aber alles was ich rauslese sind für mich unbegründete Forderungen, ein Recht auf das von anderen erwirtschaftete Geld zu haben, und zudem nicht für seine Entscheidungen belangt zu werden. Man muss in Deutschland nicht auf der Straße leben und nicht hungern, und das ist auch gut so. Wie gesagt komme ich aus einem Hartz-IV-Haushalt, ich weiß das. Aber ich verstehe nicht, worauf du ein Recht auf mehr ableitest, vor allem, wenn man dann seine Unterstützung (in diesem Fall BAFöG) verspielt - die Konsequenzen des eigenen Handelns sollten einem schon bewusst sein.



      Da sonst nicht viel im ZFB los war, dachte ich nicht, dass hier so eine Diskussion entsteht. Ich würde sagen der Übersicht halber sollte für das nächste Thema gelten: Wenn man einen Beitrag schreibt, der mehr als nur ein paar Zeilen lang ist, sollte man dazu dann einen eigenen Thread eröffnen. Wenn ihr wollt, kann ich sicher jetzt noch einen Grundeinkommens-Thread abspalten.
    • Das kannst du gerne so sehen, aber dann bist du halt egoistisch. xD

      Sorry, aber diese Einstellung will mir einfach nicht in den Kopf. ALLE würden davon profitieren, wenn mal was im Leben passiert, worauf man keinen Einfluss hat, und du redest von "Konsequenzen für das eigene Handeln". Da hab ich Neuigkeiten für dich: Manchmal kann man alles "richtig" machen und hat trotzdem Pech (Krankheit, sich verändernde Lebensumstände etc.), da frage ich mich wirklich wie man anderen Leuten eine Möglichkeit auf Unterstützung verwehren können will, wenn man selbst doch offenbar ganz gut durchs Leben kommt und sich nichts für einen selbst ändern würde? Was geht's dich denn an, was mit den Steuern gemacht wird, die jeder, sobald er arbeitet, ins System spült? Undenkbar, dass damit Leuten unter die Arme gegriffen wird, die ohnehin schon ständig einen Schlag ins Gesicht bekommen und keinen Einfluss nehmen können auf ihre Situation.

      Aber in der Diskussion bringen offenbar alle Fakten nichts, ich seh schon. Ich bin raus, das ermüdet mich.

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    • Ich habe mir mal erlaubt, die Themen abzutrennen. :'D

      Colt schrieb:

      Ja, das ist meine neoliberale Sichtweise, aber ich denke, wenn sich jeder auf sein eigenen Verankommen konzentriert, dann braucht es keinen aufgeblähten Wohlfahrtsstaat. Lasst den Leuten genug Geld, welches sie bei Seite legen können, um sich oder anderen innerhalb des engsten Familienkreises selbst helfen zu können.
      Dem würde ich auch zustimmen. Aber vielen Leuten wird eben nicht genug Geld gelassen - in meiner Verwandtschaft habe ich zwei Fälle, die bis zu 12 Stunden täglich malochen, Nachtschichten schieben und trotzdem so wenig verdienen, dass es weder für eine Altersversorgung reicht, noch für einen Urlaub, wenn kurz davor das, für um zur Arbeit zu kommen überlebenswichtige Auto kaputtgeht. Die von dir geforderten Strukturen können nur funktionieren, wenn Leute, die arbeiten und nicht faul sind, auch wirklich genug Geld haben. Die Mittelschicht in Deutschland blutet aus, viele Leute sind trotz Arbeit arm. Das schrieb ich schon mehrfach.

      Colt schrieb:

      Das ist jetzt nichts persönliches und schon gar nicht gegen Dich gerichtet, aber dieses fett hervorgehobene Argument habe ich schon soooo oft gehört, dass ich mittlerweile einen dicken Hals bekomme, sobald man in dieser Diskussion mündet.

      Nein, wir leben in Deutschland, wo jeder - entsprechend Fleiß vorausgesetzt, auf's Gymnasium gehen und einen Abschluss erwerben kann. Wir leben in einem Land, wo ich - entsprechende Noten vorausgesetzt - so ziemlich in jede Fachrichtung studieren kann.
      Naja, trotzdem ist das so, was Bereth schrieb: Leute haben unterschiedliche Voraussetzungen und deswegen bis zu einem gewissen Grad auch unterschiedliche Chancen. Statistisch gesehen machen Akademikerkinder häufiger einen Uniabschluss als Arbeiterkinder. Ausnahmen gibt es immer. Wie man dieses Faktum jetzt bewertet und was man daraus zieht, sie dahingestellt, aber der Weg für jemanden aus einem Nicht-Akademikerhaushalt zu einem Hochschulabschluss ist schwieriger und steiniger, aus verschiedenen Gründen. Wie man dem entgegenwirken möchte und ob man dem überhaupt entgegenwirken möchte, sind noch einmal zwei paar Stiefel. Aber ich muss Bereth schon recht geben, dass es zu einfach ist zu sagen: "Man ist selbst schuld und jeder kann etwas werden, wenn er nur hart genug arbeitet."

      Oh my sweet summer child. Ich durfte 18 Monate lang der Dekonstruktion des Gymnasiums beiwohnen. Es wird über kurz oder lang abgeschafft und die Eliten werden ihre Kinder auf teure Privatschulen schicken, weil die staatlichen Gymnasien nivelliert werden, das Niveau sinkt und dementsprechend das Abitur nichts mehr wert ist. Damit kann man dann auch nicht mehr jede Fachrichtung studieren, weil wichtige Voraussetzungen fehlen (die man sich dann aber mit genug Geld erkaufen kann!). Das ist heute schon stellenweise der Fall. Das war mal so, wie du es beschriebst, das wird aber bald nicht mehr so sein.

      Evilitschi schrieb:

      Und ich möchte dir (und den anderen) auch nicht zu nahe treten, und ich drücke es jetzt absichtlich überspitzt aus, aber alles was ich rauslese sind für mich unbegründete Forderungen, ein Recht auf das von anderen erwirtschaftete Geld zu haben, und zudem nicht für seine Entscheidungen belangt zu werden. Man muss in Deutschland nicht auf der Straße leben und nicht hungern, und das ist auch gut so. Wie gesagt komme ich aus einem Hartz-IV-Haushalt, ich weiß das. Aber ich verstehe nicht, worauf du ein Recht auf mehr ableitest, vor allem, wenn man dann seine Unterstützung (in diesem Fall BAFöG) verspielt - die Konsequenzen des eigenen Handelns sollten einem schon bewusst sein.
      Meine Forderung war eigentlich nur, dass man von seiner Arbeit auch leben kann und selbst genug verdient, dass man auf das Geld anderer nicht angewiesen sein muss. Das halte ich für durchaus nicht unbegründet. Und stimmt, man muss nicht auf der Straße leben und hungern, aber das wars dann auch in vielen Fällen schon. Ich kenne Leute, die im Winter nicht heizen, weil sie es sich nicht leisten können. Oh, ich vergaß, auch die arbeiten. Und die haben sogar Hochschulabschluss/ abgeschlossene Ausbildung...
    • Danke CAMIR!


      Bereth schrieb:

      Aber in der Diskussion bringen offenbar alle Fakten nichts
      Welche Fakten? Ich sehe nur persönliche Beispiele, und habe dir mit meinen eigenen persönlichen Beispielen geantwortet. Alles andere ist Einstellungssache, deshalb ist das hier bloß Meinungsaustausch.

      Wir reden hier ja nicht von unglücklichen Sonderfällen, sondern vom bedingungslosen Grundeinkommen. Da hat einer, der 15 Semester grundlos vertrödelt, genau so einen Anspruch drauf wie jemand, der aufgrund einer Krankheit das Haus nicht verlassen kann. Das finde ich eben nicht gerecht. Bessere Unterstützung von Leuten, bei denen es nicht anders geht, ist ein ganz anderes Thema. Aber eben auch den Umfang muss man dann besprechen - dieser jemand kann dann nicht erwarten, dass er genau so viel hat wie jemand, der jede Woche 40 Stunden arbeitet, + Pendelzeit. Das wäre auch ungerecht.

      Bereth schrieb:

      Was geht's dich denn an, was mit den Steuern gemacht wird, die jeder, sobald er arbeitet, ins System spült?
      Aber deine Beispiele betreffen doch Leute, die dann eben nicht arbeiten können und somit keine Steuern ins System spülen. Das ist etwas ganz anderes. Jeder, der Steuern zahlt, hat auch ein Stimmrecht darüber, was mit ihnen passiert, dafür haben wir ja die Demokratie. Leider ist es heute ziemlich intransparent. Du willst ja auch die Steuern anders verteilen, was anderes ist es nicht.
      Ursprünglich waren meine Fragen ja auch bloß auf die Machbarkeit des Grundeinkommens bezogen, denn wenn plötzlich das Preisniveau so steigt dass man dann trotzdem arbeiten muss, hat das ganze nichts gebracht. Ich dachte Vertreter hätten vielleicht irgendwelche Machbarkeitsstudien parat, aber es wurde dann bloß eine ideologische Diskussion.

      Bereth schrieb:

      a hab ich Neuigkeiten für dich: Manchmal kann man alles "richtig" machen und hat trotzdem Pech (Krankheit, sich verändernde Lebensumstände etc.)
      Das ist Teil des Lebens. Warum sollten andere für dein Pech aufkommen? Ich bin auch für eine auf Solidarität aufbauende Grundsicherung, das unterscheidet sich aber vom Grundeinkommen (wie gesagt, in Deutschland landet man nicht auf der Straße und man verhungert auch nicht, und das soll auch so bleiben). Aber es braucht auch Solidarität, und keine Anspruchshaltung.
      Wenn es dann auch noch nicht eine Krankheit ist, sondern man sich das BAFöG dadurch versaut dass man drei Mal das Studium wechselt, hatte man das halt selbst in der Hand und muss nebenbei arbeiten gehen. Das machen die meisten die ich kenne sowieso schon, weil viele auch niemandem auf der Tasche liegen wollen, was wieder eine Einstellungssache ist. Die Schuld mit "Überangebot" von sich zu weisen ist da wenig sinnvoll, wie auch sonst im Leben auch. Und wer nicht in der Lage dafür ist, für sich zu sorgen, sollte sich überlegen, ob das Studium (zumindest zu diesem Zeitpunkt) wirklich Priorität hat.


      CAMIR schrieb:

      Meine Forderung war eigentlich nur, dass man von seiner Arbeit auch leben kann und selbst genug verdient, dass man auf das Geld anderer nicht angewiesen sein muss. Das halte ich für durchaus nicht unbegründet.
      Dem stimme ich absolut zu. Dass einige da auf HartzIV aufstocken müssen ist völlig falsch, in mehreren Hinsichten. Man muss aber nicht von jeder Arbeit leben können. Wer einen Doktor in sagen wir "tibetanisches Singen" hat kann nicht davon ausgehen dass er automatisch eine Stelle bekommt nur weil er jetzt zu irgendwas ausgebildet ist. Vielleicht meinst du das auch gar nicht, aber ich habe schon mehrere Artikel von "Akademikern" gelesen die eine entsprechende Erwartungshaltung hatten.
    • Evilitschi schrieb:

      Wir reden hier ja nicht von unglücklichen Sonderfällen, sondern vom bedingungslosen Grundeinkommen. Da hat einer, der 15 Semester grundlos vertrödelt, genau so einen Anspruch drauf wie jemand, der aufgrund einer Krankheit das Haus nicht verlassen kann. Das finde ich eben nicht gerecht. Bessere Unterstützung von Leuten, bei denen es nicht anders geht, ist ein ganz anderes Thema. Aber eben auch den Umfang muss man dann besprechen - dieser jemand kann dann nicht erwarten, dass er genau so viel hat wie jemand, der jede Woche 40 Stunden arbeitet, + Pendelzeit. Das wäre auch ungerecht.
      Kein Sozialsystem ist gerecht. Es wird immer Leute geben, die es ausnutzen und wenn man sich bloß darauf konzentriert, das möglichst schwer zu machen, zahlen dabei immer nur diejenigen drauf, die es eigentlich nötig hätten. Diese "Wenn ich nix krieg dann kriegt DER aber auch nix!"-Einstellung führt zu nichts.


      Und aus aktuellem Anlass habe ich somit heute eigentlich meine EU-Mitgliedschaft verloren. Ihr dürft jetzt allesamt diverse Abschiebungswitze machen.


      (Ja, man kann draufklicken)
    • CAMIR schrieb:

      Die Mittelschicht in Deutschland blutet aus, viele Leute sind trotz Arbeit arm. Das schrieb ich schon mehrfach.
      Allerdings! Als mögliche Ursache sehe ich aber vor allem die Umverteilung von der Mittelschicht in das Sozialsystem.

      CAMIR schrieb:

      Naja, trotzdem ist das so, was Bereth schrieb: Leute haben unterschiedliche Voraussetzungen und deswegen bis zu einem gewissen Grad auch unterschiedliche Chancen. Statistisch gesehen machen Akademikerkinder häufiger einen Uniabschluss als Arbeiterkinder. Ausnahmen gibt es immer. Wie man dieses Faktum jetzt bewertet und was man daraus zieht, sie dahingestellt, aber der Weg für jemanden aus einem Nicht-Akademikerhaushalt zu einem Hochschulabschluss ist schwieriger und steiniger, aus verschiedenen Gründen. Wie man dem entgegenwirken möchte und ob man dem überhaupt entgegenwirken möchte, sind noch einmal zwei paar Stiefel. Aber ich muss Bereth schon recht geben, dass es zu einfach ist zu sagen: "Man ist selbst schuld und jeder kann etwas werden, wenn er nur hart genug arbeitet."
      Definitiv haben die Leute unterschiedliche Voraussetzungen. Ich lasse aber Bereths Argument nicht gelten, das da behauptet, es könne nur dann ein Jeder "es" schaffen, wenn alle gleich wären. Sehr viele Leute schaffen sehr viel, die selbstverständlich nicht alle gleich sind.

      Der andere Punkt mit den Akademikerkindern ist Korrelation vs Kausalität. Wirkliche plausible Zusammenhänge und Gründe dafür mag es geben, aber Allgemeinplätze wie "Der Weg für jemanden aus einem Nicht-Akademikerhaushalt zu einem Hochschulabschluss ist schwierieger und steiniger" können mich nicht überzeugen. Was mögen denn die Gründe dafür sein? Warum ist es schwieriger? Um wieviel ist es schwieriger? Und: "Steinig" und "schwierig" ist nicht "unerreichbar". Was konkret hindert den Nichtakademikerschnitt daran, einen Abschluss zu erwerben? Da mache ich aus zwei Paar Schuhe ganz schnell wieder ein Paar. Nicht einmal jeder zweite Ex-Kommilitone (sondern deutlich darunter) kam aus einem Ärzte-, Banker-, Anwalts- oder [insert Hochschulabschluss/Profession in höherer Stellung]-Haushalt. Egal woher jemand kam... Geschenkt wurden einem die Abi-Note, die Scheine oder Credits noch nie.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Colt ()

    • Ulyaoth schrieb:

      Kein Sozialsystem ist gerecht. Es wird immer Leute geben, die es ausnutzen und wenn man sich bloß darauf konzentriert, das möglichst schwer zu machen, zahlen dabei immer nur diejenigen drauf, die es eigentlich nötig hätten. Diese "Wenn ich nix krieg dann kriegt DER aber auch nix!"-Einstellung führt zu nichts.
      Vielleicht habe ich das falsch verstanden, aber der Punkt war doch, dass das bedingungslose Grundeinkommen ungerechte Nachteile ausgleicht, oder nicht? Ich finde da darf ich durchaus ebenso über "Gerechtigkeit" sinnieren.


      CAMIR schrieb:

      Das ist heute schon stellenweise der Fall. Das war mal so, wie du es beschriebst, das wird aber bald nicht mehr so sein.
      Genau das habe ich ja auch schon erwähnt, und würde dich als Insider fragen, worin das deiner Meinung nach begründet liegt. Von außen sieht es nämlich aus wie entweder ein Mittel zum Schönen von Statistiken, oder einem verfehlten Gerechtigkeitssinn/Anti-"Eliten"-Denken? Ein anderes Ergebnis dessen ist ja die ideologische Förderung der Gesamtschule. Die Leute die sie in meinem Umfeld vertreten haben und bestimmt auch immer noch Parteien wählen die dies tun schickten ihre Kinder aber aufs Gymnasium, als die Zeit reif war.
    • Evilitschi schrieb:

      Vielleicht habe ich das falsch verstanden, aber der Punkt war doch, dass das bedingungslose Grundeinkommen ungerechte Nachteile ausgleicht, oder nicht? Ich finde da darf ich durchaus ebenso über "Gerechtigkeit" sinnieren.
      Aber was definierst du jetzt als ungerecht? Wo fängt ungerecht an und wo hört es auf? Wer bestimmt das?
      Im Prinzip ist die Sache eh müßig - Grundeinkommen dieser Art wirds keins geben weil keiner das Geld dafür aufbringen will, daher verlieren wir uns nur in rein theoretischen Überlegungen. Genauso wie die "Jeder kann es schaffen"-Debatte. Klar ist theoretisch alles möglich, aber Theorie und Praxis sind nicht ganz das Gleiche.
      Das, und theoretisch kann es auch jeder nicht schaffen. Dass die das dann anders sehen, ist dann irgendwie logisch.


      Und ich zahle seit Jahren brav meine Steuern wie ein Vorzeige-Rädchen im System. Ich krieg nicht gleich die Krise weil irgendwo, irgendwer mal ungerechtfertigt was bekommen hat. Außer derjenige heißt Susanne Winter oder Johann Gudenus. :'D


      (Ja, man kann draufklicken)
    • Colt schrieb:

      Allerdings! Als mögliche Ursache sehe ich aber vor allem die Umverteilung von der Mittelschicht in das Sozialsystem.
      Und ich sehe als Ursache die zunehmende Verarmung der Leute in unterbezahlten Jobs, bzw. die Unmöglichkeit eine der Ausbildung angemessen bezahlte Stelle zu bekommen, sodass trotz Arbeit kein Wohlstand erwirtschaftet werden kann. Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte.

      Colt schrieb:

      Definitiv haben die Leute unterschiedliche Voraussetzungen. Ich lasse aber Bereths Argument nicht gelten, das da behauptet, es könne nur dann ein Jeder "es" schaffen, wenn alle gleich wären. Sehr viele Leute schaffen sehr viel, die selbstverständlich nicht alle gleich sind.
      Von "Gleichmacherei" halte ich auch nicht so viel, aber davon, jedem eine Chance zu geben. Es gibt nämlich auch sehr viele Leute, die eben aus den verschiedensten Gründen nicht in der Lage sind, so viel zu schaffen. Sollen die neben herunterfallen? Deutschland ist reich genug, dass das nicht sein muss.

      Colt schrieb:

      Der andere Punkt mit den Akademikerkindern ist Korrelation vs Kausalität. Wirkliche plausible Zusammenhänge und Gründe dafür mag es geben, aber Allgemeinplätze wie "Der Weg für jemanden aus einem Nicht-Akademikerhaushalt zu einem Hochschulabschluss ist schwierieger und steiniger" können mich nicht überzeugen. Was mögen denn die Gründe dafür sein? Warum ist es schwieriger? Um wieviel ist es schwieriger? Und: "Steinig" und "schwierig" ist nicht "unerreichbar". Was konkret hindert den Nichtakademikerschnitt daran, einen Abschluss zu erwerben? Da mache ich aus zwei Paar Schuhe ganz schnell wieder ein Paar. Nicht einmal jeder zweite Ex-Kommilitone (sondern deutlich darunter) kam aus einem Ärzte-, Banker-, Anwalts- oder [insert Hochschulabschluss/Profession in höherer Stellung]-Haushalt. Egal woher jemand kam... Geschenkt wurden einem die Abi-Note, die Scheine oder Credits noch nie.

      Pierre Bourdieu hat dazu geforscht, nennt sich "soziale Vererbung". Um endlich mal "Fakten" oder zumindest Wissenschaftler in den Diskurs zu bringen. Der nennt als Gründe unter anderem
      a) den Input des Elternhauses: Akademikerkinder haben in der Regel Zugang zu mehr Büchern und Bildung, die Eltern achten mehr darauf, dass das Kind Abitur macht, weil man ja eine Stellung bewahren muss, bei Nichtakademikern sei das Interesse an so etwas wie dem Abitur einfach nicht so hoch, auch der Input, den Kinder bekommen geringer - den aufzuwiegen kostet eben mehr Anstrengung
      b) hierzu: die Möglichkeit den eigenen Kindern schulisch "helfen zu können" - Nichtakademiker haben evtl nicht das Geld bzw. die eigenen Ressourcen Nachhilfe annehmen zu können/ den Kindern zu helfen, gerade wenn es ans Abi geht und Mama und Papa selbst keines haben
      c) Sprache: Bildungseinrichtungen wollen eine gewisse Sprache, einen Soziolekt - wer den nicht spricht, hat es schwerer, Akademikerkinder kriegen diesen Soziolekt gleich beigebracht, erscheinen deswegen schlauer
      d) Vorurteile des Lehrpersonals

      Ich habe übrigens nirgends behauptet, dass "steinig" und "schwierig" "unerreichbar" seien, nur dass es mehr Anstrengung kostet, gewisse Nachteile auszugleichen.

      Was das Nachwerfen des Abis angeht: Oh hat sich da viel geändert. :'D

      Evilitschi schrieb:

      Genau das habe ich ja auch schon erwähnt, und würde dich als Insider fragen, worin das deiner Meinung nach begründet liegt. Von außen sieht es nämlich aus wie entweder ein Mittel zum Schönen von Statistiken, oder einem verfehlten Gerechtigkeitssinn/Anti-"Eliten"-Denken? Ein anderes Ergebnis dessen ist ja die ideologische Förderung der Gesamtschule. Die Leute die sie in meinem Umfeld vertreten haben und bestimmt auch immer noch Parteien wählen die dies tun schickten ihre Kinder aber aufs Gymnasium, als die Zeit reif war.
      Das liegt zum Einen am Sparzwang: Man möchte kein Geld für teure, gut ausgebildete Lehrer ausgeben, fängt das zB damit auf, dass Referendare eigenverantwortlich gleich zu Beginn Klassen unterrichten (ohne jegliche Ausbildung!). Die kosten halt nur ein Drittel. Sagt auch viel über die Wertschätzung aus, die man a) dem Beruf und b) den Schülern entgegenbringt und geht damit weiter, dass man kostspieligere Schulformen, wie die Förderschule schließt - alles unter dem Deckmäntelchen der sozialen Gleichheit. Man will den Einheitslehrer mit der Einheitsbezahlung, keine Gymnasial-, Realschul- und Hauptschullehrer mehr. Neben dem Spardiktat wird kommt der von dir erwähnte verfehlte Gerechtigkeitssinn dazu, der unter anderem auch die Gesamtschule forciert, eine Schulform, die ich rundweg ablehne.
      Man müsste viel eher dafür sorgen, dass ein Hauptschulabschluss nicht gleichbedeutend mit sozialem Abstieg ist, statt die Hauptschule abzuschaffen. Und mehr Geld investieren. Aber die eierlegende Wollmilchsau gibts halt nicht, schon gar nicht für umsonst.
    • CAMIR schrieb:

      Pierre Bourdieu hat dazu geforscht, nennt sich "soziale Vererbung". Um endlich mal "Fakten" oder zumindest Wissenschaftler in den Diskurs zu bringen. Der nennt als Gründe unter anderem
      a) den Input des Elternhauses: Akademikerkinder haben in der Regel Zugang zu mehr Büchern und Bildung, die Eltern achten mehr darauf, dass das Kind Abitur macht, weil man ja eine Stellung bewahren muss, bei Nichtakademikern sei das Interesse an so etwas wie dem Abitur einfach nicht so hoch, auch der Input, den Kinder bekommen geringer - den aufzuwiegen kostet eben mehr Anstrengung
      b) hierzu: die Möglichkeit den eigenen Kindern schulisch "helfen zu können" - Nichtakademiker haben evtl nicht das Geld bzw. die eigenen Ressourcen Nachhilfe annehmen zu können/ den Kindern zu helfen, gerade wenn es ans Abi geht und Mama und Papa selbst keines haben
      c) Sprache: Bildungseinrichtungen wollen eine gewisse Sprache, einen Soziolekt - wer den nicht spricht, hat es schwerer, Akademikerkinder kriegen diesen Soziolekt gleich beigebracht, erscheinen deswegen schlauer
      d) Vorurteile des Lehrpersonals
      Point taken. Vieles davon scheint aber nur Kopfsache zu sein.

      CAMIR schrieb:

      Ich habe übrigens nirgends behauptet, dass "steinig" und "schwierig" "unerreichbar" seien, nur dass es mehr Anstrengung kostet, gewisse Nachteile auszugleichen.
      Ja, das tut es. Aber das "Ausgleichen" von bestimmten Nachteilen, die einen ggf. daran hindern, gewisse Karriereschritte zu gehen, setzt sich im Berufsleben fort. Sei es, bestimmte ergänzende Qualifikationen nachweisen zu müssen. Sei es, bestimmte persönliche Eigenschaften und Charakterzüge abzustellen, anzupassen oder zu entwickeln oder sei es, einfach nur zur richtigen Zeit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Selbst das Prädikat "Akademiker" bedeutet ja nicht gleich automatisch erfolgreich. Ich finde diesen Begriff btw aufgrund der Begleitvorstellung, die dieser entwickelt, etwas zu pompös. Es gibt meines Erachtens sehr viele Aspekte im Mindsets der sog. "Siegertypen", die mit der rein formalen Ausbildung nicht sehr viel zu tun haben.
    • Vielleicht ist es Kopfsache, aber es sind so viele Faktoren, dass sich da schon grundlegend etwas ändern müssten.

      Ich persönlich denke auch, dass "Akademiker" gleich Emotionen hervorruft, die nicht unbedingt stimmen müssen. Ich bin auch Akademikerin von Akademikereltern, die Beamte im gehobenen Dienst waren. Nicht ultrareich, halt Mittelschicht. Mir persönlich langt es, aber Oberschicht ist es nun nicht.

      Worin halt Oberschichtenkinder - vielleicht sollten wir diesen Begriff einführen - ebenfalls Vorteile haben ist das Geld und die Beziehungen ihrer Eltern. Das kann auch Türen öffnen, die anderen verschlossen bleiben. Und natürlich setzt sich das "Ausgleichen" fort, es ist immer jemand da, der bessere Voraussetzungen hat. Es ist halt nur die Frage, wieviel man selbst investieren muss, um das auszugleichen. Denn Glück ist da auch immer dabei.

      Zum Thema Siegertypen musste ich irgendwie grade daran denken. ;)
      Winners aren't losers