Infantiles Heldentum oder "Scheiße, ich muss die Welt retten"

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    • Infantiles Heldentum oder "Scheiße, ich muss die Welt retten"

      Jo Zeldafans,
      eines gleich vorweg: Euch erwartet hier eine eher ungewöhnliche, wenn ich das so sagen darf, Zelda-FF, die ich im April 09 begonnen habe. Ich hatte damals den Plan, das grobe Konzept, das ich mir ausgedacht hatte, beim Schreiben weiterzuentwickeln. Damals war ich jedoch etwas unerfahren und landete bei einem Punkt, an dem ich zu viel zu früh und zu massiv rausgehauen hatte und nicht mehr wusste, wohin das führen soll. Jetzt, ein gutes Jahr nach meiner Kapitulation, habe ich mich aufgerafft, begonnen, die ersten Kapitel zu überarbeiten und bin entschlossen, es endlich auf virtuelles Papier zu bannen, was mir vorschwebt. Anstatt den alten, verstaubten Thread auszugraben, hier ein frischer Thread für "Seperator" 2.0, jetzt betitelt als "Infantiles Heldentum". Viel Spaß damit, Überarbeitungen alter Kaps und neue werden bald folgen!

      Infantiles Heldentum oder Scheiße, ich muss die Welt retten


      Teil I

      Helden sind überbewertet und du bist einer


      Kapitel 1: I.F.D.G.

      Der Radiowecker flog gegen die Wand und der Gesang von Schlagersänger Adlo verstummte endlich. Es war Link völlig egal, ob er ihn dabei geschrottet hatte. Es gehörte zum Ritual, das jeden Donnerstag feierlich ankündigte. Darauf folgten für gewöhnlich langer Nachmittagsunterricht, liebevoll gepaart mit Schwertkampftraining bei dem wohl dümmsten, gröbsten Mann der Stadt: Seinem Vater, Adrian Quincer. Nichts, absolut gar nichts, würde ihn an einem solchen Morgen freiwillig aus dem Bett holen. Selbst der schlimmste Radiosender war nur knapp ausreichend um seinen Schlaf zu beenden. Schlaf, der so schön sein könnte. Aber es half nichts. Jetzt hatte er sich schon aufgerichtet, um seine Ohren vor dem Funk-Rap zu bewahren. Sich erneut hinzulegen, hatte wenig Sinn. Und doch: Schon jetzt, wo er noch bei ihr war, vermisste er seine wahre große Liebe: Seine Biberbettwäsche.

      Der Siebzehnjährige seufzte unbefriedigt, um letztlich aus dem Reich der weichen Kissen zu flüchten. Er gähnte, während er sich in Richtung der Zimmertür begab. Sein Schreibtisch kündigte durch die schlampig gestapelten Schulbücher die pure Unerträglichkeit des anstehenden Tages an.
      Der junge Mann wohnte im ersten Stock des Familienhauses der Quincers, sein jüngerer Bruder Alan und seine ältere Schwester Annabelle hatten ihre Zimmer gegenüber dem seinen. Er hatte das Glück, dass das Bad genau rechts von seiner eigenen Tür postiert war, ansonsten hätte er den Weg wohl nie geschafft. Er versuchte sich einzureden, eine kalte Dusche würde seine Unlust vertreiben.
      Er wackelte hinaus auf den Flur, machte eine scharfe Kurve nach links und trat in den Hygienetempel des Hauses ein. Er hätte vor Freude gejauchzt, wenn er das gekonnt hätte, als keines seiner Geschwister das Zimmer und seine Funktionen schon für sich beanspruchte. Ausnahmsweise war er heute der Erste im Bad. Unerträglich starkes Sonnenlicht trat durch das Fenster ein und drängte dem drittältesten Familienmitglied bereits den ersten Teil der Müdigkeit aus dem Körper. Den Rest sollte die Körperpflege beseitigen. Natürlich wurde die Tür gleich geschlossen und zusätzlich mit der Sperrkette gesichert. Sein paranoider Vater hatte eine solche doppelte Schutzvorrichtung an jeder Tür im ganzen Haus anbringen lassen, was Link aber ganz Recht war, seit Alan angefangen hatte, mit Kreditkarten und Kleingeld das Schloss mithilfe des Spalts an der Außenseite zu öffnen. Er wollte gar nicht wissen, was sein Bruder auf den Schultoiletten anstellte. Aber jetzt hatte der Teenager sowieso andere Sorgen: Sein Spiegelbild war nämlich alles andere als vielversprechend. Seine aschblonden Haare standen wie ein Atompilz in den Himmel, seine Stumpen am Kinn waren ein Ausdruck der Unregelmäßigkeit. Sein Gesicht prägte die Mimik einer Essiggurke, die vor 30 Jahren am Verfallsdatum „vorbeigegurkt“ war, und sein Mundgeruch kündigte sich sowieso durch den ekelhaften Geschmack in seinem Rachen an. Für gewöhnlich war Link Quincer ein nicht unansehnlicher, junger Mann mit kantigen und maskulinen Gesichtszügen, einem gepflegten Dreitagebart und tiefen, blauen Augen. Morgens jedoch hätte selbst seine Mutter ihn mit einem Monster aus den Tsukizilla-Filmen verwechseln können. Er griff sich seine aufgearbeitete Zahnbürste, nachdem er ausgiebig inspiziert hatte, wie fertig er aussah, und drückte den letzten Rest Zahnpasta aus der Tube. Er war heilfroh, diese sogenannte Zahnpflegepaste los zu sein. Sie warb tatsächlich damit, angenehm nach Chili zu schmecken. Allein der Gedanke, wie eine angeblich seriöse Firma darauf gekommen war, ein Gewürz in Zahnpasta zu verwandeln, brachte ihm neben abnormer Schläfrigkeit auch noch philosophische Kopfschmerzen ein. Aber zumindest schmeckte sie gerade noch erträglich genug, um seinen Brechreiz nicht zu sehr zu provozieren. Dennoch war es hart an der Grenze. Würde sein Vater erneut eine solche Horrortube kaufen und sie ihm anschließend aufzwingen, wäre sein Zorn brennender als jedes Würzmittel in Zahnpflegeutensilien es je sein könnte.

      Nachdem der Gang zur Dusche sowie die restliche Körperpflege ebenfalls durchlitten war, verließ Link nur mit rosa Boxershorts bekleidet das Bad. Seinen bananengelben Pyjama hatte er nach zehn Tagen der Benutzung in den Waschkorb geschmissen, so gern er ihn auch hatte. Zumindest war er jetzt wach und sein Gesicht sah bei weitem besser aus. Er fühlte sich schon viel wohler in Haut, die seinen recht durchtrainierten Körper überzog, den er im Bad gerne noch länger bewundert hätte. Seine Stimmung fand allerdings ein neues Tagestief, als es Zeit war, die lässige Umhängetasche mit gar nicht lässigem Schulkram vollzustopfen. Doch das hatte Zeit bis die Garderobe gewählt und vollständig übergeworfen war. Zunächst waren ein Paar weißer Socken aus der Schrankschublade zu kramen, was wegen dem Sperrstau darin einige Zeit benötigte. Wenigstens die völlig zerfetzte, aber für ihn wertvolle Jeans und das grüne T-Shirt mit der herrlichen Aufschrift „Dauerwelle V“ waren schnell gefunden. Da fiel ihm auf, dass seine grünen Sneakers die letzte Woche nicht überlebt hatten und er jetzt ohne ein Paar Schuhe dastand, die zu dem Shirt passten. Aber wen kümmerte es schon, wenn er dann rote Chucks dazu anzog? Ja, wahrscheinlich würde Lauren behaupten, dass rote Schuhe und grünes Oberteil zusammen bei jedem normalen Menschen Erschaudern und Ekel auslösen würden. Aber wen kümmerte schon Laurens Meinung? Er war zwar ein Freund, aber seine Meinungen und Ansichten waren einzigartig. Einzigartig im Sinne von lächerlich.

      Beinahe aber hätte er darüber nachgedacht, ob er Malon so gefallen würde. Ganz knapp waren seine grauen Zellen daran vorbeigeschlittert, sich auf diese Frage zu stürzen. Diese rothaarige Mitschülerin war schon immer in seinem Interesse, seit er in der Mittelschule in derselben Klasse wie sie gelandet war. Er gab es gern zu, dass sie für ihn mehr war als eine Schulfreundin war. Umso weniger gern gestand er sich aber ein, dass sie noch kein Pärchen waren und alles so in der Luft hing zwischen ihnen. Jedoch verlor er bald jedweden Gedanken an sie, denn ihr Abbild wurde in seinem Gehirn durch das von Gwendoline verdrängt, die seine Beziehung zu der Landwirtstochter immer wieder gerne als Grundlage verwendete, ihn gehörig aufzuziehen. In ihrer kindischen, teilweise übertrieben aufgedrehten Art war sie hervorragend auf Link und Lauren abgestimmt. Diverse Lehrer nannten das Trio bereits „Triumvirat der ungleichnamigen Ladungen“, kurz „TUL“. Ihr Physiklehrer war ursprünglich auf diese Idee gekommen, als es vor drei Jahren in der 8. Klasse um Magneten und elektrische Ladungen ging. Und manchmal unterschieden sich die drei tatsächlich auf derartig groteske Weise voneinander, dass Links Nerven es nicht mehr so recht mitmachen wollten. Trotz alledem freute er sich, seine zwei Freunde zu sehen, gerade donnerstags, wenn die Aussicht auf den Rest des Tages doch so düster war. Also verschwendete er keine weitere Zeit mehr mit Spekulieren, stattdessen packte er sich seine Tasche und stopfte alle nötigen Bücher ein. Mit der linken griff er sich anschließend sein hölzernes Übungskatana und machte einige Schritte zur Tür hinaus in den Gang. Dort stand auch Annabelle, oder Ann, wie sie lieber genannt wurde. Sie trug einen roten Bademantel, ihre schwarzen, schulterlangen Haare waren völlig durcheinander. Sie selbst sah putzmunter aus und stand vor dem Badezimmer, die Arme ungeduldig verschränkt und den Zähnen knirschend. „Alan! Ich muss rein, mach hin!“, brüllte sie ungehalten gegen die Tür. Der jungen Dame fehlte es vor der morgendlichen Zigarette eindeutig an Geduld, wie ihr Bruder schon oft genug feststellen musste, zumindest der einen Hälfte ihrer Familie gegenüber. „Morgen.“, meinte Link knapp, als er an ihr vorbeischlenderte. Ihre groteske Grimasse des Zorns verwandelte sich für die kurze Grußformel „Guten Morgeeen!“ in ein wohlwollendes Lächeln, und ohne Umschweife zurück, als es wieder Hauptziel wurde, das Bad zu erobern.

      Nach einer langen Reise die Treppe hinunter, untermalt von Brüllen und Fluchen einer sehr geladenen Studentin kam der Teeny im unteren Flur und der Tür zum Esszimmer an.
      Diese öffnend sagte er: „Morgen, Mama.“ Und trat ein.
      Seine Mutter saß alleine am Frühstückstisch und wirkte so, als hätte sie schon auf ihn oder eines seiner Geschwister gewartet, um mit dem Essen anfangen zu können. „Morgen, Link!“ gab sie, wie immer mit freundlichem, warmen Gesicht, zur Antwort. Wie ihre Tochter war ihr langes, lockiges Haar pechschwarz. Sowohl Annabelle als auch Link hatten ähnliche Gesichtszüge wie sie, doch Alice war noch um einiges zarter und ahnsehnlicher. Unglaublich attraktiv für ihre sechsundvierzig Jahre. Doch ihr zweiundzwanzigjähriger weiblicher Sprössling machte ihr mittlerweile gehörig Konkurrenz.
      Der Oberschüler setzte sich auf seinen gewohnten Platz am Tisch, zwei Plätze rechts gegenüber der Mutter. Links neben ihm saß für gewöhnlich immer Alan, ihm gegenüber sein Vater und neben diesem Ann.
      „Mich hat noch niemand wie ein Wahnsinniger schreiend angesprungen, seit ich nach unten gekommen bin. Wo ist Paps?“ Wollte er von seinem anderen Elternteil wissen, während er sich seine Lieblings-Frühstücksflocken zum Schnellflug in die Schüssel bereitmachte. Alice, die gerade einige Scheiben Schinken mit unbeschreiblicher Sorgfalt auf ein Toastbrot mit Butter bettete, lachte auf.
      „Ja, es ist ziemlich ruhig, wenn dein Vater noch Meetings um 11 Uhr Nachts hat und dann die ganze Nacht im Büro bleibt!“ Meinte sie, was sogleich die Frage ihres Sohnes beantwortete. Obwohl Adrian so ein verrückter, hyperaktiver und überfürsorglicher Möchtegern-Komiker von einem Familienoberhaupt war, war er der hauptamtliche und außerordentlich geachtete Dekan einer Universität in der Nähe und ging dennoch seinen freiwilligen Lehrpflichten nach. Vor allem in den letzten Wochen hatte er erstaunlich viel zu tun.
      „Na dann, umso besser…“ Meinte der Bursche kaum hörbar und eher zu sich selbst. Kalte H-Milch fiel auf die Cornflakes und erschuf die Henkersmahlzeit für diesen Tag. „…vielleicht ist der alte Trottelkopf dann zu müde, um noch mit mir zu trainieren…das wäre traumhaft.“
      „Was murmelst du da?“ Hinterfragte seine Mutter und hob die Augenbrauen, unverkennbar gekünstelt schockiert.
      „Nichts, nichts…“ Erwiderte er undeutlich, seine Backen prall mit Haferflocken aufgefüllt.
      „Ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass du mit vollem Mund nicht mit deinen Eltern sprechen sollst! Ergötz dich zusammen mit deinen Geschwistern an euren jugendlichen Unsitten, aber nicht in Gegenwart deiner Mutter!“ Brüllte plötzlich eine lebendige, in Links spitzen Ohren geradezu nervenzerfressende Männerstimme, hinter seinem Rücken. Er wollte sich jetzt um keinen Preis umdrehen. Sein Traum, heute nicht mit seinem Holzkatana fuchteln zu müssen, war passe.
      „Und ganz besonders in Anwesenheit deines Vaters solltest du das unterlassen!“
      „Wenn ich diesen Tag überlebe, hab’ ich alle meine Ambitionen übertroffen…“ Dachte der verzweifelte Oberschüler, bevor tatsächlich sein grinsender Vater ihm gegenüber Platz nahm. „…bei WEITEM übertroffen!“


      Kapitel Ende




      Kapitel 2: Meine Freunde


      „Gu-ten Mor-gen, meine halbanwesende Familie!“ brüllte Adrian, sich sehr wohl bewusst, damit etwas spät dran zu sein. Er war ein stattlicher Mann, groß und kräftig gebaut. Selbst in dem feinen Anzug, den er trug, wirkte er fit wie ein Turnschuh. Optisch war ihm sein zweitältestes Kind sehr ähnlich. Der Körperbau, das kantige Gesicht, alles war unverkennbar durch seine Gene bedingt. In vielem war er wie ein Guckrohr in Links eigene Zukunft…sehr zu dessen Bedauern.
      „Morgen, Schatz.“ Erwiderte seine Gattin, natürlich erst, nachdem sie den Bissen Weißbrot hinuntergeschluckt hatte. Sein Sohn löffelte nur lustlos Cornflakes in seine Mundhöhle. Jetzt, nachdem seine aufgeblühte Hoffnung mit dem Auftauchen seines männlichen Vormundes verflogen war, hatten sich seine Gesichtszüge wieder in eine abgelaufene Gurke verwandelt. Natürlich fiel das seinem Vater sofort ins Auge und zog eine perplexe Grimasse. Der Teeny sah schon kommen, dass seine Geduld auf die härteste Probe der Jugendtage gestellt werden würde: Väterliche Fürsorge.
      „Was soll das lange Gesicht, mein Junge?!“ Der Sechsundvierzigjährige beugte sich über den Tisch und musterte ihn. Beugen im Sinne von halb um den Tisch wickeln. Link hätte ihn kopfüber in die Müslischale tauchen können bei dessen peinlichem Verhalten, aber er versuchte, sich zu beherrschen.
      „W-was soll schon mit mir sein?!“ Er rückte etwas nach hinten, als ihm Adrian noch mehr auf die Pelle rückte. Wie ein Vogel nickte er mit dem Kopf hin und her. Typisch aufdringlich war ihm die Neugier ins vom borstigen Kinnbart gezierte Gesicht geschrieben
      „Erst sprichst du mit vollem Mund, dann grüßt du deinen eigenen Vater nicht…und dann schaust du so bewürstelt drein. Irgendwas stimmt mit dir nicht!“ behauptete er.
      Links Hand klatschte gegen die Stirn seines Erzeugers und versuchte vergeblich, ihn auf dessen Platz am anderen Ende des Tisches zurückzuverweisen. Zurückverweisen im Sinne von mit aller Gewalt, die seine Armmuskulatur hergab, gegen den Dickschädel seines Vaters preschend.
      „Erstens: Mit mir stimmt alles! Zweitens: Es ist Donnerstag, und der ist nun mal anstrengend! Drittens: Was soll ‚bewürstelt’ bitteschön heißen?!“ Warf er dabei zurück, stockend durch seine Bemühungen, seine ‚Papafreie Zone’ zu wahren.
      „Na, weil du wie ein Würstchen aussiehst, wenn du so dumm drein glotzt! Lobe lieber meine Neologismus-Fähigkeiten, anstatt meine Wortwahl zu kritisieren! Ich bin dein Vorbild!“ Jetzt begann das Duell Schädel gegen Hand erst richtig. Alice saß ruhig daneben und as ihr Brot, während die Männer tobten und mit allerlei Geschrei um sich warfen.
      „Mein Vorbild?! Sonst noch was, du Wahnsinniger?!“
      „Gib’s doch zu! Jeder Sohn bewundert seinen Vater! So steht’s im Elternberater!“
      „Du wärst besser beraten, zum Psychiater zu gehen! Dauerhaft!“ Es ging noch einige Zeit so, bis der Jugendliche genug von der Rabatz hatte und aufstand. Der Kopf seines Vaters traf mit voller Wucht auf den Tisch und die Schüssel, ein schmerzerfüllter Schrei und das Klirren kaputten Geschirrs folgten. Während Adrian jammerte und Alice nur unberührt sagte, sie würde kurz den Lappen zum Aufwischen holen, verabschiedete sich der Teenager mit einem schlichten „Mach’s gut, Mama, ich geh jetzt.“ Das war genug von der allmorgendlichen Quincer-Familienszene, außerdem war es jetzt an der Zeit, sich gen Schule zu begeben. Schon kurz nach Halb Sieben.
      „Bis heute Abend, Schatz!“ rief seine Mutter ihm nach, auch ihr Gatte murmelte irgendetwas, das er nicht verstand und nicht verstehen wollte.
      Als er sich die Schuhe band, nahm er sich vor, noch vorm Eintreffen seines kleinen Bruders Al aus dem Haus zu verschwinden, der die Lage nur noch nervenaufreibender machen würde. Tatsächlich waren selbst hier draußen im Gang des Einfamilienhauses noch das Gebrüll von Adrian und seines 9jährigen Bruders zu hören. Alan war wie die perfekte, noch hyperaktivere Version seines Vaters. Wenn sie gemeinsam in einem Raum waren, hatten sie Spaß miteinander und nervten den Rest der Anwesenden ungemein. Wie eben jetzt in diesem Moment. Besseres Timing hätte seine Flucht nicht haben können. Er ließ die Haustür hinter sich fallen. „Auf in den Tag.“ flüsterte er, nicht gerade von Enthusiasmus geprägt, seine schwarze Tasche um die Schulter schwingend. Das hölzerne Katana steckte er zwischen Hosenbund und Gürtel. „Wenigstens ist das Wetter super.“ Es ging gemütlichen über den Vorgarten hinaus auf die Straße. Da stand er nun, inmitten von Lottatree dem schnuckeligsten Vorort der Landeshauptstadt Hyrules, Hurilston.

      Die Maisonne schien angenehm auf ihn herab, während er beim Nachbarhaus, wo Gwens Familie sesshaft war, am steinernen Wall, der ihren Gartenzaun darstellte, wartete. „Keine Werbung, sonst…!“ stand auf dem Briefkasten neben dem Türchen.
      Sein Vater und seine Mutter, damals frisch verheiratet, hatten ihr Haus vor fast fünfundzwanzig Jahren in einer neuen Siedlung außerhalb der Stadt gebaut, ungefähr zur selben Zeit wie die Eltern seiner besten Freundin. Ihre Häuser deckten sich in Punkto Fläche und Stil, was aber bei allen Bauten in dieser Straße der Fall war. Vorgeplante Wohngrundstücke eben. Es wunderte ihn kein bisschen, dass sein sogenanntes ‚Vorbild’ hier bauen wollte. Er war sicher zu faul gewesen, sich selbst um die Maße und die genaue Form des Grundstücks zu kümmern, er war ja mehr der Fan von Inneneinrichtung. Sonst beschwerte er sich zwar immer über die Unfähigkeit des Stadtrats und der Behörden, doch ihre Hilfe schien er damals nur zu gerne in Anspruch genommen zu haben. Aber warum versuchte Link überhaupt, die verdrehten und verknoteten Gehirnwindungen seines Vaters zu entwirren?
      Momentan interessierte es ihn eher, wie lange er noch warten durfte. Sie hatten doch eine feste Zeit, zu der sie sich bei ihr trafen. Immerhin hatten sie einen Bus zu erwischen.
      „Gwen, was treibst du wieder?“, brummelte er. Da kam dem 17jährigen der Geistesblitz. Eine Männergestalt kam hinter dem Haus hervor und versuchte über den hinteren Gartenzaun zu springen. Versuchen im Sinne von kläglich versagen. Dieser Typ suchte offenbar eine Fluchtroute. Und mehr war nicht nötig, um das Geheimnis um die Verspätung von Gwendoline Riccio zu lüften.
      „Beziehungsweise…mit wem treibst du’s schon wieder?“

      Endlich, mehrere Minuten nach dem Fluchtsprint des Unbekannten, kam eine bildhübsche Goronin mit blonder Haarpracht und einem glänzenden Lächeln den Weg aus Steinplatten hinunter zum Tor. „Morgen, Quinc.“ Meinte das Mädchen, während sie die Gartentür öffnete und ihm eine übertriebene Handgeste zukommen ließ.
      „Morgen, Gwen.“ Erwiderte er, ebenfalls grinsend, sein Grußzeichen blieb ganz aus.
      Seine Freundin hatte sich heute wieder relativ ungewöhnlich bekleidet. Als ob ihre kurzen, mit Gel hochgestylten Haare nicht schon zuviel des Guten wären. Sehr kurze Shorts, fast schon Hotpants, gehalten von ihrem geliebten Regenbogengürtel, ein enges Top in rot mit der Aufschrift „Looker“ auf Brustebene und dazu keine Art von Schuhen. Die brauchte sie als Goronin auch nicht, ihre Füße waren hart genug. Hochgewachsen war sie, fast so groß wie ihr Schulfreund, und man konnte ihr ihre Kraft trotz der femininen Figur ansehen. Ein herrlich reines Gesicht hatte sie, eine süße Stupsnase und volle Lippen. Doch besonders ihre Oberweite und ihr topgeformter Körper hatten sie seit ihrer Pubertät zum Jungenmagneten werden lassen. Und genau das störte Link des Öfteren. Vor allem aufgrund von Vorfällen wie den eben erlebten.
      „Wo bleibst du so lange?“ Wollte er wissen, als sie neben ihm her die Straße entlang ging. „Ich hab’s dir schon so oft gesagt…unter der Woche kannst du echt mal auf Sex verzichten!“
      Sie sah ihn schockiert an und wurde rot. „Wer sagt, dass ich deshalb ein paar Minuten später dran war, hä?!“ Hinterfragte sie.
      Ihr Spetzel rollte nur mit den Augen. „Ach, jetzt tu nich’ so scheinheilig, du Männerfalle!“
      „Nenn mich nicht Männerfalle! Es ist völlig natürlich für eine attraktive Frau, ihre Anziehung auf Jungs für sich zu nutzen!“
      „Ja ja, red dich nicht’ lang raus. Sag mir lieber, wer dieses Mal deiner Libido zum Opfer gefallen ist!“
      „Als ob dich das was anginge! Bist ja nur eifersüchtig, weil ich dich noch nicht mit zu mir nehmen wollte!“ Ein schelmisches Grinsen zog sich über ihre Lippen. „Ach ja, vergessen! Du bist eher eifersüchtig, weil ich die Leute kriege, die ich haben will, während du nicht bei deiner Malon landen kannst!“
      „Boah!“ Empörte sich Quinc. Die Dreistigkeit dieser Behauptung ließ ihn glatt stehenbleiben. „W-Was bildest du dir eigentlich ein…?“ Stotterte er, sie schmunzelte nur und ging weiter.
      „Du solltest Mal dein Gesicht sehen! Richtig putzig!“
      Und die Frechheit dieses Kommentars brachte ihn wieder in Bewegung.
      „Ich bin nicht putzig!“ Meinte er beleidigt. „Ich bin eiskalt, menschenfeindlich und bedrohlich…“
      „Ja voll, unheimlich bedrohlich! Fast so wie ein Honigkuchenhäschen!“ Lachte sie spöttisch.
      „Honigkuchenhäschen?! Fängst du jetzt auch mit Wortneuschöpfungen an?!“
      „Ja, für ein Honigkuchenpferd war dieser Blick in deinem Gesicht zu anbetungswürdig und niedlich!“
      „Schluss jetzt! Geh weiter und sei still, Gwen, wenn du mir schon die Frage nicht beantworten willst! Ich bin zu müde, um zu streiten!“
      „Ganz ruhig, Häschen!“
      „Jetzt halt die Fresse!“
      Tatsächlich gingen die zwei eine Weile ruhig nebeneinander her, als er seine Stimme auf ein fast schon schmerzhaftes Dezibelniveau gebracht hatte. Es war eine wahre Rarität, dass seine Nachbarin auch einmal auf seine Bitte um Ruhe erhörte, besonders schon so früh. Könnte man solche Seltenheiten in ihrem Verhalten wie seltene Edelsteine verkaufen, wäre Link reich. Verdammt reich. So selten hatte er seine Ruhe.
      Sie waren fast an der Bushaltestelle am Ende der Siedlung, da öffnete sie den Mund für eine wichtige Frage: „Sag mal, hast du Physik?“
      „Ja, hab ich.“ Antwortete er.
      „Darf ich abschreiben?“
      „Ja, aber wenn du noch einmal was mit Honig oder Hase zu mir sagst, kannst du dir in Zukunft die Hausaufgabe selbst zusammenkritzeln …“
      „Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht drohen!“
      „Ja, Mami…und jetzt sei still.“

      Eine standardmäßige Busfahrt und gut 500 Meter zu Fuß durch die Altstadt von Hurilston später standen Link und Gwen im Vorgarten der St. Rauru-Oberschule, ein zum Lehrinstitut umfunktioniertes ehemaliges Schloss. Der Unterrichtsbeginn gab den Schulbankdrückern noch zehn Minuten Galgenfrist, bevor es losging, also sammelten sich die Maßen im Hof.
      Die zwei Chaoten aus der Vorstadt nahmen sich auf ihrer sogenannte „Stammbank“ Platz, eine steinerne aber bequeme Sitzgelegenheit, die sich ihr Freundeskreis zu Eigen gemacht hatte. Geistig, zumindest. Sie stand auf einer Art offener Terrasse im von gepflegtem Rasen bewachsenen Schulhof, direkt unter dem Balkon des Direktorats. Ohne Zweifel der beste Ort, um in den heißen Monaten des Jahres Schutz vor der Hitze zu finden und auch sonst ‚chillig’, wie das Freundestrio fand.
      „Kann ich jetzt Physik haben?“ Wollte Gwen wissen, die Beine übereinanderlegend. Sie badete mittlerweile in den Blicken einiger Dreizehntklässler, die nicht weit entfernt Kaffee tranken, und ihren Haus- und Banknachbarn dazu brachten, sich wider philosophische Fragen zu stellen.
      „Später, Gwendoline, ja?“ Antwortete er ihr gereizt und nahm einen Schluck Moccacino White, nachdem er die Gruppe einige Sekunden gemustert hatte. „Wir haben Physik in der 9. Stunde, davor haben wir und dazu noch Biologie und Sport. Der alte Andersen checkt das eh nicht, Linebeck, der Trottel, sowieso nicht!
      „Was habt ihr immer gegen Jules?“ Das Mädchen kratzte sich am Hinterkopf und machte eine für Quinc eindeutige Handbewegung.
      „Er ist ein arroganter Arsch, deswegen. Und faul wie die Sau ist er auch. Von seinen schlechten Witzen und den Schweineborsten, die er Bart schimpft, will ich erst gar nich’ anfangen.“ Der meckernde Jugendliche übergab ihr auf die bittende Geste hin den halbleeren Pappbecher, von dem sie gleich einen kräftigen Schluck nahm. Sie gab ein befriedigtes „Ah!“ von sich, bevor sie den Mocca an ihn zurückreichte. Leer, wie sein ursprünglicher, über diese Tatsache nicht überraschte Käufer feststellte.
      „Wenn du meinst. Ich find’ ihn cool.“
      „So cool wie dein Milchschaumbärtchen?“ Wollte Link wissen, bevor er gen nächstbesten Mülleimer am anderen Ende der gefliesten Terrasse wanderte und den Becher entsorgte.
      „Bärtchen, bitte was…?“ Gwens Mittelfinger fuhr über ihre Oberlippe. Als sie feststellte, dass ihr Finger tatsächlich als Rasierer für ihre schäumige Gesichtshaarpracht gedient hatte, lutschte sie daran. Ihr genüssliches Luckeln nahm extraordinäre Ausmasse in Länge und Intensivität an, und lenkte erneut die Blicke der älteren männlichen Schüler auf sie.
      „Sieh’st aus wie ein Riesenbaby, dass am falschen Finger leckt.“ Kommentierte der zurückkehrende Quinc, sich neben sie auf die Bank setzend.
      Ehe sie ihrer Empörung hätte durch Worte Ausdruck verleihen können, ertönte eine jugendliche, leicht selbstgefällige Stimme hinter ihnen. „Vergiss nicht die Bedeutung des Mittelfingers, Quinc. Das müsste doch ihr Lieblingsfinger sein, wenn’s ums Lutschen geht. Da hat der Daumen keine Chance!“
      Die Beiden drehten ihre Köpfe zur Seite, um in ein gut bekanntes Gesicht zu blicken. Die dunkelblauen, perfekt glatten Haare des Neuankömmlings schimmerten vor Spraybehandlung in der Sonne, was hervorragend mit seiner blitzblanken, blassen Haut harmonierte. Diese wurde durch ein braunes Poloshirt mit aufgestelltem Kragen und dunklen Jeans in Bermudalänge bedeckt. Seine weißen Schuhe waren neu und ebenso unnatürlich sauber wie der Kerl, der sie trug. Es war eindeutig Sean Laurender, kurz Lauren, der Dritte im Bunde der „Ungleichnamigen Ladungen“, zugleich der älteste von ihnen und ein Zora.

      „Morgen, ihr zwei!“ Sagte der Achtzehnjährige, nicht so enthusiastisch wie sein Blick hätte vermuten lassen, und hockte sich zu ihnen. Und mit voller Absicht nehmen die Goronin, die er mit seinem Kommentar soeben zum Zähneknirschen gebracht hatte.
      „Guten morgen…mal wieder nen Clown gefressen, was?“ brummelte sie.
      „Morgen, Lauren, was geht?“ Kam hingegen von Link.
      „Ne Menge, sag ich dir.“ Antwortete er. „Meine Schwester hat unsere Kreditkarte gefuchst, dazu die Autoschlüssel. Und mit beidem ist sie bei ihrem Lover an der Küste. Ich bin aufgeschmissen, Alter!“
      „Ach, deswegen bist du so spät dran. Ist ganz was Neues“ Gwen lachte auf. Schon hatte sie sich von der beleidigten Leberwurst wider in die Kichererbse verwandelt. „Hatte mir schon gedacht: Seit wann fährt Sean Laurender, der spießigste Bonzensohn von ganz Hurilston, mit dem Bus?“ Ergänzte sie, zugleich als Konter für den dreckigen Fingerwitz von zuvor. Während Sean nur die Mine verzog, schmunzelte sein Schulfreund im Einklang mit ihr.
      „Jetzt hört mal zu, ja? Mein Vater mag reich sein, aber nicht so reich!“ Behauptete er, wie schon seit sie sich kannten, und verschränkte die Arme. Dabei fiel auch sein Blick nun auf die Gruppe von Schülern aus der 13. Klasse, die ständig aus der Ferne zu Gwen hingafften.
      „Sag Mal, Lauren, wo sind denn Zelly und Malon?“, wollte Link wissen. Für gewöhnlich waren die beiden angesprochenen Mädchen im selben Bus, mit dem Lauren kommen müsste, hätte er bisher nicht das Auto genommen. „Waren die im Bus?“
      „Du, keine Ahnung. Im Bus war’n sie nicht. Werden schon eintrudeln. Waren die noch nicht da, oder wie?
      „Nö, hab sie zumindest nicht gesehen. Ist eh egal.“
      „Mann, oh, Mann. Gib dir das Quinc.“
      „Hm?“
      „Unsere Ms. Möchtegern-Prüde hat schon wider fünf potenzielle Kandidaten.“ Lauren nickte in Richtung der Beobachter, worauf auch sein Klassenkollege erneut den offensichtlichen Verehrern Aufmerksamkeit schenkte. Das Mädchen ignorierte sie und ihr Gerede völlig, sie überprüfte lieber ihre Fingernägel nach Schmutz
      „Ich weiß, hab ich vorher schon gesehen. Der gute Rodrigez ist auch dabei.“
      „Wer ist denn das? Kennst du den?“
      Link nickte. „Ja, ich kenn den. Der ist auch ein ‚Schüler’ von meinem Paps. Schwertkampf, weißt schon. Es ist der rothaarige Gerudo da, der mit den Überkoteletten und dem schwarzen Hemd.“
      „Ah, alles klar. Der Typ braucht andere Schuhe bei der Haarfarbe. Rot auf rot ist echt übel.“
      „Du bist hier dumm. Der Kerl ist heiß.“ Entgegnete die Dritte im Bunde, was den Startschuss für eine heftige Diskussion zwischen Bonzenboy und Nymphogirl bedeutete. Ein morgendliches Ritual hatte begonnen.

      Quincs Augen blieben noch einige Augenblicke an Rodrigez hängen, während der Streit neben ihm tobte wie ein Gewitter. Er wusste noch, als er mit dem Jungen im Kindergarten gewesen war. Ihm war er schon immer unheimlich gewesen. Ab und zu wechselten sie zwar ein paar Worte, wenn er Schwertkampfunterricht bei Links Vater nahm, und schien recht sympathisch dabei. Aber dennoch: Immer wenn sich der Blick des Gerudos mit dem seinen traf, glaubte er, ihm würde das Blut in den Adern gefrieren. Weder konnte er sich das erklären, noch wollte er direkt darüber nachdenken. Dennoch blieb sein Blick an dem Gerudo hängen. Er musterte ihn eine gute Weile, wurde aber durch die Schulglocke aus seinen Gedanken gerissen. Ehe er sich versah, war der unheimliche Mitschüler in der Masse verschwunden, die durch die Eingangstür zu den Klassenzimmern drängten.
      Er stand auf und sah zu seinen zwei streitenden Kumpanen, die sich allerlei Flüche und Anschuldigungen an den Kopf warfen.
      „Klappe jetzt.“ Unterbrach er sie brüllend, um ihr Gefecht zu übertönen. „Es hat schon geläutet! Auf geht’s!“
      „Okay, okay. Komm, Lauren.“ Die zwei erhoben sich ebenfalls, worauf auch das Tripple als letzte gemütlich zum Eingang watschelten
      „Kann ich jetzt Physik haben?“
      „Boah…lutsch an deinem Finger und lass mich in Ruhe, du milchbärtiger Estrogensuchti!“

      Kapitel 2 Ende




      Kapitel 3: Manchmal Haben Frauen...


      „Neue Vokabeln?! Na toll.“, dachte Link, als Ms. Jauche doch tatsächlich anfing, mit der Kreide den Wortschatz von Kapitel 34 des Althylianisch-Buches an die Tafel zu kritzeln.
      Geradezu hilfesuchend sah Quinc, der wenig Lust hatte, sich jetzt mit Schule zu befassen, zu seiner rechten Sitznachbarin, Gwendoline, die unter dem Schutz der Schulbank auf den Tasten ihres fliederfarbenen Handys herumtippte. Sie seufzte nur und holte Stift und Heft hervor, ließ sich aber nicht dabei stören, ihrem neuen Liebhaber oder ihren Freundinnen an anderen Schulen zu schreiben. Sie sah nach vorne und schrieb mit der einen Hand, mit der anderen tippte sie blind weiter.Sie gab dem Begriff Multitasking eine völlig neue Bedeutung. Wissend, dass er mit ihr jetzt eindeutig nicht mehr reden konnte, wanderte sein Blick geschwind zu Sean, links neben sich. Es musste doch noch eine Möglichkeit geben, sich abzulenken, anstatt in der Schule, noch dazu in Althylianisch, mitschreiben zu müssen. Doch auch hier wurde er enttäuscht: Lauren hatte nämlich nichts Besseres zu tun, als mit glänzenden Augen und seligem Grinsen in die erste Reihe zu starren, anstatt im Unterricht aufzupassen oder vernünftigerweise mit seinem besten Freund zu flüstern. Er ergötzte sich lieber an der schwarzen Haarpracht von Suzi, dem Zora-Mädchen vor ihm. Also fiel auch dieser aus.
      Da Malon heute wegen Krankheit fehlte, ruhte seine letzte Hoffnung auf Zelly, ihrer besten Freundin. Sie war zwar Klassensprecherin und geistig völlig erwachsen, doch ihr war bestens bewusst, wie unsinnig es war, in Althylianisch aufzupassen. Dementsprechend lagen seine Chancen, bei ihr zumindest ein wenig Unterhaltung zu finden, ausgezeichnet.
      „Hey, Zelly!“, hauchte er nach vorne. „Zelly!“ Nach und nach wurde er etwas lauter, da sie ihn nicht zu hören schien. Endlich, nach zahlreichen Versuchen, reagierte die Klassensprecherin und wand den Kopf zur Seite, um mit Link flüstern zu können.
      „Was los, Quinc?“
      „Ach, nix Großartiges.“ Der verzweifelte Schüler war erleichtert, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. „Was fehlt eigentlich Malon?“
      „Sie hat die gefürchtete ‚Null-Bock-Krankheit’…“, erklärte sie mit herzlicher Ironie, blieb aber dabei optisch so subtil und ungerührt, das es direkt unnatürlich wirken hätte können. „Hab gehört, dass dich auch öfter damit ansteckt.“
      „Fetten Scheiß!“, erwiderte er, ein wenig schmunzelnd. Immerhin hatte die Blondine, wie offenbar immer, mit wenigen Worten ins Schwarze getroffen. Vergeblich versuchte er sich zu wehren. „Ich bin echt manchmal krank.“
      „Auch Unlust ist eine Krankheit, mein Guter.“, vermerkte sie augenzwinkernd, er grinste nur weiter. Das war die Art, für die Zelda Wallace berühmt wie berüchtigt war. Ihre Subtilität ergab in Kombination mit ihrer unerreichten Schlagfertigkeit eine Kombination, die so einzigartig war wie der Rest dieses Mädchens. Optisch war sie mit ihren glatten, wasserstoffblonden Haaren recht auffällig, aber ansonsten stand sie in punkto Beliebtheit bei den Jungs im Schatten ihrer besten Freundin. Auf den ersten Blick war es ein schnell begangener Fehler, die 16-Jährige zu unterschätzen. Wer sie jedoch näher kannte, wusste es besser. Den was ihr an typischer Schönheit und femininer Ausstrahlung fehlte, machte sie mit Charme und Unkonventionalität wett.
      Während sie nach und nach einige Themen wie die Sinnlosigkeit von Althylianisch und die lustig anzusehenden Unterhaltungsformen, denen sich Gwen und Lauren hingaben, abhandelten, wurden sie laut genug, um der Lehrkraft ein empörtes Räuspern zu entlocken. Es war wohl Zeit, das Gespräch zu beenden.
      „Später Rauchereck?“, wollte das Mädchen letztendlich wissen.
      „Klar…wenn ich schon meine Lunge kaputt mache, dann mit dir.“, meinte Quinc etwas gedämpfter, um nicht erneut aufzufallen.
      „Schön.“
      Die junge Dame wandte sich wieder nach vorne und schon war das Ende des Gesprächs gekommen.
      Verzweifelt über den Umstand, auch die letzte Option auf eine Alternative zum Unterrichtsgeschehen verloren zu haben, krallte Link sich nunmehr doch Block und Stift. Wenn er schon aufpassen musste, dann wollte er auch mitschreiben. Damit war er zumindest beschäftigt und musste nicht befürchten, von der Wirkung der Schlaftablette, die die Lehrkraft Frau Jauche verkörperte, vom Stuhl zu kippen. Der Vorfall im Winter, bei dem er tatsächlich eine halbe Stunde des Unterrichts verschlafen hatte, wollte er nicht unbedingt wiederholen. Ein Besuch beim Direktor reichte ihm für dieses Semester völlig.

      Nach der einschläfernden ersten Stunde verging der Schultag einigermaßen schnell und ohne großartige Vorkommnisse. Schließlich war auch das Ende der Mittagspause gekommen, und nun stand eine Doppelstunde Sport auf dem Rasen hinter dem eigentlichen Schulgebäude an. Früher war er der Schlossgarten, jetzt fungierte er für körperliche Erziehung von jungen Erwachsenen.
      „Du hinterhältiger Spaten!“ Mit blutrünstigem Gebrüll stürzte sich Gwendoline auf den Stürmer der Mannschaft der Jungen, der den Fußball auf das Tor hinzudribbeln versuchte. Die Blutgrätsche der Goronin brachte ihn jedoch zu Fall und er blieb noch einige Zeit liegen. Während ihr Opfer noch vor Schmerz jaulte, kickte sie das runde Leder nach vorne. Die Tatsache, dass ein Zora-Mädchen es mit der Stirn empfing und einen gekonnten Kopfball daraus machte, ließ sowohl Libero Link als auch Torwart Lauren nicht den Hauch einer Chance. „Das macht Sieben zu Null!“, rief der Sportlehrer, Julian Linebeck, von außerhalb des Spielfeldes. "Ans Leder Jungs, ist ja peinlich, sowas!" Wieder einmal hatte er die beiden Klassen, die er zusammen in Sport unterrichtete, nämlich die 12 b und 12 d, in Mädchen und Jungen geteilt. Und wieder einmal waren Letztere kein Problem für das angeblich schwächere Geschlecht.
      „Aaaaalter…“, hauchte Lauren, nachdem er den Ball so weit wie möglich zu einem Mitspieler auf dem Rasen geworfen hatte.
      „Meine Rede.“, kam von Link, der sich ratlos den Kopf kratzte. „Wozu bin ich eigentlich Verteidiger? Das einzige, was ich ausrichten kann, ist geplättet zu werden!“
      Genervt blickte er zu Linebeck am Rand der Feldlinie. Er konnte diesen bärtigen Schnösel überhaupt nicht leiden, und auf seinen Sportunterricht in der 6. und 7. Stunde konnte er verzichten. Alleine wie er da stand. Mit seinem Zöpfchen, das geradezu arrogant nach oben aus dem Bubikopf hervorstach, seinem blauen Modehemd und mit der lächerlichen Schlaghose. Immer wieder rief er 08/15-Ratschläge in den Geschlechterkampf. Seine Stimme war arrogant und bestimmend. Und das auf eine derart nervige Weise, dass Quinc ihm gerne den Ball ins Gesicht geschossen hätte. Nur kam er ja nie in Ballbesitz.
      „Sieh ihn dir an, Lauren, den Vollidioten!“, meinte er leise. „Der quält uns doch mit Absicht! Und dann grinst er wie ein aufgespießter Chu-Schleim auf Lachgas!“
      Der Zora schmunzelte. „Ein Chu-Schleim? Voll! Passende Augenringe het er schon! Wir müssen ihn nur noch grün anmalen!“
      Bevor die zwei hätten weiterlästern können, kam auch schon eine Stürmerin auf das Tor zu. Ihre Verfolger verzweifelten schon vor der Elfmeterlinie an ihrer Geschwindigkeit; nicht, dass sie je die Hoffnung auf einen erfolgreichen Angriff gehabt hätten. Es lag wohl an Link, das Schiff zu schaukeln. Doch ehe er auch nur einen Schritt machen konnte, passte das Mädchen rechts zu Gwen. Kaum hatte er die Spitze ihres Stollenschuhs berührt, flog die lederne Kanonenkugel…

      …und traf Seans Kopf. Mit einem undefinierbaren Ausruf biss er, wenn auch nicht sprichwörtlich, sondern nur wörtlich, ins Grass.
      „Hervorragende Arbeit…“ Link beugte sich zu seinem Freund hinunter. Er hatte die Augen weit aufgerissen und zuckte. Eine Beule kündigte sich auf seiner Stirn an. „H-hilfe…“, keuchte er, bevor er sich mithilfe des verschont gebliebenen Verteidigers in die Hocke aufrichtete. Dieser wandte sich zu Gwen um, die nur verwirrt neben ihrer Mitspielerin stand. „Du hast ihn fast krankenhausreif gekickt!“
      „Hab ich gar nicht! Er lebt noch!“
      „Ich lebe noch?!“ Schockiert über diese Aussage fand Lauren die Kraft, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Mit verstörtem, vorwurfsvollem Blick ballte er seine Faust. Mehr eine Geste der Empörung als der Drohung. Niemand würde sich im Nahkampf mit diesem Mädchen anlegen wollen.
      Wer nicht von Haus aus dieser Meinung war, der würde spätestens durch den Blick, den sie als Gegenzug aufsetzte, überzeugt. „Sag mal, jetzt mach nicht aus `ner Mücke `nen Dodongo, ja?!“, brüllte sie. Die Zeit für einen weiteren Streit zwischen den beiden war auch schon längst überfällig. Link bereits verwundert beobachtet, dass sie in der Mittagspause so ruhig miteinander umgingen. Jetzt kam wohl der Ausgleich, um das Universum vor dem Zusammenbruch der physikalischen Gesetze zu retten.

      Doch anstatt den Beleidigungen und Drohungen zu lauschen, fiel die Aufmerksamkeit des Schülers auf das andere Ende des Spielfelds. Dort hatten sich sämtliche Spieler bis auf die drei zusammengefunden. Im Zentrum standen mehrere der Mädchen. Sie hatten einen Kreis geschlossen und starrten perplex Richtung Boden. Fast panisches Gemurmel übertönte selbst die beiden Streithähne.
      „Haltet mal die Klappe, ihr zwei!“, schrie er seinen zankenden Freunden dazwischen. Mit einer Kopfgeste machte er sie auf den Auflauf aufmerksam.
      „Hey, was geht da ab?“, wollte Gwen wissen.
      „Gute Frage.“, meinte Sean, bevor sie dann zum Ort des unbekannten Geschehens liefen.

      Beim Rest des Sportkurses angekommen, wurden sie bald durch die Stimmenkulisse über das Grobe aufgeklärt. „Mann, was ist denn mit Zelly?“ „Was hat die sich denn getan?“ „Wo bleibt Linebeck nur?“
      Verletzt? Das hörte Link nicht gern. Die Klassensprecherin war keine, die wegen einer Schramme so etwas veranstalten würde. Er drängte sich zwischen die Mädchen, Sean tat es ihm hastig gleich, ebenso wie Gwendoline.
      Da lag sie. Bewusstlos und kreidebleich. Das linke Bein war voller Blut. Tiefe Kratzer, schlimme Fleischwunden, zogen sich über die Wade und das Knie. Es sah fürchterlich aus.
      „Heilige Mistgeburt!“, entfuhr es dem irritierten Quinc. Seans Gesicht verlor sämtliche Farbe, bevor er sich angeekelt abwandte. Einige Klassenkolleginnen knieten neben ihr im Rasen. Die Ratlosigkeit war groß, der Schock noch größer. Keiner wusste so Recht, was man mit der ohnmächtigen, verletzten Zelly machen sollte.
      Es war die Goronin, die die Initiative ergriff, etwas unternehmen zu wollen.
      „Mann, steht da nicht so dumm rum! Wir müssen sie zu den Schulsanitätern bringen!“, forderte sie hysterisch.
      Hilfe kam von Linebeck, der endlich aufgetaucht war und sprintend zu den Schülern stieß. Sofort nahm er die ohnmächtige junge Frau an den Armen und sah ernst in Links Richtung. „Quincer, pack dir ihre Füße! Wir tragen sie jetzt vorsichtig ins Schulhaus! Mit vorsichtig meine ich vorsichtig!“
      „Verstanden.“ Ohne zu zögern packte er Zelda an den Füßen.
      „Und jetzt auf drei…eins, zwei…hoch mit ihr!“ Er und der Lehrer ließen keinen weiteren Augenblick verstreichen, sie gingen so schnell es möglich war in Richtung Schulgebäude.
      Dieser Donnerstag begann anders zu verlaufen, als Link je erwartet hätte.

      Kapitel 3 Ende

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    • RE: Infantiles Heldentum oder "Scheiße, ich muss die Welt retten"

      Zwar gab es bisher kein Feedback, aber ich nehme mir die Freiheit zu einem Doppelposting, um 3 weitere Kaps zu liefern.
      Übrigens: Die Kapitelnamen wurden im Nachhinein allesamt verändert. Wem sie komisch vorkommen, sollte sie in Google miteinander eingeben. Vielleicht wird das System dahinter verstanden.



      Kapitel 4: Sumisu

      „Ja, sie liegt im Krankenhaus. Sie hat’s echt schwer erwischt. Bein schwer gebrochen und starker Blutverlust. Sie musste auf die Intensiv, glaub ich. Sie war noch ohnmächtig, als man sie abgeholt hat.
      Du, ich hab auch keinen Schimmer. Sie ist einfach zusammengebrochen, heute in Sport.
      Was?
      Nein, keiner hat was mitgekriegt. Sie war schon bewusstlos und verletzt, als wer bemerkt hat, was los ist.
      Besuchst du sie heute noch? Bin schon auf dem Weg zur Stadt, wegen unserem…
      Ah, okay. Versteh schon, dann verschieben wir’s…
      Ja, ja, kein Problem, kann ich verstehen. Bis morgen. Ciao, Mali.
      Ja, ähm, ich dich auch.“
      Etwas enttäuscht legte Link auf und steckte sein Handy in die Hosentasche zurück. Sie hatte ihn wieder einmal versetzt. Drei Wochen, drei Absagen. Auch wenn sie alle drei Male bisher einen sehr guten, verständlichen Grund gehabt hatte, half ihm das nicht darüber hinweg, wie gern er sie sehen und außerhalb der Schule mit ihr reden würde. Innerhalb der Schulzeit war er, und das musste er sich eingestehen, etwas verklemmt, was seine Herzdame betraf. Mal wieder hatte sich die Chance, ungehemmt mit ihr Zeit zu verbringen, in Luft aufgelöst. Jetzt stand er da, auf dem Gehsteig seiner Wohnsiedlung, und das Rot der untergehenden Sonne, in dem er sich mit ihr in der Stadt getroffen hätte, schien erneut nur für den Teenager allein. Grandios, wie sich heute sein Pech staute. Er war völlig ausgelaugt.
      Nach dem heutigen Tag, vor allem nach dem anstrengenden Training mit seinem Vater, brauchte er etwas Ruhe und Entspannung. Der Vorfall mit Zelly, der restliche Unterricht in gedrückter Stimmung alleine war schlimm genug. Er musste diese Stunden, die ihn doch sehr angenagt hatten, mit irgendetwas abrunden. Auch wenn das Date ins Wasser gefallen war, umsonst wollte er jetzt nicht zur Bushaltestelle gegangen sein. Ein Spaziergang durch die äußeren Viertel von Hurilston würde doch bestimmt auch seine Wirkung tun. Also entschloss er spontan, die abendlichen Straßen, die er kannte wie nur ein wahres Stadtkind es kann, abzuwandern. Das war immerhin das Beste, was er noch aus dem Tag herausholen konnte.
      Während er so gemütlich ging, ließ er sich den Vorfall im Sportunterricht noch einmal durch den Kopf gehen. Zelly tat ihm sehr Leid. Zwar war sie noch im Zimmer der Schulsanitäter aufgewacht, doch sie war geradezu apathisch und hatte nichts sagen können. Er hoffte, dass sie sich schnell erholen würde. Doch genauso wie er auf das Wohlergehen seiner Freundin hoffte, fragte er sich, was da in Sport vorgefallen war. Was Zelly so zugerichtet hatte, und wie. Warum keiner wusste, was passiert war. Es ließ ihm keine Ruhe, und je mehr er darüber nachdachte, desto ratloser kam er sich vor. Das Ganze gefiel ihm nicht.
      So ging er eher geistesabwesend weiter, vorbei an der Villa der Laurenders, so manch schönem Vorgarten und geschlossenen Geschäften. Eben allem, was Hurilstons äußere Viertel ausmachte: Pure Normalität.

      Es war bereits dunkel geworden und die Straßenlaternen flackerten der Reihe nach auf, als Link sich den Rückweg machte. Er war schon eine gute Stunde unterwegs gewesen, höchste Zeit umzukehren. Immerhin stand ihm morgen noch der letzte Tag vor dem Wochenende bevor, zudem war ihm doch etwas unwohl nach diesem eher schwarzen Donnerstag alleine in der Nacht herumzustreifen.
      Sein Blick schwenkte nach oben in den Himmel. Kein Stern in Sicht, selbst der Mond ließ sich nicht blicken. Es wurde immer besser. War doch heute noch ein so sonniger Nachmittag gewesen, bis zur Abenddämmerung hin, jetzt sperrte eine Wolkendecke die Gestirne der Nacht vollständig aus. Selbst die Häuser um ihn herum waren verdunkelt, aus den Fenstern kam kein einziger heller Schimmer. Es war zackenduster zwischen den Lichtkreisen, die die Laternen zogen, sodass man den Gehsteig stellenweise gar nicht mehr sehen konnte. Bewusst beschleunigte er seinen Schritt, um möglichst wenig Zeit in dieser furchteinflößenden Dunkelheit zu verbringen.
      „Verdammt…ich krieg hier draußen noch Angstzustände! 17 Jahre bin ich jetzt alt und krieg auf ner dunklen Straße Muffesausen.“, dachte der junge Mann. Er versuchte sich einzureden, dass er doch keine Angst zu haben bräuchte, was aber nicht so recht funktionierte. „Oh Mann, Spaziergänge sind scheisse!“, schlussfolgerte er, sein schnelles Herzklopfen deutlich spürend.
      Erst jetzt fiel ihm auf, wie leer und lautlos es plötzlich um ihn war. Die totale Windstille war zwar keine Besonderheit, doch kombiniert mit der Tatsache, dass er nicht einmal Autoverkehr hören konnte, war es fürchterlich. Er versuchte ruhig zu bleiben und sein Horrorfilm-mäßiges Umfeld zu verdrängen. Dennoch wurde er unbewusst noch schneller, er fing fasst schon zu laufen an.
      Als er von Lichtpegel zu Lichtpegel eilte, erwischte er sich dabei, wie er sich ab und zu umdrehte. Er wollte sich vergewissern, dass er nicht von irgendetwas verfolgt wurde in dieser pechschwarzen, viel zu ruhigen Nacht. „Heute…ist eindeutig nicht mein Tag!“, war sein gemurmelter Kommentar zu dem eigenen Verhalten, das er von sich selbst gar nicht kannte. Als wären die überstandenen zwölf Stunden nicht schon schlimm genug gewesen.

      Plötzlich zog sich die Wolkendecke teilweise auf, und der fast volle Mond schien auf die Straßen herab. Weißer Schimmer erhellte die Schwärze der Nacht. Der Oberschüler blickte hinauf und atmete erleichtert aus. Jetzt war es nicht mehr annähernd so finster und bedrückend in Hurilstons Grenzgebieten. Er konnte wieder einigermaßen gut sehen, was zwischen zwei Radien von Laternenlichtern war, was allein schon reichte, um seinen Puls zu senken.
      Nun ging er etwas langsamer und ruhiger weiter. Auch als er sich umwandte, um sich wiederholt davon zu überzeugen, ob da nicht Etwas oder Jemand hinter ihm war, war außer dem Teer nicht viel zu sehen.. Der Tiefpunkt seines Unwohlfühlens schien endlich überbrückt…

      …bis er gegen etwas rannte, bevor er seinen Kopf wieder nach vorne hätte richten können. Er taumelte zurück und landete unsanft auf dem Gehsteig.
      Dem humoristischen „Bitte immer auf den Gegenverkehr achten, junger Mann!“, das unmittelbar darauf folgte, konnte er entnehmen, dass er mitten in einen fremden Mann gelaufen war.
      Link blickte auf und sah eine in schwarzes Leder gehüllte Hand, die ihm sein offensichtlicher Rempelpartner hilfsbereit entgegenstreckte.
      „Alles in Ordnung, Mister?“, fragte der Fremde ihn mit warmer Stimme, während sich der Teenager von ihm auf die Beine zurück helfen ließ.
      Schon auf den ersten Blick hatte Link feststellen können, dass dieser nächtliche Spaziergänger etwas seltsam aussehen musste, aber jetzt, wo er ihm gegenüberstand, wurde es ihm erst richtig deutlich, wie schräg dieser Kerl tatsächlich daherkam. Das erste waren schon einmal die Haare: Eine orange Schmalzlocke. Entweder er war ein sehr seltsamer Punk, oder eine Genmutation. Die Haut des Punk-und/oder-Mutanten war so blass, selbst Lauren war gebräunter. Man könnte fast meinen, sein Hals und der Kragen seines weißen Anzugs, der mit einer stechend-roten Krawatte verziert war, wären ein und dasselbe. Im Kontrast zum Rest seines monotonen Outfits waren die schwarzen Lederhandschuhe und –Stiefel. Wie man in einer Mainacht mit über 20 Grad so herumlaufen konnte, war sicher nicht nur Link ein Rätsel. Das aller beste hatte er aber auf der Nase: Eine Sonnenbrille. Eine solche, wie sie die Ermittler in klischeehaften Holodrumschen Serien immer trugen. Keine Spur von Augen oder Ähnlichem. Teils gezupfte, teils wuchernde Augenbrauen thronten darüber, sie sahen aus wie Flammen…oder nach zu viel Zeit, die in ihre Pflege investiert wurde.
      „Eines ist ganz sicher: Bei Nacht trifft man in Hurilston die kränksten Wierdos…“, war das gedankliche Fazit, den er zog.

      „Ja, ich denke schon. Tut mir echt Leid.“, entschuldigte er sich bei dem höflichen aber schrägen Mann, der ganz klar nicht vor hatte, jetzt einen Groll gegen den Jungen zu hegen. Er grinste nur wie ein Honigkuchenpferd.
      Der Teenager wusste, dass er sich mit diesem komischen Kerl nicht lange aufhalten wollte. Besonders um diese Uhrzeit nicht.
      „Kein Problem, Mister! Ich werde ständig angerempelt!“, behauptete der Fremde lachend.
      „Aha.“ Link versuchte möglichst wenig Interesse zu zeigen, um erst gar nicht in ein Gespräch mit dem Karottenschopf verwickelt zu werden und sich sofort darum zu kümmern, endlich den Heimweg hinter sich zu bringen. „Ich muss jetzt weiter, morgen hab ich Schule, Sie wissen schon. Sorry noch mal. Wiederseh’n!“, brabbelte er schnell und heuchelte ein Lächeln vor.
      Der Fremde nickte. „Ja, machen Sie’s gut, Mister! Man sieht sich!“
      Als der Bursche nach einigen Minuten außer Sichtweite war, verzogen sich die Gesichtszüge des Mannes zu einem unheilvollen Grinsen. „Man sieht sich sogar ganz bestimmt…“

      Ende Kapitel 4




      Kapitel 5: Gehirn-Stürm


      „Rate wer ich bin!“, forderte eine weibliche Stimme von Link, nachdem zwei zarte Hände seine Augen bedeckt hatten und ihm so die Sicht auf das Klassenzimmer verwehrten. Seine eigenen Hände griffen die des Mädchens, das sich ganz offensichtlich hinter seinem Stuhl postiert hatte. Langsam versuchte er, sie von seinem Gesicht wegzubewegen. Es war schwerer, als er dachte. Kräftige Arme mussten hinter diesen wunderschönen Paar Griffel stecken. Letztendlich gaben sie aber bereitwillig nach und sie entrissen sich vorsichtig der Umklammerung. Umdrehen tat sich Link jedoch noch nicht.
      „Wer du bist? Nicht zufällig eine gutaussehende Landwirtstochter?“, antwortete er, worauf er sich umwandte, was seine Vermutung bestätigte und ihm ein warmes Lächeln entlockte.
      Denn da stand sie, die Hände locker an der unteren Hüfte postierend. Malon Plumer.
      Ihre durch das Glätteisen gebannten, schulterlangen Haare schimmerten rot. Sie mochte die Tatsache nicht, dass sie braune Augen und Haare hatte, also änderte sie die Farbe ihrer Frisur seit langem. Sie trug ein weißes Kleid, nicht ganz bis zum Ansatz Kniekehlen reichend und an der Hüfte durch einen schwarzen Gürtel zweigeteilt, darunter eine leicht durchsichtige, schwarze Strumpfhose, die in schwarzen Ballerinas endeten. Ihr 1,59 kleiner Körper war sehr feminin und kurvenreich, schlank und bekräftigt durch die Arbeit, die sie zu Hause täglich zu erledigen hatte. Sie war die eindeutige Klassenschönheit, doch sie darauf zu begrenzen wäre unfair gewesen. Sie hatte etwas ganz besonderes an sich. Hinter diesem Herzchen waren viele Jungs her. Und Quinc der Glückliche, auf den die Wahl letztendlich gefallen war. Mehr oder weniger, zumindest.

      „Richtig! Du bist ganz ein Schlauer!“, meinte sie mit einem um 90 Grad gedrehten Sichelmond als Mund und setzte sich neben ihn, wo normalerweise Gwen ihren Platz hatte.
      „Geht’s dir schon wieder besser, du armer Pflegefall?“, fragte er sie rhetorisch, die Augenbrauen in Neugierde hebend. „Warum hast du gestern blau gemacht?“
      Sie sah ihn verdutzt an, während sie ihre Handtasche auf den Tisch vor sich legte. „Äh...Erde an Quinc? Nachmittagsunterricht vielleicht? Das wollte ich mir nicht antun.“ Sie holte eine Packung Medizin, offenbar Pillen, aus ihrem Täschchen. Der gute Quinc wusste genau, welche Art von Tabletten sie da zu sich nahm, nur um ihn zu reizen. Doch er ließ sich nicht davon ablenken und versuchte, das Gespräch weiterzuführen.
      „…du hast’s gut, deine Eltern lassen dich immer zu Hause bleiben. Ich sollte auch in die Theatergruppe gehen.“
      „Klar, als ob dir das was bringen würde!“, erwiderte die junge Frau nur, worauf sie das Arzneimittel schluckte und anschließend fortfuhr. „Zunächst mal bist du der schlechteste Schauspieler der Schule, und dann hast du Adrian als Dad. Nicht vergessen.“
      „Ich würd ihn nicht nur gern vergessen, ich würd ihn lieber ins Gefrierfach stecken und rausholen, wenn ich später auf Anns Kinder aufpassen muss, aber keine Lust habe. Da kann er dann Großvater Winter spielen…“, murmelte er, was seiner temporären Sitznachbarin zu einem amüsierten Kichern verhalf.
      „Sag mal, wie geht’s Zelly? Ist sie schon wach gewesen, als du gestern im Krankenhaus warst?“, fragte er, nachdem ihr Lachen im Raum verhallt war.
      „Ja, war sie. Ihr geht’s schon besser. Sie ist nur etwas komisch…“
      In diesem Moment klingelte die Schulglocke, um den Beginn der ersten Stunde anzukündigen. Die letzten Lehren vor dem Wochenende standen an.
      „Also dann, Link…“ Sie drückte ihm einen kurzen, beinahe routinierten Schmatzer auf den Mund. „Ich sitz direkt vor dir, wenn du was brauchst.“
      Daraufhin stand Malon auf und setzte sich auf ihren Stuhl in der ersten Reihe, ihr folgten Links Augen auf Schritt und Tritt. Sie bemerkte dies und grinste. Bei ihrem Anblick seufzte er zufrieden…

      …und bekam keine Sekunde später eine kräftige Genickwatsche, und Gwen nahm neben ihm Platz, ebenso wie Lauren, der vor Schadenfreude herzhaft lachte. „Volltreffer, und was für einer!“
      „Du Opfer…!“, fluchte der wenig begeisterte Quinc leise, vor Schmerz zuckend. „Wofür war das denn, bitte!?“
      „Na, für was wohl, du Spanner…“, brummelte sie, mit abwertenden, durchbohrendem Blick. „Malis Hintern ist zum Sitzen da, und nicht dafür, dass du ihn anstarrst…erst knutschen und dann nur auf ihren Arsch starren! Kann ich gar nicht ab, so was!“
      „Glotzen auf geschlechtsabhängige Blickfänger? Da redet die richtige…“, murmelte der Zora neben ihnen dahin.
      „Du willst wohl auch eine, oder?!“, drohte die Goronin ihm darauf, und Runde 1 des heutigen Gwen-Sean-Duells war eingeleitet.

      Der Hylianer verdrängte die heftige Diskussion. Sich in den unbequemen Schulstuhl legend sah er zur Decke. Gestern war viel passiert. Und so typisch dieser Freitag auch bis jetzt war, sein Kopf schien überlastet von dem, was an ihm vorbeigerauscht war. Der Vorfall mit Zelly ließ ihm keine Ruhe mehr. Aber jetzt musste er erst einmal diese 6 Stunden Schule hinter sich bringen. Philosophieren konnte er später, also schickte er all diese rätselhaften Gedanken zurück ins Unterbewusstsein. Jetzt stand Biologie an, und sonst nichts…abgesehen von der Betrachtung Malons, natürlich, die seinen verliebten Blick oft genug erwidern würde.


      „Und? Hat er schon Kontakt zu ihm aufgenommen?“
      „Nun ja, Kontakt kann man das nicht nennen…sie haben keine Minute lang Worte gewechselt, recht viel kann da nicht gesagt worden sein.“
      „Dass er ihn gefunden hat, ist schon schlimm genug, will ich meinen.“
      „Ach was! Er wird nichts Großartiges machen, zunächst wird er uns eher nützen. Soll er ruhig unseren Job machen…ich will mich sowieso davon distanzieren. Das wäre mir peinlich.“
      „Pff ... ja keine Verantwortung übernehmen…typisch...“
      „Das sagt der Richtige!“
      … … …
      „…die Schulglocke. Musst jetzt wohl in den Unterricht, oder?“
      „Ja, muss ich. Und du musst auch zu deinen Pflichten zurückkehren. Telefonieren wir uns wieder zusammen, wenn sich was Neues ergibt…schöne Grüße an den Rest vom Schützenfest. Ciao.“
      „Klar, mach’s gut.“


      Gwen streckte mit fröhlicher Mine die starken Arme nach oben, während sie neben Link den von der Maisonne erhellten Hurilstoner Stadtpark durchwanderte. Diverse Vogelarten sangen voller Liebestollheit, Leute sämtlicher Altersgruppen beschäftigten sich mit allen erdenklichen Freizeitaktivitäten von Entenfüttern bis Speichelaustausch. Die zahllosen kleinen Springbrunnen bildeten einen Chor aus Wasserrauschen.
      „Endlich Wochenende!“, jauchzte die Oberschülerin mit einem Blick, der verkündete, dass sie in diesem Moment wohl die gesamte Weltbevölkerung umarmen hätte können.
      „Wie oft willst du noch auf die Tatsache aufmerksam machen, dass wir jetzt wieder zwei Tage unsere Ruhe haben?“, fragte ihr guter Freund sie fast schon genervt, die Tasche lässig über die Schulter geschwungen und den Schatten der Bäume genießend. Er wollte nicht schon im späten Frühling mit einem Sonnenbrand an den Armen ins Wochenende einziehen.
      „Ach, du alter Muffel! Heiße Wochenenden sind super! Freibad, Sonnbaden, Spazierengehen und Picknick auf der Wiese!“, zählte die Goronin in ihrem Enthusiasmus auf, die vier ersten Finger ihrer rechten Hand zur weiteren Verdeutlichung der Relevanz ihrer Liste nutzend. „Sogar Lauren weiß all das besser zu schätzen als du, Quinc!“
      „Ja, ja, passt schon…“, brummelte er nur, nicht einmal mehr fähig, ihre typischen Verhaltensweisen zu ertragen. „Ist doch aber so, dass es reicht, wenn man’s einmal auf den Punkt bringt.“
      „So was kann man nie oft genug auf den Punkt bringen!“, erwiderte das Mädchen entrüstet und blieb neben einer Bank stehen. „Setzen wir uns.“
      Schweigend nahm Link neben seiner Kumpanin Platz. Noch immer war er etwas geistesabwesend, und das sah man ihm an. Sein Blick war ins Nichts gerichtet, hin und wieder seufzte er leise. Während er so da hockte, setzte er dort an, wo er in der ersten Stunde der Schule aufgehört hatte. Die Goronendame betrachtete ihn dabei eine gute Weile, reichlich verwirrt über sein Verhalten, wie es schien. Nach gut zehn Sekunden unterbrach sie die Stille und riss ihn aus seinen Gedanken.
      „Hast du schon was vor? Im Pyramid kostet der Schnaps heute nur 1 Rubin pro Glas. Dann kannst du mal wieder was mit deiner Mali machen, und ich mich zulaufen lassen!“
      „Öh, was?!“, entfuhr es ihm, er starrte erst nach oben, dann nach links und schließlich zu Gwen hin. Für einen Moment hatte er nicht einmal gewusst, wo er war und wie er hierher gekommen war. Und so schaute er auch drein.
      „Alter, was geht denn mit deinem Leben?!“ Fast schon besorgt musterte sie ihn. „Was ist los mit dir?! Langsam machst du mir Angst! Den ganzen Tag benimmst du dich schon so! Rück endlich raus damit, was fehlt dir?“

      Link sagte nichts. Er sah sie einfach nur ratlos an. Er wusste es doch selbst nicht wirklich. Er wäre doch auch lieber wieder gut drauf, anstatt sich ständig den Kopf über die gestrigen Geschehnisse zu zerbrechen. Erneut herrschte Totenstille zwischen den beiden. Doch in dem Moment, als Gwen gerne auf ihren verschwiegenen Freund losgegangen wäre, um zumindest eine Ausrede für sein Nullbocktum aus ihm herauszuprügeln, mussten beide feststellen, dass die Stille nicht auf sie begrenzt war. Urplötzlich war alles verstummt.
      Vom Singen der Vögel, vom Reden anderer Menschen, ja selbst vom Rauschen der Brunnen war keine Spur.
      Link sprang auf, als ihm noch etwas ins Auge fiel, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte wie es noch kein Schocker im Kino es tun konnte: Alles um sie herum…es war wie erstarrt. Menschen standen in allen möglichen Posen bewegungslos wie Wachsfiguren auf den Wegen, Pärchen verharrten in unnatürlicher Starre in ihren Küssen und selbst eine Ente, die mit ausgestreckten Flügeln an einem Teich zur Landung ansetzte, hing ohne ein Anzeichen von Regung in der Luft. Als wenn die Zeit selbst tief gefroren worden wäre.
      „Qu-Quinc…?“, stotterte Gwendoline, als ihr Nachbar mit winzigen Schritten vorwärts ging und sie ihm hastig nachfolgte. „Was geht hier ab?!“, fragte sie verängstigt, erhielt aber wieder keine Antwort von ihm. Er hatte sie gehört, aber war zu entgeistert, um den Wortlaut ihrer Frage wahrzunehmen. Diese unvorstellbare, wie aus dem Nichts kommende Situation hatte alle seine Sinne benebelt und lahmgelegt für alles als die Ratlosigkeit.
      Link wollte nicht glauben, dass er nicht in der Schule eingeschlafen und einen Albtraum durchlebte oder dass irgendein Trottel LSD in seine Apfelschorle gemischt hatte, von dem er jetzt Halluzinationen bekam. Nach näherer Betrachtung dieses schrecklichen Szenarios wurde ihm klar, dass nichts davon zutraf.
      Ein Tropfen Angstschweiß floss über seine Stirn. Er musste im falschen Film sein.
      „Verdammte Scheisse, Quinc, was ist los?!“, schrie seine Freundin ihn panisch an. „Warum bewegen sich die Leute nicht mehr?!“
      Er drehte sich zu ihr um und starrte nicht minder geschockt in ihre fassungslosen Augen. Die absolute, unerträgliche Stille hing für mehrere Sekunden wieder über ihnen…

      „Hallo, Mister Link Quincer und Miss Gwendoline Johanna Riccio.”
      Die beiden zuckten vor Schreck zusammen, als hinter ihnen jemand das Wort erhob. Das Gefühl, das diese Stimme mit sich brachte, kannte Link. Er war sich sicher, sie schon einmal gehört zu haben. Und noch ehe er und die Goronin sich umdrehen konnten, um zu überprüfen, von wem sie eben begrüßt worden waren, war ihm das Licht schon aufgegangen.
      Und da stand er auch tatsächlich, keine zwei Meter von ihnen entfernt, und grinste. Es war der Mann im weißen Anzug und den karottenroten Haaren, auf dessen spitzer Nase die Sonnenbrille lag.
      „D-der Kerl von gestern…?“, formulierte Link in Gedanken, sprach es aber nicht aus. Die Information, dass der Wierdo von der vergangenen Nacht jetzt bei ihnen stand, hatte seinen ohnehin schon rauchenden Kopf überlastet. „Was zur Hölle…?“, war alles, was er heraus bekam.
      „Wer bist du und was geht hier?!“, fuhr Gwen ihn an, als ob sie wüsste, dass der Fremde für dieses Szenario verantwortlich wäre.
      Jener kicherte nur, bevor er ein braunes Bonbon aus der Sackotasche holte, um es sich in den Mund zu werfen. „Nun, das mit dem Namen ist so eine Sache…“, meinte er amüsiert. „Ihr könnt mich aber ruhig Blind nennen.“
      Der Mann kaute genüsslich sein Karamell und wieder breitete sich Stille aus, die die verwirrten Teenager nicht zu füllen wussten.
      „Entschuldigt meinen dramatischen Auftritt, aber da gibt es etwas, das ich mit euch zwei bereden will…“

      Ende Kapitel 5




      Kapitel 6: Monster

      Quinc glaubte, ihm wurde gleich der Kopf platzen, so überschlugen sich plötzlich die Gegebenheiten. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, zu überströmt war er mit verzweifelten Fragestellungen, die sich in den letzten 5 Minuten gezeigt hatten. In der Tat war er zu ratlos, um überhaupt ein einziges Wort über die Lippen zu bekommen.
      Gwen schien ihre eigene Entrüstung nicht so an Worten zu entwaffnen, denn sie warf den gesamten Brocken Fragen, die er gern losgeworden wäre, mit einem Atemzug: „Jetzt mal halblang, Discrokarotte! Dich hab ich doch gestern schon im Cafeshop gesehen! Was geht hier eigentlich ab?! Bist du für diesen Riesen-Mist verantwortlich, oder was?! Wenn wir hier was bereden, dann das, was hier nicht stimmt!“
      Etwas verdutzt, zumindest so verdutzt, wie er ohne sichtbare Augen sein konnte, glotzte Blind das Goronenmädchen an. So als ob er nicht direkt wüsste, wovon sie da sprach. Er blickte kurz nach links und rechts, bevor ihm bewusst wurde, worauf die junge Frau anspielte. „Ah, ja, klar, genau. Für euch ist es sicher ungewohnt, wenn ich hier mit so was ankomme…ist ja auch eigentlich illegal.“ Schmunzelnd kratzte er sich am Hinterkopf. „Aber wenn ich einfach so auf euch zugegangen wäre, hättet ihr mir nie zugehört…wahrscheinlich wäre dann mittlerweile dieses Dings…wie war der Name…genau, die Polizei hinter mir her, von wegen Belästigung und solcher Unsinn…“
      „Sag mir jetzt, was hier los ist, verdammt!“, brüllte Gwen empört, ihr entnervt wirkendes Gesicht und ihre übertrieben aggressive Körperhaltung war fast schon eine Morddrohung. Doch es entging Link nicht, dass auch sie sich fürchtete.
      Dass sie nur angestrengt versuchte, möglichst hart zu bleiben, es aber längst nicht mehr war, bestätigte sich, als sie sich zu ihrem Schulkollegen umdrehte und sie ihn geradezu anflehte: „Mann, Quinc, sag doch auch endlich was!“ Ihre Stimme bebte, ihre Augen schimmerten aufgrund der winzigen Tränen, die sich ankündigten.
      Dieser verzweifelte Akt brachte ihn auch zurück aus der gedanklichen Sackgasse, in der er sich urplötzlich wiedergefunden hatte. Seine älteste und engste Freundin war bei ihm, und er durfte nicht nur körperlich anwesend sein, um sie in dieser Situation zu unterstützen. Sein Kopf war wieder leichter geworden, wenn auch nicht weniger mit Fragen belastet. Und jetzt war es wohl an der Zeit, mitzuhelfen, diese Fragen ganz zu beseitigen, anstatt zu spekulieren. Er ballte die Hände zu Fäusten, er verdrängte die Ratlosigkeit aus seiner Mimik und Gestik. Er musste ruhig und stark bleiben, wenn er sie beide möglichst schnell aus dieser Schlucht von völliger Entfremdung bringen wollte.

      „Okay…Blind…“, fing er zögernd an, worauf auch Gwendoline ihr Augenmerk zurück auf den Mann lenkte. „Ich weiß nicht, was Sie mit uns bereden wollen. Und ehrlicherweise kann ich bestimmt darauf verzichten, es zu hören…aber wenn wir Ihnen zuhören müssen, damit wieder alles normal wird, dann legen Sie los.“
      Blind öffnete gerade den Mund, um dem Wunsch seines Gegenüber nachzugehen, doch der war noch nicht bereit, ihm das Wort zu überlassen, wie sich herausstellte.
      „Aber zu aller erst will ich wissen, wie Sie…die Zeit angehalten haben!“
      Jetzt fing Blind lauthals an zu lachen, er schrie schon fast. Aber nicht nur sein Mund und die daraus kommenden Töne zeugten von dem Amüsement, das ihm diese Frage offenbar beschert hatte. Er ging leicht in die Knie, er klopfte sich sogar auf die Schenkel. Diese doch sehr übertriebene, unmenschlich peinliche Gestik ließ kurze Zeit die Köpfe der zwei Oberschüler erröten. Letztendlich beruhigte er sich und stellte sich wieder gerade auf beide, selbst in der weiten Hose sehr dünn wirkende Beine.
      „Angehalten? Mach dich nicht lächerlich, Mister! Das ist doch unmöglich, so was!“
      Mit der linken Hand begann blind in seine Hosentasche zu fahren und kramte einige Sekunden herum, bevor er etwas aus ihnen hervorzauberte, das auf den ersten Blick als nicht mehr als eine verfaulte Pflanze zu identifizieren gewesen wäre. Doch als er Quinc und Gwen die Hand mitsamt des ungefähr Fingergroßen Etwas entgegenstreckte, wurde erkennbar, dass es ein sehr kleines Plüschtier sein musste. Auf der Handfläche lag der „Hauptkörper“ des Spielzeugs, eine Art halbes Oval in Senfgelb, auf dessen „Fell“ goldene Musterungen hervorstachen. Über die Hand des Mannes hinweg hingen sechs schwarze Stränge, so etwas wie die Tentakel des Tieres, deren Enden sich verdickten und fast schon Kreise bildeten. Auf diesen runden Enden war jeweils ein Punkt gestickt, die fast schon an rote Cartoon-Augen erinnerten. Beim Blick auf die Spitze des Körpers fand sich am oberen Ende ebenfalls ein solches Auge.
      „Was soll dieser Tintenfisch…?“, erfragte Link, der jetzt alles erwartet hatte, bis auf das der Wierdo jetzt einen lächerlichen Plüschoktopus vorzeigte, den er einem Kind vom Schlüsselanhänger geklaut haben könnte.
      Die Goronin neben ihm senkte den Kopf und sah Blind abwertend an. „Willst du uns jetzt verarschen?!“
      „Verzeihung?“ Der von den Anschuldigungen der Jugendlichen verwunderte Sonnenbrillenträger schüttelte den Kopf und hob seine Hand mit dem Plüschtier darauf noch ein wenig, zugleich schob er es weiter in ihre Richtung. Er wollte es wohl genauer präsentieren, um sie umzustimmen. „Das ist einer der mächtigsten Apparaturen der Welt!“
      Diese Behauptung war Auslöser dafür, dass die komplette Stille wieder überhand nahm. Das Statement hinterließ bei den zwei Teenagern, die dreinblickten wie Angestellte eines Großunternehmens, deren unbescholtener Boss gerade vor ihnen völlig nackt eine Rede hielt, eine einzige Frage: Sollten sie ihn jetzt auslachen und ihn nachdem die Zeit wieder lief in die Klapsmühle stecken oder angesichts seines geistigen Zustands verstört sein?

      Die Ruhe währte nicht. Dieses Mal jedoch war es kein Wort der drei Anwesenden, die sie störte… das dumpfe Geräusch, mit dem Gwen mehrere Meter nach vorne geschleudert wurde, in der Luft und im Gras eine Spur von Bluttropfen hinterließ und am Boden aufprallte.
      Quinc blieb im ersten Moment, in dem er seine Freundin regungslos liegen sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Dieses Bild, das sich in sein Hirn brannte…das Mädchen in der Blutlake. Es war wie ein albtraumhaftes Dejavu. Ehe er aber verarbeiten oder gar vollends begreifen konnte, was eben geschehen war, spürte er einen unerträglichen Schmerz, der schon fast zu groß war, um ihn noch genau wahrzunehmen, im Kreuz. Jetzt verlor auch er den Boden unter den Füßen und wurde nach vorne geworfen. Er fühlte sich wie ein Boxsack, der mit einer solchen Wucht getroffen wurde, dass die Kette, die ihn an der Decke hielt, zersplitterte.
      Das nächste, was er spürte, war, wie sein Kinn und danach der Rest seines Körpers auf den, trotz des spürbaren Bewuchses, harten Boden aufkam. Ein ohrenbetäubender Schrei, der laut und kreischend war wie nichts, was er je gehört hatte, bohrte sich wie ein Messer in seinen Gehörgang. Schmerz über Schmerz durchfuhr ihn, er konnte die Augen kaum öffnen. Es kam ihm wie eine einzige Ewigkeit vor, als er wenige Augenblicke lang benommen liegen blieb und sich nicht rühren konnte. Erneut erfüllte das unnatürliche Brüllen die Luft und weckte Link aus seiner kurzen Besinnungslosigkeit.
      Er spürte Nässe und heftiges Zwicken an seinem Rücken.
      „Blut…ich blute…“, war die erste und einzig deutliche Feststellung, die er zusammenbringen konnte. Er lag auf dem Rücken, nur unter großer Mühe und großen Schmerzen an unfestlegbarer Stelle gelang es ihm, sich in Seitenlage zu bringen und sich so auf halben Weg aufzurichten.
      Alles, was er sah, schien verschwommen und undeutlich im ersten Moment, sein Schädel brummte. Nach links und rechts sprangen seine Augen, in der Hoffnung, dass die Trübheit seiner Sinne verfliegen würde.


      „Hallo, bist du dran?“
      „Bin ich, ja. Du warst wohl auch schon drauf gefasst, oder?“
      „War ich. Ich hätte zwar nicht wirklich geglaubt, dass er solche Mittel benutzt…aber es war dennoch keine Überraschung.“
      „Ich glaube, wir sollten doch Mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden…das ist verdammt problematisch.“
      „Allerdings! Wenn alle von ihnen rum erzählen, die Zeit wäre gefroren, haben wir entweder eine Krise oder ein paar neue Insassen für die Nervenheilanstalt. Wenn er mir unterkommt, wird ich ihm den Marsch blasen!“
      „Bring ihn aber nicht um…hast doch selbst gesagt, dass er uns momentan nur das tut, das du nicht machen willst.“
      „…glaub mir. Ich bin gar nicht mehr sicher, ob ich ihn noch umbringen könnte, wenn ich wollte. Es ist lange her, und so faul wie ich war er sicher nicht.“
      „Was du sagst…ist beunruhigend.“
      „Beunruhigend ist vieles in letzter Zeit, finde ich.“
      „Das stimmt. Es ist soweit, befürchte ich. Aber momentan sollten wir uns mehr Sorgen darüber machen, was jetzt zu tun ist. Sollten wir abwarten, bis er es aufhebt oder die Zeit verstrichen ist?“
      „Ist wohl das Beste…ich werde die Zeit nutzen, um mir die Sandwiches einzuverleiben, die in der Küche lagern, während die Adleraugen meiner Familie schon so unflexibel geworden sind.“
      „Pff…dir kommt das gerade Recht, oder?“
      „Darauf kannst du wetten! Ich meld mich wieder. Ciao.“
      „Jo, mach’s gut!“


      Endlich, nach Sekunden, die Stunden der Angst, Verwirrtheit und Qual für ihn gewesen sein könnten, sah Quinc wieder deutlicher. Er stellte fest, dass er neben Gwen gelandet war, die mit dem Rücken zum Boden in einer Pfütze ihres eigenen Blutes lag. Doch er konnte sich nicht weiter damit befassen, was er jetzt mit ihr und sich selbst anstellen sollte.
      Blind war wie vom Erdboden verschluckt. Dort, wo sie beide mit ihm zusammen gestanden waren, hatte etwas anderes Stellung bezogen. Etwas Großes, dunkelblau in der Farbe, fast schon schwarz, seine Haut glänzte in der Sonne wie das Schuppenkleid einer Schlange. Es hatte einen Schwanz, einen ziemlich langen sogar, und eine Schnauze, die ihn an ein schreckliches Reptil erinnerte. Obwohl es mit einem starken Buckel animalisch und wild wirkte, hielt seinen Körper aufrecht wie ein Mensch. Die Gliedmaßen daran waren unnatürlich in ihren Proportionen. So waren die in Raubtierkrallen gipfelnden Arme fast so lang, dass sie die Knöchel der kurzen Füße berühren könnten, ohne dass sich das Untier beugen hätte müssen. Zwei rote, besonders lange Krallen, stießen auf jeder Hand aus einem der langgliedrigen Finger. Link konnte deutlich erkennen, wie die giftgelben, halbmondförmigen Augen ihn auf die kurze Distanz, die zwischen ihm und dem Wesen lag, anstarrten. Beim Anblick dieser Kreatur überkam ihn der blanke Terror, am liebsten hätte er laut geschrien, jedoch er brachte keinen Ton aus der Lunge.
      Stattdessen fand er sofort, trotz jedweden unangenehmen Reizes, der seinen Körper heimsuchte, zurück auf die Beine. Blind war verschwunden, wieso wusste er nicht. Er wusste auch nicht, was dieses Untier war, woher es kam und warum es ihn und Gwen angegriffen hatte. Momentan wusste er ehrlicherweise nur eines: Er musste weg, weg von diesem Tier, und Gwendoline ebenfalls. Wie aus Reflex packte er sich seine Freundin unter den Kniekehlen und dem Hals, um sie hochzuheben. Sie war schwer. So schwer, dass er dachte, ihm würde unter ihrem Gewicht und dem Schmerz am Rücken der gesamte Körper zerspringen. Trotzdem half es nichts. Zu flüchten, um ihrer beider Leben zu retten, war zu wichtig, als dass er jetzt Schwäche zeigen durfte.
      Er rannte los, so schnell er mit seiner Freundin auf den Armen konnte. Der Weg, den er nahm, war ihm egal, er überquerte die Wiesen des Parks in Richtung Stadtzentrum. Aus dem Augenwinkel heraus hatte er bemerkt, dass das monströse Etwas sich bewegt hatte, also musste er davon ausgehen, verfolgt zu werden.
      Schwer röchelnd lief der junge Mann immer weiter, überall Schmerz und den harten Puls spürend. Im Zickzackkurs arbeitete er sich vorbei an den Spaziergängern am Parkeingang, dann durch die gefrorenen Menschenmassen in den beginnenden Straßen der Fußgängerzone. Seine Sinne nahmen nur noch Schmerz, das eigene, keuchende Schnauben war. Sein Bewusstsein hatte sich in einen dunklen Tunnel verwandelt, dessen Ende weit entfernt in Form eines Lichtes zu sehen war. Dieses Ende zu erreichen war das einzige Ziel, das er sehen konnte.

      Dicht hinter sich konnte Link den Schrei des Untiers hören. Er musste noch schneller rennen, egal, wie schwer seine Last war. Irgendwie musste er das Wesen abhängen. Da kam ihm die Idee: Er rammte sich so gut er konnte durch mehrere wie Statuen dastehende Fußgänger, um in eine ihm bekannte Gasse einzubiegen. Wenn er durch die von Menschen überfluteten Seitenstraßen laufen würde, könnte er dieses Ding bestimmt irgendwann links liegen lassen. Egal, wie sehr es ihm so vorkam, als würde ihm das Herz platzen, die Lunge versagen, die Wunde am Rücken ihn jedweder Energie berauben oder jedes seiner Gliedmaßen abfallen, er hatte es durchzuziehen.
      So manövrierte er sich geschickt, aber mit stetig abnehmender Geschwindigkeit weiter in die Straße. Und als eine kleine Seitengasse rechts neben ihm auftauchte, packte er die Gelegenheit am Schopf. „Eine Kurve…“, dachte er hoffnungsvoll. „Nur diese Kurve…“

      Doch als er einige Meter in diese kleine, menschenleere Gasse eingedrungen war, zerfiel seine Hoffnung mit dem Rest seiner Kräfte. Da, gut zwanzig Meter vor ihm, stand schon die Bestie. Das Licht am Ende des Tunnels war erloschen.
      Quinc sank erschöpft, vollkommen erledigt, auf die Knie und sein Kopf beugte sich. Schweiß tropfte auf den Boden. Gwendoline hielt er noch immer in den Armen.
      „Ich kann nicht mehr…ich kann einfach nicht mehr…“, halte immer und immer wieder durch seinen Kopf. „Ich will leben…ich will Gwen retten…also…warum…warum kann ich nicht mehr?!“ Er versank völlig in Verzweiflung und Ermüdung. Es gab jetzt nichts mehr, was er tun könnte.
      Er sah noch, wie das schwarzschuppige Wesen langsam näher kam. Als wolle es ihm die Zeit, bevor es ihm den Rest geben würde, besonders lang und qualvoll gestalten. Es kam näher und näher.
      Link schloss die Augen. „Scheisse…scheisse…scheisse!“, flüsterte er.

      Da hörte er etwas. Einen Ton, direkt vor sich. Als wäre etwas aus Metall auf dem steinernen Boden gelandet.
      Seine Augen gingen auf. Er hatte sein Haupt immer noch gesenkt, deshalb erblickte er sofort, was da unten, direkt vor seiner Nase, gelandet war. Es war ein Schwert. Doch keines, wie er es in Holz bei sich zu Hause hatte. Eine solche Waffe hatte er bisher nur im Geschichtsunterricht gesehen. Sein Vater schwärmte oft von einem solchen Gegenstand. Es war ein waschechtes, althylianisches Schwert. Die lange, sich bis zum ersten Viertel verstärkende und dann schließlich wieder verjüngende, weiße Klinge war in eine blassgoldene Parierstange gesetzt, der mit Leder ummantelte Griff endete in einem runden Gegengewicht. Ein schwarzer Stein war darin eingesetzt. Der Teenager war kurzzeitig wie gebannt vom Anblick dieses Kunstwerks von einer Waffe.
      Bald bemerkte er, dass hinter dem Schwert eindeutig jemand stand. Jemand mit schwarzen Stiefeln aus Leder an den Füßen und weißer Anzughose.
      Jetzt wandte er seinen Kopf nach oben. Er bildete sich ein, ihm würden vor Staunen fast die Augäpfel herauskugeln.
      „Fluchen ohne Ende. Was soll das? Du tust glatt so, als würdest du sterben, Link.“ Blind grinste schief nach unten auf den Burschen. „Vor dir liegt ein Schwert.“ Der Mann machte mit einem Kopfnicken auf die Waffe aufmerksam. „Wenn schon eines rumliegt, würde ich mir überlegen, was ich damit anfange…“
      Quinc fehlten die Worte. Er konnte nicht einmal etwas dahinbrabbeln. Er blickte nur weiter verstört und planlos drein.
      „Willst du dein und ihr Leben jetzt retten, oder was? Leg deine Freundin hin, ich kümmere mich schon um sie. Steh auf, nimm dir das Schwert und kämpfe.“
      „Was…?“, stammelte Link nur. „Ich soll…kämpfen?“ Unsicherheit war es, die seine Stimme am meisten zittern ließ. Der Schmerz und die Tatsache, wie fertig er war, schienen plötzlich nebensächlich.
      Blinds Blick wurde ernst. Sein Dauerlächeln verschwand.
      „Willst du leben?“, fragte er leise und fast schon drohend. „Dann stell dich diesem Vieh. Ich weiß, dass du kämpfen kannst. Und du weißt es doch noch besser. Jetzt steh auf und pack dir schon endlich das Schwert. Der Riese hinter mir wird schon herzlich ungeduldig.“ Tatsächlich war das schwarze Reptil bei ihnen angekommen und ragte in voller Größe über ihnen. Die Krallen des Untieres fuhr hinter Blinds rechter Schulter hoch und schlug zu, doch mit bloßer Hand wehrte der Sonnenbrillenträger den Hieb ab. Es wirkte, als hätte er den Schlag mit einem eigenen abgewehrt. Das Wesen schrie, als ob es frustriert wäre oder Schmerzen hätte, und taumelte zurück.
      Quinc konnte nur staunen darüber, was Blind da gerade getan hatte. Dieser sah, durch seine Sonnenbrille hindurch, dem Oberschüler noch immer tief in die Augen. Er konnte es sich ja einbilden, aber er glaubte, die Umrisse der Augen zu sehen, die ihn anblickten.
      „Nimmst du jetzt endlich dieses Schwert…?“
      Ohne zu antworten ließ der 17jährige Gwen neben sich sanft zu Boden. Sofort packte seine linke Hand den Griff der edlen Waffe. Von einem Moment zum andern verschwand jede Verzweiflung aus seinen Gedanken. Er hatte lange genug überlegt. Ihm war klar geworden, wie Recht dieser wildfremde Mann doch hatte. Er konnte kämpfen, und jetzt musste er es, um seine Freundin und sich selbst zu retten. Entschlossen erhob sich der junge Mann und jeder Schmerz schien wie verflogen. Während Blind zur Seite trat, um sich zu der Goronin niederzubeugen, erblickten Links glänzende, fast schon bedrohliche Augen seinen kreischenden Feind. Er hielt das Schwert vor sich. Das Untier vor ihm war einen Moment regungslos, als habe es keinen Widerstand erwartet. Letztlich gab es einen weiteren, ohrenbetäubenden Schrei von sich, bevor es zum Schlag bereit die klauenbesetzte Pranke hob.
      Den Griff mit beiden Händen umfassend holte auch Link aus. Und schon traf Schuppe auf blanken Stahl.

      Ende Kapitel 6
    • Okay, ich bin mal über das erste Kapitel gegangen, nicht mehr, weil spät und lustlos. :P

      Das wird ein reiner Kritik-Post, denn die Geschichte kenn' ich ja schon bis dahin, also lass dich nicht von dem erschrecken, was nun an Menge kommt, denn an sich ist es immer wieder derselbe Fehler, der mir aufgefallen ist -- neben ein paar Schnitzern.

      ob er die Gerätschaft in seinem schlaftrunkenen Zorn geschrotet
      -> Schnitzer in der Rechtschreibung, "geschrottet" muss es heißen; Typo? ^^

      also hatte es jetzt auch nur noch wenig Sinn, sich solange wie ein Zimtbrötchen im Ofen der Matratze (…) zu verstecken
      Das Bild ist übertrieben. Und damit sind wir auch bei deinem Hauptfehler angekommen: Du neigst zu… zu viel Übertreibungen. Hier und da eingeflochten: super. In jedem zweiten Satz: drüber. Zudem passt es auch nicht wirklich, also inhaltlich. Ein Zimtbrötchen versteckt sich ja nicht willentlich im Ofen, denk da über bessere Gleichnisse nach.

      Der 17jährige
      Schnitzer, in Prosa schreibt man's "Siebzehnjähriger"; Zahlen werden generell ausgeschrieben.

      über den Kunstholzboden Richtung der Zimmertür begab
      Wieder was kleines: Entweder er begab sich "Richtung Zimmertür" oder "in Richtung der Zimmertür". Entweder oder, keine Mischung.

      Wie Götterspeise auf Zahnstocherschuhen
      Nein. xD Wie sieht denn Götterspeise auf Zahnstocherschuhen aus? Wieder ein eher unpassendes Gleichnis, versuche, sein Taumeln diskreter zu umschreiben.

      „Ich sollte mir doch vielleicht am Abend die Reißer säubern, anstatt es auf den darauffolgenden Morgen zu verschieben…“
      Quinc ist ein Teenie, richtig? Für einen solchen redet er aber doch recht hochgestochen mit sich selbst. ;3

      Würde sein Vater erneut eine solche Horrortube kaufen und sie ihm anschließend aufzwingen, wäre seine Rache grausamer als jedes Würzmittel in Zahnpflegeutensilien es je sein könnte.
      Argh. Nein, wieder einmal. 8D; Hast du schon mal grausames Würzmittel erlebt? es hat höchstens eine grausame Wirkung, nämlich das Hervorrufen von Ekel. Aber auch so hinkt der Vergleich, das Bild macht hier aus Quinc nicht den grausamen Rächer, sondern eine Witzfigur, zumal es überzogen ist.

      Aber wen kümmerte schon Laurens Meinung? Er war zwar ein Freund, aber seine Meinungen und Ansichten waren einzigartig. Einzigartig im Sinne von lächerlich, bei den in seinem Falle dunkelblauen Haaren herbeigezogen und wirklich nur die Seinen. Also würde Link erst gar nicht ernsthaft darüber nachdenken, was für ein Kommentar dem feinsäuberlichen Mund seines Klassenkollegen zoraschen Ursprungs entspringen würde.
      Der Abschnitt ist schlicht zu lang. Er erzählt viel, endet mit der Erklärung aber schon im zweiten Satz: Aber wen kümmerte schon Laurens Meinung? Er war zwar ein Freund, aber seine Meinungen und Ansichten waren einzigartig. -> hat jedenfalls für mich schon Links abfällige Ansicht über seinen Kumpel herausgestellt, mit dem Rest redest du es tot. Ein "(…) doch seine Ansichten waren einzigartig. Einzigartig lächerlich." hätte hier auch ausgereicht.

      Mit der linken
      Schnitzer: Mit der linken Hand -- oder mit der Linken, wenn man die Hand nicht erwähnt.

      Der jungen Dame fehlte es vor der morgendlichen Zigarette eindeutig an Geduld, wie ihr Bruder schon oft genug feststellen musste, zumindest der einen Hälfte ihrer Familie.
      …? Ich nehme an: zumindest der einen Hälfte ihrer Familie gegenüber?

      Nach einer schier unendlich langen Reise die Treppe hinunter
      Viel zu überzogen. Es mag ihm so vorkommen, liest sich an der Stelle aber unheimlich gestelzt.

      Kalte H-Milch fiel auf die Cornflakes und erschuf die Henkersmahlzeit für den schrecklichsten Tag der Woche.
      Hmmm… So aus dem Zusammenhang gerissen stört mich der Satz gar nicht mehr, da muss ich nochmal sehen, warum ich ihn beim Lesen rauskopiert habe.… Er steht da so losgelöst und zwar weiß der Leser, warum du hier diesen extremen Begriff verwendet hast, aber an der Stelle hast du nun auch schon oft genug betont, dass der Donnerstag scheiße ist. xD

      Ehe er sich versah bestätigten sich seine Ängste endgültig, als die Stimme fortfuhr.
      -> Na er wird ihn doch schon an der Stimme erkannt haben, als er den ersten Satz von sich gab. Lass den Satz hier zwischen an der Stelle doch einfach weg, das war schon bei der ersten wörtlichen Rede klar.


      Generell, und warum es doch recht viel geworden ist für das eine Kapitel: Du neigst zu zu starken Hyperbeln und dazu, die Dinge totzureden, indem du (anscheinend) dem Gefühl nachkommst, alles erklären zu müssen. Lies vor dem Posten immer mal wieder drüber und überlege, welche Wirkung der Text hat, nimm Abstand. Es passiert schnell, dass man einfach zu viel schreibt, weil man Angst hat, der Leser versteht nicht, worauf man als Schreiber hinauswill, ich kenn das nur zu gut.
      Aber: Lass alles weg, was man weglassen kann. Unnötige Bilder, die nicht zum Rest des Textes passen, zu viele Umschreibungen oder eben auch zu große Umschreibungen. Schreib kleiner und guck, wie's auf dich wirkt. Und bedien dich nicht so viel Pathos'. :3
      Die Tipps hab' ich selbst auch schmerzlich selbst lernen müssen durch Acrobat Readers Hilfe.
      Und noch was: "Show don't tell" -- diesen Tipp gab mir einmal FoWo -- ist ein prima Prinzip, wenn auch sehr schwer umzusetzen.
      Aber dem kommt vielleicht der kurze Ausschnitt mit Lauren nahe, auf den ich im Zitat hingewiesen habe.

      Ich hoffe, das hilft dir bei weiteren Kapiteln. :)

      "Heirs of Miraika"
      Fantasy, Steampunk, LGBT+

      "Dreaming of Dawn"
      Fantasy, Psychological, Depression
    • My bad. Ich hätte die ersten Kaps, besonders das allererste, etwas gründlicher abstauben sollen...war echt noch viel Mist drin, den ich übersehen hab. Na ja, bevor du dir die Mühe machst, diesselben Fehler in den weiteren Kapiteln zu suchen, sag ich danke, werd den Rest auf diese Misstände untersuchen. War etwas schlampig, was Kapitel 1 und 2 betrifft, geb ich zu. Die waren in meinen Augen storymäßig noch passend, also hab ich sie kaum umgewandelt. Umso größer ist mein Dank für die Kritik.
      So, und jetzt das letzte Kapitel, das sich kaum verändert hat, anschließend ein zu 70% neues. Mein Stein des Anstosses sozusagen.



      Kapitel 7: Geisterhaus (Eins)


      Quinc saß auf einem schwarzen, ihm völlig unbekannten Ledersofa, dazu noch in einer fremden Wohnung. Zumindest war es ganz offensichtlich eine Wohnung. Eine sehr edle sogar. Groß, in mediterranem Stile und modernen Möbeln aus Holz. Er selbst war wohl im Wohnzimmer, denn vor ihm erstreckte sich ein Schrank mit einem großen LCD-Fernseher darin, den sich nur ausgesprochen erfolgreiche Unternehmer leisten könnten. Er war angeschaltet, bis auf einen technischen Schneesturm, der das allgemein Bekannte Flimmergeräusch von sich gab, war aber nichts zu sehen. Genauso wenig war außer seinem Atem und der Gerätschaft auch nichts zu hören.
      Rechts von ihm waren eine offene Einbauküche und das dazugehörige Esszimmer, links ein offenes Schlafzimmer. Doch hinter ihm, wenige Meter hinter dem Sofa, war noch etwas: Eine größere Tür, die ein deutlich erkennbares Schloss zwischen den pechschwarzen Flügeln aufwies. Die protzige, altertümliche und unpassende Wohnungstür vielleicht?
      Während er so herumhockte und sich umsah, musste er sich nicht nur die Frage stellen, wo er war und wie er hierhergekommen war, sondern auch, warum er sich nicht so fühlte, als würde er in der Behausung eines Bonzen mit vermischtem Einrichtungsgeschmack sitzen. Es kam ihm, trotz aller Unbekanntheit, dann doch vertraut vor. Es war wie ein seltsames, riesengroßes Dejavu. Das jedenfalls war die Beschreibung, die am besten zu seiner momentanen Lage passte.

      Der Blick des Jugendlichen fuhr ins Schlafzimmer. Denn da, genau in einer Linie mit der Couch, hing ein Ganzkörperspiegel. Er war zwar weit weg, aber er sah sich selbst in der Spiegelung…dachte er zumindest im ersten Moment. Aber da fiel Link auf, dass da eindeutig nicht er sitzen konnte. Die Person, die er selbst als Spiegelbild sein müsste, wie er dasitzt und sich selbst betrachtet, hatte keine aschblonden Haare. Er trug auch nicht das grüne T-Shirt, das er eindeutig an haben musste, wenn er nicht urplötzlich farbenblind geworden war. Das kurzärmlige Oberteil des Spiegelbilds war schwarz. Auch von einer Jeans war keine Spur, es war vielmehr eine dunkelviolette Cargohose. Doch es waren die Haare, die den auffälligsten Kontrast bildeten. Die Farbe war unnatürlich und stechend, ja tatsächlich kobaltblau. Mit was auch immer er gerade Blicke austauschte, es war nicht die Reflektion seiner selbst.
      Diese Erkenntnis schickte einen eiskalten Schauer durch seinen gesamten Körper. Unerklärliche, tief sitzende Angst überkam ihn. Aber wie bei jedem Menschen war das, was ihm das Fürchten lehrte auch etwas, das seine Neugierde auf unvergleichliche Weise reizte.
      Also stand er auf und ging langsam über den Fliesenboden, immer näher zu dem Schlafzimmerspiegel hin. Seine Schritte wurden immer kleiner und vorsichtiger, je näher er dem Raum kam, an dessen Wand sein Blickfänger hing. Immer deutlicher wurden kleine Details am Aussehen von Links Spiegelbild, das trotz der von ihm fremden Optik seine Bewegungen unverändert nachahmte. Wie auch immer sein Gesichtsausdruck wirklich aussah, so auffällig und dreckig grinsen wie dieses von ihm nur noch gut zehn Meter entfernte blauhaarige Etwas tat er ganz bestimmt nicht. Der Teenager wurde in seiner Angst langsamer und wagte kaum zu atmen.
      Gerade, als er dachte, das Gesicht dieses Jemands identifizieren zu können, sah er plötzlich nichts mehr. Er hörte jedoch deutlich etwas…es war ein Lied von einer ihm wohlbekannten, von ihm geradezu angebeteten Band…das Frauentrio von Die Krankenschwestern.

      Und da fand sich Quinc, frisch aus dem Schlaf gerissen, in seinem Bett wieder. Der Radiowecker untermalte mit fetzigen Gitarrenakkorden, scharfen Texten und progressivem Unterton die Müdigkeit, die er an diesem Samstagmorgen, noch dazu nach einem so abartigen Traum, verspürte.
      „Hab wohl vergessen, das Ding abzuschalten!“, dachte er, und schlug geradezu auf dem „Off“-Knopf. Ihm war jetzt schon klar, dass nach diesem Punkrock-Frontalangriff nichts mit Schlaf vergleichbares mehr für ihn drin war, also schloss er die Augen nur zur Hälfte. Er stellte verwundert fest, dass es draußen stockfinster war. Es hätte Mitternacht sein können.
      Als sich der Nebel der Schlaftrunkenheit in seinem Kopf legte, richtete sich der junge Mann vor Schock auf. Ihm war klar geworden, dass der Wecker ihn nicht den Morgen angekündigt hatte, es war immer noch Freitag. Der Radio war um 22 Uhr losgegangen, wie er beim Blick auf die Uhr feststellen konnte. Da machte es Klick in seinem Kopf.
      „Moment! Die Zeit läuft wieder?! Wo ist Gwen?! Ist das ein Verband an meiner Schulter?!“
      Sein Gedächtnis schaltete sich ein, und erinnerte ihn daran, was für ein heftiger Tag hinter ihm lag. Der Zeitstopp, die Flucht vor diesem Etwas und der Kampf, an dessen Ausgang sich jedoch keine Erinnerungen fanden. Und als er wieder an all diese verwirrenden Sachen denken durfte, ließ er sich seufzend zurückfallen und hielt sich den schmerzenden Kopf. Wie viel hätte er dafür gegeben, dass die Ereignisse dieses Nachmittags nur die Drogenhalluzination gewesen wären, für die er sie erst gehalten hatte. Tausende Fragen schwirrten laut wie eine Stadtbaustelle durch seinen Kopf, und ab und zu kam noch der Vorarbeiter namens Albtraumverarbeitung vorbei, um noch ein paar neue Bauarbeiter mitsamt Gerätschaften zum Erhöhen des Lärmpegels dazu zu stellen. Unerträglich war die Belastung und Beanspruchung seiner grauen Zellen.
      „Ich brauch ein Aspirin!“, wurde ihm klar, und der Oberschüler erhob sich eher schwerfällig und ein leichtes Zwicken im Rücken spürend aus seinem Bett.

      Es ging hinaus in den Gang, in dem noch Licht brannte. Offenbar war er nicht der einzige, der noch wach war. Kaum hatte er diese Feststellung gemacht rannte auch schon sein kleiner Bruder Alan entgegen. Seine blonden Haare sahen aus wie eine Löwenmähne und sein Fußballtrikot war voller Dreck und Grasflecken. Offenbar hatte der Elfjährige bis eben noch mit Freunden gekickert.
      „Hey, Link!“, meinte der Junge und sah mit seinen neugierigen blauen Augen zu seinem großen Bruder auf.
      „Grüß dich, Al…“, erwiderte dieser. „Kommst heute ja spät vom Fußball.“
      „Ja, nach dem Spiel haben wir selbst noch weitergemacht. Und dann waren wir beim Mike.“ Der Blick des Knaben verzog sich etwas. „Papa hat mir erzählt, du und Gwen wärt vor ein Auto gelaufen und hättet euch weh getan und der Autofahrer euch nach Hause gebracht hat. Ist das wahr?“
      Hörte der Siebzehnährige jetzt schlecht? Seine Familie dachte, er wäre einem Autounfall zum Opfer gefallen? Entweder war er wirklich die ganze Zeit high gewesen und all das war nur eine Halluzination oder Blind war ein verdammt guter Lügner. Es war wohl von letzterem auszugehen. Doch zumindest fiel ihm ein Stein vom Herzen, dass Gwendoline nichts weiter passiert war und es ihr offensichtlich gut ging.
      „Ja, stimmt, Gwen und ich wurden angefahren.“, log Quinc nach kurzem Überlegen. Was sollte er auch sonst tun? Seinen kleinen Bruder informieren, wie ein Killer-Reptil ihn ziemlich weit in Richtung Grube geschoben hatte, während ein Geisteskranker die Zeit angehalten und ihn in letzter Sekunde gerettet hatte, indem er ihm ein hübsches Schwert vor die Birne geschmissen hatte? So naiv war der Fünftklässler schon lange nicht mehr, die kranke Wahrheit war selbst ihm einen Hauch zu idiotisch.
      „Cool…“ Alan lächelte mit einer kindlichen Unschuld, so wie jeder Junge, dessen Bruder so ein ‚Draufgänger’ war.
      „Gar nicht cool!“ Ann kam in ihrem pinken Nachthemd die Treppe hinauf, um sich zu ihren Geschwistern zu gesellen. Sie stellte sich neben ihren jüngeren Bruder und durchbohrte ihn mit ihrem strengen Blick. Am liebsten hätte sie ihn wohl am Ohr gezogen, kam mit mahnendem Zeigefinger seinem Gesicht auch nah genug, es durchzuziehen. „Cool wäre es, wenn du Link seine verdiente Ruhe lässt und wenigstens gleich ins Bett gehst, wenn du schon so spät heim kommst. Sei froh, dass Mom nicht da ist!“
      „Ich will aber nicht ins Bett!“
      Eiskalt ignorierte sie ihn und wandte sich ihrem anderen Mitsprößling zu. Ihre Miene sprang von finster auf hell um wie durch einen Lichtschalter. „Ist alles okay mit dir?“, fragte sie ihn, während Al nur weiter rief, wie sehr er diesen Marschbefehl ins Reich des Schlafes verneinte.
      Er nickte. „Klar, mir fehlt weiter nichts. Mach dir keine Sorgen.“
      „Okay. Sag Bescheid, wenn du was brauchst.“ Auf diese Worte hin wurde sie fast schon angesprungen und schrie vor Schreck auf. Alan wollte offenbar endlich ihre Aufmerksamkeit zurück, um effektiver zu rebellieren. Das erreichte er spätestens dadurch, ihren Arm mit beiden der seinen zu packen und wie in ein schmackhaftes Würstchen hinein zu beißen.
      „Ich will nicht ins Bett, du Tussi, du! Nur weil du so früh ins Bett gehst, muss ich das noch lange nicht!“
      Dieser Verteidigungsversuch in Form einer teilweise wahren Behauptung führte dazu, dass die Drohung in Annabelles Gesicht wahr wurde. Sie griff sich Alans linkes Ohr und schleppte ihn wortlos ins Bad. Selbst durch die Tür, die das Mädchen lautstark zugeschlagen hatte, konnte man den Streit der beiden Wort für Wort hören.
      Link war wie immer eher peinlich berührt darüber, wie sehr sich die Gene seines Vaters in ihnen austobten. „Bin ich froh, dass ich nach Mama komme…“, dachte er im Stillen, um dann seinen Weg die Treppe hinunter fortzuführen. Immerhin war sein Kopf nach dieser Konversation, die wieder nur einige neue Fragen hervorzauberte, nicht leichter geworden.

      Seine Eltern waren, wie er zuvor schon indirekt durch seine Schwester erfahren hatte, nicht zu Hause. Im Erdgeschoss war es stockfinster. Also schaltete er erst einmal die gesamte Beleuchtung ein. Nachdem er das Medizinschränkchen im unteren Gang nach Aspirin durchforstet hatte und letztendlich fündig geworden war, ging es über das Ess- und Wohnzimmer in die Küche. Er füllte ein Glas mit Leitungswasser und warf die Pille hinein, zugleich öffnete er den Kühlschrank. Während diese sich lautstark prickelnd im Wasser auflöste, wanderte der junge Mann zurück ins Wohnzimmer. Er nahm auf der Couch Platz, stellte das Glas auf den Tisch und krallte sich die Fernbedienung. Wenn sein Kopf schon so brummte, sein Rücken schmerzte wie wenn man ihm eine Watsche auf einen Sonnenbrand gegeben hätte und sein Leben sich etliche neue Probleme eingefangen hatte wie ein Hund nervige Flöhe, musste er ausspannen. Er brauchte jetzt Erholung.
      „ Die gute alte Glotze wird mich hoffentlich jetzt nicht im Stich lassen…“
      Er wurde nicht enttäuscht. Ein spannender Actionfilm, den er vor ein paar Jahren im Kino gesehen hatte. Genau das richtige. Er trank das mittlerweile vollständig aufgelöste Aspirin mit einem Zug, unmittelbar darauf nahm er einen Schluck von der bereits geöffneten Limoflasche auf dem Tisch.
      Er saß einfach da und konzentrierte sich auf den Thriller, der den Namen „King of the Kill – Wege eines Mörders“ trug. Es entspannte ihn ungemein nach so viel Stress und Denkstoff. Sein gebratenes, fast verbranntes Gehirn war wie ins Gefrierfach gelegt. Der Regen, der gegen die Fenster prasselte trug seinen Teil zu der Gemütlichkeit bei. Es war einfach herrlich.

      Um halb Elf läutete es an der Tür. Link hätte beinahe einen Herzinfarkt von dem Glockenton bekommen, so vertieft war er doch eben noch in den Kampf zwischen der Kopfgeldjägerin und dem Agentenboss gewesen.
      „Hat Paps seine Haustürschlüssel verloren oder was?!“, dachte er, nachdem er den Schock verarbeitet hatte und sich doch sehr fragen musste, wer zur Hölle jetzt noch bei ihnen klingelte. Wenn es ein Klingelstreich wäre, wären seine Nerven so blank gelegen, dass er die Inneneinrichtung seines Vaters restlos vernichtet hätte. Unter zwickenden Rückenschmerzen stand er auf und stampfte zur Tür. Er hoffte, keine schwarze Echse auf zwei Beinen anzutreffen, die ihn töten wollte.
      Noch bevor er die teilweise durchsichtige Haustür aus weißgestrichenem Holz öffnete, konnte er erkennen, wer da geklingelt hatte und dass seine Erwartungen zum Glück nicht erfüllt worden waren. Diejenige, die jetzt vor ihm mit einem rosa-weiß-gestreiftem Regenschirm in der Hand stand, war eine ziemlich ausgelaugt wirkende Gwendoline. Ihr bauchfreies, gelbes Top ließ deutlich erkennen, dass auch sie einen Verband trug, ihr Gesicht wurde anstatt von der üblichen Wärme nur von Missmut und offensichtlicher Überlastung geprägt. Abschürfungen an ihren Knien und ihrer Wange zeugten vom Angriff des Monsters am heutigen Nachmittag. Eindeutig zeichneten sich an ihnen dieselben Symptome ab, doch in ihrem Fall war es auf den ersten Blick zu erkennen. Überdeutlich sogar. Dieser Anblick, so froh er auch war, seine beste Freundin gesund und munter zu sehen, machte ihn irgendwie fertig. Die heutigen Ereignisse spiegelten sich in ihrem stillen, steifen Blickkontakt wider.
      „H-…Hey…“, war das einzige, was er ihr nach Sekunden des Überlegens, was jetzt passen könnte, zu sagen hatte.
      Ihre Reaktion darauf überraschte ihn noch mehr wie ihr Kommen: Die Goronin warf ihren Regenschirm geradezu auf den Boden und fiel ihm um den Hals. Der Schmerz, den sie ihm dabei zufügte, weil sie doch direkt auf seine verbundene Wunde am Rücken presste, interessierte ihn nicht.
      „Quinc! Es geht dir gut! Ich hatte solche Angst!“ Ihre verzweifelte Stimme war wie gebrandmarkt von einer Tatsache, die der Siebzehnährige noch nie erlebt hatte, nämlich dass seine taffe, hitzige Nachbarin weinte. „Ich hatte solche Angst…um dich!“, wiederholte sie kleinlaut.
      Vorsichtig legte er seine Arme auch um sie, bedacht darauf, ihr nicht weh zu tun, wo sie doch mehr abbekommen hatte als er.
      „Ich auch…“, flüsterte der junge Mann, mitgerissen von einer Flut an Gefühlen, die sich über ihn ergoss wie der Regen auf die Straße. „Ich hatte auch Angst um dich…“
      Er wollte die Umarmung lösen und ließ die Arme sinken, doch sie hielt ihn weiter fest, nachdem sie doch recht lange nur so dagestanden waren.
      „Was ist nur los? Was ist mit uns passiert?“, wollte sie, noch immer leicht schluchzend von ihrem Freund wissen. Jetzt löste auch sie sich von ihm und sah ihn wieder so leer an wie vorhin, nur dieses Mal mit winzigen Tränen in den Augen, die sie sich geschwind wegwischte.
      „Komm rein, Gwen…reden wir drinnen.“, schlug er vor.


      Ende Kapitel 7




      Kapitel 8: Quark


      Link kam mit zwei Tassen Kaffee, der eine schwarz und der andere milchig braun, ins Wohnzimmer zurück, wo Gwendoline auf der Couch saß. Sie versuchte offenbar, aus dem alten Gruselfilm, der im Fernsehen lief, Unterhaltung zu filtern. Ihr Gesicht verriet ihm bereits von weitem, dass es nicht so recht gelang. Er stellte die Tassen auf den Tisch vor dem Sofa und setzte sich neben seine Freundin. In diesem Moment schaltete die Digitaluhr des Receivers auf 23:00 um.
      „Danke…“, meinte sie leise, ihren pechschwarzen Koffeindrink sogleich in beide Hände nehmend, um davon zu nippen.
      „Soll ich die Glotze ausmachen?“, fragte der junge Mann, dem diese tanzenden Skelette auf der Matschscheibe, die plötzlich den Thriller ersetzt hatten, ebenso wenig zusagten.
      „Ja, um die Uhrzeit läuft eh nie was am Freitag. Und ich will eh…mit dir reden, wie gesagt.“, antwortete sie stockend und eher unsicher, die bereits halbwegs geleerte Tasse absetzend. Ihre Hand zitterte nicht unauffällig, genau wie der Rest ihres Körpers „Es ist…so viel passiert. So viel, das ich nicht verstehe…das mir…“
      „…das dir Angst macht? Mir geht es genau so.“ Quinc war klar gewesen, worauf sie hinaus wollte. Er wurde mit diesem Stand der Dinge genauso wenig fertig, und so war es offensichtlich, dass sie ihre Gedanken in dieser Hinsicht ausnahmsweise teilten.
      „Ja…ja, genau…“, bestätigte die Goronin, ihren Kopf senkend die Arme verschränkend.. „Es macht mich alles so fertig…ich versteh gar nichts mehr!“ Ihr stieg vor Verzweiflung der Zorn in die Stimme.
      Spätestens jetzt konnte er feststellen, dass es ihr noch mehr zu schaffen machte als ihm.
      Sie seufzte schwer, und er wusste bei Leibe nicht, was er sagen könnte oder sollte. Die tickende Wanduhr und der Regenschauer, der sich allmählich in ein donnerndes, grollendes Gewitter verwandelte, waren so ziemlich das einzige, was die völlige Stille zwischen ihnen störte. Es war schrecklich unangenehm. Quinc fühlte sich wieder so mies wie in dem Moment, als er vor einer guten Stunde realisieren musste, dass sein Leben sich um 90 Grad gedreht hatte, in eine Richtung, die er lieber nicht eingeschlagen hätte. Ratlosigkeit, Verzweiflung und Furcht waren in einen Mixer geworfen und dieser zermürbende Brei in eine Schüssel gefüllt worden, die leider sein Kopf war. Und bei seiner Freundin war die Schüssel wohl schon längst übergegangen.
      „Ich genauso wenig…“, fing er leise an. „Ich versteh auch nichts.“
      Ein Blitz durchzuckte in diesem Moment den Himmel und der Donner folgte ihm wie in gewohnter Manier.

      „Ihr versteht’s also nicht?“, hinterfragte eine Stimme. Sowohl Link als auch Gwen zuckten zusammen. Es war ganz offensichtlich aus der Küche gekommen, das Klimpern von Geschirr hallte bis zu ihnen und übertönte den Sturm und den wandernden Sekundenzeiger. Schritte waren zu hören, und die Vermutung des jungen Quincers, wer hier Hausfriedensbruch begangen haben könnte, wurden bestätigt, als Blind ins Wohnzimmer schritt. Die zwei Jugendlichen zogen undefinierbare Grimassen der Fassungslosigkeit bei seinem Anblick.
      Er hielt ein Teller, auf dem ein mit Käse und Salat belegtes Brötchen thronte. Über seinem schelmischem Lächeln und dem auffälligen Riechorgan saß eine spiegelnde Pornobrille mit roten Bügeln. Sein Outfit war exotischer als das, mit dem Quinc ihn heute und gestern angetroffen hatte: Ein weißes offenes Jackett, darunter ein rosa Hemd, schicklich in die graue Hose gestopft. Der Gürtel und die dünne Krawatte waren beide weiß, ersterer hatte dazu noch rosa Punkte. Stiefel und Handschuhe waren unverändert schwarz und aus Leder. Eine groteske Kombination. Der schwarze, längliche Koffer in seiner Linken fiel bei dabei kaum noch ins Auge. Dieser Mann war ein einzigartiger Haufen an Exentrik.
      „Wenn ihr so ratlos seit…“ Er legte den Kopf schief und hob seine Flammen von Augenbrauen. „…darf ich euch doch bestimmt aufklären, oder?“
      Quinc sprang auf, während Gwen nur unglaublich perplex in die Richtung des Karottenschopfes starrte. „Was soll denn das jetzt wieder?!“, brüllte er.
      „Was soll was…?“ Blind blickte den Burschen einige Sekunden an. Seinem Gesichtsausdruck konnte dieser entnehmen, dass er nicht so recht begriff, warum er von ihm so angebrüllt wurde. Dann sah er nach unten auf den Teller in seiner Hand und lächelte, als wäre ihm das Licht aufgegangen. „Ach so! Das Sandwich! Ich dachte, wenn ich schon hier bin, nehm’ ich mir was, hatte heute noch nicht viel Gelegenheit zum Futtern. Sorry, dass ich nicht gefragt habe. Aber sei beruhigt, ich hab gesehen, dass der Ziegenkäse noch zu war, ich hab ihn nicht aufgemacht, sondern stattdessen den Hochland. So was wird ja immerhin schnell schlecht…“
      Diese Ansprache über Käse hatte Links Gedankengänge endgültig blockiert. Dieser Mann hatte ganz offensichtlich ein Problem. Ein Problem von solchem Maß, dass es ihm für einen Augenblick komplett die Sprache verschlug.
      „E-es geht nicht um das gottverdammte Sandwich!“, kam schließlich zeitgleich aus seinem und Gwendolines Mündern, begleitet von Spucke im Falle der jungen Frau.
      „Ganz ruhig!“, forderte Blind unbekümmert und biss von seinem Brötchen ab. „Ich wollte nur höflich sein…“
      „Höflich?!“, entfuhr es der Goronin, die mittlerweile auch aufgestanden war. „Nennen Sie das höflich, in die Häuser anderer Menschen einzubrechen?!“
      „Och, sei doch nicht so, Gwendoline! Zudem ist es euch doch sicher ganz recht, wenn ich hier bin…“, argumentierte der Sonnenbrillenträger, seine Stimme wurde ernster. „…wollt ihr doch wissen, was los ist, oder? Ich bin nicht hier, um Brötchen zu essen…ich bin hier, weil ich euch Antworten schuldig bin.“
      „Antworten?“ Quinc sah dem Mann neugierig aber auch skeptisch in die Pornobrillengläser. „Das hätten wir jetzt in der Tat recht gerne…“
      Gwen nickte, mit einer Mine, die der ihres Klassenkollegen nicht unähnlich war. „Ja, ich hätte verdammt gerne gewusst, was hier vorgeht…legen Sie los.“
      Zwar war dieser verrückte Anzugträger gegen jede Logik plötzlich in Links Haus aufgetaucht, sagte unglaublich kryptische Sachen und war mit Sicherheit nicht gerade die beste Gesellschaft, aber den beiden Teenagern war es jetzt wichtiger, die Antworten zu bekommen, die er versprach. In ihrem Stress und ihrer Ratlosigkeit hatten sie jedes Misstrauen fürs erste über Bord geworfen.

      Blind wanderte den Rest des Wohnzimmers zu ihnen ab und setzte sich ihnen Gegenüber auf das Sofa. „Ihr setzt euch besser auch wieder hin."
      Wie aufs Wort nahm Link Platz. Zögernd tat seine Nachbarin es ihm gleich. Sie musste sich ganz offensichtlich dazu zwingen, jetzt still zu sein und diesem Mann, der ihnen Probleme über Probleme bereitet hatte, zu lauschen. Doch ihr war es genau wie ihm bewusst: Wenn jemand den Knoten, der ihre Gemüter würgte, lösen könnte, war es derjenige, der ihn wohl noch selbst, zumindest teilweise, gebunden hatte.
      Doch noch ließ sie Blind warten. Er as noch genüsslich den Rest seines belegten Brötchens – befremdlicherweise ohne dabei die Handschuhe abzulegen. Erst, als der letzte Bissen hinuntergeschluckt war, setzte er an.
      „Was wisst ihr über die Geschichte Hyrules?“
      Quinc war nun etwas verwundert über diese Frage. Zuerst wusste er gar nicht, wie er diese aufnehmen sollte. Immerhin hatte man ihm Antworten versprochen. Was das alles jetzt mit der Hostorie seines Heimatlandes zu tun hatte, verwirrte in noch mehr. Doch es war Gwen, die seine Gedanken in Worte fasste, wenn auch auf ihre sehr spezielle Weise.
      „Bitte was?“ Sie zog eine nur zu typische Grimasse. „Was is’n das jetzt? Geschichststunde, oder wie?“
      Diese Reaktion ließ den Mann kichern. „Nein, keine Angst! Das was ich euch zwei zu erzählen hab, hat wenig mit Unterricht zu tun! Was ihr da lernt, ist unwichtig. Ich habe mir schon gedacht, dass ihr nichts über das ‚alte’ Hyrule wisst.“
      Bei der Phrase ‚altes Hyrule’ klingelte es wohl nicht nur bei Link. Seine längst verstorbene Großmutter hatte ihm als er noch ein Knirps gewesen war, oft Gute Nacht-Geschichten erzählt. Märchen. Und oft spielten diese in eben jenem ‚alten’ Hyrule, vor langer, langer Zeit. Jeder Mensch, der eine Kindheit hatte, konnte auch mit diesem Begriff etwas anfangen. Gerade deshalb blickten die beiden etwas betreten und ungläubig drein.
      Das blieb nicht unbemerkt. „Ich sehe schon, ihr wisst, auf was ich anspiele.“
      „Ja ha, auf das Buch, das mir Papa viel zu oft vorgelesen hat!“ Erneut ergriff die Goronin das Wort. Mit eher abfälligem Ton machte sie darauf Aufmerksam, lächerlich dieser Ansatz jetzt schon war und verschränkte dabei die Arme.
      Ihr Schulfreund hingegen nickte nur, obwohl er es als genau so abwegig empfand. „Jap. Wer kennt das nicht?“
      „Gut, gut!“, meinte Blind darauf. „Dann muss ich ja nicht so weit ausholen, wie ich dachte! Nun…“
      „Moment.“ Jetzt war es Link, der seiner Unsicherheit darüber, ob dieses bisherige Geschwafel auch wirklich wichtig war, Ausdruck verleihen wollte. Das ganze machte ihn doch etwas stutzig, ob das zu einem Ergebnis führen würde. „Was hat jetzt plötzlich ein Märchenland mit Geschichte zu tun? Und das mit einem Monster, das uns zerfleischen will?!“ Tatsächlich war er mittlerweile ungeduldig geworden, und dementsprechend geladen.
      Gwendoline verstärkte den Wunsch, dass man endlich zur Pointe kommen sollte, mit einem einfachen: „Aber echt! Ich check gar nix!“
      Direkt befremdlich war es, als sich darauf das bisher eiserne Lächeln Blinds geradezu einfror. „Ich bin noch nicht fertig. Also lasst mich erzählen. Ich habe doch gesagt, dass es eine längere Geschichte wird. Ihr wollt Antworten, oder? Dann hört auch zu. Okay?“
      Die Jugendlichen schwiegen. Das eiskalte, emotionslose Gesicht, gepaart mit ebenso kühl gehaltenen Worten, hatte sie mundtot gemacht. Spätestens jetzt war ihm der rothaarige Kerl mehr als unheimlich. Gerade im Moment fast schon zum fürchten.
      „Das werte ich als ein Ja.“ Und schon kehrte das Grinsen in Blinds Gesicht zurück. „Wo war ich stehengeblieben…“ Er überlegte kurz und fuhr sich mit der Hand über sein Kinn. „Ah ja, das alte Hyrule. Märchen und so weiter. Kennt ihr ja. Tatsache ist, dass diese Kindergeschichten auf ziemlich alten Legenden beruhen. Das wisst ihr wohl auch. Aber des Weiteren ist Tatsache, dass jene Legenden wiederum auf historischen Ereignissen beruhen. Zum Teil, zumindest. Ihr kennt ja so Geschichten über Maidenraubende Monster, magische Schwerter und solche Sachen. Humbug für manche, Wahrheit für die, die es besser wissen. Und jetzt sind wir bei euch beiden.“
      Wieder waren die Ausführungen des Anzugträgers an einem Punkt angelangt, der so dermaßen lächerlich klang, dass der Siebzehnjährige nicht wusste, ob er lachen oder Fremdscham empfinden sollte. Doch er blieb still. Die erste Gegenreaktion auf Unterbrechungen, hatte ihm gereicht. Er und Gwen wechselten nur kurz Blicke der Ratlosigkeit aus, ließen ihren Gegenüber aber weiterreden.
      „Um auf den Nenner zu kommen: Ihr zwei steckt ganz tief drin in der Wahrheit, die zwischen den Zeilen solcher Mythen steht.“
      Plötzlich waren die Zwölftklässler ganz Ohr. Es wurde immer unglaublicher, abgedroschener, aber nichts desto trotz interessanter, wenn auch auf andere Weise, als sie es sich vorgestellt hätten.
      „Ihr seit etwas Besonderes. Ihr habt etwas, was andere nicht haben. Und deshalb wurdet ihr angegriffen. Erst im Sportunterricht eure Freundin Zelda…“
      „W-was?!“ fiel ihm Link ins Wort, Gwendolines Kinn klappte nach unten. Selbst über den Vorfall mit Zelly schien er Bescheid zu wissen. „Woher weißt du von dem Unfall?“
      „Welcher Unfall?“ warf Blind zurück. „Der Angriff auf Zelda Wallace war so manches, aber der einzige Unfall dabei war, dass sie überlebt hat.“
      „Also wurde sie etwa auch von so einem Ding getacklet?“, wollte Gwendoline wissen, den Zusammenhang nicht so recht begreifend. Sie war nicht annähernd so schockiert über Blinds Aussage, wie Link es war. Dieser war zu perplex, um zu reden.
      „In der Tat. Ich sagte doch, ihr seit etwas Besonderes. Nicht nur ihr zwei, auch sie. Und diese Ungeheuer haben solche speziellen Fälle euch zum Fressen gern.“ Nun griff er zu dem Koffer, den er zuvor neben sich am Boden platziert hatte und begann ihn zu öffnen. „Und damit ihr gar nicht erst ernsthaft Gefahr lauft, im Rachen von solchen Ungetümern zu landen, habe ich etwas für dich, Link.“
      Der Angesprochene horchte auf und war sehr überrascht, was ihm aus dem Koffer gereicht wurde. Es war ein Schwert. Eben jenes, das er heute benutzt hatte, um der aussichtslosen Situation in der Fußgängerzone Herr zu werden. Blind platzierte es vorsichtig auf dem Tisch.
      „Was’n das?“ Nicht minder überrascht, doch dazu noch sehr verstört über dieses Geschenk, zog Gwen ein ungläubiges Gesicht.
      „Mit dieser Waffe hat der gute Herr Quincer gestern dein und sein eigenes Leben gerettet.“ kam als mit einem Kichern untermalte Antwort. Der Rotschopf schien Amüsement in den verdutzen Minen zu finden. "Hoffen wir, dass es euch bei zukünftigen Angriffen dieser Art gute Dienste leistet."
      Noch während die beiden Teenager die Waffe musterten, richtete er sich auf. „Nun, das soll für heute alles gewesen sein. Viel Glück, ihr könnt es brauchen. Ich empfehle mich.“
      Diese Aussage riß die zwei aus ihren Gedanken.
      „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz, Alter!“, meinte die Goronin zornig, als Blind sich schon Richtung Tür begab. „Ich dachte, wir kriegen Antworten!“
      „Die kriegt ihr bald genug. Gute Nacht!“ Er winkte ihnen zum Abschied und wollte den Türgriff niederdrücken, als Quincs ihn beim Kragen und auf gröbste Weise um Hundertachtzig Grad zurückdrehten.
      „Hiergeblieben!“, befahl er. So aufgebracht hatten weder seine Freundin noch er selbst sich erlebt. „Du erzählst uns jede Menge Dreck ohne Sinn, haust mir ein verficktes Schrottschwert auf den Tisch und dann willst du abhauen?! Du hast gesagt, du erklärst uns diesen Scheiß hier!“
      In dem Augenblick, als das Gebrüll des Teenagers verhallte, umklammerte die in Leder gehüllte Hand Blinds die seine. Ohne sichtliche Anstrengung, dafür mit umso überraschenderer Kraft riss er sich los.
      „Leg mir keine Worte in den Mund. Ich bin gekommen, um euch zu erklären, was ihr zu erwarten habt. Nicht mehr und nicht weniger.“ Die Worte wirkten wie eine Drohung. „Um euch die Regeln unserer Welt zu erklären, reicht meine Zeit nicht aus. Und alles, was ich zu erzählen hätte, würdest du ohnehin nicht glauben! Gute Nacht.“
      Ohne weitere Umstände eilte der Mann zum Flur hinaus und ließ die zwei ratlos zurück. Wenige Momente später fiel die Haustür ins Schloss.

      Ende Kapitel 8

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    • RE: Infantiles Heldentum oder "Scheiße, ich muss die Welt retten"

      He's back. Again. Zum zwanzigtausendsten Mal xD
      Ne Scherz beiseite, mittlerweile kenn ich dich (bzw. deine Produktivität) gut genug, um zu wissen, wie gern du wieder von vorne anfängst, weil dir dies oder jenes nicht gefällt. Ich hab dir schon meine Meinung dazu gesagt, aber was solls, auf ein Neues.

      Zum Ersten: Obwohl ich diese Kapitel schon kenne (in Grundzügen), war es trotzdem sehr unterhaltsam. Greif dies mal als Lob auf. Aber ich schließe mich bereth an: im ersten Kapitel haust du zu viel mit Gleichnissen um dich, der Anfang wirkt erschreckend bunt und verrückt, dass es viele Leser abschrecken könnte. Aber es wird besser! Je länger man liest, von Kapitel zu Kapitel merkrt man, dass die schrille Einleitung den Leser in eine sehr stimmungsvolle Storyline hineinleitet. Die Charaktere sind stilvoll, die Beschreibungen markant/witzig und unterhaltsam, der Spannungsbogen (ich nenn ihn mal so) baut sich langsam aber sicher auf, ohne sich in Details zu verlieren (ausgenommen vllt die ersten beiden Kapitel, aber als Einleitung ist das vllt akzeptierbar) oder zu schnell voranzuschreiten. Informationen, Alltagsgespräche und Aktionszenen sind gut abgepasst und insgesamt ist das ein gutes Etwas, was da schon mal steht.
      ALSO NICHT WIEDER VON VORNE ANFANGEN.
      Das zu meinem ersten Statement.
      Jetzt zum Detail:

      Kleingeplänkel

      1.) Ganz zu schweigen von seinem Holzkatana, das an der Wand neben der Tür hing.
      2.) mithilfe des Spalts an der Außenseite zu öffnen
      3.) die seinen recht durchtrainierten Körper überzog, den er im Bad gerne noch länger bewundert hätte.
      4.) für ihn mehr war als eine Schulfreundin war.
      5.) kurz „TUL“.
      6.)Natürlich fiel das seinem Vater sofort ins Auge und zog eine perplexe Grimasse.
      7.)behauptete er.
      8.)Zurückverweisen im Sinne von mit aller Gewalt, *die seine Armmuskulatur hergab*, gegen den Dickschädel seines Vaters preschend.
      9.)wo Gwens Familie sesshaft war, am steinernen Wall, der ihren Gartenzaun darstellte, wartete.
      10.)Vorgeplante Wohngrundstücke eben.
      11.)Lachte sie spöttisch. /Meinte er beleidigt
      12.)die Maßen
      13.)Sie badete mittlerweile in den Blicken einiger Dreizehntklässler, die nicht weit entfernt Kaffee tranken, und ihren Haus- und Banknachbarn dazu brachten, sich wider philosophische Fragen zu stellen.
      14.) Jetzt mach nicht aus `ner Mücke `nen Dodongo
      15.) Heilige Mistgeburt!
      16.) Zelly tat ihm sehr Leid.
      17.) Er konnte wieder einigermaßen gut sehen, was zwischen zwei Radien von Laternenlichtern war, was allein schon reichte, um seinen Puls zu senken.
      18.) Oberschüler
      19) Dieses Mal jedoch war es kein Wort der drei Anwesenden, die sie störte… das dumpfe Geräusch, mit dem Gwen mehrere Meter nach vorne geschleudert wurde, in der Luft und im Gras eine Spur von Bluttropfen hinterließ und am Boden aufprallte.
      20.) ...war das einzige, was er ihr nach Sekunden des Überlegens, was jetzt passen könnte, zu sagen hatte.
      21.)Tatsächlich war er mittlerweile ungeduldig geworden, und dementsprechend geladen.
      22.) den Knoten, der ihre Gemüter würgte


      [Bemerkung: es sind keine Fehler als solche; viel mehr Musterbeispiele, wie du deinen Stil im allgemeinen verbessern kannst.]
      1) Stiltechnisch kann man sagen, dass du dich oft verrenst. Du hast wunderbar exotische Ideen, um dich auszudrücken - aber ganz oft haust du daneben. Wie bereth ja sagte; manchmal passts einfach nicht: wie hier, du fängst an, etwas genauer zu erfassen und hörst auf, bevor du etwas treffendes ausgesagt hast. Satz Nr. 1 ist ein Beispiel für eine Reihe von Sätzen die man weglassen kann, weil sie den Leser unnötig aufmerksam machen.
      2.) sich vorzustellen,wie der Knirps das genau anstellt, überlässt man dem Leser! Solche Details sind einfach unnötig und stören den Lesefluß.
      3.) verschachtelte Nebensätze. Die Hast du in den ersten Kapiteln besonders gern benutzt. Hat sich dannn verbessert. FINGER WEG! Zu viele Relativsätze sind wie Schnappatmung für den Leser, bei jeder neuer Nebensatz ist wie ein Stich in mein armes Herz. Später gut gelöst: Hauptsätze mit Kommas aneinander zu reihen ist nicht nur GUT, sondern erwünschenswert. Das macht Texte fließend. Man sollte es allerdings nicht übertreiben.
      4.) ein war zu viel ;)
      5). ganz ehrlich, wie oft wirst du diese Abkürzung in den Mund nehmen? Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendjemand diese Abkürzung in den Mund nimmt??? Paah. Weg damit!
      6.) Der Satzbau ist durcheinandergeraten. Was zieht denn eine perplexe Grimasse - dass ES oder der Vater?
      7.) dasselbe wie punkt 11.). Manchmal sind diese Inquit-Formeln (sagte, meinte - häßliche kleine "Nebensätze") bei dir unpassend, überflüssig oder einfach störend. Man braucht sie nur der Übersicht halber und nicht, um noch ein zusätzlichen Nebensatz/exotische Namensgebungen und/oder Adejektive reinzuhauen. heißt nicht, dass du sie weglassen musst oder dass sie immer unzutreffend bei dir sind, aber überleg dir jetzt jedemal, ob du sie wirklich brauchst.
      8.)*unnötiger Nebensatz (relativsätze sind nicht immer aber meistens häßlich)
      9.) Zu viele Kommas *würg* den will ich ja gar net lesen, den Satz
      10.) Hat sich erledigt.
      11.) siehe 7.)
      12.)die Massen ;)
      13.) was für philosophische Fragen? wenn du sie schon nennst, will ich auch wissen, was sie sich fragen (vgl. nr. 1.))
      14.)Diese Aussage find ich fantatstisch! Wollte ich nur gesagt haben. Unterstreicht nur noch den sehr stimmungsvollen (hylianischen) HIntergrund
      15.) Das trifft wiederrum schlecht. Missgeburt? Da meint er hoffentlich nicht Zelda! Das denkt man nämlich als Leser
      16.)Wieder unglücklich formuliert. Wenn jmd einem Leid tut, dann weil jmd anderes Person A (zB emotional) verletzt hat. In deinem Fall macht Link sich über Zelda nur Sorgen, oder?
      17.) Relativsätze :argh:
      18.) Heißt das nicht Oberstufenschüler? Ich hab keine Ahnung...
      19.) fehlt da ein "sondern" oder vergleichbares? Als Leser wartet man drauf und es kommt nichts. außerdem ist dein relativsatz falsch. das müsste "das sie störte" heißen.
      20.) :argh: ...Ich sag nichts. Villeicht kommst du selbst drauf.
      21.) Am Satz stört mich nichts. Nur am ganzen Kapitel. Beim Lesen wird man nämlich auch ziemlich ungeduldig, weil mit viel PAMPAM, ncihts rauskommt . wie die beiden Jugendlichen sich am Ende zu Recht beschweren - Blind hätte sich seinen Besuch genauso gut sparen können. Du musst Link & Gwens Einwürfe beschränken, sooft die ihn unterbrechen, kann der ja nicht zum Punkt kommen. Das ist qualvolle In-die-Länge-Zieherei und bringt weder deinen Charas noch den Leser weiter. Lass Blind einfach die alte Hyrule Geschichte mehr ausführen, dann hat dieses Kapitel auch eine Existenzbereichtigung. Sonst ist die "lange Geschichte", die er zu erzählen hat, nur ein mickriger Absatz -.-
      22.) Das find ich so geil! Ehrlich mal, dass ist richtig geil. Ist zwar ein Relativsatz, aber die Wortkombination triffts einfach auf den Punkt. Danke, Gott!


      So Ausführungen zum Puncto Satzwahl: Ich hab mal ein schlaues Stilbuch darüber gelesen, in dem steht (nicht wortwörtlich): Nebensätze sind scheiße. Sie verknoten unsere Gedankenzungen, füllen Sätze prunkvoll auf, ohne zum Punkt zu kommen und liegen danach noch schwer im Magen. Verschachtelte Sätze also, sollte man vermeiden. Kleine Sätzchen mit vier Worten zur näheren Beschreibung - in Ordnung, ebenfalls gelegentliche, kausale Verbindungen wie weil und dadurch. Aber viel schöner sind sind zB Partizipe (weinend, sehend usw...) oder einfach nur Hauptsätze, die mit einem Komma verbunden sind - was du in den letzten Kapiteln auch durchgesetzt hast.


      Jetzt hab ich aber nicht mehr viel zu sagen; nur viel Spaß und Glück/Motivation bei der Weiterarbeit!
      LG
      Nayleen

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      A brief candle; both ends burning
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      We are all a part of everything
      The future, present and the past
      Fly on, proud bird
      You're free at last.
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    • Kapitel 9: Schunder

      „Um 10: 31 Uhr bewegt sich der Dodongo vom Nistplatz zur Futterstelle.“, schrieb Link auf seinen Block. Schon nach einer geschlagenen halben Stunde hatte ihn die Lust daran verlassen, die Reptilien zu beobachten. Und zeitgleich auch noch ein Protokoll darüber verfassen zu müssen, verhagelte ihm endgültig die Freude Ausflug.
      „Gott, sind die Viecher öde.“, meinte Gwen, die direkt neben ihm Stellung bezogen hatte.
      Quinc schielte auf ihre Notizen. Wenig überrascht stellte er fest, dass sie noch keinen Satz zu Papier gebracht hatte. „Deiner ist noch fauler als meiner.“, schlussfolgerte er.
      „Der ist ja auch so fett!“ Die Goronin verwies auf einen recht odipös wirkenden Dodongo, der am Rand des Geheges schlief. „Der käme nicht mal hoch, selbst wenn er’s wollte.“
      „Du wolltest doch den dicken Brummer beobachten. Keiner hat ihn dir aufgezwungen.“ Lauren musste nicht einmal den Stift absetzen, um seinen Senf dazuzugeben.
      „Schon klar, du hast ja auch den aufgedrehten Rudelführer abgegriffen!“, verteidigte sie sich und ihre mehr als mäßigen Aufzeichnungen. „ Wenn mein Dodongo sich kreuz und quer durch den halben Zoo poppen würde, hätte ich auch viel zum aufschreiben!“
      „Du bist doch nur eifersüchtig, weil genau das Vieh zu dir gepasst hätte…“
      „Du verdammter Schnösel! Ich mach dich platt!“
      Auf dieses Geplänkel hatte Link nun wirklich keine Lust. Wissend, wo er sich wohler fühlen würde, steuerte er auf Zelly zu.
      „Und, wie läuft’s zwischen den Fronten?“, wollte sie wissen, ihn mit einem kurzen Lächeln begrüßend.
      „Wie immer. Im Moment will Gwen Lauren zu den Dodongos ins Gehege werfen, oder so.“ Der Bursche zuckte mit den Schultern. „Kennst sie ja.“
      „Komische Drohung. Sind ja immerhin ziemlich lässige Viecher, diese Dodongos.“
      „Zu lässig für meinen Geschmack. Mali hat sicher mehr Spaß.“
      „Harthüte sind auch nicht gerade interessant.“, erwiderte die Klassensprecherin. „Ich denke, ob die Viecher nur rumliegen oder nur rumsausen macht wenig Unterschied.“ Sich eine Zigarette in den Mund steckend, bot sie auch ihm wortlos eine solche an.
      „Danke, grade nicht.“
      „Bist du dir sicher?“ Ungläubig hielt sie ihm nach wie vor den Glimmstängel unter die Nase. „Siehst alles andere als fit aus.“
      Die junge Frau hatte ihn, wie so oft, sofort durchschaut. Noch immer nagten die Ereignisse der vergangenen Woche an ihm. Am Wochenende war er bemüht gewesen, sich all dies zu erklären. Dass er nach wie vor daran scheiterte, wunderte ihn letztlich weniger. Und der Verband an Zeldas Wade war wenig hilfreich dabei, diese ganze Geschichte für einen Moment zu vergessen.
      „Wie geht’s dem Bein?“, fragte er, um das Angebot dann doch entgegenzunehmen.
      „Ach, halb so wild.“, meinte die und nahm einen bedenklich intensiven Zug.
      „Echt jetzt? Du bist doch erst gestern aus dem Krankenhaus raus.“ Im Gegensatz zu seiner Kumpanin war sein Rauchverhalten mehr als harmlos. „Ich wäre an deiner Stelle zu Hause geblieb-“
      Noch bevor Quinc die Gelegenheit hatte, auszureden, unterbrach Zelly ihn. , „Okay, das reicht, Schluss mit dem Smalltalk.“
      Das Mädchen wirkte mit ihrer nichtssagenden Mimik immer recht distanziert. Doch jetzt durchbohrte sie ihn mit ihrem Blick. Verstört starrte der Bursche zurück.
      „Er war Freitagabend im Krankenhaus. Und bei dir war er sicher auch.“ Sie zog ein letztes Mal an, bevor sie ihre Zigarette wegschnippte.
      „Wer?“, fragte er. Sehr wohl Verdacht schöpfend, schien ihm dieser Verdacht jedoch lächerlich.
      „Der Kerl mit dem Anzug und den roten Haaren.“
      Dem Teenager traten vor Erstaunen fast die Augen aus den Höhlen.

      Nicht weit weg beobachtete Gwendoline weiter den trägen Dodongo. Dieser hatte sich mittlerweile aufgerichtet und war einige Meter geschritten, um dann stehen zu bleiben. Seither starrte das Tier auf den künstlich angelegten Rasen unter sich.
      „10:46: Der Fettsack schaut dem Gras beim wachsen zu.“, notierte die Goronin und musste dabei ein lautes Lachen unterdrücken. Noch schwieriger wurde es, als nach und nach immer mehr der Echsen sich zu ihrem kugelrunden Artgenossen gesellten. Kichernd schrieb sie weiter: „10:47: Die feiste Echse guckt mit ihren dünneren Kollegen weiter dumm auf den Boden.“
      Ein weiteres Lachen blieb ihr im Hals stecken, als die Erde vor dem dicken Dodongo leicht aufbrach. Reflexartig machten sowohl das Mädchen als auch die Tiere einen schnellen Schritt nach hinten. Die Hand vor den Mund haltend begab sich Gwen näher zum Geländer, um das Geschehen besser beobachten zu können. Der Riss wurde größer. Auch schabende Geräusche und ein tiefes Grollen waren zu hören.
      Natürlich waren auch die anderen Schüler auf dieses Phänomen aufmerksam geworden. Es dauerte nicht lange, bis die halbe 12. Jahrgangsstufe um das Gehege versammelt hatte. Teilweise belustigtes und auch zum Teil beunruhigtes Gemurmel machte sich breit. Das Grollen wurde lauter, das Schaben intensiver. Dann war es plötzlich totenstill. Nicht einmal die Tiere in den anliegenden Gehegen gaben einen Ton von sich.
      Nervös an ihren Nägeln kauend drehte sich Gwendoline nach Quinc um, der noch immer rauchend bei Zelly stand. Sie wollte nach ihm rufen, doch dazu kam sie nicht.
      Von einem ohrenbetäubenden Brüllen begleitet brach etwas aus der Erde.
      Die großen Reptilien wurden offenbar gegen jede Physik weggeschleudert, eine riesige Staubwolke bildete sich. Angespannt waren die Blicke auf das gerichtet, was eben aus dem Boden geschossen war. Zunächst war es nur schemenhaft zu erkennen. Als der aufgewirbelte Dreck die Sicht freigab, stockte Gwen der Atem.

      "Ja?"
      "Guten Morgen, Sir. Störe ich gerade?"
      "Ah, du bist's, guten Morgen! Nein, du störst nicht. Was ist los?"
      "Hm...wie soll ich sagen...wir haben hier ein Problem."
      "Das da wäre?"
      "Ich bin gerade im Zoo und ich fürchte, dass das alte Problem mal wieder aufgetaucht ist."
      "Ach nö! Ausgerechnet heute! Ich dachte, das dauert noch ein bisschen!"
      "Na ja, sieht aus, als wär es ernst. Soll ich mich darum kümmern?"
      "Hmm...wie dringlich ist es? Auf 'ner Skala von Eins bis Zehn?"
      "Ich denke..eine Sechs."
      "Ja, okay...pass einfach auf, dass uns keiner verletzt wird! Greif nur ein, wenn's wirklich nötig ist, bitte."
      "Alles klar, danke Ihnen. Ich werd mich drum kümmern."
      "Gut, ich informiere die anderen. Danke dir für den Hinweis! Ciao!"
      "Kein Problem. Wiederhören!"

      Ehe Links Zellys Aussage in Gedanken hätte zerlegen können, versank der Zoo von einem Moment zum nächsten im Chaos. Vom vorherigen Tumult hatten weder er noch die Klassensprecherin großartig Notiz genommen. Dieser war jetzt jedoch nicht mehr zu übersehen oder gar zu überhören. Panisch rannten Leute in jede denkbare Richtung an ihnen vorbei, von Mitschülern über Eltern mit Kind bis hin zu Rentnern war alles vertreten. Und wenige Momente später erkannte Quinc den Grund. Sämtliche Tiere, die im Zoo eingesperrt gewesen waren, säumten die Wege. Steinspuckende Octorocs, dahinwatende Chuchu-Schleime und zahlreiche andere Kreaturen. Die Besucher verfolgend, geradezu jagend, preschten selbst die kleinsten und putzigsten unter ihnen über die Pflaster. Als ob das nicht gereicht hätte, stand mitten im Gehege der Dodongos wie hergezaubert ein Drache, der lautstark auf seine Anwesenheit aufmerksam machte.
      „Was zum Teufel?“, murmelte der Siebzehnjährige, kaum glaubend, was hier vor sich ging.
      Seine Bekannte steckte sich nur rasch eine weitere Zigarette an.
      Jetzt machten auch die auf einmal gar nicht mehr trägen Echsen Mobil. Mit ihren Hörnern durchbrachen sie mühelos die Steinmauer und sprinteten in die Freiheit. Sie rannten wie der Rest der Zootiere ziellos umher und wüteten, wo sie nur konnten.
      Anders verhielt sich der grüngeschuppte Titan. Seit seinem Auftauchen hatte er sich nicht vom Fleck gerührt. Noch immer schaute er sich interessiert um, schnaubend versuchte er Witterung auf zu nehmen. Als die senfgelben Augen schließlich auf Link und das Mädchen daneben fielen, zog sich ein animalisches Grinsen über seine zahnbestückte Schnauze.
      „Oh Mist…“ Schmerzlich wurde jenem bewusst, was er zu erwarten hatte.
      Bis eben noch recht gefasst, ließ Zelly ihre Kippe fallen.
      Als wolle er seinen Pferdeähnlichen Hals einrenken, stellte das Monstrum den Kopf schief. Dann breitete es seine eher kleinen Flügel aus, nahm Anlauf und setzte zum Sprung an. Die Landung erfolgte anschließend keine drei Meter von den Zweien entfernt.
      Erst jetzt wurde ihnen wohl bewusst, was für ein Brocken dieses Monster war. Fast doppelt so hoch wie ein Hylianer, breit wie ein großer PKW und mit einem nicht weniger imposanten Horn auf der Stirn schielte es sie an. Die für ihren Teil bereits großen Dodongos waren ein Witz gegen diesen Drachen, in jeder Hinsicht.
      Das Adrenalin schoss Link durch den Körper. Er wollte rennen, so schnell als möglich verschwinden. Seine Beine aber versagten ihm den Dienst. Kein einziger Muskel wollte sich rühren. Zelda machte auch keine Anstalten, sich zu verdrücken. Zu verdutzt und verängstigt waren sie durch diese Kreatur. Deren Körper funktionierte bestens, denn schon im nächsten Augenblick gab es ein weiteres Brüllen von sich, bevor sein geöffnetes Maul auf sie zufuhr.
      Reflexartig schloss der junge Quincer die Augen. Ihm Nachhinein bereute er es sehr, nicht Augenzeuge des Folgenden gewesen zu sein.
      Ein Kampfschrei, lauter als jedes tierisches Gebrüll wohl je sein konnte, klang in seinen Ohren.
      Ehe das Untier einen der beiden hätte reißen können, wurde es von einem deftigen Tritt gegen die Flanke niedergestreckt. Erst der dumpfe Ton, den das Fallen des Biests auslöste, ließ ihn die Augen wieder öffnen. Da lag das Monster, schmerzverzehrt direkt vor ihm. Und direkt daneben stand eine vor Wut kochende Gwendoline.
      „Oh Mann, euch kann man ja echt keine Minute alleine lassen!“

      Ende Kapitel 9

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von UnSubigitatrix ()

    • Juhu, ein neues Kapitel!
      Der Zoo ist wirklich toll! Die Vorstellung, dass die ganzen miesen Viecher jetzt hinter Gittern stehen, damit man sie beglotzen kann, ist großartig. Passt perfekt zu dem hylianinschen Background. Nachdem ich mich das letzte mal so auf dich draufgestürzt habe, bin ich heute relativ harmlos... nur drei kleine Anmerkungen:


      1.)Lauren blickte nicht zu ihr hinüber und musste nicht einmal den Stift absetzen, um seinen Senf dazuzugeben.
      2.)Sehr wohl Verdacht schöpfend, schien ihm dieser Verdacht jedoch lächerlich.
      3.) kaum glaubend, was hier vor sing ging.


      1.) zweimal nicht? etwas unglücklich geraten... auch wenns ein guter ansatz ist ^^ entweder mit "weder...noch" (ist aber nicht so schön) oder was anderen umformulieren (vllt fehlt nur ein winziges wörtchen wie "auch")
      2.) ein schönes partizip, sehr schön... aber irgendwie... hm. Wie wär's mit: Ihm beschlich eine leise Ahnung, auch wenn er diese nicht wahr haben wollend sofort verwarf... äh... hm. auch komisch. Vllt weglassen???
      3.) find ich persönlich sehr lustig xD

      Zum schlusse drei Dinge, die ich bis jetzt glamorös geil finde:

      1.) Wie bereits erwähnt: dein Setting ist cool! Ich wollte schon immer mal mit meiner Klasse in den Zoo dodongos beobachten ^^
      2.)Du hast dich verdammt noch mal an meinen Rat in puncto Satzbau
      gehalten! Juhu! Hört sich in meinen Ohren schon viel besser an, ich weiß nicht ob du's auch so siehst. Ich bin schließlich auch nicht Gott.
      3.) GWEN ROCKT!!!

      [Ende]
      LG
      Nayleen

      [SIZE=6]
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    • Ich wusste, dass dir dieser Zoo gefällt. Ich hab mich selbst bei der Vorstellung, dass Dodongos jetzt Zookrokodile sind und Octorocs eher Streicheltiere sind, auch erst ziemlich beömmelt.

      Zur Kritik:

      1.) Verbessert, bzw. gekürzt. Klingt jetzt knackiger. (Bassisten brauchens knackig, wa)
      2.) Das ist Betonungssache. Ich empfinde das doppelte "Verdacht" als aussagekräftig und passend angesichts von Quinc's Vorahnung. Ich meine, der ist bestimmt mittlerweile etwas paranoid, was Blind betrifft. Der kommt und geht ohne echten Grund, macht ihm ohne Zusammenhang das Leben nurnoch schwerer. So ein Satz musste da hin, meiner Ansicht nach.
      3.) Ich habe mich beömmelt. Beömmelt wie selten zuvor über meinen Dreck :D Is verbessert. Leider.

      Zum Lob:

      1.) Ich wollte auf gar keinen Fall den Fehler machen, diese Szenerie mit dem Riesenmonster auf der nächtlichen Straße zu wiederholen. Den das hat mir das Genick gebrochen, damals. Und mit nem Zoo isses schwierig, sich da in ne Sackgasse zu verrennen, wage ich zu sagen.
      2.) Hab ich. Bewusst, wohlgemerkt. Ich will ja auch meinen Stil aufpolieren. Und dein Ratschlag kam mir grade recht.
      3.) Deshalb beschließe ich jedes Kap am liebsten mit ihr und ihr allein.

      Danke für's Feedback, meine Gute!
    • Kapitel 10: Wilde Welt

      Spätestens jetzt war der Respekt vor den Kräften einer Goronendame zur Furcht geworden. Und doch Quinc musste fast schon lachen bei der Vorstellung dessen, was er verpasst hatte.
      „Gwen…“, setzte er an. „Hast du gerade dieses Ding umgenietet?“
      Süffisant zischte sie und klopfte sich auf die Brust. „Klar doch.“
      „Das war hardcore.“ Ihre Zigarette aufsammelnd betrachtete Zelly das zuckende Biest. „Und knapp.“
      „Ja ha, seit froh, dass ich zufällig zurück gerannt bin!“ Stolz thronte das Bein der Goronin auf ihrer Beute. „Und wieder rentieren sich die ganzen scheiß Judo-Kurse.“
      Es war wohl die Erleichterung über sein gerettetes Leben, die Link einen Moment zu lange verharren ließ. Sein Gehirn schaltete erst, als es schon zu spät war. In diesem Augenblick umfasste die Pranke des Ungeheuers auch schon den Fuß, der die Kreatur ausgeknockt hatte.
      „Shit!“ Kreischend stellte Gwendoline fest, wie das Monstrum sich aufrichtete, um sie wie einen toten Fisch kopfüber vor sich hielt. Die riesigen Augen musterten das Mädchen neugierig.
      „Lass sie runter!“ Brüllen war die beste Idee, die Link spontan hatte. Als der Blick des Kolosses darauf zu ihm umschwenkte, rutschte ihm das Herz in die Hose.
      Doch dieser machte keine Anstalten, sich um die verbliebenen zwei Schüler zu kümmern. Ein verzerrter Ton wie blasiertes Gelächter leitete die sofortige Flucht des Monsters ein. Mit schnellen Schritten eilte es tiefer in die Zooanlage, die wie am Spieß schreiende Gwen in seiner Gewalt.
      „Du Mistvieh!“ Quinc verlor keine Zeit und sprintete dem Entführer hinterher.
      Ratlos blieb die ungewohnt überforderte Zelly zurück und musste zusehen, wie sich Drache, Goronin und Schulfreund entfernten und im Gegenzug eine ganze Horde Octorocs näher kam. Das Ziel der winzigen aber aggressiven Kopffüßer war ohne Zweifel die Klassensprecherin.
      „Großartig…was jetzt?“ Seufzend warf sie die eben geborgene Kippe zurück auf die Steinpflaster.
      ‚Verzeihung…’ Eine tiefe, rauchige Stimme drang an ihr Ohr. ‚Soll ich euch zur Hand gehen?’

      Er holte langsam auf. Link war schon immer ein guter Läufer gewesen. Technisch hatte er im Fußball nichts zu Stande gebracht, doch im Rennen zog er stets den Trumpf. Jetzt, fünf Jahre nach seinem Ausstieg aus der Jugendmannschaft von Hurilston, machte sich das auch bezahlt. Unnachgiebig folgte er seinem Ziel.
      Als wollte der grüne Riese den gesamten Zoo untersuchen, hatte er sich bisher streng an die Pflasterstraße gehalten und wich auch jetzt nicht davon ab. Er führte seinen Verfolger an den verwüsteten Gehegen und wilden Tieren vorbei. Der Aufstand hatte jede noch so ungefährlich wirkende Gattung infiziert. Einige, die auf dem Weg lagerten, konnten den beiden Kontrahenten gerade noch ausweichen, andere hefteten sich an die Fersen des jungen Mannes, gaben aber bald auf. Diese Verfolgungsjagd war jedem der anderen Lebewesen ihm Tiergarten eine Spur zu schnell.
      Schließlich erreichten sie den Familienbereich des Zoos. Es war eine solitäre Anlage, komplett mit Klettergerüst, Picknickbänken und Volleyballplatz. Hier, nach gut fünf Minuten pausenlosen Trabens, wurde der Drache stetig langsamer. Als er zum Stehen kam, war auch der Oberschüler schon angekommen. Er wurde bereits erwartet: Das Monster blickte ihm gespannt entgegen.
      „Quinc!“ dröhnte seine Freundin den Tränen nahe. Vergebens wand sie sich und versuchte freizukommen, bereits sichtlich entkräftet.
      „Lass sie runter!“, befahl der Bursche erneut. Durchgeschwitzt, verängstigt und wehrlos wie er war, kam dies jedoch wenig überzeugend.
      Als wäre ihm dieser Zweifel aufgefallen, schaute das Biest heiter drein. Überraschenderweise legte er die Goronendame behutsam auf das Gras hinter sich. Und so erleichtert Link darüber zunächst auch war, wurde ihm der Hintergrund dieser Handlung bewusst. Die bläuliche Stichflamme aus dem Maul des Giganten beseitigte den letzten Zweifel. Das Untier hatte sich vor dem Kampf nur des lästigen Anhängsels entledigt, wollte sich nur auf seinen Gegner konzentrieren. Man konnte ihm trotz der animalischen Optik große Vorfreude ansehen.
      Irgendwie beschlich Quinc das Gefühl, als sei es dem Wesen ohnehin nur um ihn gegangen.
      Dieser Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war. Der grüne Riese holte zum Schlag aus. Gerade rechtzeitig warf sich der Siebzehnjährige zur Seite, um den Klauen zu entgehen. Er fiel hart, seine noch immer bandagierte Schulter durchfuhr stechender Schmerz. Doch er hatte nicht die Zeit, jetzt liegen zu bleiben. Bemüht rollte er am Boden entlang, um den überdimensionalen Pranken auszuweichen, die auf ihn einzuschlagen versuchten. Nicht wissend, was er sonst hätte tun sollen, walzte Link einfach weiter. Und seinem Glück passierte dies schnell genug, um sich einige Meter zu entfernen. Dieses Zeitloch nutzte er, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch kaum aufgerichtet sah er sich schon wieder mit unsanften Pfoten konfrontiert. Dieses Mal war er zu langsam, um dem Hieb komplett zu entgehen. Der junge Mann spürte starken Druck auf seiner Brust, bevor er weggeschleudert wurde. Vor Schmerz stöhnend fand er sich auf einem Holztisch wieder, gut fünf Meter von seiner Ausgangsposition entfernt. Eins war ihm klar: Nach diesem Aufprall würde er sich so schnell nicht in Bewegung bringen können. Und das Getrampel, begleitet von röchelnden Tönen, stimmte ihn nicht gerade optimistischer. So gut seine Reflexe ihn bisher durch dieses ungleiche Duell geführt und zumindest sein Überleben gesichert hatten, war er sicher, dass diese ihm jetzt nichts mehr nützen würden.
      Doch er täuschte sich. Als der Schweif des überdimensionalen Reptils wie eine Peitsche auf den Picknicktisch niederfuhr, überwand er die Paralyse.
      Was in den nächsten Sekunden passierte, konnte der Bursche weniger sich selbst zuschreiben als dem Adrenalinstoß und dem Willen, jetzt nicht zu sterben. Der schuppige Schwanz zerschlug den Tisch in viele größere Splitter. Link, der auf einer der anliegenden Bänke gelandet war, griff sofort nach einem dieser spitzen Holzstücke. Und ehe die klauenbesetzten Pranken des Drachens ihn hätten erneut treffen können, stach er damit zu. Vor Überraschung und Schock brüllend stolperte das Unwesen nach hinten und fiel direkt in eine weitere Picknickgarnitur.
      „Fuck.“ Dieses einsilbige Wort war Quincs gedankliche Zusammenfassung, als er all dies realisierte. Er konnte das eigene Glück kaum begreifen.
      Beinahe zeitgleich mit seinem tierischen Kontrahenten fand er zurück auf beide Beine. Der Schüler musste sich bemühen, nicht gleich wieder zusammenzukippen. Angesichts der deutlich blutenden Wunde an der rechten Ferse erging es dem Drachen nicht anders. Beide sahen sie recht niedergeschlagen aus.
      Link wollte nach diesem Geplänkel nichts weiter, als Gwen zu packen und das Weite zu suchen. Diesem Plan stand allerdings der große Grüne im Weg. Dessen zuvor so kampfwilliges Grinsen hatte sich in eine teuflische Grimasse verwandelt. Laut röchelnd starrte er mit zornigen Augen auf seine Beute. Bei jedem Atemzug zischten kleine blaue Flammen aus seinem Maul. Er schien die Geduld dafür verloren zu haben, mit dem Mittagessen zu spielen. Spätestens als ein meterlanger Strahl aus Feuer dem Rachen entwich, wurde dem Teenager klar, dass der Kampf vorbei und der Krieg begonnen hatte.
      Mit einem Schrei, der so manch Trommelfell hätte zerreißen können, breitete der Titan seine Flügel. Dazu, dem jungen Mann mit einem gezielten Sprung das Leben auszuhauchen, kam er nicht.

      „Nein.“ Aufgrund dessen, was Quinc beobachtete, konnte er nicht anders, es zu kommentieren. Die Menge an unglaublichen Tatsachen pro Tag hatte gerade einen neuen Höhepunkt erreicht.
      Das, was der Drachen vor seinen Augen vollführte, konnte man nur als skurile Form des Ausdruckstanzes umschreiben. Kleine Feuerbälle in die Luft pustend und lautstark Unbehagen beklagend drehte er sich wild im Kreis. Doch neben dem Brüllen vernahm Link ein nur zu vertrautes Kreischen.
      „Verfluuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuucht!“
      Gwen hing am Schweif des Drachen. Wie sie an das Ungeheuer heran gekommen war oder auf die Idee gekommen war, sich an ihm festzuklammern, wusste sie wohl nicht einmal selbst.
      Und ehe sich der ohnehin stark konfuse Link versah, bemerkte er wie ein weiteres bekanntes Gesicht zum Ort des Geschehens stieß. Es war niemand geringeres als Zelda.
      „Link, fang!“
      Noch im Sprint warf sie ihm etwas zu, reflexartig fing er es auch auf.

      ‚Oh, wie ich diese vermaledeiten Hände überhaupt gar nicht vermisst habe…’

      Zu seiner Überraschung war es ein Schwert. Nicht irgendein Schwert. Es war dasselbe, das Blind ihm überreicht hatte. Eigentlich sollte es zu Hause in seinem Zimmer liegen, und doch hielt er es jetzt in der Hand. Anstatt sich weiter über all dies zu wundern, beschloss er zu tun, was am nächsten lag.

      Indessen versuchte der grüne Hüne noch immer, die Goronin an seinem Schweif loszuwerden. Zwar hielt sie sich tapfer, doch als der massive Hinterleib ihres improvisierten Gefährts ausbrach, war sie gezwungen, ihren Klammergriff zu lösen. In hohem Bogen wurde sie wegkatapultiert und untermalte ihren Flug mit einem Aufschrei. Bevor sie aber auf dem Rasen landete, fand sie sich in Zellys Armen wieder. Nichts desto trotz landeten darauf sowohl Retterin als auch Gerettete auf dem Boden-
      Die Last losgeworden konzentrierte sich das Biest wieder auf sein Ziel. Es schien verwundert, ja regelrecht fassungslos darüber, dass seine Beute nun mit einer althylianischen Klinge bewaffnet war.
      Das entging Quinc nicht. Hatte er sich bisher nur mit Spontaneität und Glück durch dieses ungleiche Duell gekämpft, wendete sich nun das Blatt. Er hatte zumindest ein Schwert. Er hoffte, diese Tatsache würde ihn erneut heil aus der Begegnung mit einem gargantuösen Reptil herausbringen.
      „Wo waren wir?“, fragte Link, nicht wissend, ob dieses scheinbar sehr intelligente Wesen ihn verstand und machte sich bereit.
      Tatsächlich schien der Drache die Bedeutung dieser Worte durchschaut zu haben. Mit berserkerischem Gebrüll ging er auf den Jungen los.
      Was dann geschah, ging erneut zu schnell, um es im selben Augenblick bewusst wahrzunehmen. Wild fuchtelte die monströse Kreatur mit allen Gliedmaßen, versuchte zuzubeißen. Ebenso ziellos schwang der Teenie die Klinge von links nach rechts und umgekehrt. Es war wohl reiner Zufall, als das Horn an der Stirn des Drachens und die Schneide des Schwertes sich trafen.

      Quinc fiel nach hinten um, die abgetrennte Hornspitze folgte ihm.
      Jämmerliches und zugleich bedrohliches Schluchzen drang an sein Ohr. Die beflügelte Echse wand sich vor Schmerz, wehleidig rolle es hin und her. Das Blut rann in Maßen von ihrer Stirn in ihre Augen, blind schnappte es um sich, versuchte dabei aufzustehen. Als es sich aufrichtete, wand sie sich ohne weitere Verzögerung um, um jaulend die Flucht zu ergreifen.
      „Fuck…“, wiederholte Link flüsternd. „Fuck. Fuck. Fuck.“

      Ende Kapitel 10
    • Hm.
      Beim ersten oder zweiten Lesen ist mir nichts aufgefallen... aber bild dir ja nichts drauf ein! Vielleicht ist es mir zu wenig, um beurteilen zu können, ob es grobe Fehler sind, oder ob das Kapitel einfach nur nichts zum Besten geben wollte (manchmal sind bestimmte Stellen sehr stur! Sooft man sie auch schreibt, sie klingen immer... würgend?)*. Damit will ich sagen: es war in Ordnung, aber es hat mich nicht aus den Socken gehauen. Leider kann ich das an keinen Sätzen ect. festmachen, deshalb kommt hier grad auch nur dekonsturktive Kritik ohne Verbesserungsvorschläge. DEMZUFOLGE ziehe ich als Kritiker wohl den kürzeren, muss alles schwanzeinziehend zurücknehmen und dir mit entgegen gestreckten :thumbs_up: en sagen: weiter so, es gibt nichts zu bemäckeln.
      love greetings
      Nayleen

      *nicht im sinne von: ich muss gleich kotzen, sondern "nur" als: es geht krauchend evolutionistisch (frei nach Bloch) voran.

      [SIZE=6]
      A brief candle; both ends burning
      An endless mile; a bus wheel turning
      A friend to share the lonesome times
      A handshake and a sip of wine
      So say it loud and let it ring
      We are all a part of everything
      The future, present and the past
      Fly on, proud bird
      You're free at last.
      [/SIZE]
    • Sorry für die Wartezeit, hatte viel anderes zu tun und eine kurze Blockade. Jetzt ist es da, mein bisheriges Lieblingskapitel! Juhu!

      Kapitel 11: Der Misanthrop (Intro)

      Nervös durch seinen Drei-Tage-Bart fahrend hockte Link auf der knallroten Couch. Auf dem Tisch, der vor ihm stand, lag das althylianische Schwert.
      Der Fernseher war eingeschaltet, die Tagesnachrichten liefen.
      „Der örtlichen Polizei war es aufgrund der Anzahl der ausgebrochenen Tiere nicht möglich, alle einzufangen. Die Umweltbehörde musste mit über hundert weiteren Beamten aufrücken, um die flüchtigen Kreaturen zu finden. Mittlerweile ist der Großteil der Tiere eingefangen und von der Umweltbehörde zu Untersuchungen abtransportiert worden. Offenbar wiesen sämtliche Spezies untypische Aggressivität auf, was ihre Flucht ermöglicht hat. Zum Glück wurde kein Besucher oder Pfleger verletzt. Um mögliche Schäden zu verhindern, bittet die Polizei um Hinweise auf-“
      „Typisch. Wenn’s drauf an kommt, sind die Bullen zu nichts zu gebrauchen, aber wenn’s drum geht, dass ich um Zwölf aus der Kneipe raus muss, sind sie sofort zur Stelle.“ Mit verschränkten Armen hing Gwen am Türrahmen. „Und um den Drachen hat sich auch keiner gekümmert. Alles muss man selber machen, oder?“ Erwartungsvoll blickte die Goronin zu Quinc, wurde aber enttäuscht. Sie bekam keine Bestätigung.
      Der junge Mann war zu sehr in Gedanken versunken, um ihr fortfahrendes Geplapper überhaupt wahrzunehmen. Da die Reportage über den Vorfall im Zoo ihr Ende gefunden hatte, war sein Blick vom Fernsehapparat zu der Waffe auf dem kleinen Tisch gewandert. Angesichts der Ereignisse kam es dem Burschen seltsam vor, dass ausgerechnet sie ihn so beschäftigte. Die Frage, wie das Ding seinen Weg zu Zelly gefunden hatte, ließ ihm keine Ruhe, seit er wieder klar zu denken in der Lage war. Sie zu klären wäre ihm nach der Flucht aus dem Zoo im Traum nicht eingefallen angesichts der endlosen Polizeiinterviews und der Tatsache, dass er einfach nur nach Hause wollte. Umso gieriger war er jetzt auf eine Antwort. Er musterte das Schwert eingehend. Die widernatürlich makellose Klinge, die Verzierung in Form eines stilisierten Auges an der Parierstange und der schwarze Edelstein am Ende des Griffs. All dies kam ihm auf einmal eher unheimlich als herrlich schön vor.

      „Das ist doch alles Scheiße.“ Als Gwendoline neben ihm Platz nahm, war er unterbewusst erleichtert, aus seinen Gedanken gerissen zu werden. „Und wo bleibt sie jetzt?“
      „Warum? Wie spät ist es?“
      Angestrengt versuchte die Blondine die Uhrzeitangabe auf dem Standby-Bildschrim des DVD-PLayers zu erkennen. „Halb Sieben, oder so.“, gab sie schließlich zur Antwort.
      „Die kommt wohl inner halben Stunde.“ Link zuckte mit den Schultern. „War ja so ausgemacht.“
      Frustriert seufzend zog die Goronin ihr lilafarbenes T-Shirt über den freigewordenen Bauchnabel. „Man, ewige Warterei. Zum Kotzen.“
      Wieder einmal musste sich ihr Spetzel eingestehen, mit ihr einer Meinung zu sein. Auch er war ganz hibbelig, endlich das zu erfahren, was ihm Zelly heute Nachmittag sagen hatte wollen. Und nicht nur das. Er hoffte inständig, heute Abend dringend notwendige Antworten zu erhalten. „Ja, es ist zum Kotzen.“, meinte er.
      „Na ja, dann wollen wir die Zeit nicht ungenutzt lassen…“ Mit diesen Worten stand Gwen auf. „Ich mach mir `nen Drink. Willst du auch was?“
      „Was?“ Quinc legt den Kopf schief. Er musste sich doch sehr wundern, wie sie jetzt darauf kam. „Willst du dich heute zu saufen, oder was? Dazu sind wir jetzt nicht unbedingt hier.“
      Das Mädchen stöhnte nur verständnislos und verdrehte die Augen. „Ja, doch, ich hab gute Lust mich heute vollaufen zu lassen! Morgen haben wir frei, meine Eltern sind mit deinen unterwegs und im Küchenschrank steht literweise Whiskey. Wüsste nicht, warum wir das nicht nutzen sollten.“
      Auf verstörende Art und Weise ergab ihre Argumentation Sinn. Nach kurzem Überlegen erschien dem Teenager der Gedanke, endlich mal wieder auszuspannen – egal für wie kurz – recht verlockend. „Ja, okay, mach mir auch einen. Aber `nen schwachen.“
      „Na klar, bestimmt…“, flüsterte die junge Frau neckisch, um dann Richtung Küche zu verschwinden.

      „Und da bist du dir ganz sicher?“
      „Hundertprozentig. Jules hat’s mir erst auch nicht geglaubt, aber ein Pol’s Voice lügt nicht.“
      „Wirklich schwarz? Bist du dir sicher, dass es nicht nur dunkelblau oder so war?“
      „Wenn ich’s doch sag! Irgendeiner von der Sorte war hier in der Stadt!“
      „Na klasse, das hat uns grade noch gefehlt! Kein Wunder, dass die Monster am Durchdrehen sind!“
      „Vielleicht sollten wir die drei aufklären?“
      „Uns glauben die das doch nie! Das soll Blind übernehmen.“
      „Meinst du, dass er dazu nicht zu faul ist? Ich glaube, wenn wir ihm das überlassen, wird’s brenzlig.“
      „Na ja…jetzt wo ein Aquamentus aufgetaucht ist und Pol’s Voices wieder schwarze Anzeigen haben… Ich glaube, dass er jetzt auch auf’s Gas drücken will.“
      „Hoffen wir’s. Immerhin geht’s hier nicht um irgendwelche Kinder, sondern…“
      „Ja, ist klar. Aber sie sind jetzt erwachsen. Schau dir unseren eiskalten Junior an. Ich denke, es wird ohnehin Zeit, dass auch sie flügge werden!“
      „…und das kommt aus DEINEM Mund?“

      Zelda zückte ihr Sturmfeuerzeug und zwei Zigaretten. Wortlos, aber dankbar nickend nahm Quinc eine davon entgegen.
      „Dich stört’s eh nicht, wenn wir hier drin rauchen, oder?“, wollte die Klassensprecherin wissen, obwohl bereits beide Glimmstängel brannten.
      „Echt, als ob mich das jetzt interessieren würde!“, erwiderte Gwen, fast schon lächelnd, bevor sie ihr Glas Whiskey-Cola entleerte und ihnen demonstrativ als Aschenbecher vor die Nase schob.
      Das gefiel Link gar nicht. „Hey.“, meinte er. „Das ist jetzt schon das dritte Glas. Du musst dich echt nicht zu saufen.“
      Die Goronin zischte, während sie ein neues Glas mit purem Whiskey anfüllte. „Schreib mir nicht vor, was ich trinken darf! Nicht jeder ist so schnell besoffen wie du! Ich werd alles mitkriegen!“
      „Schon recht.“ Zwar war er nicht wirklich einverstanden, dass seine Kumpanin ausgerechnet jetzt den Alkoholvorrat ihrer Eltern vernichtete, gab aber nach. Immerhin wollte er heute keinen Streit anfangen, sondern ihr Zusammentreffen nutzen.
      Der junge Mann räusperte sich. „Also, Zelly…du hast heute gesagt, ein rothaariger Anzugträger hätte dich besucht.“
      Gwen verschluckte sich an ihrem Drink und hustete heftigst. „Was?! Is’ das war?!“ kam dabei kaum verständlich aus ihrem Mund.
      Die Klassensprecherin nickte. „Freitagabend ist er plötzlich in meinem Krankenhauszimmer gestanden. Und hat mich zugelabert.“
      „Und was hat er dir erzählt?“ Ungewohnt hibbelig verlangte es Link nach mehr Information. Auch Gwen hatte ihren Drink endgültig beiseite gestellt und lauschte gespannt.
      „Er hat mir was vorgepredigt von alten Märchen und dass das Etwas, das mich angegriffen hat, noch öfter vorbeischauen wird. Von wegen ich hätte was Besonderes und mir wollen irgendwelche Monster an den Kragen…“ Sie warf den Filter der gerauchten Zigarette in den improvisierten Aschenbecher. Geradezu amüsiert beobachtete sie, wie ihre Klassenkollegen sich beunruhigte Blicke zuwarfen. „Also hat er euch wirklich auch denselben Mist erzählt. Hab ich mir gedacht. Der verrückte Typ hat mir sogar gesagt, er müsse heute noch bei zwei anderen ‚meiner Art’ vorbeischauen, oder so was in der Richtung. Also euch zwei, oder?“
      „Ja, genau.“ Wiederholt nickend bestätigte Quinc ihre Vermutung. „Er ist auch freitags in meinem Haus gewesen und mit uns geredet. Über genau das gleiche.“
      „Heiße Luft war das!“, beschwerte sich Gwen. „Sag bloß nicht, du hast dir nen Reim auf den Shit machen können.“
      Die Kettenraucherin zog einen weiteren Glimmstängel aus ihrer Hosentasche. „Na ja, nicht direkt. Wie gesagt, erschien mir alles so unsinnig. Ist kurz reingeschneit, redet fünf Minuten lang Blödsinn und haut gleich wieder ab. Ich bin bis jetzt planlos.“ Ihr Blick wanderte zwischen ihren Mitschülern hin und her. „Hab ja eigentlich gehofft, ihr wüsstet mehr drüber. Aber ihr habt wohl noch weniger Ahnung als ich.“
      Eine geradezu peinliche Stille setzte ein. Was die junge Frau gesagt hatte, war einfach zu wahr. Während die Goronin in sich hineinfluchte, starrte Link nur ernüchtert zu Boden. Er hatte so für sich und seine Freundin gehofft, heute die Antwort auf die großen Fragen zu finden. Und nun fanden sie sich nur in einer weiteren Sackgasse wieder. Bis eben dachte er, der Tiefpunkt seiner Verzweiflung wäre längst erreicht. Doch er musste sich eingestehen, dass dem nicht so war. Bei all der Frustration wäre er glatt in Tränen ausgebrochen. Als er so Richtung Kunstholzfliesen schielte, bot ihm eine unheimlich gepflegte Hand eine Zigarette an. Zelly sah ihm mit einem warmen Lächeln in die Augen.
      „Mach dich nicht fertig.“, riet sie ihm. „Göhn’ dir eine, dann schaut alles wieder anders aus.“
      „Joa…“ Eher flüsternd als sprechend nahm er die Fluppe entgegen. „Danke.“
      Neben ihm begann sich die bis eben wie erstarrte Gwendoline zu winden. „Ach, scheiß drauf, gib mir auch eine!“, forderte sie. „Ich brauch jetzt Nikotin!“
      „Bitte?! Du willst eine rauchen?“ Vor Überraschung wäre ihr Nachbar fast aufgesprungen. „Willst du die Grenzen der Realität endgültig sprengen, oder was?“
      „Verschon mich! Ich hab jetzt Bock auf Gift!“ Das Mädchen ließ ihren Kumpanen mit seiner Empörung allein und wartete grinsend auf ihre Zigarette.
      „Hier, bitte.“ Leicht irritiert, aber sichtlich froh helfen zu können, erfüllte Zelda ihr den Wunsch.

      Als nun alle drei rauchend im Wohnzimmer der Riccios hockten, hob sich ihre Stimmung wieder. Sie hatten den Ernst ihrer Lage bei Seite gekehrt und stumm beschlossen, die Gelegenheit, morgen ausschlafen zu können, zu nutzen. Sie vernichteten eine fast besorgniserregende Menge Whiskey, Bier und Pina Colada, dabei sprachen sie von alten Zeiten und blödelten herum. Quinc hatte zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit Spaß. Aus dem ursprünglichen Kriegsrat war eine kleine Party geworden.
      Als die drei mittlerweile deutlich angetrunkenen Teenager sich über Gwens Imitation ihrer Kunstlehrerin Mrs. Didge beömmelten, fiel Links Blick rein zufällig wieder auf die althylianische Klinge auf dem Tisch. Er beschloss, zumindest die Antwort auf eine seiner Fragen in Erfahrung zu bringen.
      „Hey, hey, Zelly!“
      „Was’n? Willste ne Fluppe, oder was?“
      „Boah, das wär auch ne Idee. Aber eigentlich geht’s um das da…“, Er zeigte so deutlich seine leicht getrübten Sinne es zuließen, auf die Waffe.
      „Ah!“ Lachend warf sie ihm eine Zigarette zu. „Das meinst du!“
      „Wah? Was willste jetzt damit, du Pissnelke?“, stammelte die Goronin.
      „Ruhe, is wichtig!“ Der Oberschüler nahm das Schwert am Griff und spielte damit herum, um es dann zurückzulegen. „Wo ist des Ding heute eigentlich hergekommen?“
      „Häh?“
      „Ja, wo haste das Ding hergehabt heute? Im Zoo mein ich, weißt schon, mit dem Monster!“
      „Ah ja, das Monster! Des haben wir ge-gefickt!“
      „Voll! Du bist auf dem fetten Hinterteil geritten!“
      „Ja-ha, ich kann das!“
      „Das war sooo geil!“
      „Das war übergeil, du Wichser! Übergeil!“
      Quinc und Gwen amüsierten sich prächtig über das, was ihnen vor kurzem noch Angst machte. Sie fielen sich um den Hals und lachten fast Tränen.
      Zelda aber hatte einen sehr ernsten Blick aufgesetzt. So ernst sie angesichts der mindestens zwei Liter Pina Colada in ihrem Magen eben sein konnte.
      „Ey, Link…“ Sie tippte ihm auf die Schulter.
      „Häh?“
      „Da gibt’s was, was du über dieses Schwert wissen solltest, man…“
      „Was’n?“ Er griff sich die Klinge und starrte abwertend auf den Griff. Ihm entging – zweifellos des Alkohols wegen – wie sich das darauf eingeschnitzte Auge veränderte. Der „Augapfel“ und die „Pupille“ färbten sich blutrot, das obere „Augenlid“ fiel nach unten. Es war, als ob ihn das Schwert erzürnt anstarrte.

      „Ihr seit Helden.“, meinte eine tiefe, rauchige Stimme. „Raptofos sind hinter euch her, heute hätte euch fast ein Aquamentus aufgefressen und ihr habt nix besseres zu tun als Saufen…“

      Ende Kapitel 11

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von UnSubigitatrix ()

    • Damit meinte ich eigentlich: keine besonderen Auffälligkeiten bzgl. Rechschreibung oder Grammatik.
      Die Geschichte geht ja weiter, wenn auch sehr langsam - nicht wieder falsch verstehen.
      Mir gefällt die Story aber ich hab den Eindruck, dass man immer nur ein winziges Häppchen bekommt. So bin ich genauso ungeduldig wie die Protagonisten, eine paar Antworten zu erhalten.
    • So.. ich bin auch endlich dazu gekommen, diese Geschichte zu lesen, die mich aufgrund des Titels schon seit längerem interessiert hatte.

      Es sind einige sprachliche/grammatische Patzer drinnen, aber ich denke, das waren nur kleine Unaufmerksamkeiten, da du im Prinzip ziemlich gut mit der Sprache umgehen kannst.

      Was mir besonders gut an der Geschichte gefällt: einerseits die Ironie (die vielleicht stellenweise ein wenig dick aufgetragen wirkt, was mich aber eigentlich gar nicht stört :> ) und vor allem die Tatsache, dass die Beziehungen zwischen deinen Charakteren so herrlich echt rüberkommen (ich verweise zB auf Gwen und Lauren :> ) - das wirkt alles so gar nicht künstlich und das finde ich toll.
      (Und ja, Zelda als Kettenraucherin ist eine Idee, die mir auch sehr zusagt, keine Ahnung, warum :> )