Gewaltdarstellungen zur Seelenreinigung?

    • Gewaltdarstellungen zur Seelenreinigung?

      Yeah, das richtige Thema zur Weihnachtszeit. \o/
      Ich hatte die Tage eine Diskussion mit einer Tierfreundin/- schützerin und sie legte mir inbrünstig den Film "The Cove" ans Herz, in dem, soweit mich meine Erinnerung nicht trügt, ziemlich blutig und ekelhaft gezeigt wird, wie japanische Fischer Delphine abschlachten.
      Ich weiß nicht mehr, ob diese Delphine Beifang zu Walen sind, oder ob die Fischer sie einfach nur so töten, aber das ist egal.
      Wichtig ist nur, dass der Film das blutige Töten ziemlich detailliert darstellt.

      Ähnliches sieht man auch hin und wieder bei PETA oder anderen Tierschutzfilmen: In verwackelten Aufnahmen wird gezeigt, wie brutal Tiere auf Pelzfarmen getötet werden. Teilweise bei lebendigem Leib gehäutet und wwi.

      In der klassischen Theatertheorie wurde unter anderem von Katharsis gesprochen, also die Reinigung des Publikums durch das Gesehene. Durch die Missetaten, Strafen und wwi auf der Bühne sollte bei den Zuschauern die Moral angeregt werden und wünschenswerterweise mit nach Hause genommen werden.

      Ich will jetzt keine Religionsdiskussion entfachen oder über Sinn und Unsinn des Films sprechen, aber ein weiteres Beispiel, nicht aus dem Tierschutz, ist Mel Gibson's "Passion of the Christ", dessen Ziel, laut Gibson, war, darzustellen wie sehr Jesus für die Sünden der Menschen litt und auch damit eine bestimmte Stimmung beim Publikum zu erzielen.

      Die Frage ist: Wie wirkt das auf euch? Findet ihr es notwending, gerade bei solchen Tierschutzsachen, diese Brutalität erst recht bildlich vor euch zu sehen, damit ihr erkennt wie sehr diese Tiere leiden und eher etwas unternehmt.
      Oder reicht euch schon das reine Wissen darum aus und ihr verspürt keine dringende Notwendigkeit, dass man das in solchen Details zeigt?
      Ich persönlich muss es nicht haben. Mir reicht es zu wissen, dass so etwas geschieht. Ich muss es jetzt nicht in jeder Einzelheit und wehre mich daher standhaft auch nur einen der genannten Beispiele und sonstiges zu sehen.
      Vielleicht bin ich zart besaitet oder sonst was. Aber bei mir würden diese Bilder nichts weiter triggern, als jetzt schon und ich bekäme Alpträume davon.

      Eine Aktivistin würde ich sowieso nie und zumindest esse ich keinen Fisch/ trage keinen Pelz in jeglicher Form und trage damit nicht zum Leid *dieser* Tiere bei. Beim Fleischkonsum bin ich auch so verantwortungsvoll es geht. Aber ich rette die Welt nicht mehr. Ich kann nur für mich als Konsumentin solche Entscheidungen treffen.
    • Katharsis, meine Rettung, Katharsis, aber wie...

      Mir persönlich reicht auch das Wissen darum. Ich gebe mich gerne abgeklärt und zynisch, als jemand der um die Schlechtigkeit der Welt weiß, wenn ich so etwas sehe, beispielsweise im Beisein von Freunden, aber in Wirklichkeit dreht sich mir der Magen um. Ich versuche, nach meinen Möglichkeiten zumindest auch passiv (dh Konsumentscheidungen etc) fair zu sein und moralisch zu handeln. Dazu muss ich nicht noch mit Gewalt (Doppelsinn, wie schön) geläutert werden. Das Problem dabei ist imo auch vielfach, dass die Absicht hinter so 'ner Doku (gerade von PETA oder derlei klar positionierten Organisationen) einem durch [vermeintliche] Überdramatisierung ins Auge springt und manche dadurch vielleicht gar nicht mehr erreicht werden ("Ach, jetzt wollense wieder, dass ich Mitleid habe, jaja, alles schon gesehen, lasst mich doch..").

      Wenn es allerdings eine seriöse Dokumentation ist von unabhängigen Medien (öff.-rechtliche zB) bin ich schon dafür, die wahren Zustände unverblümt darzustellen. Viele Sprösslinge der jüngeren Generationen haben ja, befürchte ich pessimistisch einfach mal, gar keinen Bezug mehr dazu, wo Fleisch herkommt, unter welchen Umständen Bettler und in was für Verhältnissen Menschen in der sog. Dritten Welt leben müssen und was es eben noch so für geeignete Themen gibt. Solchen Leuten sollten einfach die Augen geöffnet werden.

      Long story short: Ich bin für aufklärerische, ehrliche und unverblümte Darstellung von Tatsachen und tatsächlichen Verhältnissen, aber gegen das Schwingen der berühmten Moralkeule durch >überdramatisierte< Gewaltdarstellungen.
      Dazu sei noch gesagt: >Überdramatisiert< sind die Handlungen solcher Darstellungen ja meist nicht mal, aber sie werden so in Szene gesetzt, dass die Objektivität und dadurch der Anspruch auf freie Meinungsbildung meines Erachtens schnell zu kurz kommt, da es leicht passieren kann, gegen so eine >Indoktrinierung< unbewusst eine Abwehrhaltung zu entwickeln.. Das ist hinderlich, das meine ich mit "überdramatisiert".
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    • Original von pondo
      Long story short: Ich bin für aufklärerische, ehrliche und unverblümte Darstellung von Tatsachen und tatsächlichen Verhältnissen, aber gegen das Schwingen der berühmten Moralkeule durch >überdramatisierte< Gewaltdarstellungen.

      Dies.

      Ich erinnere mich, dass im Philounterricht in der Schule mal eine dieser "Ich hau drauf!"-Vegetarierinnen eines dieser Vidoes über die Schlachtung von Schweinen vorführte. Das hat mir gereicht.
      Mal abgesehen davon, dass ich bewusster Fleischfresser bin (ie., ich weiß, wo's herkommt und mit welch Methoden das manchmal auf meinem Teller gelandet ist; Bio schmeckt auch definitiv besser, ist als Student aber manchmal auch einfach nicht möglich; entweder eben das Tier oder ich, man kennt meine Meinung), muss ich mich nicht an gore aufgeilen. Ich hab absolut kein Problem mit Blut und Innereien, möglicherweise auch einfach nur weil ich aus 'nem Arzthaushalt komme, trotzdem muss ich mich daran nicht aufgeilen bzw. mit der Moralkeule kommen, zumal DAS Argument bei mir schon LANGE nicht mehr zieht; damit hab ich vor Jahren schon abgeschlossen. Aber das ist das Problem mit Menschen, durch unseren freien Willen (oder die Einbildung dessen) reden wir uns sowas wie Moral ein und dass es wichtig wäre, dass wir alle danach handeln... Kategorischer Imperativ halt. Alles purer Egoismus -- aber ich komme vom Thema ab.


      tl:dr: Ich finde, wenn man was gegen Tierquälerei tun will, gibt's bessere Möglichkeiten als Snuffvideos unter die Menschen zu bringen; das Geld, das in die Produktion eines solchen Films geht, könnte man sinnvoller nutzen und der PETA sollte man eh kein Wort glauben.
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    • Original von FoWo
      Aber das ist das Problem mit Menschen, durch unseren freien Willen (oder die Einbildung dessen) reden wir uns sowas wie Moral ein und dass es wichtig wäre, dass wir alle danach handeln... Kategorischer Imperativ halt. Alles purer Egoismus -- aber ich komme vom Thema ab.


      Fakt ist, dass unsere Lebensweise das Leben anderer Lebewesen betrifft. Nun kann man in manchen Situationen entscheiden, ob's einem egal ist, was das eigene Handeln für Auswirkungen auf andere hat, oder nicht, sich bewusst haltend, dass eigenes Tun anderen Leid zufügen kann. Als Betroffener negativer Auswirkungen (welcher Art auch immer) wird einem das deutlicher als anderen. Wenn du nun sagst, dass Moral nur Selbstschutz und dadurch Egoismus sei, führst du den Begriff ad absurdum, da man (gerade in unserer gesitteten Welt) zeitlebens auf der angenehmeren Seite stehen kann, ohne besonders viel dafür tun zu müssen.

      Die andere mögliche Deutung deiner Aussage, dass wir Menschen geistig abstrahierten, uns der Tierwelt in Eigenbetrachtung entnähmen und uns eine höhere Moralität zuschrieben, obwohl wir auch nur instinktgesteuerte Tiere seien, weshalb diese Moralität in Wirklichkeit wahrer Egoismus sei, nehme ich als genauso verzerrt war. Wenn man alles aufs "Fressen und Gefressen werden" runterbricht (und damit ist ja nicht nur die leidige Vegetarismus/Veganismus-Debatte gemeint, sondern eben das soziale Miteinander usw), entzieht man sich der Verantwortung, die die freie Entscheidungsmöglichkeit nun mal mit sich bringt ( wie heißts so schön? "aus großer Macht folgt große Verantwortung"). Es ist einfach nur sehr bequem, so zu argumentieren, dass die Menschen sich in ihrem egoistischen Wahn auf einen Podest stellten, der ihnen eigtl nicht zustünde. Das Ausruhen auf dieser Sichtweise ist egoistisch (ob Egoismus nun "positiv" oder "negativ" konnotiert, also "gut" oder "böse" ist, wann es angebracht ist und wann nicht, sind ja noch ganz andere Dinge), nicht die betrachtete Verantwortung, aus der die Moral resultiert.

      Vielleicht hab ich dich auch falsch verstanden. Sehr interessant jedenfalls alles, aber dafür sollte vielleicht ein extra Moral-Fred bzw Egoismus/Altruismus-Fred her..
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    • Ich glaube da auch nicht dran.
      Ich mein, ich habe mir diese Filme mal angesehen (und mich echt nur geekelt und später beim recherchieren auch totgelacht, als ich las, was alles davon gestellt oder übertrieben war), aber ein besserer Mensch wurde ich nach Aristoteles sicherlich nicht davon :rolleyes:
      Ich selbst esse nur wenig Fleisch und Fisch. Das hat aber sicherlich nicht seinen Grund darin, dass ich diese Filme mal gesehen habe, sondern weil ich mal 2 Jahre lang auf nem Rinderhof gelebt hatte und weiß, wie die Tiere mitunter leben und sterben.
      Ich esse so viel wie es mir angemessen erscheint und kaufe nie Fleisch und Fisch auf Vorrat. Für mich müssen sie sicherlich nicht "aus Prinzip" x Tiere schlachten.

      Ausserdem, ich denke, man ist eher abgehärtet. Spendet irgendwer hier sofort, wenn er ein abgemagertes Kind aus Namibia auf nem Poster sieht? Packt jemand sofort ein Paket mit warmer Winterkleidung, wenn man von erfrierenden Obdachlosen in Russland hört? Nein.
      Ist doch eh jeden Tag so.

      So der Gedankengang.
      Nicht falsch und trifft auch eigentlich den Gedankengang. Weder mit einer kurzfristigen Hilfe noch brutalen Filmen wird man was ändern. Ist so.
      Das wurde auch - meine ich - schon mehrmals bewiesen.
      Persönliche Erfahrungen ändern die Einstellung.
      Halt ein Tier schlachten müssen oder direkt dabei zu sein, macht einen viel wahrscheinlicher zum Vegetarier als sich 80 Filme darüber anzusehen.
      Oder in Indien mal in ein Krankenhaus müssen und dort zu sehen, wie Leuten Maden aus der Haut gezogen werden oder sie daran verrecken, weil die Hygiene dort gleich Null ist.
      Filme sehen wir genug, jeden Tag, wahre und unwahre, gespielte und echte. Da kann der Kopf nicht mehr unterscheiden und verarbeitet das brutale PETA-Video von im Müllwagen zerquetschten Hunden genauso wie den B-Movie Splatter mit dem berühmten Kettensägenmörder, der im Wald Amok läuft.
    • Original von MangaEngel
      Ich glaube da auch nicht dran.
      Ich mein, ich habe mir diese Filme mal angesehen (und mich echt nur geekelt und später beim recherchieren auch totgelacht, als ich las, was alles davon gestellt oder übertrieben war), aber ein besserer Mensch wurde ich nach Aristoteles sicherlich nicht davon :rolleyes:


      Jetzt laste das aber mal nicht dem armen Aristoteles an! :D
      Nach A. greift die Katharsis schließlich erst, wenn andere Stadien durchlaufen wurden. Nachdem man sich in einer Tragödie mit dem Protagonisten identifiziert und mit ihm durch tragische Umstände gelitten hat (eleos und phobos, Mitleid und Furcht), kann sich erst die erlösende Reinigung, also Katharsis, einstellen. Wenn von vornherein aber keinerlei Identifikation mit dem ollen Vieh oder den ollen Menschen einstellt, Mitleid und Furcht ausbleiben, weil man's eh für übertrieben hält, dann kann selbst Aristoteles auch nicht einfach so 'ne Katharsis aus'm Hut zaubern. :P

      Und das ist ja eigtl das Problem an solchen, wi egehabt, offensichtlich überdramatisierten Videos: Man erkennt es als solches an, betrachtet es als abstrakt und nicht realitätsnah und wird als Mensch nicht an den Hoden der Tatsachen gepackt.
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    • Original von MangaEngel
      d dort zu sehen, wie Leuten Maden aus der Haut gezogen werden

      Dass Maden nur totes Fleisch essen und deswegen schon manchen schwer Verwundeten das Leben (oder eben nur die Extremität) gerettet haben, weißt du aber schon? xD

      @pondo: Ja, im Endeffekt breche ich es auf's das Animalische in uns runter, und dass wir uns vielleicht einbilden, dass wir was besseres sind, und vielleicht sind wir insofern besonders, dass wir, weil unsere körperlichen Fähigkeiten stark begrenzt ist, mehr auf den Kopf ausweichen müssen. On the long run ist die ganze Rederei über Ethik und Moral aber auch stark theoretisch; was richtig ist und was nicht muss letzlich jeder für sich entscheiden. Mich wird man nicht zum Vegetarismus umstimmen, dass ich an das Böse im Menschen glaube wird mir auch keiner mehr ausreden. Beide Meinungen spielen sich übrigens schön in die Hände.
      Aber ich studierte nicht Philo, fände ich solche theoretischen, wenn auch oft nicht umsetzbaren Ansätze nicht interessant. Daher gehört Kant zu meinen Lieblingen. Brilliant, ja, aber theoretisch. Wurde ihm oft genug vorgeworfen.
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    • Original von FoWo
      Original von MangaEngel
      d dort zu sehen, wie Leuten Maden aus der Haut gezogen werden

      Dass Maden nur totes Fleisch essen und deswegen schon manchen schwer Verwundeten das Leben (oder eben nur die Extremität) gerettet haben, weißt du aber schon? xD

      Ja, aber ich habe keinen Plan, was das für Larven waren und ehe Leute an noch irgendwo süße Raupen denken bei dem Wort, sag ich doch lieber Larve, wo Leute halt nacktschneckenartige Tiere im Kopf haben :rolleyes:
      Muss doch schließlich alles übertrieben und besonders brutal gemacht werde :D