Jo Zeldafans,
eines gleich vorweg: Euch erwartet hier eine eher ungewöhnliche, wenn ich das so sagen darf, Zelda-FF, die ich im April 09 begonnen habe. Ich hatte damals den Plan, das grobe Konzept, das ich mir ausgedacht hatte, beim Schreiben weiterzuentwickeln. Damals war ich jedoch etwas unerfahren und landete bei einem Punkt, an dem ich zu viel zu früh und zu massiv rausgehauen hatte und nicht mehr wusste, wohin das führen soll. Jetzt, ein gutes Jahr nach meiner Kapitulation, habe ich mich aufgerafft, begonnen, die ersten Kapitel zu überarbeiten und bin entschlossen, es endlich auf virtuelles Papier zu bannen, was mir vorschwebt. Anstatt den alten, verstaubten Thread auszugraben, hier ein frischer Thread für "Seperator" 2.0, jetzt betitelt als "Infantiles Heldentum". Viel Spaß damit, Überarbeitungen alter Kaps und neue werden bald folgen!
Infantiles Heldentum oder Scheiße, ich muss die Welt retten
Teil I
Helden sind überbewertet und du bist einer
Kapitel 1: I.F.D.G.
Der Radiowecker flog gegen die Wand und der Gesang von Schlagersänger Adlo verstummte endlich. Es war Link völlig egal, ob er ihn dabei geschrottet hatte. Es gehörte zum Ritual, das jeden Donnerstag feierlich ankündigte. Darauf folgten für gewöhnlich langer Nachmittagsunterricht, liebevoll gepaart mit Schwertkampftraining bei dem wohl dümmsten, gröbsten Mann der Stadt: Seinem Vater, Adrian Quincer. Nichts, absolut gar nichts, würde ihn an einem solchen Morgen freiwillig aus dem Bett holen. Selbst der schlimmste Radiosender war nur knapp ausreichend um seinen Schlaf zu beenden. Schlaf, der so schön sein könnte. Aber es half nichts. Jetzt hatte er sich schon aufgerichtet, um seine Ohren vor dem Funk-Rap zu bewahren. Sich erneut hinzulegen, hatte wenig Sinn. Und doch: Schon jetzt, wo er noch bei ihr war, vermisste er seine wahre große Liebe: Seine Biberbettwäsche.
Der Siebzehnjährige seufzte unbefriedigt, um letztlich aus dem Reich der weichen Kissen zu flüchten. Er gähnte, während er sich in Richtung der Zimmertür begab. Sein Schreibtisch kündigte durch die schlampig gestapelten Schulbücher die pure Unerträglichkeit des anstehenden Tages an.
Der junge Mann wohnte im ersten Stock des Familienhauses der Quincers, sein jüngerer Bruder Alan und seine ältere Schwester Annabelle hatten ihre Zimmer gegenüber dem seinen. Er hatte das Glück, dass das Bad genau rechts von seiner eigenen Tür postiert war, ansonsten hätte er den Weg wohl nie geschafft. Er versuchte sich einzureden, eine kalte Dusche würde seine Unlust vertreiben.
Er wackelte hinaus auf den Flur, machte eine scharfe Kurve nach links und trat in den Hygienetempel des Hauses ein. Er hätte vor Freude gejauchzt, wenn er das gekonnt hätte, als keines seiner Geschwister das Zimmer und seine Funktionen schon für sich beanspruchte. Ausnahmsweise war er heute der Erste im Bad. Unerträglich starkes Sonnenlicht trat durch das Fenster ein und drängte dem drittältesten Familienmitglied bereits den ersten Teil der Müdigkeit aus dem Körper. Den Rest sollte die Körperpflege beseitigen. Natürlich wurde die Tür gleich geschlossen und zusätzlich mit der Sperrkette gesichert. Sein paranoider Vater hatte eine solche doppelte Schutzvorrichtung an jeder Tür im ganzen Haus anbringen lassen, was Link aber ganz Recht war, seit Alan angefangen hatte, mit Kreditkarten und Kleingeld das Schloss mithilfe des Spalts an der Außenseite zu öffnen. Er wollte gar nicht wissen, was sein Bruder auf den Schultoiletten anstellte. Aber jetzt hatte der Teenager sowieso andere Sorgen: Sein Spiegelbild war nämlich alles andere als vielversprechend. Seine aschblonden Haare standen wie ein Atompilz in den Himmel, seine Stumpen am Kinn waren ein Ausdruck der Unregelmäßigkeit. Sein Gesicht prägte die Mimik einer Essiggurke, die vor 30 Jahren am Verfallsdatum „vorbeigegurkt“ war, und sein Mundgeruch kündigte sich sowieso durch den ekelhaften Geschmack in seinem Rachen an. Für gewöhnlich war Link Quincer ein nicht unansehnlicher, junger Mann mit kantigen und maskulinen Gesichtszügen, einem gepflegten Dreitagebart und tiefen, blauen Augen. Morgens jedoch hätte selbst seine Mutter ihn mit einem Monster aus den Tsukizilla-Filmen verwechseln können. Er griff sich seine aufgearbeitete Zahnbürste, nachdem er ausgiebig inspiziert hatte, wie fertig er aussah, und drückte den letzten Rest Zahnpasta aus der Tube. Er war heilfroh, diese sogenannte Zahnpflegepaste los zu sein. Sie warb tatsächlich damit, angenehm nach Chili zu schmecken. Allein der Gedanke, wie eine angeblich seriöse Firma darauf gekommen war, ein Gewürz in Zahnpasta zu verwandeln, brachte ihm neben abnormer Schläfrigkeit auch noch philosophische Kopfschmerzen ein. Aber zumindest schmeckte sie gerade noch erträglich genug, um seinen Brechreiz nicht zu sehr zu provozieren. Dennoch war es hart an der Grenze. Würde sein Vater erneut eine solche Horrortube kaufen und sie ihm anschließend aufzwingen, wäre sein Zorn brennender als jedes Würzmittel in Zahnpflegeutensilien es je sein könnte.
Nachdem der Gang zur Dusche sowie die restliche Körperpflege ebenfalls durchlitten war, verließ Link nur mit rosa Boxershorts bekleidet das Bad. Seinen bananengelben Pyjama hatte er nach zehn Tagen der Benutzung in den Waschkorb geschmissen, so gern er ihn auch hatte. Zumindest war er jetzt wach und sein Gesicht sah bei weitem besser aus. Er fühlte sich schon viel wohler in Haut, die seinen recht durchtrainierten Körper überzog, den er im Bad gerne noch länger bewundert hätte. Seine Stimmung fand allerdings ein neues Tagestief, als es Zeit war, die lässige Umhängetasche mit gar nicht lässigem Schulkram vollzustopfen. Doch das hatte Zeit bis die Garderobe gewählt und vollständig übergeworfen war. Zunächst waren ein Paar weißer Socken aus der Schrankschublade zu kramen, was wegen dem Sperrstau darin einige Zeit benötigte. Wenigstens die völlig zerfetzte, aber für ihn wertvolle Jeans und das grüne T-Shirt mit der herrlichen Aufschrift „Dauerwelle V“ waren schnell gefunden. Da fiel ihm auf, dass seine grünen Sneakers die letzte Woche nicht überlebt hatten und er jetzt ohne ein Paar Schuhe dastand, die zu dem Shirt passten. Aber wen kümmerte es schon, wenn er dann rote Chucks dazu anzog? Ja, wahrscheinlich würde Lauren behaupten, dass rote Schuhe und grünes Oberteil zusammen bei jedem normalen Menschen Erschaudern und Ekel auslösen würden. Aber wen kümmerte schon Laurens Meinung? Er war zwar ein Freund, aber seine Meinungen und Ansichten waren einzigartig. Einzigartig im Sinne von lächerlich.
Beinahe aber hätte er darüber nachgedacht, ob er Malon so gefallen würde. Ganz knapp waren seine grauen Zellen daran vorbeigeschlittert, sich auf diese Frage zu stürzen. Diese rothaarige Mitschülerin war schon immer in seinem Interesse, seit er in der Mittelschule in derselben Klasse wie sie gelandet war. Er gab es gern zu, dass sie für ihn mehr war als eine Schulfreundin war. Umso weniger gern gestand er sich aber ein, dass sie noch kein Pärchen waren und alles so in der Luft hing zwischen ihnen. Jedoch verlor er bald jedweden Gedanken an sie, denn ihr Abbild wurde in seinem Gehirn durch das von Gwendoline verdrängt, die seine Beziehung zu der Landwirtstochter immer wieder gerne als Grundlage verwendete, ihn gehörig aufzuziehen. In ihrer kindischen, teilweise übertrieben aufgedrehten Art war sie hervorragend auf Link und Lauren abgestimmt. Diverse Lehrer nannten das Trio bereits „Triumvirat der ungleichnamigen Ladungen“, kurz „TUL“. Ihr Physiklehrer war ursprünglich auf diese Idee gekommen, als es vor drei Jahren in der 8. Klasse um Magneten und elektrische Ladungen ging. Und manchmal unterschieden sich die drei tatsächlich auf derartig groteske Weise voneinander, dass Links Nerven es nicht mehr so recht mitmachen wollten. Trotz alledem freute er sich, seine zwei Freunde zu sehen, gerade donnerstags, wenn die Aussicht auf den Rest des Tages doch so düster war. Also verschwendete er keine weitere Zeit mehr mit Spekulieren, stattdessen packte er sich seine Tasche und stopfte alle nötigen Bücher ein. Mit der linken griff er sich anschließend sein hölzernes Übungskatana und machte einige Schritte zur Tür hinaus in den Gang. Dort stand auch Annabelle, oder Ann, wie sie lieber genannt wurde. Sie trug einen roten Bademantel, ihre schwarzen, schulterlangen Haare waren völlig durcheinander. Sie selbst sah putzmunter aus und stand vor dem Badezimmer, die Arme ungeduldig verschränkt und den Zähnen knirschend. „Alan! Ich muss rein, mach hin!“, brüllte sie ungehalten gegen die Tür. Der jungen Dame fehlte es vor der morgendlichen Zigarette eindeutig an Geduld, wie ihr Bruder schon oft genug feststellen musste, zumindest der einen Hälfte ihrer Familie gegenüber. „Morgen.“, meinte Link knapp, als er an ihr vorbeischlenderte. Ihre groteske Grimasse des Zorns verwandelte sich für die kurze Grußformel „Guten Morgeeen!“ in ein wohlwollendes Lächeln, und ohne Umschweife zurück, als es wieder Hauptziel wurde, das Bad zu erobern.
Nach einer langen Reise die Treppe hinunter, untermalt von Brüllen und Fluchen einer sehr geladenen Studentin kam der Teeny im unteren Flur und der Tür zum Esszimmer an.
Diese öffnend sagte er: „Morgen, Mama.“ Und trat ein.
Seine Mutter saß alleine am Frühstückstisch und wirkte so, als hätte sie schon auf ihn oder eines seiner Geschwister gewartet, um mit dem Essen anfangen zu können. „Morgen, Link!“ gab sie, wie immer mit freundlichem, warmen Gesicht, zur Antwort. Wie ihre Tochter war ihr langes, lockiges Haar pechschwarz. Sowohl Annabelle als auch Link hatten ähnliche Gesichtszüge wie sie, doch Alice war noch um einiges zarter und ahnsehnlicher. Unglaublich attraktiv für ihre sechsundvierzig Jahre. Doch ihr zweiundzwanzigjähriger weiblicher Sprössling machte ihr mittlerweile gehörig Konkurrenz.
Der Oberschüler setzte sich auf seinen gewohnten Platz am Tisch, zwei Plätze rechts gegenüber der Mutter. Links neben ihm saß für gewöhnlich immer Alan, ihm gegenüber sein Vater und neben diesem Ann.
„Mich hat noch niemand wie ein Wahnsinniger schreiend angesprungen, seit ich nach unten gekommen bin. Wo ist Paps?“ Wollte er von seinem anderen Elternteil wissen, während er sich seine Lieblings-Frühstücksflocken zum Schnellflug in die Schüssel bereitmachte. Alice, die gerade einige Scheiben Schinken mit unbeschreiblicher Sorgfalt auf ein Toastbrot mit Butter bettete, lachte auf.
„Ja, es ist ziemlich ruhig, wenn dein Vater noch Meetings um 11 Uhr Nachts hat und dann die ganze Nacht im Büro bleibt!“ Meinte sie, was sogleich die Frage ihres Sohnes beantwortete. Obwohl Adrian so ein verrückter, hyperaktiver und überfürsorglicher Möchtegern-Komiker von einem Familienoberhaupt war, war er der hauptamtliche und außerordentlich geachtete Dekan einer Universität in der Nähe und ging dennoch seinen freiwilligen Lehrpflichten nach. Vor allem in den letzten Wochen hatte er erstaunlich viel zu tun.
„Na dann, umso besser…“ Meinte der Bursche kaum hörbar und eher zu sich selbst. Kalte H-Milch fiel auf die Cornflakes und erschuf die Henkersmahlzeit für diesen Tag. „…vielleicht ist der alte Trottelkopf dann zu müde, um noch mit mir zu trainieren…das wäre traumhaft.“
„Was murmelst du da?“ Hinterfragte seine Mutter und hob die Augenbrauen, unverkennbar gekünstelt schockiert.
„Nichts, nichts…“ Erwiderte er undeutlich, seine Backen prall mit Haferflocken aufgefüllt.
„Ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass du mit vollem Mund nicht mit deinen Eltern sprechen sollst! Ergötz dich zusammen mit deinen Geschwistern an euren jugendlichen Unsitten, aber nicht in Gegenwart deiner Mutter!“ Brüllte plötzlich eine lebendige, in Links spitzen Ohren geradezu nervenzerfressende Männerstimme, hinter seinem Rücken. Er wollte sich jetzt um keinen Preis umdrehen. Sein Traum, heute nicht mit seinem Holzkatana fuchteln zu müssen, war passe.
„Und ganz besonders in Anwesenheit deines Vaters solltest du das unterlassen!“
„Wenn ich diesen Tag überlebe, hab’ ich alle meine Ambitionen übertroffen…“ Dachte der verzweifelte Oberschüler, bevor tatsächlich sein grinsender Vater ihm gegenüber Platz nahm. „…bei WEITEM übertroffen!“
Kapitel Ende
Kapitel 2: Meine Freunde
„Gu-ten Mor-gen, meine halbanwesende Familie!“ brüllte Adrian, sich sehr wohl bewusst, damit etwas spät dran zu sein. Er war ein stattlicher Mann, groß und kräftig gebaut. Selbst in dem feinen Anzug, den er trug, wirkte er fit wie ein Turnschuh. Optisch war ihm sein zweitältestes Kind sehr ähnlich. Der Körperbau, das kantige Gesicht, alles war unverkennbar durch seine Gene bedingt. In vielem war er wie ein Guckrohr in Links eigene Zukunft…sehr zu dessen Bedauern.
„Morgen, Schatz.“ Erwiderte seine Gattin, natürlich erst, nachdem sie den Bissen Weißbrot hinuntergeschluckt hatte. Sein Sohn löffelte nur lustlos Cornflakes in seine Mundhöhle. Jetzt, nachdem seine aufgeblühte Hoffnung mit dem Auftauchen seines männlichen Vormundes verflogen war, hatten sich seine Gesichtszüge wieder in eine abgelaufene Gurke verwandelt. Natürlich fiel das seinem Vater sofort ins Auge und zog eine perplexe Grimasse. Der Teeny sah schon kommen, dass seine Geduld auf die härteste Probe der Jugendtage gestellt werden würde: Väterliche Fürsorge.
„Was soll das lange Gesicht, mein Junge?!“ Der Sechsundvierzigjährige beugte sich über den Tisch und musterte ihn. Beugen im Sinne von halb um den Tisch wickeln. Link hätte ihn kopfüber in die Müslischale tauchen können bei dessen peinlichem Verhalten, aber er versuchte, sich zu beherrschen.
„W-was soll schon mit mir sein?!“ Er rückte etwas nach hinten, als ihm Adrian noch mehr auf die Pelle rückte. Wie ein Vogel nickte er mit dem Kopf hin und her. Typisch aufdringlich war ihm die Neugier ins vom borstigen Kinnbart gezierte Gesicht geschrieben
„Erst sprichst du mit vollem Mund, dann grüßt du deinen eigenen Vater nicht…und dann schaust du so bewürstelt drein. Irgendwas stimmt mit dir nicht!“ behauptete er.
Links Hand klatschte gegen die Stirn seines Erzeugers und versuchte vergeblich, ihn auf dessen Platz am anderen Ende des Tisches zurückzuverweisen. Zurückverweisen im Sinne von mit aller Gewalt, die seine Armmuskulatur hergab, gegen den Dickschädel seines Vaters preschend.
„Erstens: Mit mir stimmt alles! Zweitens: Es ist Donnerstag, und der ist nun mal anstrengend! Drittens: Was soll ‚bewürstelt’ bitteschön heißen?!“ Warf er dabei zurück, stockend durch seine Bemühungen, seine ‚Papafreie Zone’ zu wahren.
„Na, weil du wie ein Würstchen aussiehst, wenn du so dumm drein glotzt! Lobe lieber meine Neologismus-Fähigkeiten, anstatt meine Wortwahl zu kritisieren! Ich bin dein Vorbild!“ Jetzt begann das Duell Schädel gegen Hand erst richtig. Alice saß ruhig daneben und as ihr Brot, während die Männer tobten und mit allerlei Geschrei um sich warfen.
„Mein Vorbild?! Sonst noch was, du Wahnsinniger?!“
„Gib’s doch zu! Jeder Sohn bewundert seinen Vater! So steht’s im Elternberater!“
„Du wärst besser beraten, zum Psychiater zu gehen! Dauerhaft!“ Es ging noch einige Zeit so, bis der Jugendliche genug von der Rabatz hatte und aufstand. Der Kopf seines Vaters traf mit voller Wucht auf den Tisch und die Schüssel, ein schmerzerfüllter Schrei und das Klirren kaputten Geschirrs folgten. Während Adrian jammerte und Alice nur unberührt sagte, sie würde kurz den Lappen zum Aufwischen holen, verabschiedete sich der Teenager mit einem schlichten „Mach’s gut, Mama, ich geh jetzt.“ Das war genug von der allmorgendlichen Quincer-Familienszene, außerdem war es jetzt an der Zeit, sich gen Schule zu begeben. Schon kurz nach Halb Sieben.
„Bis heute Abend, Schatz!“ rief seine Mutter ihm nach, auch ihr Gatte murmelte irgendetwas, das er nicht verstand und nicht verstehen wollte.
Als er sich die Schuhe band, nahm er sich vor, noch vorm Eintreffen seines kleinen Bruders Al aus dem Haus zu verschwinden, der die Lage nur noch nervenaufreibender machen würde. Tatsächlich waren selbst hier draußen im Gang des Einfamilienhauses noch das Gebrüll von Adrian und seines 9jährigen Bruders zu hören. Alan war wie die perfekte, noch hyperaktivere Version seines Vaters. Wenn sie gemeinsam in einem Raum waren, hatten sie Spaß miteinander und nervten den Rest der Anwesenden ungemein. Wie eben jetzt in diesem Moment. Besseres Timing hätte seine Flucht nicht haben können. Er ließ die Haustür hinter sich fallen. „Auf in den Tag.“ flüsterte er, nicht gerade von Enthusiasmus geprägt, seine schwarze Tasche um die Schulter schwingend. Das hölzerne Katana steckte er zwischen Hosenbund und Gürtel. „Wenigstens ist das Wetter super.“ Es ging gemütlichen über den Vorgarten hinaus auf die Straße. Da stand er nun, inmitten von Lottatree dem schnuckeligsten Vorort der Landeshauptstadt Hyrules, Hurilston.
Die Maisonne schien angenehm auf ihn herab, während er beim Nachbarhaus, wo Gwens Familie sesshaft war, am steinernen Wall, der ihren Gartenzaun darstellte, wartete. „Keine Werbung, sonst…!“ stand auf dem Briefkasten neben dem Türchen.
Sein Vater und seine Mutter, damals frisch verheiratet, hatten ihr Haus vor fast fünfundzwanzig Jahren in einer neuen Siedlung außerhalb der Stadt gebaut, ungefähr zur selben Zeit wie die Eltern seiner besten Freundin. Ihre Häuser deckten sich in Punkto Fläche und Stil, was aber bei allen Bauten in dieser Straße der Fall war. Vorgeplante Wohngrundstücke eben. Es wunderte ihn kein bisschen, dass sein sogenanntes ‚Vorbild’ hier bauen wollte. Er war sicher zu faul gewesen, sich selbst um die Maße und die genaue Form des Grundstücks zu kümmern, er war ja mehr der Fan von Inneneinrichtung. Sonst beschwerte er sich zwar immer über die Unfähigkeit des Stadtrats und der Behörden, doch ihre Hilfe schien er damals nur zu gerne in Anspruch genommen zu haben. Aber warum versuchte Link überhaupt, die verdrehten und verknoteten Gehirnwindungen seines Vaters zu entwirren?
Momentan interessierte es ihn eher, wie lange er noch warten durfte. Sie hatten doch eine feste Zeit, zu der sie sich bei ihr trafen. Immerhin hatten sie einen Bus zu erwischen.
„Gwen, was treibst du wieder?“, brummelte er. Da kam dem 17jährigen der Geistesblitz. Eine Männergestalt kam hinter dem Haus hervor und versuchte über den hinteren Gartenzaun zu springen. Versuchen im Sinne von kläglich versagen. Dieser Typ suchte offenbar eine Fluchtroute. Und mehr war nicht nötig, um das Geheimnis um die Verspätung von Gwendoline Riccio zu lüften.
„Beziehungsweise…mit wem treibst du’s schon wieder?“
Endlich, mehrere Minuten nach dem Fluchtsprint des Unbekannten, kam eine bildhübsche Goronin mit blonder Haarpracht und einem glänzenden Lächeln den Weg aus Steinplatten hinunter zum Tor. „Morgen, Quinc.“ Meinte das Mädchen, während sie die Gartentür öffnete und ihm eine übertriebene Handgeste zukommen ließ.
„Morgen, Gwen.“ Erwiderte er, ebenfalls grinsend, sein Grußzeichen blieb ganz aus.
Seine Freundin hatte sich heute wieder relativ ungewöhnlich bekleidet. Als ob ihre kurzen, mit Gel hochgestylten Haare nicht schon zuviel des Guten wären. Sehr kurze Shorts, fast schon Hotpants, gehalten von ihrem geliebten Regenbogengürtel, ein enges Top in rot mit der Aufschrift „Looker“ auf Brustebene und dazu keine Art von Schuhen. Die brauchte sie als Goronin auch nicht, ihre Füße waren hart genug. Hochgewachsen war sie, fast so groß wie ihr Schulfreund, und man konnte ihr ihre Kraft trotz der femininen Figur ansehen. Ein herrlich reines Gesicht hatte sie, eine süße Stupsnase und volle Lippen. Doch besonders ihre Oberweite und ihr topgeformter Körper hatten sie seit ihrer Pubertät zum Jungenmagneten werden lassen. Und genau das störte Link des Öfteren. Vor allem aufgrund von Vorfällen wie den eben erlebten.
„Wo bleibst du so lange?“ Wollte er wissen, als sie neben ihm her die Straße entlang ging. „Ich hab’s dir schon so oft gesagt…unter der Woche kannst du echt mal auf Sex verzichten!“
Sie sah ihn schockiert an und wurde rot. „Wer sagt, dass ich deshalb ein paar Minuten später dran war, hä?!“ Hinterfragte sie.
Ihr Spetzel rollte nur mit den Augen. „Ach, jetzt tu nich’ so scheinheilig, du Männerfalle!“
„Nenn mich nicht Männerfalle! Es ist völlig natürlich für eine attraktive Frau, ihre Anziehung auf Jungs für sich zu nutzen!“
„Ja ja, red dich nicht’ lang raus. Sag mir lieber, wer dieses Mal deiner Libido zum Opfer gefallen ist!“
„Als ob dich das was anginge! Bist ja nur eifersüchtig, weil ich dich noch nicht mit zu mir nehmen wollte!“ Ein schelmisches Grinsen zog sich über ihre Lippen. „Ach ja, vergessen! Du bist eher eifersüchtig, weil ich die Leute kriege, die ich haben will, während du nicht bei deiner Malon landen kannst!“
„Boah!“ Empörte sich Quinc. Die Dreistigkeit dieser Behauptung ließ ihn glatt stehenbleiben. „W-Was bildest du dir eigentlich ein…?“ Stotterte er, sie schmunzelte nur und ging weiter.
„Du solltest Mal dein Gesicht sehen! Richtig putzig!“
Und die Frechheit dieses Kommentars brachte ihn wieder in Bewegung.
„Ich bin nicht putzig!“ Meinte er beleidigt. „Ich bin eiskalt, menschenfeindlich und bedrohlich…“
„Ja voll, unheimlich bedrohlich! Fast so wie ein Honigkuchenhäschen!“ Lachte sie spöttisch.
„Honigkuchenhäschen?! Fängst du jetzt auch mit Wortneuschöpfungen an?!“
„Ja, für ein Honigkuchenpferd war dieser Blick in deinem Gesicht zu anbetungswürdig und niedlich!“
„Schluss jetzt! Geh weiter und sei still, Gwen, wenn du mir schon die Frage nicht beantworten willst! Ich bin zu müde, um zu streiten!“
„Ganz ruhig, Häschen!“
„Jetzt halt die Fresse!“
Tatsächlich gingen die zwei eine Weile ruhig nebeneinander her, als er seine Stimme auf ein fast schon schmerzhaftes Dezibelniveau gebracht hatte. Es war eine wahre Rarität, dass seine Nachbarin auch einmal auf seine Bitte um Ruhe erhörte, besonders schon so früh. Könnte man solche Seltenheiten in ihrem Verhalten wie seltene Edelsteine verkaufen, wäre Link reich. Verdammt reich. So selten hatte er seine Ruhe.
Sie waren fast an der Bushaltestelle am Ende der Siedlung, da öffnete sie den Mund für eine wichtige Frage: „Sag mal, hast du Physik?“
„Ja, hab ich.“ Antwortete er.
„Darf ich abschreiben?“
„Ja, aber wenn du noch einmal was mit Honig oder Hase zu mir sagst, kannst du dir in Zukunft die Hausaufgabe selbst zusammenkritzeln …“
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht drohen!“
„Ja, Mami…und jetzt sei still.“
Eine standardmäßige Busfahrt und gut 500 Meter zu Fuß durch die Altstadt von Hurilston später standen Link und Gwen im Vorgarten der St. Rauru-Oberschule, ein zum Lehrinstitut umfunktioniertes ehemaliges Schloss. Der Unterrichtsbeginn gab den Schulbankdrückern noch zehn Minuten Galgenfrist, bevor es losging, also sammelten sich die Maßen im Hof.
Die zwei Chaoten aus der Vorstadt nahmen sich auf ihrer sogenannte „Stammbank“ Platz, eine steinerne aber bequeme Sitzgelegenheit, die sich ihr Freundeskreis zu Eigen gemacht hatte. Geistig, zumindest. Sie stand auf einer Art offener Terrasse im von gepflegtem Rasen bewachsenen Schulhof, direkt unter dem Balkon des Direktorats. Ohne Zweifel der beste Ort, um in den heißen Monaten des Jahres Schutz vor der Hitze zu finden und auch sonst ‚chillig’, wie das Freundestrio fand.
„Kann ich jetzt Physik haben?“ Wollte Gwen wissen, die Beine übereinanderlegend. Sie badete mittlerweile in den Blicken einiger Dreizehntklässler, die nicht weit entfernt Kaffee tranken, und ihren Haus- und Banknachbarn dazu brachten, sich wider philosophische Fragen zu stellen.
„Später, Gwendoline, ja?“ Antwortete er ihr gereizt und nahm einen Schluck Moccacino White, nachdem er die Gruppe einige Sekunden gemustert hatte. „Wir haben Physik in der 9. Stunde, davor haben wir und dazu noch Biologie und Sport. Der alte Andersen checkt das eh nicht, Linebeck, der Trottel, sowieso nicht!
„Was habt ihr immer gegen Jules?“ Das Mädchen kratzte sich am Hinterkopf und machte eine für Quinc eindeutige Handbewegung.
„Er ist ein arroganter Arsch, deswegen. Und faul wie die Sau ist er auch. Von seinen schlechten Witzen und den Schweineborsten, die er Bart schimpft, will ich erst gar nich’ anfangen.“ Der meckernde Jugendliche übergab ihr auf die bittende Geste hin den halbleeren Pappbecher, von dem sie gleich einen kräftigen Schluck nahm. Sie gab ein befriedigtes „Ah!“ von sich, bevor sie den Mocca an ihn zurückreichte. Leer, wie sein ursprünglicher, über diese Tatsache nicht überraschte Käufer feststellte.
„Wenn du meinst. Ich find’ ihn cool.“
„So cool wie dein Milchschaumbärtchen?“ Wollte Link wissen, bevor er gen nächstbesten Mülleimer am anderen Ende der gefliesten Terrasse wanderte und den Becher entsorgte.
„Bärtchen, bitte was…?“ Gwens Mittelfinger fuhr über ihre Oberlippe. Als sie feststellte, dass ihr Finger tatsächlich als Rasierer für ihre schäumige Gesichtshaarpracht gedient hatte, lutschte sie daran. Ihr genüssliches Luckeln nahm extraordinäre Ausmasse in Länge und Intensivität an, und lenkte erneut die Blicke der älteren männlichen Schüler auf sie.
„Sieh’st aus wie ein Riesenbaby, dass am falschen Finger leckt.“ Kommentierte der zurückkehrende Quinc, sich neben sie auf die Bank setzend.
Ehe sie ihrer Empörung hätte durch Worte Ausdruck verleihen können, ertönte eine jugendliche, leicht selbstgefällige Stimme hinter ihnen. „Vergiss nicht die Bedeutung des Mittelfingers, Quinc. Das müsste doch ihr Lieblingsfinger sein, wenn’s ums Lutschen geht. Da hat der Daumen keine Chance!“
Die Beiden drehten ihre Köpfe zur Seite, um in ein gut bekanntes Gesicht zu blicken. Die dunkelblauen, perfekt glatten Haare des Neuankömmlings schimmerten vor Spraybehandlung in der Sonne, was hervorragend mit seiner blitzblanken, blassen Haut harmonierte. Diese wurde durch ein braunes Poloshirt mit aufgestelltem Kragen und dunklen Jeans in Bermudalänge bedeckt. Seine weißen Schuhe waren neu und ebenso unnatürlich sauber wie der Kerl, der sie trug. Es war eindeutig Sean Laurender, kurz Lauren, der Dritte im Bunde der „Ungleichnamigen Ladungen“, zugleich der älteste von ihnen und ein Zora.
„Morgen, ihr zwei!“ Sagte der Achtzehnjährige, nicht so enthusiastisch wie sein Blick hätte vermuten lassen, und hockte sich zu ihnen. Und mit voller Absicht nehmen die Goronin, die er mit seinem Kommentar soeben zum Zähneknirschen gebracht hatte.
„Guten morgen…mal wieder nen Clown gefressen, was?“ brummelte sie.
„Morgen, Lauren, was geht?“ Kam hingegen von Link.
„Ne Menge, sag ich dir.“ Antwortete er. „Meine Schwester hat unsere Kreditkarte gefuchst, dazu die Autoschlüssel. Und mit beidem ist sie bei ihrem Lover an der Küste. Ich bin aufgeschmissen, Alter!“
„Ach, deswegen bist du so spät dran. Ist ganz was Neues“ Gwen lachte auf. Schon hatte sie sich von der beleidigten Leberwurst wider in die Kichererbse verwandelt. „Hatte mir schon gedacht: Seit wann fährt Sean Laurender, der spießigste Bonzensohn von ganz Hurilston, mit dem Bus?“ Ergänzte sie, zugleich als Konter für den dreckigen Fingerwitz von zuvor. Während Sean nur die Mine verzog, schmunzelte sein Schulfreund im Einklang mit ihr.
„Jetzt hört mal zu, ja? Mein Vater mag reich sein, aber nicht so reich!“ Behauptete er, wie schon seit sie sich kannten, und verschränkte die Arme. Dabei fiel auch sein Blick nun auf die Gruppe von Schülern aus der 13. Klasse, die ständig aus der Ferne zu Gwen hingafften.
„Sag Mal, Lauren, wo sind denn Zelly und Malon?“, wollte Link wissen. Für gewöhnlich waren die beiden angesprochenen Mädchen im selben Bus, mit dem Lauren kommen müsste, hätte er bisher nicht das Auto genommen. „Waren die im Bus?“
„Du, keine Ahnung. Im Bus war’n sie nicht. Werden schon eintrudeln. Waren die noch nicht da, oder wie?
„Nö, hab sie zumindest nicht gesehen. Ist eh egal.“
„Mann, oh, Mann. Gib dir das Quinc.“
„Hm?“
„Unsere Ms. Möchtegern-Prüde hat schon wider fünf potenzielle Kandidaten.“ Lauren nickte in Richtung der Beobachter, worauf auch sein Klassenkollege erneut den offensichtlichen Verehrern Aufmerksamkeit schenkte. Das Mädchen ignorierte sie und ihr Gerede völlig, sie überprüfte lieber ihre Fingernägel nach Schmutz
„Ich weiß, hab ich vorher schon gesehen. Der gute Rodrigez ist auch dabei.“
„Wer ist denn das? Kennst du den?“
Link nickte. „Ja, ich kenn den. Der ist auch ein ‚Schüler’ von meinem Paps. Schwertkampf, weißt schon. Es ist der rothaarige Gerudo da, der mit den Überkoteletten und dem schwarzen Hemd.“
„Ah, alles klar. Der Typ braucht andere Schuhe bei der Haarfarbe. Rot auf rot ist echt übel.“
„Du bist hier dumm. Der Kerl ist heiß.“ Entgegnete die Dritte im Bunde, was den Startschuss für eine heftige Diskussion zwischen Bonzenboy und Nymphogirl bedeutete. Ein morgendliches Ritual hatte begonnen.
Quincs Augen blieben noch einige Augenblicke an Rodrigez hängen, während der Streit neben ihm tobte wie ein Gewitter. Er wusste noch, als er mit dem Jungen im Kindergarten gewesen war. Ihm war er schon immer unheimlich gewesen. Ab und zu wechselten sie zwar ein paar Worte, wenn er Schwertkampfunterricht bei Links Vater nahm, und schien recht sympathisch dabei. Aber dennoch: Immer wenn sich der Blick des Gerudos mit dem seinen traf, glaubte er, ihm würde das Blut in den Adern gefrieren. Weder konnte er sich das erklären, noch wollte er direkt darüber nachdenken. Dennoch blieb sein Blick an dem Gerudo hängen. Er musterte ihn eine gute Weile, wurde aber durch die Schulglocke aus seinen Gedanken gerissen. Ehe er sich versah, war der unheimliche Mitschüler in der Masse verschwunden, die durch die Eingangstür zu den Klassenzimmern drängten.
Er stand auf und sah zu seinen zwei streitenden Kumpanen, die sich allerlei Flüche und Anschuldigungen an den Kopf warfen.
„Klappe jetzt.“ Unterbrach er sie brüllend, um ihr Gefecht zu übertönen. „Es hat schon geläutet! Auf geht’s!“
„Okay, okay. Komm, Lauren.“ Die zwei erhoben sich ebenfalls, worauf auch das Tripple als letzte gemütlich zum Eingang watschelten
„Kann ich jetzt Physik haben?“
„Boah…lutsch an deinem Finger und lass mich in Ruhe, du milchbärtiger Estrogensuchti!“
Kapitel 2 Ende
Kapitel 3: Manchmal Haben Frauen...
„Neue Vokabeln?! Na toll.“, dachte Link, als Ms. Jauche doch tatsächlich anfing, mit der Kreide den Wortschatz von Kapitel 34 des Althylianisch-Buches an die Tafel zu kritzeln.
Geradezu hilfesuchend sah Quinc, der wenig Lust hatte, sich jetzt mit Schule zu befassen, zu seiner rechten Sitznachbarin, Gwendoline, die unter dem Schutz der Schulbank auf den Tasten ihres fliederfarbenen Handys herumtippte. Sie seufzte nur und holte Stift und Heft hervor, ließ sich aber nicht dabei stören, ihrem neuen Liebhaber oder ihren Freundinnen an anderen Schulen zu schreiben. Sie sah nach vorne und schrieb mit der einen Hand, mit der anderen tippte sie blind weiter.Sie gab dem Begriff Multitasking eine völlig neue Bedeutung. Wissend, dass er mit ihr jetzt eindeutig nicht mehr reden konnte, wanderte sein Blick geschwind zu Sean, links neben sich. Es musste doch noch eine Möglichkeit geben, sich abzulenken, anstatt in der Schule, noch dazu in Althylianisch, mitschreiben zu müssen. Doch auch hier wurde er enttäuscht: Lauren hatte nämlich nichts Besseres zu tun, als mit glänzenden Augen und seligem Grinsen in die erste Reihe zu starren, anstatt im Unterricht aufzupassen oder vernünftigerweise mit seinem besten Freund zu flüstern. Er ergötzte sich lieber an der schwarzen Haarpracht von Suzi, dem Zora-Mädchen vor ihm. Also fiel auch dieser aus.
Da Malon heute wegen Krankheit fehlte, ruhte seine letzte Hoffnung auf Zelly, ihrer besten Freundin. Sie war zwar Klassensprecherin und geistig völlig erwachsen, doch ihr war bestens bewusst, wie unsinnig es war, in Althylianisch aufzupassen. Dementsprechend lagen seine Chancen, bei ihr zumindest ein wenig Unterhaltung zu finden, ausgezeichnet.
„Hey, Zelly!“, hauchte er nach vorne. „Zelly!“ Nach und nach wurde er etwas lauter, da sie ihn nicht zu hören schien. Endlich, nach zahlreichen Versuchen, reagierte die Klassensprecherin und wand den Kopf zur Seite, um mit Link flüstern zu können.
„Was los, Quinc?“
„Ach, nix Großartiges.“ Der verzweifelte Schüler war erleichtert, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. „Was fehlt eigentlich Malon?“
„Sie hat die gefürchtete ‚Null-Bock-Krankheit’…“, erklärte sie mit herzlicher Ironie, blieb aber dabei optisch so subtil und ungerührt, das es direkt unnatürlich wirken hätte können. „Hab gehört, dass dich auch öfter damit ansteckt.“
„Fetten Scheiß!“, erwiderte er, ein wenig schmunzelnd. Immerhin hatte die Blondine, wie offenbar immer, mit wenigen Worten ins Schwarze getroffen. Vergeblich versuchte er sich zu wehren. „Ich bin echt manchmal krank.“
„Auch Unlust ist eine Krankheit, mein Guter.“, vermerkte sie augenzwinkernd, er grinste nur weiter. Das war die Art, für die Zelda Wallace berühmt wie berüchtigt war. Ihre Subtilität ergab in Kombination mit ihrer unerreichten Schlagfertigkeit eine Kombination, die so einzigartig war wie der Rest dieses Mädchens. Optisch war sie mit ihren glatten, wasserstoffblonden Haaren recht auffällig, aber ansonsten stand sie in punkto Beliebtheit bei den Jungs im Schatten ihrer besten Freundin. Auf den ersten Blick war es ein schnell begangener Fehler, die 16-Jährige zu unterschätzen. Wer sie jedoch näher kannte, wusste es besser. Den was ihr an typischer Schönheit und femininer Ausstrahlung fehlte, machte sie mit Charme und Unkonventionalität wett.
Während sie nach und nach einige Themen wie die Sinnlosigkeit von Althylianisch und die lustig anzusehenden Unterhaltungsformen, denen sich Gwen und Lauren hingaben, abhandelten, wurden sie laut genug, um der Lehrkraft ein empörtes Räuspern zu entlocken. Es war wohl Zeit, das Gespräch zu beenden.
„Später Rauchereck?“, wollte das Mädchen letztendlich wissen.
„Klar…wenn ich schon meine Lunge kaputt mache, dann mit dir.“, meinte Quinc etwas gedämpfter, um nicht erneut aufzufallen.
„Schön.“
Die junge Dame wandte sich wieder nach vorne und schon war das Ende des Gesprächs gekommen.
Verzweifelt über den Umstand, auch die letzte Option auf eine Alternative zum Unterrichtsgeschehen verloren zu haben, krallte Link sich nunmehr doch Block und Stift. Wenn er schon aufpassen musste, dann wollte er auch mitschreiben. Damit war er zumindest beschäftigt und musste nicht befürchten, von der Wirkung der Schlaftablette, die die Lehrkraft Frau Jauche verkörperte, vom Stuhl zu kippen. Der Vorfall im Winter, bei dem er tatsächlich eine halbe Stunde des Unterrichts verschlafen hatte, wollte er nicht unbedingt wiederholen. Ein Besuch beim Direktor reichte ihm für dieses Semester völlig.
Nach der einschläfernden ersten Stunde verging der Schultag einigermaßen schnell und ohne großartige Vorkommnisse. Schließlich war auch das Ende der Mittagspause gekommen, und nun stand eine Doppelstunde Sport auf dem Rasen hinter dem eigentlichen Schulgebäude an. Früher war er der Schlossgarten, jetzt fungierte er für körperliche Erziehung von jungen Erwachsenen.
„Du hinterhältiger Spaten!“ Mit blutrünstigem Gebrüll stürzte sich Gwendoline auf den Stürmer der Mannschaft der Jungen, der den Fußball auf das Tor hinzudribbeln versuchte. Die Blutgrätsche der Goronin brachte ihn jedoch zu Fall und er blieb noch einige Zeit liegen. Während ihr Opfer noch vor Schmerz jaulte, kickte sie das runde Leder nach vorne. Die Tatsache, dass ein Zora-Mädchen es mit der Stirn empfing und einen gekonnten Kopfball daraus machte, ließ sowohl Libero Link als auch Torwart Lauren nicht den Hauch einer Chance. „Das macht Sieben zu Null!“, rief der Sportlehrer, Julian Linebeck, von außerhalb des Spielfeldes. "Ans Leder Jungs, ist ja peinlich, sowas!" Wieder einmal hatte er die beiden Klassen, die er zusammen in Sport unterrichtete, nämlich die 12 b und 12 d, in Mädchen und Jungen geteilt. Und wieder einmal waren Letztere kein Problem für das angeblich schwächere Geschlecht.
„Aaaaalter…“, hauchte Lauren, nachdem er den Ball so weit wie möglich zu einem Mitspieler auf dem Rasen geworfen hatte.
„Meine Rede.“, kam von Link, der sich ratlos den Kopf kratzte. „Wozu bin ich eigentlich Verteidiger? Das einzige, was ich ausrichten kann, ist geplättet zu werden!“
Genervt blickte er zu Linebeck am Rand der Feldlinie. Er konnte diesen bärtigen Schnösel überhaupt nicht leiden, und auf seinen Sportunterricht in der 6. und 7. Stunde konnte er verzichten. Alleine wie er da stand. Mit seinem Zöpfchen, das geradezu arrogant nach oben aus dem Bubikopf hervorstach, seinem blauen Modehemd und mit der lächerlichen Schlaghose. Immer wieder rief er 08/15-Ratschläge in den Geschlechterkampf. Seine Stimme war arrogant und bestimmend. Und das auf eine derart nervige Weise, dass Quinc ihm gerne den Ball ins Gesicht geschossen hätte. Nur kam er ja nie in Ballbesitz.
„Sieh ihn dir an, Lauren, den Vollidioten!“, meinte er leise. „Der quält uns doch mit Absicht! Und dann grinst er wie ein aufgespießter Chu-Schleim auf Lachgas!“
Der Zora schmunzelte. „Ein Chu-Schleim? Voll! Passende Augenringe het er schon! Wir müssen ihn nur noch grün anmalen!“
Bevor die zwei hätten weiterlästern können, kam auch schon eine Stürmerin auf das Tor zu. Ihre Verfolger verzweifelten schon vor der Elfmeterlinie an ihrer Geschwindigkeit; nicht, dass sie je die Hoffnung auf einen erfolgreichen Angriff gehabt hätten. Es lag wohl an Link, das Schiff zu schaukeln. Doch ehe er auch nur einen Schritt machen konnte, passte das Mädchen rechts zu Gwen. Kaum hatte er die Spitze ihres Stollenschuhs berührt, flog die lederne Kanonenkugel…
…und traf Seans Kopf. Mit einem undefinierbaren Ausruf biss er, wenn auch nicht sprichwörtlich, sondern nur wörtlich, ins Grass.
„Hervorragende Arbeit…“ Link beugte sich zu seinem Freund hinunter. Er hatte die Augen weit aufgerissen und zuckte. Eine Beule kündigte sich auf seiner Stirn an. „H-hilfe…“, keuchte er, bevor er sich mithilfe des verschont gebliebenen Verteidigers in die Hocke aufrichtete. Dieser wandte sich zu Gwen um, die nur verwirrt neben ihrer Mitspielerin stand. „Du hast ihn fast krankenhausreif gekickt!“
„Hab ich gar nicht! Er lebt noch!“
„Ich lebe noch?!“ Schockiert über diese Aussage fand Lauren die Kraft, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Mit verstörtem, vorwurfsvollem Blick ballte er seine Faust. Mehr eine Geste der Empörung als der Drohung. Niemand würde sich im Nahkampf mit diesem Mädchen anlegen wollen.
Wer nicht von Haus aus dieser Meinung war, der würde spätestens durch den Blick, den sie als Gegenzug aufsetzte, überzeugt. „Sag mal, jetzt mach nicht aus `ner Mücke `nen Dodongo, ja?!“, brüllte sie. Die Zeit für einen weiteren Streit zwischen den beiden war auch schon längst überfällig. Link bereits verwundert beobachtet, dass sie in der Mittagspause so ruhig miteinander umgingen. Jetzt kam wohl der Ausgleich, um das Universum vor dem Zusammenbruch der physikalischen Gesetze zu retten.
Doch anstatt den Beleidigungen und Drohungen zu lauschen, fiel die Aufmerksamkeit des Schülers auf das andere Ende des Spielfelds. Dort hatten sich sämtliche Spieler bis auf die drei zusammengefunden. Im Zentrum standen mehrere der Mädchen. Sie hatten einen Kreis geschlossen und starrten perplex Richtung Boden. Fast panisches Gemurmel übertönte selbst die beiden Streithähne.
„Haltet mal die Klappe, ihr zwei!“, schrie er seinen zankenden Freunden dazwischen. Mit einer Kopfgeste machte er sie auf den Auflauf aufmerksam.
„Hey, was geht da ab?“, wollte Gwen wissen.
„Gute Frage.“, meinte Sean, bevor sie dann zum Ort des unbekannten Geschehens liefen.
Beim Rest des Sportkurses angekommen, wurden sie bald durch die Stimmenkulisse über das Grobe aufgeklärt. „Mann, was ist denn mit Zelly?“ „Was hat die sich denn getan?“ „Wo bleibt Linebeck nur?“
Verletzt? Das hörte Link nicht gern. Die Klassensprecherin war keine, die wegen einer Schramme so etwas veranstalten würde. Er drängte sich zwischen die Mädchen, Sean tat es ihm hastig gleich, ebenso wie Gwendoline.
Da lag sie. Bewusstlos und kreidebleich. Das linke Bein war voller Blut. Tiefe Kratzer, schlimme Fleischwunden, zogen sich über die Wade und das Knie. Es sah fürchterlich aus.
„Heilige Mistgeburt!“, entfuhr es dem irritierten Quinc. Seans Gesicht verlor sämtliche Farbe, bevor er sich angeekelt abwandte. Einige Klassenkolleginnen knieten neben ihr im Rasen. Die Ratlosigkeit war groß, der Schock noch größer. Keiner wusste so Recht, was man mit der ohnmächtigen, verletzten Zelly machen sollte.
Es war die Goronin, die die Initiative ergriff, etwas unternehmen zu wollen.
„Mann, steht da nicht so dumm rum! Wir müssen sie zu den Schulsanitätern bringen!“, forderte sie hysterisch.
Hilfe kam von Linebeck, der endlich aufgetaucht war und sprintend zu den Schülern stieß. Sofort nahm er die ohnmächtige junge Frau an den Armen und sah ernst in Links Richtung. „Quincer, pack dir ihre Füße! Wir tragen sie jetzt vorsichtig ins Schulhaus! Mit vorsichtig meine ich vorsichtig!“
„Verstanden.“ Ohne zu zögern packte er Zelda an den Füßen.
„Und jetzt auf drei…eins, zwei…hoch mit ihr!“ Er und der Lehrer ließen keinen weiteren Augenblick verstreichen, sie gingen so schnell es möglich war in Richtung Schulgebäude.
Dieser Donnerstag begann anders zu verlaufen, als Link je erwartet hätte.
Kapitel 3 Ende
eines gleich vorweg: Euch erwartet hier eine eher ungewöhnliche, wenn ich das so sagen darf, Zelda-FF, die ich im April 09 begonnen habe. Ich hatte damals den Plan, das grobe Konzept, das ich mir ausgedacht hatte, beim Schreiben weiterzuentwickeln. Damals war ich jedoch etwas unerfahren und landete bei einem Punkt, an dem ich zu viel zu früh und zu massiv rausgehauen hatte und nicht mehr wusste, wohin das führen soll. Jetzt, ein gutes Jahr nach meiner Kapitulation, habe ich mich aufgerafft, begonnen, die ersten Kapitel zu überarbeiten und bin entschlossen, es endlich auf virtuelles Papier zu bannen, was mir vorschwebt. Anstatt den alten, verstaubten Thread auszugraben, hier ein frischer Thread für "Seperator" 2.0, jetzt betitelt als "Infantiles Heldentum". Viel Spaß damit, Überarbeitungen alter Kaps und neue werden bald folgen!
Infantiles Heldentum oder Scheiße, ich muss die Welt retten
Teil I
Helden sind überbewertet und du bist einer
Kapitel 1: I.F.D.G.
Der Radiowecker flog gegen die Wand und der Gesang von Schlagersänger Adlo verstummte endlich. Es war Link völlig egal, ob er ihn dabei geschrottet hatte. Es gehörte zum Ritual, das jeden Donnerstag feierlich ankündigte. Darauf folgten für gewöhnlich langer Nachmittagsunterricht, liebevoll gepaart mit Schwertkampftraining bei dem wohl dümmsten, gröbsten Mann der Stadt: Seinem Vater, Adrian Quincer. Nichts, absolut gar nichts, würde ihn an einem solchen Morgen freiwillig aus dem Bett holen. Selbst der schlimmste Radiosender war nur knapp ausreichend um seinen Schlaf zu beenden. Schlaf, der so schön sein könnte. Aber es half nichts. Jetzt hatte er sich schon aufgerichtet, um seine Ohren vor dem Funk-Rap zu bewahren. Sich erneut hinzulegen, hatte wenig Sinn. Und doch: Schon jetzt, wo er noch bei ihr war, vermisste er seine wahre große Liebe: Seine Biberbettwäsche.
Der Siebzehnjährige seufzte unbefriedigt, um letztlich aus dem Reich der weichen Kissen zu flüchten. Er gähnte, während er sich in Richtung der Zimmertür begab. Sein Schreibtisch kündigte durch die schlampig gestapelten Schulbücher die pure Unerträglichkeit des anstehenden Tages an.
Der junge Mann wohnte im ersten Stock des Familienhauses der Quincers, sein jüngerer Bruder Alan und seine ältere Schwester Annabelle hatten ihre Zimmer gegenüber dem seinen. Er hatte das Glück, dass das Bad genau rechts von seiner eigenen Tür postiert war, ansonsten hätte er den Weg wohl nie geschafft. Er versuchte sich einzureden, eine kalte Dusche würde seine Unlust vertreiben.
Er wackelte hinaus auf den Flur, machte eine scharfe Kurve nach links und trat in den Hygienetempel des Hauses ein. Er hätte vor Freude gejauchzt, wenn er das gekonnt hätte, als keines seiner Geschwister das Zimmer und seine Funktionen schon für sich beanspruchte. Ausnahmsweise war er heute der Erste im Bad. Unerträglich starkes Sonnenlicht trat durch das Fenster ein und drängte dem drittältesten Familienmitglied bereits den ersten Teil der Müdigkeit aus dem Körper. Den Rest sollte die Körperpflege beseitigen. Natürlich wurde die Tür gleich geschlossen und zusätzlich mit der Sperrkette gesichert. Sein paranoider Vater hatte eine solche doppelte Schutzvorrichtung an jeder Tür im ganzen Haus anbringen lassen, was Link aber ganz Recht war, seit Alan angefangen hatte, mit Kreditkarten und Kleingeld das Schloss mithilfe des Spalts an der Außenseite zu öffnen. Er wollte gar nicht wissen, was sein Bruder auf den Schultoiletten anstellte. Aber jetzt hatte der Teenager sowieso andere Sorgen: Sein Spiegelbild war nämlich alles andere als vielversprechend. Seine aschblonden Haare standen wie ein Atompilz in den Himmel, seine Stumpen am Kinn waren ein Ausdruck der Unregelmäßigkeit. Sein Gesicht prägte die Mimik einer Essiggurke, die vor 30 Jahren am Verfallsdatum „vorbeigegurkt“ war, und sein Mundgeruch kündigte sich sowieso durch den ekelhaften Geschmack in seinem Rachen an. Für gewöhnlich war Link Quincer ein nicht unansehnlicher, junger Mann mit kantigen und maskulinen Gesichtszügen, einem gepflegten Dreitagebart und tiefen, blauen Augen. Morgens jedoch hätte selbst seine Mutter ihn mit einem Monster aus den Tsukizilla-Filmen verwechseln können. Er griff sich seine aufgearbeitete Zahnbürste, nachdem er ausgiebig inspiziert hatte, wie fertig er aussah, und drückte den letzten Rest Zahnpasta aus der Tube. Er war heilfroh, diese sogenannte Zahnpflegepaste los zu sein. Sie warb tatsächlich damit, angenehm nach Chili zu schmecken. Allein der Gedanke, wie eine angeblich seriöse Firma darauf gekommen war, ein Gewürz in Zahnpasta zu verwandeln, brachte ihm neben abnormer Schläfrigkeit auch noch philosophische Kopfschmerzen ein. Aber zumindest schmeckte sie gerade noch erträglich genug, um seinen Brechreiz nicht zu sehr zu provozieren. Dennoch war es hart an der Grenze. Würde sein Vater erneut eine solche Horrortube kaufen und sie ihm anschließend aufzwingen, wäre sein Zorn brennender als jedes Würzmittel in Zahnpflegeutensilien es je sein könnte.
Nachdem der Gang zur Dusche sowie die restliche Körperpflege ebenfalls durchlitten war, verließ Link nur mit rosa Boxershorts bekleidet das Bad. Seinen bananengelben Pyjama hatte er nach zehn Tagen der Benutzung in den Waschkorb geschmissen, so gern er ihn auch hatte. Zumindest war er jetzt wach und sein Gesicht sah bei weitem besser aus. Er fühlte sich schon viel wohler in Haut, die seinen recht durchtrainierten Körper überzog, den er im Bad gerne noch länger bewundert hätte. Seine Stimmung fand allerdings ein neues Tagestief, als es Zeit war, die lässige Umhängetasche mit gar nicht lässigem Schulkram vollzustopfen. Doch das hatte Zeit bis die Garderobe gewählt und vollständig übergeworfen war. Zunächst waren ein Paar weißer Socken aus der Schrankschublade zu kramen, was wegen dem Sperrstau darin einige Zeit benötigte. Wenigstens die völlig zerfetzte, aber für ihn wertvolle Jeans und das grüne T-Shirt mit der herrlichen Aufschrift „Dauerwelle V“ waren schnell gefunden. Da fiel ihm auf, dass seine grünen Sneakers die letzte Woche nicht überlebt hatten und er jetzt ohne ein Paar Schuhe dastand, die zu dem Shirt passten. Aber wen kümmerte es schon, wenn er dann rote Chucks dazu anzog? Ja, wahrscheinlich würde Lauren behaupten, dass rote Schuhe und grünes Oberteil zusammen bei jedem normalen Menschen Erschaudern und Ekel auslösen würden. Aber wen kümmerte schon Laurens Meinung? Er war zwar ein Freund, aber seine Meinungen und Ansichten waren einzigartig. Einzigartig im Sinne von lächerlich.
Beinahe aber hätte er darüber nachgedacht, ob er Malon so gefallen würde. Ganz knapp waren seine grauen Zellen daran vorbeigeschlittert, sich auf diese Frage zu stürzen. Diese rothaarige Mitschülerin war schon immer in seinem Interesse, seit er in der Mittelschule in derselben Klasse wie sie gelandet war. Er gab es gern zu, dass sie für ihn mehr war als eine Schulfreundin war. Umso weniger gern gestand er sich aber ein, dass sie noch kein Pärchen waren und alles so in der Luft hing zwischen ihnen. Jedoch verlor er bald jedweden Gedanken an sie, denn ihr Abbild wurde in seinem Gehirn durch das von Gwendoline verdrängt, die seine Beziehung zu der Landwirtstochter immer wieder gerne als Grundlage verwendete, ihn gehörig aufzuziehen. In ihrer kindischen, teilweise übertrieben aufgedrehten Art war sie hervorragend auf Link und Lauren abgestimmt. Diverse Lehrer nannten das Trio bereits „Triumvirat der ungleichnamigen Ladungen“, kurz „TUL“. Ihr Physiklehrer war ursprünglich auf diese Idee gekommen, als es vor drei Jahren in der 8. Klasse um Magneten und elektrische Ladungen ging. Und manchmal unterschieden sich die drei tatsächlich auf derartig groteske Weise voneinander, dass Links Nerven es nicht mehr so recht mitmachen wollten. Trotz alledem freute er sich, seine zwei Freunde zu sehen, gerade donnerstags, wenn die Aussicht auf den Rest des Tages doch so düster war. Also verschwendete er keine weitere Zeit mehr mit Spekulieren, stattdessen packte er sich seine Tasche und stopfte alle nötigen Bücher ein. Mit der linken griff er sich anschließend sein hölzernes Übungskatana und machte einige Schritte zur Tür hinaus in den Gang. Dort stand auch Annabelle, oder Ann, wie sie lieber genannt wurde. Sie trug einen roten Bademantel, ihre schwarzen, schulterlangen Haare waren völlig durcheinander. Sie selbst sah putzmunter aus und stand vor dem Badezimmer, die Arme ungeduldig verschränkt und den Zähnen knirschend. „Alan! Ich muss rein, mach hin!“, brüllte sie ungehalten gegen die Tür. Der jungen Dame fehlte es vor der morgendlichen Zigarette eindeutig an Geduld, wie ihr Bruder schon oft genug feststellen musste, zumindest der einen Hälfte ihrer Familie gegenüber. „Morgen.“, meinte Link knapp, als er an ihr vorbeischlenderte. Ihre groteske Grimasse des Zorns verwandelte sich für die kurze Grußformel „Guten Morgeeen!“ in ein wohlwollendes Lächeln, und ohne Umschweife zurück, als es wieder Hauptziel wurde, das Bad zu erobern.
Nach einer langen Reise die Treppe hinunter, untermalt von Brüllen und Fluchen einer sehr geladenen Studentin kam der Teeny im unteren Flur und der Tür zum Esszimmer an.
Diese öffnend sagte er: „Morgen, Mama.“ Und trat ein.
Seine Mutter saß alleine am Frühstückstisch und wirkte so, als hätte sie schon auf ihn oder eines seiner Geschwister gewartet, um mit dem Essen anfangen zu können. „Morgen, Link!“ gab sie, wie immer mit freundlichem, warmen Gesicht, zur Antwort. Wie ihre Tochter war ihr langes, lockiges Haar pechschwarz. Sowohl Annabelle als auch Link hatten ähnliche Gesichtszüge wie sie, doch Alice war noch um einiges zarter und ahnsehnlicher. Unglaublich attraktiv für ihre sechsundvierzig Jahre. Doch ihr zweiundzwanzigjähriger weiblicher Sprössling machte ihr mittlerweile gehörig Konkurrenz.
Der Oberschüler setzte sich auf seinen gewohnten Platz am Tisch, zwei Plätze rechts gegenüber der Mutter. Links neben ihm saß für gewöhnlich immer Alan, ihm gegenüber sein Vater und neben diesem Ann.
„Mich hat noch niemand wie ein Wahnsinniger schreiend angesprungen, seit ich nach unten gekommen bin. Wo ist Paps?“ Wollte er von seinem anderen Elternteil wissen, während er sich seine Lieblings-Frühstücksflocken zum Schnellflug in die Schüssel bereitmachte. Alice, die gerade einige Scheiben Schinken mit unbeschreiblicher Sorgfalt auf ein Toastbrot mit Butter bettete, lachte auf.
„Ja, es ist ziemlich ruhig, wenn dein Vater noch Meetings um 11 Uhr Nachts hat und dann die ganze Nacht im Büro bleibt!“ Meinte sie, was sogleich die Frage ihres Sohnes beantwortete. Obwohl Adrian so ein verrückter, hyperaktiver und überfürsorglicher Möchtegern-Komiker von einem Familienoberhaupt war, war er der hauptamtliche und außerordentlich geachtete Dekan einer Universität in der Nähe und ging dennoch seinen freiwilligen Lehrpflichten nach. Vor allem in den letzten Wochen hatte er erstaunlich viel zu tun.
„Na dann, umso besser…“ Meinte der Bursche kaum hörbar und eher zu sich selbst. Kalte H-Milch fiel auf die Cornflakes und erschuf die Henkersmahlzeit für diesen Tag. „…vielleicht ist der alte Trottelkopf dann zu müde, um noch mit mir zu trainieren…das wäre traumhaft.“
„Was murmelst du da?“ Hinterfragte seine Mutter und hob die Augenbrauen, unverkennbar gekünstelt schockiert.
„Nichts, nichts…“ Erwiderte er undeutlich, seine Backen prall mit Haferflocken aufgefüllt.
„Ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass du mit vollem Mund nicht mit deinen Eltern sprechen sollst! Ergötz dich zusammen mit deinen Geschwistern an euren jugendlichen Unsitten, aber nicht in Gegenwart deiner Mutter!“ Brüllte plötzlich eine lebendige, in Links spitzen Ohren geradezu nervenzerfressende Männerstimme, hinter seinem Rücken. Er wollte sich jetzt um keinen Preis umdrehen. Sein Traum, heute nicht mit seinem Holzkatana fuchteln zu müssen, war passe.
„Und ganz besonders in Anwesenheit deines Vaters solltest du das unterlassen!“
„Wenn ich diesen Tag überlebe, hab’ ich alle meine Ambitionen übertroffen…“ Dachte der verzweifelte Oberschüler, bevor tatsächlich sein grinsender Vater ihm gegenüber Platz nahm. „…bei WEITEM übertroffen!“
Kapitel Ende
Kapitel 2: Meine Freunde
„Gu-ten Mor-gen, meine halbanwesende Familie!“ brüllte Adrian, sich sehr wohl bewusst, damit etwas spät dran zu sein. Er war ein stattlicher Mann, groß und kräftig gebaut. Selbst in dem feinen Anzug, den er trug, wirkte er fit wie ein Turnschuh. Optisch war ihm sein zweitältestes Kind sehr ähnlich. Der Körperbau, das kantige Gesicht, alles war unverkennbar durch seine Gene bedingt. In vielem war er wie ein Guckrohr in Links eigene Zukunft…sehr zu dessen Bedauern.
„Morgen, Schatz.“ Erwiderte seine Gattin, natürlich erst, nachdem sie den Bissen Weißbrot hinuntergeschluckt hatte. Sein Sohn löffelte nur lustlos Cornflakes in seine Mundhöhle. Jetzt, nachdem seine aufgeblühte Hoffnung mit dem Auftauchen seines männlichen Vormundes verflogen war, hatten sich seine Gesichtszüge wieder in eine abgelaufene Gurke verwandelt. Natürlich fiel das seinem Vater sofort ins Auge und zog eine perplexe Grimasse. Der Teeny sah schon kommen, dass seine Geduld auf die härteste Probe der Jugendtage gestellt werden würde: Väterliche Fürsorge.
„Was soll das lange Gesicht, mein Junge?!“ Der Sechsundvierzigjährige beugte sich über den Tisch und musterte ihn. Beugen im Sinne von halb um den Tisch wickeln. Link hätte ihn kopfüber in die Müslischale tauchen können bei dessen peinlichem Verhalten, aber er versuchte, sich zu beherrschen.
„W-was soll schon mit mir sein?!“ Er rückte etwas nach hinten, als ihm Adrian noch mehr auf die Pelle rückte. Wie ein Vogel nickte er mit dem Kopf hin und her. Typisch aufdringlich war ihm die Neugier ins vom borstigen Kinnbart gezierte Gesicht geschrieben
„Erst sprichst du mit vollem Mund, dann grüßt du deinen eigenen Vater nicht…und dann schaust du so bewürstelt drein. Irgendwas stimmt mit dir nicht!“ behauptete er.
Links Hand klatschte gegen die Stirn seines Erzeugers und versuchte vergeblich, ihn auf dessen Platz am anderen Ende des Tisches zurückzuverweisen. Zurückverweisen im Sinne von mit aller Gewalt, die seine Armmuskulatur hergab, gegen den Dickschädel seines Vaters preschend.
„Erstens: Mit mir stimmt alles! Zweitens: Es ist Donnerstag, und der ist nun mal anstrengend! Drittens: Was soll ‚bewürstelt’ bitteschön heißen?!“ Warf er dabei zurück, stockend durch seine Bemühungen, seine ‚Papafreie Zone’ zu wahren.
„Na, weil du wie ein Würstchen aussiehst, wenn du so dumm drein glotzt! Lobe lieber meine Neologismus-Fähigkeiten, anstatt meine Wortwahl zu kritisieren! Ich bin dein Vorbild!“ Jetzt begann das Duell Schädel gegen Hand erst richtig. Alice saß ruhig daneben und as ihr Brot, während die Männer tobten und mit allerlei Geschrei um sich warfen.
„Mein Vorbild?! Sonst noch was, du Wahnsinniger?!“
„Gib’s doch zu! Jeder Sohn bewundert seinen Vater! So steht’s im Elternberater!“
„Du wärst besser beraten, zum Psychiater zu gehen! Dauerhaft!“ Es ging noch einige Zeit so, bis der Jugendliche genug von der Rabatz hatte und aufstand. Der Kopf seines Vaters traf mit voller Wucht auf den Tisch und die Schüssel, ein schmerzerfüllter Schrei und das Klirren kaputten Geschirrs folgten. Während Adrian jammerte und Alice nur unberührt sagte, sie würde kurz den Lappen zum Aufwischen holen, verabschiedete sich der Teenager mit einem schlichten „Mach’s gut, Mama, ich geh jetzt.“ Das war genug von der allmorgendlichen Quincer-Familienszene, außerdem war es jetzt an der Zeit, sich gen Schule zu begeben. Schon kurz nach Halb Sieben.
„Bis heute Abend, Schatz!“ rief seine Mutter ihm nach, auch ihr Gatte murmelte irgendetwas, das er nicht verstand und nicht verstehen wollte.
Als er sich die Schuhe band, nahm er sich vor, noch vorm Eintreffen seines kleinen Bruders Al aus dem Haus zu verschwinden, der die Lage nur noch nervenaufreibender machen würde. Tatsächlich waren selbst hier draußen im Gang des Einfamilienhauses noch das Gebrüll von Adrian und seines 9jährigen Bruders zu hören. Alan war wie die perfekte, noch hyperaktivere Version seines Vaters. Wenn sie gemeinsam in einem Raum waren, hatten sie Spaß miteinander und nervten den Rest der Anwesenden ungemein. Wie eben jetzt in diesem Moment. Besseres Timing hätte seine Flucht nicht haben können. Er ließ die Haustür hinter sich fallen. „Auf in den Tag.“ flüsterte er, nicht gerade von Enthusiasmus geprägt, seine schwarze Tasche um die Schulter schwingend. Das hölzerne Katana steckte er zwischen Hosenbund und Gürtel. „Wenigstens ist das Wetter super.“ Es ging gemütlichen über den Vorgarten hinaus auf die Straße. Da stand er nun, inmitten von Lottatree dem schnuckeligsten Vorort der Landeshauptstadt Hyrules, Hurilston.
Die Maisonne schien angenehm auf ihn herab, während er beim Nachbarhaus, wo Gwens Familie sesshaft war, am steinernen Wall, der ihren Gartenzaun darstellte, wartete. „Keine Werbung, sonst…!“ stand auf dem Briefkasten neben dem Türchen.
Sein Vater und seine Mutter, damals frisch verheiratet, hatten ihr Haus vor fast fünfundzwanzig Jahren in einer neuen Siedlung außerhalb der Stadt gebaut, ungefähr zur selben Zeit wie die Eltern seiner besten Freundin. Ihre Häuser deckten sich in Punkto Fläche und Stil, was aber bei allen Bauten in dieser Straße der Fall war. Vorgeplante Wohngrundstücke eben. Es wunderte ihn kein bisschen, dass sein sogenanntes ‚Vorbild’ hier bauen wollte. Er war sicher zu faul gewesen, sich selbst um die Maße und die genaue Form des Grundstücks zu kümmern, er war ja mehr der Fan von Inneneinrichtung. Sonst beschwerte er sich zwar immer über die Unfähigkeit des Stadtrats und der Behörden, doch ihre Hilfe schien er damals nur zu gerne in Anspruch genommen zu haben. Aber warum versuchte Link überhaupt, die verdrehten und verknoteten Gehirnwindungen seines Vaters zu entwirren?
Momentan interessierte es ihn eher, wie lange er noch warten durfte. Sie hatten doch eine feste Zeit, zu der sie sich bei ihr trafen. Immerhin hatten sie einen Bus zu erwischen.
„Gwen, was treibst du wieder?“, brummelte er. Da kam dem 17jährigen der Geistesblitz. Eine Männergestalt kam hinter dem Haus hervor und versuchte über den hinteren Gartenzaun zu springen. Versuchen im Sinne von kläglich versagen. Dieser Typ suchte offenbar eine Fluchtroute. Und mehr war nicht nötig, um das Geheimnis um die Verspätung von Gwendoline Riccio zu lüften.
„Beziehungsweise…mit wem treibst du’s schon wieder?“
Endlich, mehrere Minuten nach dem Fluchtsprint des Unbekannten, kam eine bildhübsche Goronin mit blonder Haarpracht und einem glänzenden Lächeln den Weg aus Steinplatten hinunter zum Tor. „Morgen, Quinc.“ Meinte das Mädchen, während sie die Gartentür öffnete und ihm eine übertriebene Handgeste zukommen ließ.
„Morgen, Gwen.“ Erwiderte er, ebenfalls grinsend, sein Grußzeichen blieb ganz aus.
Seine Freundin hatte sich heute wieder relativ ungewöhnlich bekleidet. Als ob ihre kurzen, mit Gel hochgestylten Haare nicht schon zuviel des Guten wären. Sehr kurze Shorts, fast schon Hotpants, gehalten von ihrem geliebten Regenbogengürtel, ein enges Top in rot mit der Aufschrift „Looker“ auf Brustebene und dazu keine Art von Schuhen. Die brauchte sie als Goronin auch nicht, ihre Füße waren hart genug. Hochgewachsen war sie, fast so groß wie ihr Schulfreund, und man konnte ihr ihre Kraft trotz der femininen Figur ansehen. Ein herrlich reines Gesicht hatte sie, eine süße Stupsnase und volle Lippen. Doch besonders ihre Oberweite und ihr topgeformter Körper hatten sie seit ihrer Pubertät zum Jungenmagneten werden lassen. Und genau das störte Link des Öfteren. Vor allem aufgrund von Vorfällen wie den eben erlebten.
„Wo bleibst du so lange?“ Wollte er wissen, als sie neben ihm her die Straße entlang ging. „Ich hab’s dir schon so oft gesagt…unter der Woche kannst du echt mal auf Sex verzichten!“
Sie sah ihn schockiert an und wurde rot. „Wer sagt, dass ich deshalb ein paar Minuten später dran war, hä?!“ Hinterfragte sie.
Ihr Spetzel rollte nur mit den Augen. „Ach, jetzt tu nich’ so scheinheilig, du Männerfalle!“
„Nenn mich nicht Männerfalle! Es ist völlig natürlich für eine attraktive Frau, ihre Anziehung auf Jungs für sich zu nutzen!“
„Ja ja, red dich nicht’ lang raus. Sag mir lieber, wer dieses Mal deiner Libido zum Opfer gefallen ist!“
„Als ob dich das was anginge! Bist ja nur eifersüchtig, weil ich dich noch nicht mit zu mir nehmen wollte!“ Ein schelmisches Grinsen zog sich über ihre Lippen. „Ach ja, vergessen! Du bist eher eifersüchtig, weil ich die Leute kriege, die ich haben will, während du nicht bei deiner Malon landen kannst!“
„Boah!“ Empörte sich Quinc. Die Dreistigkeit dieser Behauptung ließ ihn glatt stehenbleiben. „W-Was bildest du dir eigentlich ein…?“ Stotterte er, sie schmunzelte nur und ging weiter.
„Du solltest Mal dein Gesicht sehen! Richtig putzig!“
Und die Frechheit dieses Kommentars brachte ihn wieder in Bewegung.
„Ich bin nicht putzig!“ Meinte er beleidigt. „Ich bin eiskalt, menschenfeindlich und bedrohlich…“
„Ja voll, unheimlich bedrohlich! Fast so wie ein Honigkuchenhäschen!“ Lachte sie spöttisch.
„Honigkuchenhäschen?! Fängst du jetzt auch mit Wortneuschöpfungen an?!“
„Ja, für ein Honigkuchenpferd war dieser Blick in deinem Gesicht zu anbetungswürdig und niedlich!“
„Schluss jetzt! Geh weiter und sei still, Gwen, wenn du mir schon die Frage nicht beantworten willst! Ich bin zu müde, um zu streiten!“
„Ganz ruhig, Häschen!“
„Jetzt halt die Fresse!“
Tatsächlich gingen die zwei eine Weile ruhig nebeneinander her, als er seine Stimme auf ein fast schon schmerzhaftes Dezibelniveau gebracht hatte. Es war eine wahre Rarität, dass seine Nachbarin auch einmal auf seine Bitte um Ruhe erhörte, besonders schon so früh. Könnte man solche Seltenheiten in ihrem Verhalten wie seltene Edelsteine verkaufen, wäre Link reich. Verdammt reich. So selten hatte er seine Ruhe.
Sie waren fast an der Bushaltestelle am Ende der Siedlung, da öffnete sie den Mund für eine wichtige Frage: „Sag mal, hast du Physik?“
„Ja, hab ich.“ Antwortete er.
„Darf ich abschreiben?“
„Ja, aber wenn du noch einmal was mit Honig oder Hase zu mir sagst, kannst du dir in Zukunft die Hausaufgabe selbst zusammenkritzeln …“
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht drohen!“
„Ja, Mami…und jetzt sei still.“
Eine standardmäßige Busfahrt und gut 500 Meter zu Fuß durch die Altstadt von Hurilston später standen Link und Gwen im Vorgarten der St. Rauru-Oberschule, ein zum Lehrinstitut umfunktioniertes ehemaliges Schloss. Der Unterrichtsbeginn gab den Schulbankdrückern noch zehn Minuten Galgenfrist, bevor es losging, also sammelten sich die Maßen im Hof.
Die zwei Chaoten aus der Vorstadt nahmen sich auf ihrer sogenannte „Stammbank“ Platz, eine steinerne aber bequeme Sitzgelegenheit, die sich ihr Freundeskreis zu Eigen gemacht hatte. Geistig, zumindest. Sie stand auf einer Art offener Terrasse im von gepflegtem Rasen bewachsenen Schulhof, direkt unter dem Balkon des Direktorats. Ohne Zweifel der beste Ort, um in den heißen Monaten des Jahres Schutz vor der Hitze zu finden und auch sonst ‚chillig’, wie das Freundestrio fand.
„Kann ich jetzt Physik haben?“ Wollte Gwen wissen, die Beine übereinanderlegend. Sie badete mittlerweile in den Blicken einiger Dreizehntklässler, die nicht weit entfernt Kaffee tranken, und ihren Haus- und Banknachbarn dazu brachten, sich wider philosophische Fragen zu stellen.
„Später, Gwendoline, ja?“ Antwortete er ihr gereizt und nahm einen Schluck Moccacino White, nachdem er die Gruppe einige Sekunden gemustert hatte. „Wir haben Physik in der 9. Stunde, davor haben wir und dazu noch Biologie und Sport. Der alte Andersen checkt das eh nicht, Linebeck, der Trottel, sowieso nicht!
„Was habt ihr immer gegen Jules?“ Das Mädchen kratzte sich am Hinterkopf und machte eine für Quinc eindeutige Handbewegung.
„Er ist ein arroganter Arsch, deswegen. Und faul wie die Sau ist er auch. Von seinen schlechten Witzen und den Schweineborsten, die er Bart schimpft, will ich erst gar nich’ anfangen.“ Der meckernde Jugendliche übergab ihr auf die bittende Geste hin den halbleeren Pappbecher, von dem sie gleich einen kräftigen Schluck nahm. Sie gab ein befriedigtes „Ah!“ von sich, bevor sie den Mocca an ihn zurückreichte. Leer, wie sein ursprünglicher, über diese Tatsache nicht überraschte Käufer feststellte.
„Wenn du meinst. Ich find’ ihn cool.“
„So cool wie dein Milchschaumbärtchen?“ Wollte Link wissen, bevor er gen nächstbesten Mülleimer am anderen Ende der gefliesten Terrasse wanderte und den Becher entsorgte.
„Bärtchen, bitte was…?“ Gwens Mittelfinger fuhr über ihre Oberlippe. Als sie feststellte, dass ihr Finger tatsächlich als Rasierer für ihre schäumige Gesichtshaarpracht gedient hatte, lutschte sie daran. Ihr genüssliches Luckeln nahm extraordinäre Ausmasse in Länge und Intensivität an, und lenkte erneut die Blicke der älteren männlichen Schüler auf sie.
„Sieh’st aus wie ein Riesenbaby, dass am falschen Finger leckt.“ Kommentierte der zurückkehrende Quinc, sich neben sie auf die Bank setzend.
Ehe sie ihrer Empörung hätte durch Worte Ausdruck verleihen können, ertönte eine jugendliche, leicht selbstgefällige Stimme hinter ihnen. „Vergiss nicht die Bedeutung des Mittelfingers, Quinc. Das müsste doch ihr Lieblingsfinger sein, wenn’s ums Lutschen geht. Da hat der Daumen keine Chance!“
Die Beiden drehten ihre Köpfe zur Seite, um in ein gut bekanntes Gesicht zu blicken. Die dunkelblauen, perfekt glatten Haare des Neuankömmlings schimmerten vor Spraybehandlung in der Sonne, was hervorragend mit seiner blitzblanken, blassen Haut harmonierte. Diese wurde durch ein braunes Poloshirt mit aufgestelltem Kragen und dunklen Jeans in Bermudalänge bedeckt. Seine weißen Schuhe waren neu und ebenso unnatürlich sauber wie der Kerl, der sie trug. Es war eindeutig Sean Laurender, kurz Lauren, der Dritte im Bunde der „Ungleichnamigen Ladungen“, zugleich der älteste von ihnen und ein Zora.
„Morgen, ihr zwei!“ Sagte der Achtzehnjährige, nicht so enthusiastisch wie sein Blick hätte vermuten lassen, und hockte sich zu ihnen. Und mit voller Absicht nehmen die Goronin, die er mit seinem Kommentar soeben zum Zähneknirschen gebracht hatte.
„Guten morgen…mal wieder nen Clown gefressen, was?“ brummelte sie.
„Morgen, Lauren, was geht?“ Kam hingegen von Link.
„Ne Menge, sag ich dir.“ Antwortete er. „Meine Schwester hat unsere Kreditkarte gefuchst, dazu die Autoschlüssel. Und mit beidem ist sie bei ihrem Lover an der Küste. Ich bin aufgeschmissen, Alter!“
„Ach, deswegen bist du so spät dran. Ist ganz was Neues“ Gwen lachte auf. Schon hatte sie sich von der beleidigten Leberwurst wider in die Kichererbse verwandelt. „Hatte mir schon gedacht: Seit wann fährt Sean Laurender, der spießigste Bonzensohn von ganz Hurilston, mit dem Bus?“ Ergänzte sie, zugleich als Konter für den dreckigen Fingerwitz von zuvor. Während Sean nur die Mine verzog, schmunzelte sein Schulfreund im Einklang mit ihr.
„Jetzt hört mal zu, ja? Mein Vater mag reich sein, aber nicht so reich!“ Behauptete er, wie schon seit sie sich kannten, und verschränkte die Arme. Dabei fiel auch sein Blick nun auf die Gruppe von Schülern aus der 13. Klasse, die ständig aus der Ferne zu Gwen hingafften.
„Sag Mal, Lauren, wo sind denn Zelly und Malon?“, wollte Link wissen. Für gewöhnlich waren die beiden angesprochenen Mädchen im selben Bus, mit dem Lauren kommen müsste, hätte er bisher nicht das Auto genommen. „Waren die im Bus?“
„Du, keine Ahnung. Im Bus war’n sie nicht. Werden schon eintrudeln. Waren die noch nicht da, oder wie?
„Nö, hab sie zumindest nicht gesehen. Ist eh egal.“
„Mann, oh, Mann. Gib dir das Quinc.“
„Hm?“
„Unsere Ms. Möchtegern-Prüde hat schon wider fünf potenzielle Kandidaten.“ Lauren nickte in Richtung der Beobachter, worauf auch sein Klassenkollege erneut den offensichtlichen Verehrern Aufmerksamkeit schenkte. Das Mädchen ignorierte sie und ihr Gerede völlig, sie überprüfte lieber ihre Fingernägel nach Schmutz
„Ich weiß, hab ich vorher schon gesehen. Der gute Rodrigez ist auch dabei.“
„Wer ist denn das? Kennst du den?“
Link nickte. „Ja, ich kenn den. Der ist auch ein ‚Schüler’ von meinem Paps. Schwertkampf, weißt schon. Es ist der rothaarige Gerudo da, der mit den Überkoteletten und dem schwarzen Hemd.“
„Ah, alles klar. Der Typ braucht andere Schuhe bei der Haarfarbe. Rot auf rot ist echt übel.“
„Du bist hier dumm. Der Kerl ist heiß.“ Entgegnete die Dritte im Bunde, was den Startschuss für eine heftige Diskussion zwischen Bonzenboy und Nymphogirl bedeutete. Ein morgendliches Ritual hatte begonnen.
Quincs Augen blieben noch einige Augenblicke an Rodrigez hängen, während der Streit neben ihm tobte wie ein Gewitter. Er wusste noch, als er mit dem Jungen im Kindergarten gewesen war. Ihm war er schon immer unheimlich gewesen. Ab und zu wechselten sie zwar ein paar Worte, wenn er Schwertkampfunterricht bei Links Vater nahm, und schien recht sympathisch dabei. Aber dennoch: Immer wenn sich der Blick des Gerudos mit dem seinen traf, glaubte er, ihm würde das Blut in den Adern gefrieren. Weder konnte er sich das erklären, noch wollte er direkt darüber nachdenken. Dennoch blieb sein Blick an dem Gerudo hängen. Er musterte ihn eine gute Weile, wurde aber durch die Schulglocke aus seinen Gedanken gerissen. Ehe er sich versah, war der unheimliche Mitschüler in der Masse verschwunden, die durch die Eingangstür zu den Klassenzimmern drängten.
Er stand auf und sah zu seinen zwei streitenden Kumpanen, die sich allerlei Flüche und Anschuldigungen an den Kopf warfen.
„Klappe jetzt.“ Unterbrach er sie brüllend, um ihr Gefecht zu übertönen. „Es hat schon geläutet! Auf geht’s!“
„Okay, okay. Komm, Lauren.“ Die zwei erhoben sich ebenfalls, worauf auch das Tripple als letzte gemütlich zum Eingang watschelten
„Kann ich jetzt Physik haben?“
„Boah…lutsch an deinem Finger und lass mich in Ruhe, du milchbärtiger Estrogensuchti!“
Kapitel 2 Ende
Kapitel 3: Manchmal Haben Frauen...
„Neue Vokabeln?! Na toll.“, dachte Link, als Ms. Jauche doch tatsächlich anfing, mit der Kreide den Wortschatz von Kapitel 34 des Althylianisch-Buches an die Tafel zu kritzeln.
Geradezu hilfesuchend sah Quinc, der wenig Lust hatte, sich jetzt mit Schule zu befassen, zu seiner rechten Sitznachbarin, Gwendoline, die unter dem Schutz der Schulbank auf den Tasten ihres fliederfarbenen Handys herumtippte. Sie seufzte nur und holte Stift und Heft hervor, ließ sich aber nicht dabei stören, ihrem neuen Liebhaber oder ihren Freundinnen an anderen Schulen zu schreiben. Sie sah nach vorne und schrieb mit der einen Hand, mit der anderen tippte sie blind weiter.Sie gab dem Begriff Multitasking eine völlig neue Bedeutung. Wissend, dass er mit ihr jetzt eindeutig nicht mehr reden konnte, wanderte sein Blick geschwind zu Sean, links neben sich. Es musste doch noch eine Möglichkeit geben, sich abzulenken, anstatt in der Schule, noch dazu in Althylianisch, mitschreiben zu müssen. Doch auch hier wurde er enttäuscht: Lauren hatte nämlich nichts Besseres zu tun, als mit glänzenden Augen und seligem Grinsen in die erste Reihe zu starren, anstatt im Unterricht aufzupassen oder vernünftigerweise mit seinem besten Freund zu flüstern. Er ergötzte sich lieber an der schwarzen Haarpracht von Suzi, dem Zora-Mädchen vor ihm. Also fiel auch dieser aus.
Da Malon heute wegen Krankheit fehlte, ruhte seine letzte Hoffnung auf Zelly, ihrer besten Freundin. Sie war zwar Klassensprecherin und geistig völlig erwachsen, doch ihr war bestens bewusst, wie unsinnig es war, in Althylianisch aufzupassen. Dementsprechend lagen seine Chancen, bei ihr zumindest ein wenig Unterhaltung zu finden, ausgezeichnet.
„Hey, Zelly!“, hauchte er nach vorne. „Zelly!“ Nach und nach wurde er etwas lauter, da sie ihn nicht zu hören schien. Endlich, nach zahlreichen Versuchen, reagierte die Klassensprecherin und wand den Kopf zur Seite, um mit Link flüstern zu können.
„Was los, Quinc?“
„Ach, nix Großartiges.“ Der verzweifelte Schüler war erleichtert, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. „Was fehlt eigentlich Malon?“
„Sie hat die gefürchtete ‚Null-Bock-Krankheit’…“, erklärte sie mit herzlicher Ironie, blieb aber dabei optisch so subtil und ungerührt, das es direkt unnatürlich wirken hätte können. „Hab gehört, dass dich auch öfter damit ansteckt.“
„Fetten Scheiß!“, erwiderte er, ein wenig schmunzelnd. Immerhin hatte die Blondine, wie offenbar immer, mit wenigen Worten ins Schwarze getroffen. Vergeblich versuchte er sich zu wehren. „Ich bin echt manchmal krank.“
„Auch Unlust ist eine Krankheit, mein Guter.“, vermerkte sie augenzwinkernd, er grinste nur weiter. Das war die Art, für die Zelda Wallace berühmt wie berüchtigt war. Ihre Subtilität ergab in Kombination mit ihrer unerreichten Schlagfertigkeit eine Kombination, die so einzigartig war wie der Rest dieses Mädchens. Optisch war sie mit ihren glatten, wasserstoffblonden Haaren recht auffällig, aber ansonsten stand sie in punkto Beliebtheit bei den Jungs im Schatten ihrer besten Freundin. Auf den ersten Blick war es ein schnell begangener Fehler, die 16-Jährige zu unterschätzen. Wer sie jedoch näher kannte, wusste es besser. Den was ihr an typischer Schönheit und femininer Ausstrahlung fehlte, machte sie mit Charme und Unkonventionalität wett.
Während sie nach und nach einige Themen wie die Sinnlosigkeit von Althylianisch und die lustig anzusehenden Unterhaltungsformen, denen sich Gwen und Lauren hingaben, abhandelten, wurden sie laut genug, um der Lehrkraft ein empörtes Räuspern zu entlocken. Es war wohl Zeit, das Gespräch zu beenden.
„Später Rauchereck?“, wollte das Mädchen letztendlich wissen.
„Klar…wenn ich schon meine Lunge kaputt mache, dann mit dir.“, meinte Quinc etwas gedämpfter, um nicht erneut aufzufallen.
„Schön.“
Die junge Dame wandte sich wieder nach vorne und schon war das Ende des Gesprächs gekommen.
Verzweifelt über den Umstand, auch die letzte Option auf eine Alternative zum Unterrichtsgeschehen verloren zu haben, krallte Link sich nunmehr doch Block und Stift. Wenn er schon aufpassen musste, dann wollte er auch mitschreiben. Damit war er zumindest beschäftigt und musste nicht befürchten, von der Wirkung der Schlaftablette, die die Lehrkraft Frau Jauche verkörperte, vom Stuhl zu kippen. Der Vorfall im Winter, bei dem er tatsächlich eine halbe Stunde des Unterrichts verschlafen hatte, wollte er nicht unbedingt wiederholen. Ein Besuch beim Direktor reichte ihm für dieses Semester völlig.
Nach der einschläfernden ersten Stunde verging der Schultag einigermaßen schnell und ohne großartige Vorkommnisse. Schließlich war auch das Ende der Mittagspause gekommen, und nun stand eine Doppelstunde Sport auf dem Rasen hinter dem eigentlichen Schulgebäude an. Früher war er der Schlossgarten, jetzt fungierte er für körperliche Erziehung von jungen Erwachsenen.
„Du hinterhältiger Spaten!“ Mit blutrünstigem Gebrüll stürzte sich Gwendoline auf den Stürmer der Mannschaft der Jungen, der den Fußball auf das Tor hinzudribbeln versuchte. Die Blutgrätsche der Goronin brachte ihn jedoch zu Fall und er blieb noch einige Zeit liegen. Während ihr Opfer noch vor Schmerz jaulte, kickte sie das runde Leder nach vorne. Die Tatsache, dass ein Zora-Mädchen es mit der Stirn empfing und einen gekonnten Kopfball daraus machte, ließ sowohl Libero Link als auch Torwart Lauren nicht den Hauch einer Chance. „Das macht Sieben zu Null!“, rief der Sportlehrer, Julian Linebeck, von außerhalb des Spielfeldes. "Ans Leder Jungs, ist ja peinlich, sowas!" Wieder einmal hatte er die beiden Klassen, die er zusammen in Sport unterrichtete, nämlich die 12 b und 12 d, in Mädchen und Jungen geteilt. Und wieder einmal waren Letztere kein Problem für das angeblich schwächere Geschlecht.
„Aaaaalter…“, hauchte Lauren, nachdem er den Ball so weit wie möglich zu einem Mitspieler auf dem Rasen geworfen hatte.
„Meine Rede.“, kam von Link, der sich ratlos den Kopf kratzte. „Wozu bin ich eigentlich Verteidiger? Das einzige, was ich ausrichten kann, ist geplättet zu werden!“
Genervt blickte er zu Linebeck am Rand der Feldlinie. Er konnte diesen bärtigen Schnösel überhaupt nicht leiden, und auf seinen Sportunterricht in der 6. und 7. Stunde konnte er verzichten. Alleine wie er da stand. Mit seinem Zöpfchen, das geradezu arrogant nach oben aus dem Bubikopf hervorstach, seinem blauen Modehemd und mit der lächerlichen Schlaghose. Immer wieder rief er 08/15-Ratschläge in den Geschlechterkampf. Seine Stimme war arrogant und bestimmend. Und das auf eine derart nervige Weise, dass Quinc ihm gerne den Ball ins Gesicht geschossen hätte. Nur kam er ja nie in Ballbesitz.
„Sieh ihn dir an, Lauren, den Vollidioten!“, meinte er leise. „Der quält uns doch mit Absicht! Und dann grinst er wie ein aufgespießter Chu-Schleim auf Lachgas!“
Der Zora schmunzelte. „Ein Chu-Schleim? Voll! Passende Augenringe het er schon! Wir müssen ihn nur noch grün anmalen!“
Bevor die zwei hätten weiterlästern können, kam auch schon eine Stürmerin auf das Tor zu. Ihre Verfolger verzweifelten schon vor der Elfmeterlinie an ihrer Geschwindigkeit; nicht, dass sie je die Hoffnung auf einen erfolgreichen Angriff gehabt hätten. Es lag wohl an Link, das Schiff zu schaukeln. Doch ehe er auch nur einen Schritt machen konnte, passte das Mädchen rechts zu Gwen. Kaum hatte er die Spitze ihres Stollenschuhs berührt, flog die lederne Kanonenkugel…
…und traf Seans Kopf. Mit einem undefinierbaren Ausruf biss er, wenn auch nicht sprichwörtlich, sondern nur wörtlich, ins Grass.
„Hervorragende Arbeit…“ Link beugte sich zu seinem Freund hinunter. Er hatte die Augen weit aufgerissen und zuckte. Eine Beule kündigte sich auf seiner Stirn an. „H-hilfe…“, keuchte er, bevor er sich mithilfe des verschont gebliebenen Verteidigers in die Hocke aufrichtete. Dieser wandte sich zu Gwen um, die nur verwirrt neben ihrer Mitspielerin stand. „Du hast ihn fast krankenhausreif gekickt!“
„Hab ich gar nicht! Er lebt noch!“
„Ich lebe noch?!“ Schockiert über diese Aussage fand Lauren die Kraft, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Mit verstörtem, vorwurfsvollem Blick ballte er seine Faust. Mehr eine Geste der Empörung als der Drohung. Niemand würde sich im Nahkampf mit diesem Mädchen anlegen wollen.
Wer nicht von Haus aus dieser Meinung war, der würde spätestens durch den Blick, den sie als Gegenzug aufsetzte, überzeugt. „Sag mal, jetzt mach nicht aus `ner Mücke `nen Dodongo, ja?!“, brüllte sie. Die Zeit für einen weiteren Streit zwischen den beiden war auch schon längst überfällig. Link bereits verwundert beobachtet, dass sie in der Mittagspause so ruhig miteinander umgingen. Jetzt kam wohl der Ausgleich, um das Universum vor dem Zusammenbruch der physikalischen Gesetze zu retten.
Doch anstatt den Beleidigungen und Drohungen zu lauschen, fiel die Aufmerksamkeit des Schülers auf das andere Ende des Spielfelds. Dort hatten sich sämtliche Spieler bis auf die drei zusammengefunden. Im Zentrum standen mehrere der Mädchen. Sie hatten einen Kreis geschlossen und starrten perplex Richtung Boden. Fast panisches Gemurmel übertönte selbst die beiden Streithähne.
„Haltet mal die Klappe, ihr zwei!“, schrie er seinen zankenden Freunden dazwischen. Mit einer Kopfgeste machte er sie auf den Auflauf aufmerksam.
„Hey, was geht da ab?“, wollte Gwen wissen.
„Gute Frage.“, meinte Sean, bevor sie dann zum Ort des unbekannten Geschehens liefen.
Beim Rest des Sportkurses angekommen, wurden sie bald durch die Stimmenkulisse über das Grobe aufgeklärt. „Mann, was ist denn mit Zelly?“ „Was hat die sich denn getan?“ „Wo bleibt Linebeck nur?“
Verletzt? Das hörte Link nicht gern. Die Klassensprecherin war keine, die wegen einer Schramme so etwas veranstalten würde. Er drängte sich zwischen die Mädchen, Sean tat es ihm hastig gleich, ebenso wie Gwendoline.
Da lag sie. Bewusstlos und kreidebleich. Das linke Bein war voller Blut. Tiefe Kratzer, schlimme Fleischwunden, zogen sich über die Wade und das Knie. Es sah fürchterlich aus.
„Heilige Mistgeburt!“, entfuhr es dem irritierten Quinc. Seans Gesicht verlor sämtliche Farbe, bevor er sich angeekelt abwandte. Einige Klassenkolleginnen knieten neben ihr im Rasen. Die Ratlosigkeit war groß, der Schock noch größer. Keiner wusste so Recht, was man mit der ohnmächtigen, verletzten Zelly machen sollte.
Es war die Goronin, die die Initiative ergriff, etwas unternehmen zu wollen.
„Mann, steht da nicht so dumm rum! Wir müssen sie zu den Schulsanitätern bringen!“, forderte sie hysterisch.
Hilfe kam von Linebeck, der endlich aufgetaucht war und sprintend zu den Schülern stieß. Sofort nahm er die ohnmächtige junge Frau an den Armen und sah ernst in Links Richtung. „Quincer, pack dir ihre Füße! Wir tragen sie jetzt vorsichtig ins Schulhaus! Mit vorsichtig meine ich vorsichtig!“
„Verstanden.“ Ohne zu zögern packte er Zelda an den Füßen.
„Und jetzt auf drei…eins, zwei…hoch mit ihr!“ Er und der Lehrer ließen keinen weiteren Augenblick verstreichen, sie gingen so schnell es möglich war in Richtung Schulgebäude.
Dieser Donnerstag begann anders zu verlaufen, als Link je erwartet hätte.
Kapitel 3 Ende
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