Gamer, Glitches und das Gesicht der Grimmigen Gottheit

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    • Gamer, Glitches und das Gesicht der Grimmigen Gottheit

      Gamer, Glitches und das Gesicht der Grimmigen Gottheit
      The Legend Of Zelda: Majora’s Mask – CreepyPasta FanFiction

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      Einführung
      Herzlich willkommen, Interessierte! Vielen Dank, dass Ihr Euch in meine Fanfiction gewagt habt ^^ Meine erste Fanstory zu Zelda wohlgemerkt – nicht die erste, die ich schreibe, aber die erste veröffentlichte, aber das ist eine andere Geschichte (im wahrsten Wortsinne lol). Sie ist zwar großspurig als CreepyPasta eingestuft, aber ob sie wirklich diese Bezeichnung verdient hat, das könnt nur Ihr entscheiden.
      Ich bin eine bescheidene Hobbyautorin; wenn meine Stories gelesen werden (und man mir das mitteilt, auf die Entfernung kann ich keine Gedanken lesen), bin ich schon happy, aber am happygsten natürlich, wenn sie auch kommentiert werden. Also wenn Eure Augen mit ihrem REM über den Bildschirm fertig sind, lasst Eure Finger über die Tastatur steppen. Bitte, danke schön ;)
      Lest bitte unbedingt den Spoiler Disclaimer. Für jene von Euch, die sich dafür interessieren, habe ich hier auch noch weitere Infos zu meiner FanFic. Sie sind lediglich ergänzend und nicht relevant zum Lesen derselben.

      In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen!
      ~ Paperforce


      CreepyPastas und Majora’s Mask
      Wie bereits erwähnt ist dies meine erste Zelda-Fanfiction, doch zugleich auch meine erste CreepyPasta. Zwar habe ich einst eine vielleicht gruselige FanFic zu Pokémon verfasst, die jedoch keine CreepyPasta an sich war. Diese zeichnet nämlich zumeist aus, zumindest nach meiner Beobachtung, dass ein Gamer ein Spiel spielt, das sich zuerst etwas seltsam benimmt, um dann mehr und mehr ins Groteske überzuschwenken. In einem YouTube-Video (ich glaube von MythosOfGaming?) wurden die vier goldenen Regeln von Pokémon-CreepyPastas aufgelistet, von denen ich nur die letzte, weil lustigste behalten habe: Irgendwas mit Lavandia.
      Das kann man wunderbar auf die Zelda-Spiele übertragen und Lavandia mit Majora’s Mask austauschen. Denn ähnlich wie die Geisterstadt ist dieses Spiel in sich selbst schon eine CreepyPasta. Dafür braucht es weder Ben Drowned noch die Theorie mit den Fünf Phasen der Trauer.
      Ich hatte leider noch nicht das Vergnügen, dieses großartige Spiel zu spielen, weder Original noch Remake. Aber nach einem LetsPlay, etlichen sonstigen Videos und Wiki-Artikeln auf Deutsch und Englisch glaube ich schon, genug darüber zu wissen, um eine FanFic schreiben zu können. Jaja, ich weiß schon, was Ihr denkt. Ihr müsst los, Ihr werdet operiert von einem Typen, der ein paar Folgen Emergency Room gekuckt hat (- Ted Mosby, How I Met Your Mother). Wenn Euch während des Lesens unangenehm auffällt, dass da ein Nichtkenner geschrieben hat, dürft ihr euch gerne beschweren. Dafür ist Kritik schließlich da ^^
      Projekt PentaG
      Nachdem ich vor ein paar Tagen das Majora’s Mask 3D LetsPlay von LooksLikeLink beendet hatte, keimte in mir recht schnell die Idee einer CreepyPasta heran. Mit Blick auf den Kalender habe ich es mir dann auch noch in den Kopf gesetzt, sie bis zu Halloween abzutippen und zu veröffentlichen. Klingt vielleicht nicht nach etwas Besonderem, aber zieht man in Betracht, wie viel ich immer schreibe, wie schreibfaul ich jedoch bin, war das eine ganz schöne Challenge, die ich mir da aufgebürdet hatte. Ähnlich Link sollte ich in nur wenigen Tagen eine kaum zu meisternde Aufgabe bewältigen – und das ohne Okarina der Zeit …
      Der Arbeitstitel PentaG entstand zwangsläufig nach dem eigentlichen Titel und macht denke ich einen gewissen Sinn. Zufälligerweise sind es dann auch noch genau fünf Parts. Und was den Titel betrifft: Ich liebe Alliterationen :3
      Disclaimer
      Natürlich gehört das Copyright aller im Spiel Majora’s Mask auftretenden Charaktere sowie einiger Zitate Nintendo, ebenso wie das Spiel selbst. Das Copyright des erzählenden Hauptcharakters, des Texts und Szenarios der Story gehört mir.
      Dies ist eine CreepyPasta. Es wird Blut vorkommen, Tod und Gewalt spielen eine wichtige Rolle.
      Alle erwähnten Glitches funktionieren (je nach Version und Patch) auch im Spiel, keiner ist erfunden. Glitches können den Spielstand beschädigen!
      Wer mal ratlos ist, was die Begrifflichkeiten betrifft, dem möchte ich das deutsche Zeldapendium und noch mehr das englische ZeldaWiki ans Herz legen.
      Parts
      Diese FanFic ist in mehrere unbetitelte Parts gegliedert. Zum Lesen einfach folgende Links klicken oder die Posts durchscrollen.


      I
      II und II.2
      III und III.2
      IV
      V

      Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von Paperforce ()

    • Part I
      The Legend Of Zelda: Majora’s Mask.
      Allein beim Klang dieses Titels quillt einem Gamer doch sogleich das Herz über! Sei es aus Begeisterung oder Frust, einerlei. Die Meinungen über dieses berühmte, berüchtigte Spiel sind so kontrastreich wie es selbst.
      Was mich persönlich betrifft, so liebte ich es für seine Story, seine Charaktere und die unglaublichen Kompositionen aus Klang und Bild. Die bedrückende Stimmung, die der stets dräuende Mond über Termina schafft, ist unvergleichlich – erst recht die grenzenlose Erleichterung, wenn man die Apokalypse in letzter Minute abwendet. Schon die N64-Version, diese für heutige Verhältnisse geradezu lachhafte Ansammlung kantiger Polygone, hatte mich damit in ihren Bann gezogen. Man merkt vielleicht schon, ich bevorzuge gute Grafik. Da ist es wohl nicht verwunderlich, dass ich mir das lang ersehnte Remake für den 3DS beschaffte, mit verbesserten 3D-Models, Sound, und irgendwo war da noch was mit angenehmerer Steuerung. Was könnte sich ein Gamer mehr wünschen?
      Zur Zeit des Release befand sich ein Nintendo 3DS XL in meinem Besitz – schwarz wie die Nacht und dadurch die perfekte Umgebung für ein düster-buntes Spiel wie Majora’s Mask. Da ich nicht warten wollte und konnte, bis in der Videospielhandlung meines Vertrauens ein Exemplar für mich eintrudelte, lud ich es mir im Austausch digitalisierten Geldes aus dem eShop herunter. Keine Karte, die vor mir ungezählte Personen in der Hand gehabt hatten oder die ich gar irgendwie verlieren konnte: Dieses Spiel gehörte von seiner Geburt aus Nintendos Datenbank an bis zum Ende meiner Handheldkonsole ganz allein mir!
      Muss ich es extra erwähnen? Ich spielte mit solcher Leidenschaft und nahezu ununterbrochen, bis meine erste Speicherdatei jene hundert Prozent erreicht hatte, die Let‘sPlayer auf ihren Kanälen vormachten: Alle Masken, alle Herzteile, alle Sidequests, … Ich hatte schnell alles durch, was von den Entwicklern für uns Gamer zusammengestellt worden war, und das ohne je einmal gestorben oder den Weltuntergang miterlebt zu haben. Danach stellte ich mich einem Drei-Herzen-Run, den ich jedoch bereits mit weniger Begeisterung anging. Das Leben geht nunmal weiter und die erste Aufregung legt sich mit der Zeit. Vielleicht schlug ich mich aber auch einfach nicht so gut mit nur drei Herzen, wie ich das gerne gehabt hätte. Aber genug davon.
      Ich bin Intensiv-Gamer. Wenn ich ein Spiel spiele, widme ich mich weniger dem Gameplay oder dem Erfolg, mir geht es auch um die Sinneseindrücke. Oft stehe ich minutenlang an Ort und Stelle, um der Hintergrundmusik zu lauschen, oder nehme Schaden in Kauf, weil ich eine interessante Textur genauer betrachte. Durch seine vielen Charaktere und Sidestories war Majora’s Mask eigentlich genau das richtige Spiel für jemanden wie mich. Nachdem ich in meiner ersten Datei also alles erlebt und in der zweiten die persönliche Herausforderung mehr oder weniger gemeistert hatte, erkundete ich in einer dritten Datei alles, was ich vielleicht verpasst hatte.
      Dazu gehört vor allem Unruh-Stadt. Zu beobachten, wie die Einwohner von Terminas Hauptstadt fast an jedem der drei Tage andere Dinge tun, ist ungeheuer interessant. Wie Zahnräder in einem Uhrwerk greifen ihre vielen kleinen Geschichten ineinander und verbinden sich so zu einer einzigen großen. Ich als Spieler konnte darin eingreifen, neue Rädchen hinzufügen und dafür sorgen, dass daraus völlig neue Erinnerungen entstanden – bis ich sie zum Schluss mit der Hymne der Zeit ausradierte, um von vorne zu beginnen und wieder neue Ausgänge zu erreichen.
      Diese jene dritte Datei gebrauchte ich auch zum Glitchen. Viele Gamer nutzen Programmierfehler zumeist aus, um herauszufinden, wie ein Spiel funktioniert, oder bringen mit ihrem bereits bestehenden Wissen Speedruns zur absoluten Meisterschaft. Ich selbst glitchte zumeist, um Orte zu erreichen, die sonst nicht begehbar sind, und Dinge zu sehen, die unter der eigentlichen Oberfläche des Spiels verborgen liegen. Ich habe sie alle ausprobiert: Masken in Flaschen umwandeln, den verrückten Vierten Tag triggern, überall als Grimmige Gottheit herumlaufen, …
      Die Grimmige Gottheit. Oni-Link, wie diese unbestreitbar coolste aller Verwandlungen, zu denen Link in allen Zelda-Spielen fähig ist, in Anlehnung an die japanischen Rachegötter in Fankreisen genannt wird. Für gewöhnlich kann die bemächtigende Verwandlungsmaske nur in Bosskämpfen genutzt werden; mit dem Remake bekam der Spieler die Möglichkeit, sie auch beim Angelteich aufzusetzen und Oni-Links ehrfurchtgebietende Erscheinung in aller Ruhe bestaunen zu können. Und dennoch ist und bleibt jede Form des Fierce-Deity-Glitches das Faszinierendste an Majora’s Mask. Eben weil es sonst nicht möglich ist, diese Gestalt immer und überall anzunehmen.
      Die meisten dieser Glitches bewirken, dass Link einfach plötzlich mit Betreten eines neuen Bereichs die Grimmige Gottheit ist – ganz ohne die Sequenz, die das Aufsetzen einer Verwandlungsmaske eigentlich mit sich bringt. Jedoch gibt es auch eine Möglichkeit, die verbotene Maske als solche zu benutzen.
      Ich hatte bereits einige Wochen nicht mehr gespielt, als ich von diesem Glitch erfuhr. Natürlich musste ich ihn sogleich ausprobieren, hatte aber ein Problem: Weder in meiner dritten Speicherdatei – meinem Glitch-Spielplatz –, noch in der zweiten besaß ich das Gesicht der Grimmigen Gottheit. Die erste Datei hatte ich seit Monaten nicht mehr angerührt. Aber so heilig sie mir auch war und so ungern ich darin diesen Frevel begehen wollte, musste ich sie nun doch zum Glitchen verwenden. Irgendwie passte es doch auch: Die ultimative Verwandlung, durchgeführt auf dem ultimativen Spielstand.
      Tja, was soll ich sagen? Hinterher ist man immer schlauer. Aber eins nach dem anderen.
    • Part II
      Diese fragliche Version des Fierce-Deity-Glitches ist recht einfach und nahezu narrensicher. Dabei geht man mittels linker Schultertaste in First Person und tauscht auf dem Touchscreen das Gesicht der Grimmigen Gottheit mit einem ganz normal verwendbaren Item auf dem X- oder Y-Knopf aus. Beim Zurückkehren in Third Person ist die Maske dadurch für den Bruchteil einer Sekunde benutzbar; drückt man rechtzeitig den mit ihr belegten Knopf, setzt Link sie auf und verwandelt sich. So weit zumindest die Theorie.
      Wenn man nicht schnell genug ist, kommt es vor, dass die Maske wieder ihren üblichen Status einnimmt und unbenutzbar bleibt. Diese Schwierigkeit zeigte sich mir besonders hartnäckig: Ich experimentierte auf der südlichen Ebene von Termina in der Nähe des Stadttores, drückte wie irre die nötigen Knöpfe, doch erhielt kein zufriedenstellendes Ergebnis. Selber kurz davor, besonders grimmig meinen 3DS in die nächste Ecke zu pfeffern, atmete ich tief durch. Noch ein letzter Versuch! Mit höchster Konzentration und größter Sorgfalt führte ich den Glitch ein letztes Mal aus.
      Und hatte Erfolg!
      Ich konnte mein Glück kaum fassen, als Link – endlich! – die widerspenstige Maske aufsetzte und unter seelischer Qual die Gestalt der Grimmigen Gottheit annahm. Super, freute ich mich und steuerte Oni-Link über die Wiesen. Dieser Glitch war viel authentischer als die anderen Varianten, irgendwie echter und reiner, weil er den Verwandlungsvorgang als solchen nicht übersprang.
      Das Erste, was man tut, wenn man als Grimmige Gottheit herumrennt, ist natürlich, Gegner zu killen. Nach ein paar grünen Schleimen auf der Ebene wurde mir das jedoch schnell langweilig, immerhin hatte ich das alles auf der dritten Datei bereits gesehen. Ich hatte diesen mir noch unbekannten Glitch ausprobiert, das reichte mir vorerst. Daher ließ ich Link sich wieder zurückverwandeln und teleportierte mich mit dem Lied der Schwingen nach Unruh-Stadt zurück, um zu speichern.
      Nachdem das Wenige, was ich gemacht hatte, gesichert war, beendete ich den Dialog mit der Eulenstatue. Gedankenlos ging ich dazu über, den Power-Button meines 3DS zu betätigen, um ihn auszuschalten, als mir etwas Ungewöhnliches, das leicht zu übersehen war, auf dem Touchscreen ins Auge fiel. Es war nur ein Wimpernschlag, in dem ich es wahrnahm. Hätte ich es nicht bemerkt und die Konsole wie geplant ausgeschaltet, wäre alles, was danach kam, nicht geschehen.
      Das Gesicht der Grimmigen Gottheit lag noch immer auf dem Knopf, auf den ich es in First Person platziert hatte. So weit, so richtig, aber etwas anderes hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Kann man ein ausgerüstetes Item nicht benutzen, so wird das durch ein transparentes Icon dargestellt. Doch jenes Icon wies volle Deckkraft auf.
      Kann ich etwa …?, fragte ich in mich hinein und betätigte den belegten Knopf.
      Sogleich bestätigte sich mein Verdacht: Link konnte die verbotene Maske benutzen! Einfach so, ohne sich in einem Bosskampf zu befinden, und erst recht ohne jeden Glitch. Also im Grunde genauso wie die anderen drei Verwandlungsmasken auch – doch nicht, um zu einem hölzernen Deku, einem schlecht frisierten Goronen oder einem schuppenlosen Zora zu werden, sondern zur übermächtigen Grimmigen Gottheit! Von einer solchen Entwicklung dieses Glitches hatte ich noch nie gehört oder gelesen. Das war einfach unglaublich!
      Meine Aufregung war kaum zu zügeln, als ich wie ein hyperaktives Kind in Unruh-Stadt herumlief, Link mal die eine, mal die andere Maske aufsetzen ließ, natürlich mit Fokus auf dieser neugewonnenen. Auf dem Platz im östlichen Stadtteil zerschlug ich als Oni-Link munter die Holzkisten. Wer kennt nicht den nervigen kleinen Köter, der einem als Deku, kaum dass der Maskenhändler einen in die Stadt schickt, das Leben zur Hölle macht? Das wahrscheinlich erste Lebewesen überhaupt, das einem im Spiel Schaden zufügt, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Dieser dumme Wischmops lief nun vor der Grimmigen Gottheit her, als verfolge ihn Majoras Magier persönlich. Ein sehr merkwürdiger Auswuchs dieses Glitches, aber mit so etwas muss man wohl immer rechnen, wenn man ein Spiel sich selbst austricksen lässt.
      Das Mitglied der Bomber, das den Eingang zum Versteck der Bande mit einem Passwort bewacht, hielt Link wie in allen seinen Verwandlungen mit Ausnahme des Dekus für einen Erwachsenen und verbot mir den Eintritt. Im Kontrast dazu bellte der Wachmann am Tor mich doch tatsächlich an, er könne es nicht erlauben, dass ein Kind ohne Begleitung die Stadt verließ – bis ihm der Beidhänder auffiel, der so lang war wie er hoch. Trotz dieser Versicherung, Link mit Schwert durch das Tor zu lassen, stellte sich die Wache ihm weiterhin unerbittlich in den Weg. An dieses Hindernis war ich auch schon bei früheren Gelegenheiten mit dem Fierce-Deity-Glitch gestoßen. Hier gerieten zwei gegensätzliche Programmierungen feindselig aneinander.
      Willst du mir damit sagen, it’s dangerous to go alone?, fragte ich gehässig den Hampelmann, der mir den Weg versperrte. Ha, take this!
      Ich bin zweifellos nicht der erste Gamer, der aus Frust einen NPC angreift und an seiner nicht einprogrammierten Verwundbarkeit scheitert. Das gilt für alle Spiele, gerade auch in denen der Zelda-Reihe. Doch jetzt war es anders. Ich erkläre mir dieses Ereignis so, dass durch den Glitch, der noch immer nachwirkte, Hurtboxen und Sterbeanimationen an 3D-Models hinzugefügt worden waren, wo sie nicht hingehören. Jedenfalls warf mein Angriff die Wache rückwärts auf den Hosenboden, worauf der unglückliche Kerl geschlagen sitzen blieb. Voller Erstaunen beobachtete ich, wie er in violettem Feuer aufging und sich auflöste.
      Ja, auflöste. Er verschwand einfach. Ich hatte soeben einen NPC getötet.
      Das war mal eine unerwartete Wandlung. Neugierig, aber auch etwas verwirrt steuerte ich Oni-Link ohne rechtes Ziel durch die Stadt und probierte diesen neuen Trick an anderen Charakteren aus. Bis auf diejenigen, die sich in Gebäuden aufhielten – hier konnte ich das Schwert nicht zücken –, schien keiner von ihnen vor dem Doppelhelixschwert sicher zu sein. Weder die Handwerker, noch die Jongleure, ja nicht einmal der Bankbesitzer. Die Bomber-Kinder waren zu klein, ein gewöhnlicher Angriff rauschte einfach über ihre Köpfe hinweg. Doch als ich Anlauf nahm und es mit einer Sprungattacke versuchte, entkamen auch sie nicht länger. Wen ich aussuchte, der fiel unweigerlich, um dann von geisterhaftem Feuer verbrannt zu werden.
      Aufgeregt verwandelte ich Link zurück, um die Zeit auf die Dämmerung des Ersten Tages zurückzusetzen. Ich musste unbedingt genauestens erkunden, was der Glitch alles bewirkt hatte!
      Zu meiner Erleichterung wurden sogleich meine Bedenken zerstreut, der Glitch könne durch das Zurückdrehen der drei Tage ungeschehen gemacht werden. Das Gesicht der Grimmigen Gottheit lag noch immer ohne Transparenz zur freien Nutzung bereit. Allerdings stellte ich alsbald fest, dass die verschwundenen NPCs nicht wiedergekehrt waren. Nach logischem Denken müsste eine Zeitreise sie wieder zurückbringen, aber das war computertechnisch wohl der falsche Ansatz. Wahrscheinlich hatte das Spiel sie einfach allgemein aus der Map entfernt. Solange ich ihren Tod nicht dauerhaft speicherte, mussten sie wiederkehren, wenn ich den Spielstand neu lud.

      Aber so weit wollte ich erst noch gar nicht denken. Ich ließ Oni-Link die Stadt durch das freie Tor verlassen, schob den 3D-Regler auf Halbmast hoch und erkundete Termina aufs Neue.
    • Part II.2
      Ich kann hier natürlich lang und breit darlegen, wie ich durch die Welt gereist bin und Links seltsame neue Fähigkeit an verschiedenen NPCs anwandte. Aber ich will es kurz halten mit den Beispielen, die mich am meisten beeindruckten: An Pic Hibernia, um in den Tempel zu gelangen, brauchte ich das Schlaflied der Goronen gar nicht zu spielen. Der Sturmwind des Biggoron warf die Grimmige Gottheit gar nicht erst vom Grat herunter. Ein Schlag mit dem Doppelhelixschwert ließ den Felsriesen sich zusammenkauern, ein zweiter beförderte ihn in den Abgrund, dessen Boden der Flammenball nie erreichte. In der Piratenfestung war es durch Oni-Links Größe nahezu unmöglich, ein gutes Versteck zu finden – doch auch ebenso unnötig. Wenn sie ihn sahen, kamen die Piratinnen wie gewohnt auf ihn zugerannt, um dann unschlüssig um ihn herumzustehen, bis ich sie aus ihrer Ratlosigkeit erlöste. Selbst Tingle, diesem Halsabschneider … nun, dieses Wort impliziert ja schon, was mit ihm geschah, nicht wahr?
      Insgesamt fielen mir wohl einige NPCs zum Opfer, und das mag vielleicht zuerst grausam klingen. Aber erstens waren das nur ein paar Texturen auf 3D-Models, die mit Vektoren zu Bewegungen angeregt wurden; ich machte mir da nichts vor. Zweitens rückte ich meist jenen zu Leibe, die jedem Gamer wegen der einen oder anderen Kleinigkeit auf die Nerven gehen. Oni sind nunmal in erster Linie Rachegötter.
      Unschuldige Nebencharaktere zu lynchen mag zwar ganz lustig sein, aber was noch mehr interessiert, ist die Kampfkraft der Grimmigen Gottheit. Im Spiel heißt es zwar salbungsvoll, die Maske sei zu mächtig, um sie in der Außenwelt anzuwenden, aber die virtuelle Realität ist wenig spektakulär: Da Oni-Link nie dafür gedacht gewesen war, außerhalb von Bossräumen zu kämpfen, sind für so einen Fall auch keine starken Angriffe einprogrammiert. In die Außenwelt geglitcht, verfügt die Helixklinge lediglich über die einfache Stärke des Kokiri-Schwerts.
      Aber dies hier war schon lange kein einfacher Glitch mehr. Wenn selbst NPCs verwundbar waren, konnten der Grimmigen Gottheit auch normale Gegner nicht standhalten. Auch stärkere Monster bissen mit nur einem Schlag oder gar, wenn Taya sie anvisierte, durch einen blassgrünen Schwertstrahl ins Gras. Auch Teile an ihnen, die ihnen eigentlich absoluten Schutz bieten, wie die gepanzerten Schädel der Dodongos, waren nutzlos geworden. Meist kamen sie gar nicht erst dazu, ihrerseits erfolgreich anzugreifen, weil ich sie schon zuvor das Zeitliche segnen ließ. In den Tempeln waren die Zwischenbosse eine Kleinigkeit. Lediglich die Bosskämpfe hatten sich nicht weiter vereinfacht, was aber durchaus Sinn ergab. Hier darf man die mächtige Maske immerhin jederzeit verwenden.
      Am wichtigsten zu erwähnen ist vielleicht, dass auch diese Gegner genau wie NPCs nicht respawnten. Schon bald hatte ich ganze Spezies ausgerottet und Termina zumindest von dieser Geißel befreit.
      Dass Oni-Link noch weitere Fähigkeiten besaß, über die seine normale Gestalt nicht verfügt, zeigte sich aber vor allem durch seine Umgebung: Giftwasser und Lavaseen fügten ihm keinen Schaden zu; er war immun sowohl gegen den lähmenden Schrei der Remorts wie auch den entwaffnenden Fluch der Blauen Tode. Felsen und Eisbrocken, die sich nur von Bomben und Hitze beeindrucken ließen, waren jetzt mit nur einer Sprungattacke beseitigt – bei letzteren mitsamt eingefrorenem Inhalt. Auf ähnliche Weise, wie dadurch die Feuerpfeile überflüssig geworden waren, ersetzten die Schwertstrahlen auch die Lichtpfeile, was sich im Felsenturm als äußerst praktisch herausstellte. Dabei fiel mir auch auf, dass Links Magieleiste in Gestalt der Grimmigen Gottheit blau statt grün gefärbt war, ein Zustand, der nur durch Trinken von Chateau Romani erreicht werden konnte. Dadurch verbrauchten seine Schwertstrahlen keine Magie.
      Die anderen drei Verwandlungsmasken und auch den normalen Link brauchte ich noch ab und zu, um in den Tempeln voranzukommen. Oni-Link kann immerhin weder fliegen noch dauerhaft tauchen, keine Goronenschalter betätigen, Items nutzen oder Musiktücke spielen. Doch davon abgesehen beließ ich es bei der mächtigsten Gestalt, denn viele der Anwendungsbereiche der vier anderen hatte sie für sich besetzt.
      Allerdings brauchte ich die Rätsel der Dungeons oft gar nicht mehr zu lösen. In einem passierte mir der älteste Fehler seit Ocarina Of Time, als ich, auf eine Tür zulaufend, zu früh den A-Knopf betätigte, und Link, anstatt sie zu öffnen, mit vollem Karacho dagegenrollte. Daraufhin kippte das Tor um, löste sich in einer Staubwolke am Boden auf. Das funktionierte auch bei Schlüsseltüren und selbst bei der Bosstür, wodurch ich keine Schlüssel mehr zu suchen brauchte. Wie es schien, hatte die Grimmige Gottheit auch die letzten Grenzen des Spiels überschritten.
      Ja, ich weiß schon, ich muss es nicht mehr betonen, wie verdammt overpowered Oni-Link war. Normalerweise zähle ich mich zu den Gamern, denen ein Spiel nur dann wirklich Spaß macht, wenn es auch eine gewisse Herausforderung bietet. Mit diesem Glitch war wohl ein Abenteurergeist in mich gefahren, der unbedingt herausfinden wollte, welche einprogrammierten Naturgesetze sonst noch außer Kraft gesetzt worden waren. Ständig offenbarte sich mir ein neues Geheimnis. Niemand soll glauben, ich hätte vergessen, womit das alles begonnen hatte. Mittlerweile hatte ich schon bemerkt, dass vieles, was geschehen war, nicht mehr auf einen bloßen Programmierfehler zurückführbar war. Zu viele Animationen und Szenarien waren zu akkurat abgelaufen, um ohne ein eigens dafür vorgesehenes Script ausgekommen zu sein.
      Aber weder scherte ich mich um das Eine, noch hinterfragte ich das Andere. Link konnte Dinge tun, die eigentlich völlig unmöglich waren, und vereinte einen Großteil der Kraft vier anderer Gestalten in sich – und mehr. Er war tatsächlich ein Gott unter Sterblichen, und stellte ich nicht als Spieler, der seine Macht steuerte, eine sogar ihm übergeordnete Gottheit dar? Aber inzwischen weiß ich, das war erst der harmlose Anfang …
      So viel Spaß dieser wortwörtliche God-Mode auch machte, eine Begebenheit, die sich am Zweiten Tag ereignete, stimmte mich doch grüblerisch:
      Auf der Milchstraße südlich von Unruh-Stadt blockiert die ersten beiden Tage ein Felsbrocken den Weg zur Romani-Ranch, so massiv, dass nur die Sprengkraft eines Goronen-Pulverfasses ihn entfernen kann. Von früheren Experimenten mit dem Fierce-Deity-Glitch wusste ich, dass Oni-Link groß genug war, sich an den Erdwällen beiderseits des Weges hinaufzuziehen und gekonnt an dem Hindernis vorbei zu balancieren. Mit seiner neuen Macht eröffnete sich mir aber auch eine andere Methode: Aus dem Weg, knurrte ich den Handwerker an, der den Felsen mit einer Spitzhacke bearbeitete. Ganz nach gewohnter Gottesart räumte ich ihn beiseite, um anschließen mit einer Sprungattacke den Brocken gekonnt zu spalten.
      Wie am Zweiten Tag üblich, wenn man ihr nicht mit ihren „Geistern“ hilft, war die nach der Ranch benannte Romani nicht anwesend. Stattdessen kläffte der Hofhund wie wahnsinnig, als sei Link eines der Aliens, die das Mädchen entführt hatten. Wie auch sein Vetter in der Stadt nahm er Reißaus, als ich auf ihn zukam.
      Ich lief zu der Scheune, in der Epona nach ihrer Entführung durch das Horror Kid Unterschlupf findet. So wie sich Oni-Link auf wenige Schritte genähert hatte, stieg das rotbraune Stutfohlen jedoch, wieherte spitz und galoppierte davon. Komisch, was soll denn das? Anscheinend hatte sie, genau wie die Hunde, eine instinktive Angst vor der Grimmigen Gottheit. Um sie also nicht noch einmal zu erschrecken, ließ ich Link die Maske abnehmen und steuerte ihn wieder auf Epona zu. Diesmal lief sie nicht sofort davon, erst als ich versuchte aufzusteigen, trabte sie ein Stück weit von Link weg. Stets blieb sie gerade außer Reichweite, wenn auch ohne noch einmal das Weite zu suchen.
      Das war sehr merkwürdig. Bis auf Links normale Form konnte zwar keine andere auf Epona reiten, doch lief das Pferd auch vor ihnen nicht davon. Und jetzt wollte sie ihren auserwählten Reiter, ja ihren besten Freund durch alle Zeiten nicht einmal mehr aufsitzen lassen.
      Etwas betrübt verließ ich die Romani-Ranch, indem ich mich zurück nach Unruh-Stadt beamte und auf die Ebene hinausging. Dort zückte der ganz normale Link, Held der Zeit, die Okarina, die Prinzessin Zelda ihm anvertraut hatte, und spielte Eponas Lied. Vielleicht hatte sie sich ja beruhigt, indem ich eine andere Zone betreten hatte?
      Komm, meine Kleine, versuchte ich, das Fohlen zu beschwören. Dir würde ich nie etwas tun.
      Entgegen meiner Befürchtung, nach dem Ereignis auf der Ranch würde auch ihr Lied sie nicht mehr herbeilocken, kündigte ein Wiehern Eponas Kommen an. Erleichtert lief ich zu ihr hinüber, doch alle meine Hoffnungen wurden mit einem Schlag zunichte: Epona hielt noch immer bestürzend viel Abstand zu Link. Das war ein so schmerzlicher Anblick, dass ich nun meinerseits von ihr weglief, um ihr abweisendes Verhalten nicht mehr mit ansehen zu müssen. Die herzzerreißende Stimmung wurde nur unterstrichen vom regnerischen, grauen Wetter. Held und Pferd verband eine so tiefe Partnerschaft, und ich hatte sie anscheinend zunichte gemacht. Fast schon aus Trotz, vielleicht auch aus Verzweiflung zog ich Link die verbotene Maske wieder über.
      Ich wusste, wahrscheinlich überinterpretierte ich das nur. Doch es lief mir kalt den Rücken runter, so unheimlich ungerührt schien die Grimmige Gottheit darüber, von seiner treuesten Gefährtin verstoßen worden zu sein.
      Im Hintergrund spielte voller Sarkasmus das Lied des Helden.
    • Part III
      Über meine Erkundungstour verging so die Zeit, bis ich schließlich meinte, alles gesehen zu haben. Verblieb also nur noch eins: Das Finale. In der Nacht des Dritten Tages, kurz vor zwölf, begab ich mich ins verlassene, stille, düstere Unruh-Stadt. Um die letzten Szenen in ihrer Gänze auskosten zu können, schob ich den 3D-Regler voll auf. Als es Mitternacht schlug, startete die Cutscene, mit der der Karneval eingeleitet wird. Umgeben von den bunten Funken eines Feuerwerks betätigte sich der Mechanismus des Uhrturms, die hinaufführenden Treppen öffneten sich. Der Countdown, der die letzten Minuten vor dem Einsturz des Mondes anzeigt, erschien. Der Untergang Terminas hatte begonnen.
      Ich gedachte, das Gesicht der Grimmigen Gottheit erst später im Mond wieder aufzusetzen. Vorher wäre es mir ohnehin nicht von Nutzen. Als Link die Plattform vor den Treppen erklomm, passierte das wohl Seltsamste der letzten Stunden: Ohne jegliches Zutun von meiner Seite, völlig von allein, zog meine Spielfigur die Maske an und verwandelte sich. Mit fassungslos aufgerissenen Augen starrte ich in die Tiefen des 3D-Bildschirms.
      Ein helles Klingeln wie das eines Glöckchens erklang und eine Textbox erschien. „Warte mal! Willst du dem Horror Kid wirklich in dieser Gestalt gegenübertreten?“, fragte Taya und schwirrte um Link, der versuchte, ihr mit Blicken zu folgen. Die Kamera wechselte die Position, zeigte nur den Aufgang in den Turm, vor den die kleine Fee nun hinschwebte, in Gedanken versunken. „Ich weiß, es hat all diese gemeinen Dinge getan. Aber eigentlich ist es gar nicht so übel.“ Der libellenflügelige Lichtball drehte sich um und bimmelte gereizt. „Hey, hörst du mir überhaupt zu?!“, gab die Textbox zu lesen.
      Jetzt war wieder Oni-Link zu sehen, wie er, der Fee den Rücken gekehrt, in seinen Taschen kramte, jene Animation, die einsetzt, wenn man einem NPC ein Item zeigt oder überreicht. Als er die Hand vorstreckte, schwebte dort kein Gegenstand; erst nach einem erneuten Perspektivenwechsel, der sogleich erfolgte, offenbarte sich, was das sollte: Vom Festplatz Süd-Unruh-Stadts aus war nur der Rand der hölzernen Plattform zu sehen, von der es nun Masken regnete. Mit nur einem Blick erkannte ich, dass es sich um alle zwanzig Masken handelte, die man im Spiel über Sidequests erhalten kann; die unbedingt notwendig sind, um sich ganz zum Schluss das Gesicht der Grimmigen Gottheit zu verdienen. Mitten unter ihnen fielen auch die drei Masken zu Boden, ohne die das Spiel gar nicht erst zu diesem Ende gebracht werden kann: Die Deku-Schale, die Goronen-Haut und die Zora-Schuppen. Zu unverdienter Wertlosigkeit hinabgestuft, lagen sie jetzt alle dort auf einem bunten, verwahrlosten Haufen ohne jede Ordnung.
      Dreiundzwanzig Masken, Symbole für die Hoffnungen und Wünsche aller Einwohner Terminas, einfach unbedeutend gemacht. Was blieb, war die letzte, die mächtigste Maske, entstanden aus ihren Ängsten.
      Das ist kein gutes Zeichen.
      Ohne einen weiteren Blick hinab stieg Oni-Link die Treppen des Uhrturms hinauf.

      Trotz dieser verstörenden, eigentlich unmöglichen Cutscene schien oben auf dem Uhrturm alles beim Alten zu sein. Der Mond grinste seine grässliche Fratze in schärfstem 3D, das Horror Kid mit Majoras Maske schwebte darunter in Gesellschaft Taels. Als Link, noch immer in God-Mode, und Taya auf der Aussichtsplattform erschienen, entdeckte die violette Fee seine Schwester.
      Tael umkreiste aufgeregt den Kopf des Horror Kids. „Sümpfe. Berge. Ozean. Canyon. Rasch … Die Vier, die dort gefangen sind … Bring sie her!“, wiederholte er seinen hastig aufgesagten Hinweis vom Ende des ersten Dreitageszyklus, mit dem Links Queste in Termina erst richtig begonnen hatte. Das Horror Kid schlug ihn zur Seite und keifte ihn an, woraufhin Taya, ganz die beschützende große Schwester, erneut völlig wütend wurde. Wohltuend fiel mir ein Stein vom Herzen; der Schrecken, den mir der Verlust aller Masken eingejagt hatte, verflog. Diese Cutscene war noch ganz wie gewohnt, sodass mir die vorausgegangene nur wie die Erinnerung an einen schlechten Traum erschien. Noch nie war ich so glücklich gewesen zu sehen, wie das Horror Kid die Arme ausbreitete und mit der Macht von Majoras Maske den Mond zur Zerstörung Terminas herabrief, unterstrichen von stimmungsvoller, dramatischer Musik.
      Die Cutscene endete und gewährte mir wieder die Steuerung über Link. Mit der Grimmigen Gottheit jedoch würde ich wohl kaum ein erfolgreiches Ende vorantreiben können. Ich musste mithilfe der Okarina den Gesang des Himmels spielen, um die Vier Giganten herbeizurufen. Nur so kann der Mond bei seinem Sturz effektiv aufgehalten werden, das ist schließlich der Daseinszweck dieses Liedes. Also befahl ich Link, die Maske abzunehmen.
      Doch das tat er nicht. Die ganze bisherige Zeit über war das Icon voll deckend gewesen, jetzt plötzlich wieder transparent. Obwohl Link das Gesicht der Grimmigen Gottheit trug, war es kein verwendbares Item mehr, weswegen meine Rückverwandlungsversuche fruchtlos blieben. Es durch einen anderen Gegenstand auszutauschen, war ebenfalls unmöglich, und ohne sonstige Masken konnte ich auch nicht auf andere Formen zurückgreifen. Mit wachsender Verzweiflung beobachtete ich, wie der Timer weiter unbarmherzig abwärtszählte. Bitte nicht! Soll das das Ende sein?
      Irgendetwas musste ich einfach tun, so viel stand fest. Ratlos ließ ich Taya das höhnisch lachende Horror Kid anvisieren, schickte einen Schwertstrahl hinter ihr her. Ich glaubte nicht wirklich, dass das dem Maskierten etwas ausmachen würde, war daher überrascht, als es elektrisiert zappelte und dann plötzlich erschlaffte. Wie eine von ihren Fäden getrennte Marionette hing das Horror Kid an Majoras Maske, die weiter hin- und herschwebte. Vielleicht sah ich nur meine eigenen Gedanken darin gespiegelt, doch mir schien die herzförmige Maske irgendwie … ratlos, verwirrt. Als wisse sie wie ich genau, dass etwas nicht wie geplant lief, und versuche jetzt herauszufinden, was genau das war.
      Auch wenn wir diesen Verdacht gemein hatten, konnte ich unmöglich zulassen, dass der Mond Termina zerstörte. Als die Zeit fast abgelaufen war, stieß ich alle Bedenken beiseite, trieb Oni-Link zum direkten Angriff an. Ein Schlag mit dem Doppelhelixschwert – und der leblose Körper fiel zu Boden, der Kopf des Horror Kids mitsamt dem dämonischen Relikt flog gegen das Geländer der Uhrturmplattform. Er prallte daran ab, rollte noch ein Stück, bevor er liegen blieb, die großen gelben Augen der Maske hinauf zum Himmel gerichtet.
      Obwohl keine Giganten gekommen waren, den Mond zu stoppen, erlosch seine flammende Aura, sein Sturz brach ab. „Er … er ist stehengeblieben“, sprach Taya voller Unglauben. „Wir haben es geschafft! Es ist vorbei!“ Die endlich wiedervereinten Geschwister führten ihren Freudentanz auf. „Aber …“, fügte Taya schon weniger begeistert hinzu, die Feen drehten sich zu dem abgetrennten Kopf um. „Das Horror Kid … Du hast es getötet.“ Sie schwebte zum Gegenstand des Interesses herüber und betrachtete ihn langsam kreisend. Obwohl stets sie es ist, die die Aktivitäten des Horror Kids verurteilt, sagte sie traurig: „Trotz allem, was das Horror Kid getan hat … es war unser Freund.“ Jetzt näherte sie sich Oni-Link, bis sie ihm genau vor der Nase tanzte, und klingelte ihn wütend an: „Das hat es ganz bestimmt nicht verdient! Wie konntest du ihm das nur antun?!“
      Ich … weiß es auch nicht, erwiderte ich der Fee und meinte es auch so. Es tut mir unendlich leid, bitte glaub mir!
      Von Tayas Schimpftirade völlig ungerührt wischte die Grimmige Gottheit den Lichtball einfach mit dem eisenbeschlagenen Handrücken beiseite. Mit einem abgehackten Schwirrlaut schoss die Fee in hohem Bogen über den Rand der Plattform hinaus und stürzte wohl irgendwo in Unruh-Stadt ab. „Schwester!“ Jetzt war es an Tael, erschrockenes Glöckchenbimmeln auszustoßen, als er Taya hinterherfetzte. Bevor er jedoch vom Uhrturm runterflog, hielt er noch einmal an, drehte sich zu Oni-Link um. „Du bist viel schlimmer als das Horror Kid!“, schimpfte der violette Lichtball und entschwand.
      Du hast ja so Recht.
      „Du hast diese Hülle zerstört“, kam es nun dunkel von Majoras Maske. Ohne jeden Ausdruck des Erstaunens wandte sich Oni-Link ihr zu. „Eine Marionette, die nicht länger benutzt werden kann, ist nicht mehr wert als Abfall.“ Im Tod ging der Enthauptete in Geisterflammen auf, Kopf und Körper verschwanden. Die nun trägerlose Maske erhob sich vom Boden, die gelben Augen glühten furchterregend. In einer Säule düsteren Nebels schwebte das gestachelte Herz zum Mond empor. „Ich … Ich bin, um zu verzehren. Verzehren … ALLES!“, grollte die Maske. Daraufhin drängte der Mond erneut, jetzt noch aggressiver auf Termina herab.
      Die Grimmige Gottheit trat in die Säule und wurde von ihr, der bösartigen Maske hinterher, nach oben gerissen.
    • Part III.2
      Als es endlich wieder ruhiger war, versuchte ich, langsamer zu atmen. Die Illusion der friedlichen Wiese auf dem Mond tat ihr Bestes, mich bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Die Eindrücke, die in den letzten Minuten auf mich eingestürzt waren, zu sortieren, fiel mir nicht leicht. Erst Epona, dann die Masken, und jetzt auch noch Taya … Nach und nach hatte sich die Grimmige Gottheit von allem losgesagt, was für Link selbst von größter Bedeutung war. Und wer hatte all das zu verantworten? Unter wessen Führung hatte er das überhaupt erst getan?
      Aber genauso, wie ich Oni-Link steuern konnte, vermochte ich auch, dem Albtraum hier und jetzt ein Ende zu setzen. Nicht, indem ich Majoras Maske zum Finale herausforderte, nicht durch die Hymne der Zeit. Mit keiner Methode, die im Spiel selbst vorlag – sondern durch das 3DS-System. Zuletzt hatte ich gespeichert, kurz bevor der Glitch außer Kontrolle geraten war. Wenn ich den Spielstand jetzt zurücksetzte, wäre alles wieder beim Alten!
      Nicht, dass es mich noch überraschte, doch jagte es mir einen entsetzlichen Schock ein: Weder der Home- noch der Power-Botton reagierten bei Betätigung. Und im Slot stak keine Karte, die ich nur herausziehen brauchte. So viel zu dem Spiel, das mir für immer gehören sollte, mir aber nicht mehr länger gehorchte.
      Das Grün der Mondwiese, gespickt von weißen Blüten, breitete sich bis in die Endlosigkeit aus, wo es sich in der Ferne verlor. Leichte Wolkenfetzen glitten durch das strahlende Blau des Himmels. Ein paar gelbe Schmetterlinge tanzten flatternd über das Gras. Auf einem nahen Hügel ragte ein einzelner Baum empor, um den Kinder fröhlich im Kreise hüpften. Bis auf gelegentliches Vogelzwitschern war kein Geräusch zu hören. Natürlich war dies nur eine Illusion, geschaffen von Majoras Maske, doch die beruhigende Schönheit dieses Ortes war nicht zu leugnen. Und mittendrin stand, genauso unpassend wie diese Wiese in Terminas Apokalypse, mein grausamer Rachegott.
      Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, was offensichtlich war: Mir blieb als einziger Ausweg erneut nur noch der Kampf. Von hier aus, wenn es keine Flucht rückwärts gab, konnte man nur noch den Endboss stellen.
      Auf mein Geheiß lief Oni-Link zu dem Baum hinüber. Die vier Kinder, die das Gewächs umkreisten und die Vermächtnisse der Dungeonbosse trugen, mieden seine Nähe. Sie blieben nicht stehen, und wenn ihnen die Grimmige Gottheit auf ihrer Kreisbahn in den Weg trat, machten sie einen großen Bogen um ihn. Nur zurecht, dachte ich, im Hinterkopf alles, was ich gesehen und erlebt hatte. Da ich ohnehin nicht weiter mit ihnen interagieren musste, ignorierte ich ihr Verhalten desweiteren und widmete mich dem einsamen Kind, das am Stamm des Baumes kauerte. Der Junge mit der Maske Majoras.
      Genau wie auch in Ocarina Of Time ist in diesem Spiel eine Fee vonnöten, Gegner anzuvisieren, Dinge zu betrachten und mit Personen zu reden. Hier gab es aber keine begleitende Fee mehr. Ohne Taya konnte ich das Kind nicht ansprechen.
      Was willst du von mir?!, brauste ich auf, verfluchte meine Konsole, das Spiel, Majora’s Maske und die Grimmige Gottheit. Was soll ich tun! In meiner Verzweiflung schlug ich nach dem Jungen, doch die Helixklinge krachte nur immer wieder gegen den Baumstamm, wo sie keinerlei Schaden anrichtete. Ich lief herum, jagte die spielenden Kinder, die immer frustrierend nah und doch stets außer Reichweite blieben. Es kam mir vor, als lachten sie meine Unbeholfenheit aus. Der Versuch, die teuflische Maske abzusetzen, endete in Resignation. Oni-Link tat alles, was ich von ihm verlangte, und nichts, was ich erwartete. Sein ewiges, charakteristisches „Hiyaa!“ konnte ich bald in all seinen Ausführungen nicht mehr ertragen.
      In meinem wachsenden Zorn wurde ich schließlich so radikal, dass ich mit Anlauf auf den Träger der Herzmaske zulief und eine Sprungattacke gegen ihn vollführte.
      Die Bildschirme blitzten auf und wurden schlagartig weiß.

      Sekundenlang wagte ich es nicht, zu atmen. Was ist passiert?
      Als ich schon dachte, dass nun alles ausgestanden war, blendete eine neue Szene auf. Zu sehen war der Mond von Unruh-Stadt aus, so nah, dass seine grässliche Fratze den halben Himmel ausfüllte. Doch stürzte er nicht weiter herab, um lodernd den Untergang Terminas einzuleiten. Stattdessen zeigten sich feine Risse auf seiner Krateroberfläche, die sich über sein ganzes Gesicht ausbreiteten, aufzweigten und immer breiter wurden. Begleitet wurde das Schauspiel von dem Krachen berstenden Gesteins.
      Nein, nein, das läuft ganz falsch!, rief ich sturköpfig. Majora war besiegt. Eigentlich sollte er sich doch ohne ein Geräusch auflösen!
      Aus einer anderen Perspektive zeigte sich nun, dass die Trümmer, zu denen der Mond mittlerweile zerbröselt war, auf seiner Rückseite wie von einer aus seinem Innern kommenden Kraft nach oben geschleudert wurden. Immer mehr Brocken glitten aus dem Steinkoloss, lösten sich nach und nach von seiner schwindenden Substanz, flogen im Schwarm in den blutroten Himmel hinauf. Aber dort gab es keine Kraft, die sie dauerhaft oben halten konnte; unendlich langsam erreichten sie den Zenit ihrer gewaltigen Flugparabeln, um dann, allmählich an Geschwindigkeit gewinnend, ungehindert wieder niederzugehen.
      Einem brennenden Kometenschauer gleich stürzten sie aus dem Himmel, deckten durch ihre enorme Zahl eine viel größere Fläche ab, als es der ursprüngliche Mond je vermocht hätte. In ganz Termina gingen sie nieder: Sie trafen zerstörerisch in die Gipfel um Pic Hibernia und die Sandsteinklüfte des Ikana-Canyons; in den Sümpfen des Vergessens schlugen sie tiefe Krater und türmten an der Skelettküste riesige Flutwellen auf. Überall bebte die Erde, das gepeinigte Donnern der sterbenden Welt war ohrenbetäubend. Die ununterbrochenen ruckartigen Bewegungen bereiteten mir Übelkeit.
      Nur die Ebene von Termina war, durch ihre Nähe zum Usprungsort der Kometen, von den Einschlägen verschont geblieben. Um Unruh-Stadt herum erschienen jetzt wie aus dem Nichts die Vier Giganten. Mit behäbigen, schwerfälligen Schritten stampften sie auf den Mittelpunkt der ihrem Schutz unterstellten Welt zu. Aber warum kamen sie jetzt noch? Ich hatte den Gesang des Himmels nicht gespielt. Zudem war der Mond zerstört. Da war nichts mehr, das aufzuhalten ich ihrer Hilfe bedurfte.
      Es folgte die Vernichtung Terminas. Ganz ähnlich, wie wenn es Link nicht gelingt, die Giganten rechtzeitig oder alle von ihnen herbeizurufen und der Mond ungehindert in Unruh-Stadt einstürzt – und doch ganz anders: Nicht der gescheiterte Held der Zeit wurde von einer Atomexplosion erfasst, die aus schwarzer Ferne auf ihn zurollte. Stattdessen verschlang die sich aus allen vier Himmelsrichtungen nähernden Giganten und das, was von Termina übrig war, eine unermessliche Druckwelle blassgrünen Lichts. Zuletzt zu vernehmen war vierstimmiges, gequältes Röhren.
      Dann wurde alles schwarz.
    • Part IV
      Es herrschte Totenstille. Ganz langsam fiel Licht von oben herab, entlockte der Finsternis eine rote Herzform mit gelben Augen und spitzen, verschiedenfarbigen Stacheln: Majoras Maske. Ich hatte sie zerstört, und doch, irgendwo jenseits der Apokalypse, bestand sie auch noch weiterhin.
      In die Stille dieses nicht existierenden Ortes mischte sich das Kichern des Glücklichen Maskenhändlers, so deutlich, als stünde er genau vor mir. Das Licht breitete sich weiter nach hinten aus und enthüllte, dass die Maske nicht aus eigener Kraft im Nichts schwebte. Der Maskenhändler selbst trug sie, verbarg mit ihr sein verschmitztes Grinsen. Wie üblich rieb er sich die Hände, als schlösse er gerade einen für ihn sehr vorteilhaften Verkauf ab. Die Maske, die an seinem Gepäck über der rechten Schulter angebracht war, schien noch schockierter dreinzustarren als sonst. „Vielen Dank“, sprach er langsam, „dass du mir meine wertvolle Maske wieder zurückgebracht hast.“ In theatralischer Geste breitete er die Arme aus. „Auch wenn sonst niemanden, so hast du doch mich sehr glücklich gemacht. Ich sollte dir auch danken für all diese wundervollen Masken, die du mir beschafft hast.“
      Was meinst du damit?, fragte ich ihn, als er in der Dunkelheit auch schon von mir fortschwebte, sodass ich sehen konnte, was um ihn herum war. Tatsächlich umgaben den Maskenhändler einige Masken, die ich zum Teil noch nicht gesehen hatte. Immerhin, die drei Exemplare der Gorman-Maske erkannte ich sofort, auch gab es fünf verschiedene Ausführungen der Feenmaske in den Farben der Großen Feen. Die Kafei-Maske jedoch machte mich stutzig, da sie ungewöhnlich detailreich war. Seltsamerweise schwebten in ihrer Nähe die Gesichter von Kafeis Verlobten Anju und ihrer Familie.
      Da begriff ich es: Das war nicht die bekannte Maske, die seine besorgte Mutter benutzt hatte, um nach ihrem verschwundenen Sohn zu suchen – sondern Kafeis Konterfei selbst! Was hier um den Maskenhändler herumschwebte, waren keine einfachen Masken, sondern die Bewohner Terminas!
      Voll Grauen schaute ich mich um, entdeckte in der immer weiter sichtbar werdenden Sammlung unzählige mir bekannte und unbekannte Gesichter. In großen Schwärmen hatten sich die vier Völker zusammengesellt. Menschen, Dekus, Goronen und Zoras, ja sogar die Piratinnen und die verlorenen Seelen Ikanas, von allen tausende mehr, als ich in Termina je kennengelernt hatte. Genau nebeneinander schwebten die Gesichter der Sumpfhexen Kotake und Koume, die sich nur durch die Farbe des Edelsteins in ihren Stirnreifen unterschieden. Unter seinen Artgenossen fiel durch seine enorme Größe Biggoron besonders auf. Noch gewaltiger als er, hinter allen anderen standen die trüben Gesichter der Vier Giganten. In ihrer Mitte sah ich sogar die Vogelscheuchenvisage des Horror Kids. Neben ihm hing eine gesichtslose Maske, auf der sich zwei libellenflügelige Lichtbälle, der eine gelb, der andere violett, wie Yin und Yang umkreisten. Also hatten Taya und Tael zumindest im Tod wieder zueinander gefunden.
      Was? Im Tod?! Ich selbst erschrak vor meinem eigenen Gedanken. Aber es stimmte unbestreitbar, und diese Erkenntnis traf mich bis ins Mark: All diese Leben, die ich mit solcher Begeisterung verfolgt, mit denen ich gelitten hatte, die ich eigentlich hätte retten müssen, waren nun tot. Weil ich nicht zum rechten Zeitpunkt beendet hatte, was nicht umsonst verboten war. Nun waren ihre verlorenen Seelen gefangen in diesen zahllosen, in Größe, Form und Farbe unterschiedlichen Masken. Ihnen allen gemein war nur ein dunkelroter, fast senkrechter Strich mitten durchs Gesicht.
      Quälend langsam und doch schwindelerregend schnell glitten sie in einem Kabinett der stillen Anklage an mir vorbei, bis sich endlich die letzte von ihnen in mein Blickfeld schob. Es war Link selbst, der Junge ohne Fee, der Auserwählte, Held der Zeit. Sein Gesicht war erstarrt, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Letztere waren nichts weiter als leere Löcher, wie es bei normalen Masken üblich ist, was ihn aber doch unter allen neuen Gütern des Händlers einzigartig machte.
      „Sag mir eins“, sprach nun der Glückliche Maskenhändler. Er führte die Hände an Majoras Maske und nahm sie ab, doch von so weit oben war es mir unmöglich, sein Gesicht zu sehen. „Jetzt, da du deinen Spaß hattest: Bist du glücklich?“
      Mir brannten Tränen in den Augen, als ich ihm voller Inbrunst erwiderte: Nein, das bin ich nicht!
      Aber er war mittlerweile so weit davongeschwebt, dass ihn Ferne und Finsternis verschluckten.

      Aus dieser neuen, absoluten Schwärze tauchte nun das Gesicht der Grimmigen Gottheit auf – nicht die Maske, sondern des Gottes ausdrucksloses Antlitz selbst, über das sich rote, unförmige Flecken zogen. Was ich erst für einen Teil seiner archaischen Kriegsbemalung hielt, entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als etwas ungleich Entsetzlicheres:
      Blut.
      Nicht sein eigenes natürlich, er war völlig unverletzt, das wusste ich mit erschreckender Klarheit. Fremdes Blut war ihm ins Gesicht gespritzt, ohne dass er sich die Mühe gemacht hätte, es zu verhindern oder nachträglich wegzuwischen. Von einer fremden Macht gezogen glitt ich von ihm fort, sodass ich gezwungen war, auch seinen Körper zu betrachten. Überall waren Unmengen von Blut an ihm: Die stählerne Rüstung war davon besudelt, die darunterliegende blaugraue Tunika getränkt, die dazu passende Mütze und die kniehohen Stiefel dunkel befleckt. Die Klingen des Beidhänders waren so von Blut verschmiert, dass es sich in dicken Tropfen von ihnen löste und nach oben schwebend in der Unendlichkeit verschwand.
      Mir fiel auf, dass meine Atmung genau synchron mit der der Grimmigen Gottheit verlief. Er hatte Kampfhaltung eingenommen, als stünde er einem Feind gegenüber. Ich hätte schwören können, dass die weißen, blicklosen Augen genau auf mich gerichtet waren. Alles, was ich hörte, war mein Herzschlag.
      Die Grimmige Gottheit hob das Doppelhelixschwert hoch über den Kopf, stieß es herab wie ein Beil und schnitt die Realität entzwei.
    • Part V
      Unwillkürlich fuhr ich zusammen, ließ dabei meinen 3DS fallen. Meine tränenden Augen, vor denen mir die Sicht verschwamm, fest reibend, versuchte ich, wieder zu mir zurückzufinden. Die überschäumenden, teils widersprüchlichen Gefühle, die sich meiner bemächtigt hatten, ließen sich nur schwer sortieren.
      Natürlich hatte Oni-Link die Realität nicht gespalten, aber irgendwie war die Verbindung zwischen ihr und der Virtualität doch gekappt worden. Endlich konnte ich wieder zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden. Bis zum Schluss hatte ich das Gefühl gehabt, dass die dazwischenliegenden Grenzen immer mehr verschwommen und schließlich ganz verschwunden waren. Noch immer raste mein Herz vor Angst, meine Hände zitterten. Das war mal wieder typisch für mich: Dass ich so sehr von einem Spiel eingenommen wurde, bis ich meine reale Umgebung völlig vergaß. Die intensive Atmosphäre und der 3D-Effekt hatten dann dafür Sorge getragen, dass ich auch noch mich in ihnen verlor.
      Ich wagte einen Blick auf die Handheldkonsole. Die beiden Bildschirme waren wieder schwarz geworden, weißes Rauschen zischte leise aus den Lautsprechern. Die LED-Lämpchen zeigten an, dass er noch lief, wenngleich sich nichts tat. War er kaputt?
      Was mich aber noch mehr beschäftigte, war die Frage, wie das, was ich gesehen hatte, überhaupt möglich gewesen war. Dass es allein durch einen Glitch verursacht worden war, kam schon lange nicht mehr infrage. Alles Neue, von den Ereignissen über die Cutscenes und Dialoge bis hin zu den Masken … alles musste eigens einprogrammiert worden sein. Doch davon hätte man doch gewiss etwas erfahren, oder? Hacker suchen doch als aller erstes nach unbenutzten, nichtsdestotrotz im Spielcode vorhandenen Texturen und 3D-Models. Ein so großes Geheimnis hätten sie gewiss entdeckt. Außerdem: Welcher Wahnsinnige sollte es schon ins Spiel eingebaut haben?
      Ich zuckte zusammen, als das Kichern des Maskenhändlers blechern aus dem 3DS tönte. Eine Textbox erschien. „Das Schicksal hat es nicht gut mit dir gemeint …“, stand darin. Eines der berühmtesten Zitate aus allen Zelda-Spielen, obwohl man es nur dann zu lesen bekommt, wenn man als Spieler versagt und der Mond in Termina einschlägt. Eine Trommel wurde geschlagen, als mir der Bildschirm die Dämmerung Des Ersten Tages anzeigte. Ein Hahn krähte, ein liebliches Flötenspiel trällerte in den jungen Morgen Unruh-Stadts. Die fröhliche Musik, die ich so sehr liebte, wurde im Hintergrund angestimmt, während die Handwerker fleißig an den Vorbereitungen zum großen Karneval arbeiteten. Als nächstes stand ich wieder als normaler Link vor dem Eingang zum Keller des Uhrturms. An seiner Seite schwebte die kleine Fee Taya, als sei nie etwas geschehen.
      Befreit atmete ich auf. Auch wenn es jetzt eigentlich der Neue Tag hätte sein müssen, war anscheinend doch immerhin der Spuk vorbei. Endlich … Meine Erleichterung machte aber rasch Verwirrung Platz, als ich merkte, dass Link nicht den Spiegelschild auf dem Rücken trug. Dieser ist storyrelevant, und nach dem Ikana-Canyon ist es unmöglich, ihn wieder durch den Heroenschild auszutauschen. Noch dazu standen oben links am unteren Bildschirm statt der zwanzig Herzcontainer, die ich während der hundert Prozent angesammelt hatte, nur noch drei.
      Mir kam ein Verdacht, den ich zu meiner Bestürzung auch sogleich im Inventar bestätigt vorfand: Ich hatte keine Dungeon- und Sammelitems, im Menübildschirm fehlten die Vermächtnisse, die Okarina der Zeit und die Deku-Pfeifen verfügten nur über zwei Lieder. Links Ausrüstung bestand nur aus Kokiri-Schwert und Heroenschild. Und in der Maskensammlung lag ganz allein die Deku-Schale. Konsterniert startete ich das Spiel neu – was endlich wieder funktionierte –, doch es blieb keinerlei Zweifel: Mein erster Spielstand, der mir von allen dreien am meisten bedeutete, war auf den blanken Anfang zurückgesetzt worden. Als habe der Maskenhändler Link nur eben erst das Lied der Befreiung gelehrt und ihn nach Termina geschickt zurückgeschickt, Majoras Maske wiederzuholen.
      Davon nun doch etwas traurig gestimmt, schaltete ich meinen 3DS aus. Schon in dem Moment war ich mir sicher, dass ich Majora’s Mask ab sofort mit ganz anderen Augen betrachten würde. Und was diesen Glicht betraf, verwendete ich ihn nie wieder.
      Ich streckte mich und schüttelte die schauerlichen Erinnerungen ab. Letzten Endes war es nur ein Spiel. Ich sollte diese unliebsame Begebenheit lieber schnell vergessen und mein Leben wie gehabt fortführen.
      Ich stutzte, als ich Eisengeschmack im Mund spürte. Merkwürdig. Hatte ich mir vielleicht vor Aufregung auf die Zunge gebissen? Ungläubig tastete ich mit dem Finger über die Lippe, die leicht brannte und sich klebrig anfühlte. Ich riss die Augen auf, als ich meine rot verfärbten Fingerspitzen betrachtete. Das kann nicht sein …! Hastig suchte ich den nächstbesten Spiegel auf. Doch auch der silbernen Glasscheibe, die sich nur von Masken täuschen lässt, wollte ich nicht glauben, was sie mir zeigte:
      Mittig, leicht schief, zog sich von der Stirn ausgehend, über Nase und Lippen bis zum Kinn ein haarfeiner, roter Schnitt längs über mein Gesicht.