Borkenkäferbekämpfung - eine Weihnachtskurzgeschichte

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      Das hier ist bei weitem nicht das intelligenteste, was ich je schrieb. Weit davon entfernt vmtl. - aber es entstand als eine Art Weihnachtswettbewerb. Ich gab einem Freund 5 Begriffe und er mir und wir schrieben uns gegenseitig Geschichten.

      Dies ist mein Machwerk zu seinen Begriffen. (Sogar mit politischem Anspruch. Nicht.)

      Die Wörter waren:

      Borkenkämpferbekämpfung
      Strumpfstrapse
      Wackelpudding-Miniaturgerätehaus
      Mäusekröterich
      Bundeskanzlerin Johannes zu GuttenbergIn


      Berlin 2015

      Die Finanzkrise war vorüber. Und auch, wenn es bedeutete, dass Deutschland, Wirtschaftsmacht und ehemaliger Fels der europäischen Union, stürmische Tage hinter sich hatte, so hatte sich die Lage doch langsam beruhigt.
      Dies war zumindest der oberflächliche Eindruck, den der durchschnittliche Bundesbürger oder gar die Bundesbürgerin erhalten sollte, schlugen sie die Zeitung auf.
      Die Revolution Vergangenheit, der Bürgerkrieg geschlagen, die alte Politikerriege verjagt und in alle Winde zerstreut. Einige von ihnen hatten den Tod gefunden, andere waren untergetaucht und wurden nicht mehr gesehen und wieder andere nutzten die Irrungen und Wirrungen für einen Neuanfang. Das gebeutelte Deutschland sollte auferstehen aus Ruinen. Dies war bereits zweimal geschehen – warum nicht auch ein drittes Mal? Und außerdem gab es da auch einmal eine Nationalhymne mit diesem Text.

      Es war einer dieser Tage. Diese Tage an denen man am besten gar nicht aufstehen sollte! Das dachte sich zumindest Bundeskanzlerin Johanna zu GuttenbergIn. Früher einmal hieß sie noch Johannes zu Guttenberg, war erst Finanz- und dann sogar Verteidigungsminister gewesen. Doch wie alle Politiker der alten Regierung, war auch sein Posten dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen und er vertrieben. Anders als andere seiner ehemaligen Regierungsgenossen hatte er jedoch noch Glück gehabt. Er wurde nicht erschossen, wie Schäuble, in den Sudan verkauft, wie Merkel und von der Leyen und auch nicht bei lebendigem Leibe aufgespießt, wie Westerwelle. Nein, er konnte rechtzeitig nach Großbritannien fliehen, bevor das Chaos allzu schlimm wurde.

      Um bei einer Heimkehr aus dem selbstauferlegten Exil nicht wiedererkannt zu werden, ließ er eine Geschlechtsumwandlung an sich vornehmen, da es ihm schien, dass es immer noch besser war, eine Frau als tot zu sein und fortan hieß er Johanna zu GuttenbergIn. Zur Feier seiner neuen Identität hatte er sich gleich ein paar Strumpfstrapsen gekauft. Nicht nur, dass sie ihm als Frau ausgezeichnet standen, nein sie ermöglichten es ihm auch, gemeinsam mit ein paar anderen aufreizenden Kleidungsstücken, in einschlägigen Shows aufzutreten, sodass er sich das Geld für die Heimreise verdienen konnte.

      Als es endlich soweit war und sich die Lage in der Bundesrepublik wieder beruhigt hatte, hatte er genug Geld zusammengespart, um glorreich zurückkehren zu können.
      Ein wenig mulmig war es ihm ja schon, als das Flugzeug schließlich in München landete, aber niemand schien ihn zu erkennen. Sie alle akzeptierten seine neue weibliche Identität, als hätte er sie schon immer gehabt.
      Die Stewardess verabschiedete sich sogar mit den Worten: „Willkommen in Deutschland Frau zu GuttenbergIn. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Beehren Sie uns bald wieder.“ Aber nichts deutete darauf hin, dass sie die Verkleidung durchschaut hatte.

      Das Einleben in seiner alten Heimat war schwerer. Er konnte es sich nicht leisten, sich zu erkennen zu geben und mied deshalb alte Freunde. Aber es wurde von Tag zu Tag einfacher und irgendwann wunderte er sich selbst, dass er jemals etwas anderes gewesen war, als eine Frau.
      Das war der Moment, in dem er tollkühn wurde.
      Ja, er sehnte sich zurück nach der Politik. Damals, als er bejubelt wurde und im ganzen Land bekannt war. Als er viel Geld verdiente und auf Staatskosten nach Afghanistan fahren konnte. Das waren Zeiten.
      Da bald eine erneute Wahl anstand, ließ er sich als Kandidatin aufstellen und wurde sogar zu seiner großen Überraschung gewählt.
      So ging es immer weiter und Wahl für Wahl gewann er das Vertrauen von mehr Bürgerinnen und Bürgern, bis er es schließlich geschafft hatte. Er regierte Deutschland! Damit war es sogar weiter gekommen als beim letzten Mal und noch immer durchschaute ihn niemand.
      Zwar schrieb die BILD Zeitung bisweilen spekulative Schlagzeilen, aber da deren Glaubwürdigkeit sowieso weitestgehend angezweifelt wurde, wurden diese Behauptungen nie weiter verfolgt. Es gab keinen Grund.
      Zwar hatte er für diese Macht alles opfern müssen, was sein früheres Ich ausmachte, doch er war der Meinung, es hatte sich voll und ganz gelohnt.

      Zumindest außer an eben jenen Tagen. Müde quälte sich Kanzlerin Johanna aus dem Bett und als sie die Jalousien hochzog, um das Sonnenlicht zu grüßen, da wurde sie nur von grauem Himmel angestarrt. Mürrisch zog sie die Jalousien wieder zu und schleppte sich ins Bad.
      Heute würde ein harter Tag im Parlament werden. Ein neues Gesetz zur Borkenkäferbekämpfung sollte erlassen werden und die Umweltverbände standen Kopf.
      Schon seit Tagen protestierten sie vor dem Reichstagsgelände gegen diese Tierquälerei. Dass die Käfer eine Plage waren und die ganzen schönen deutschen Mischwälder kahlfraßen, das wollten sie nicht hören.
      „Gemeine Ausrottung!“ „Käfer-Holocaust!“ „Einseitige Parteiergreifung zugunsten von totem Holz!“ das waren die Parolen, die sie tagein tagaus schrien und Johannas Arbeit erschwerten.
      Aber das Gesetz musste durch! Schon alleine wegen den ganzen Forstverbänden, die langsam ungeduldig wurden. Und diese Umweltaktivisten würde man auch schon irgendwie ruhig bekommen.
      Ob er ihnen erzählen sollte, dass durch die Borkenkäferbekämpfung und der Regeneration des Waldes der natürliche Lebensraum des gemeinen Mäusekröterichs gesichert sei? So fanatisch wie die waren, würden sie am Ende noch glauben, solch ein Tier existiere tatsächlich…
      Während er sich also die Zähne putzte und seine Haare richtete, machte er sich eine mentale Notiz, dies an seinen Pressesprecher weiterzugeben. So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und alle waren glücklich. Es war gut zu wissen, dass sich doch nichts in der Politik geändert hatte, auch wenn die Leute das zu gerne glaubten.
      Als er das Haus endlich verließ, war er erstaunlich guter Dinge. So gut lief es schon lange nicht mehr. Sein Chauffeur wartete schon unten vor der Haustür auf ihn, an die Seite der Luxuslimousine gelehnt.
      „Guten Morgen, Frau zu GuttenbergIn.“
      „Guten Morgen, Gregor!“ (Irgendwie erinnerte der Chauffeur die Kanzlerin an jemanden, aber sie wusste ihn nicht einzuordnen…)
      „Zum Kanzleramt?“
      „Ja, wie immer, aber können wir vorher noch in der Bäckerei Haberkorn anhalten? Ich brauche ein paar Brötchen…“

      So war es jeden Tag und als zu GuttenbergIn dann endlich das Kanzleramt betrat, war es schon später Vormittag. Noch immer war er bestens gelaunt und zuversichtlich, dass alles gut werden würde, dank seiner brillanten Idee.
      Er setzte sich an den Schreibtisch und ging die Papiere durch. Doch als ihm ein Gesetzesentwurf zur Normierung von Wackelpudding-Miniaturgerätehäusern nach EU Standard in die Hände fiel, wusste er, dass sich auch im Negativen nichts geändert hatte. Und sich niemals ändern würde. Daran konnte kein Bürgerkrieg der Welt etwas ändern.

      ENDE