Neue Schönheitsideale durch Anime/Manga?

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    • Neue Schönheitsideale durch Anime/Manga?

      Anime und Manga beinhalten oftmals detaillierte Zeichnungen und Charaktere die, was das Verhalten, das Umfeld und auch die Entwicklung angeht, ebenso detailliert daherkommen. Die Serien vermitteln, neben von übernatürlichen Phänomenen und allerlei Superkräften geprägten Situationen, auch viele an den Alltag angelehnte Situationen, welche die Charaktere sehr menschlich und greifbar erscheinen lassen. Es gibt ja auch nicht wenige Serien, die sich nur an letzterem bedienen und auf das alltägliche Leben der Hauptcharaktere konzentrieren - die „Slice of life“-Story ist nicht umsonst ein beliebtes Genre innerhalb der Anime- und Manga-Branche. Insgesamt wird also bei diesen Medien oft Wert auf eine aufwendig konstruierte fiktive Realität gelegt, mit der man sich als Zuschauer/Leser zumindest in einigen Zügen gut identifizieren kann und bei der man versucht, sich tiefer in die in ihr vorkommenden Charaktere hineinzuversetzen, um für die Zeit des Konsums Teil ihrer Welt, also auch ihrer Lebensgeschichte, zu sein. Ein tragendes Element dabei ist sicherlich auch die optische Darstellung der Charaktere, denn wenn man etwas äußerlich ansprechend findet, steigert das in der Regel das Sympathiegefühl und das Konsumverlangen.
      Der Konsument fühlt sich im Falle von ihn optisch sehr ansprechenden Charakteren, welche häufig auch durch interessante Beziehungen zu anderen Charakteren sowie bestimmte Verhaltensweisen gekennzeichnet sind, mal mehr - mal weniger bewusst, oftmals zu jenen Charakteren hingezogen und entwickelt daraus nicht selten sogar eine Schwärmerei, die dann auch über das Konsumieren der Serie hinaus eine Rolle spielt. Oft leben die Fans solcher Charaktere ihr Fandasein dann in Form von eigenen Geschichten (Fan-Fictions), Zeichnungen (Fan-Arts), Webseiten (Fan-Sites), RPGs oder Cosplays aus.

      Gerade die Cosplays nehmen in Hinblick auf das Thema Schönheitsideal eine interessante Stellung ein, da durch sie versucht wird, dem Anime-/Manga-Vorbild so weit wie möglich zu entsprechen und stellenweise über das äußere Erscheinungsbild hinaus auch seine Verhaltensweisen anzunehmen. Man möchte in solch einem Fall aussehen wie der Charakter, den man virtuell so anziehend findet oder man geht auf Konventions, um sich Menschen anzusehen, die eben genau das tun. Davon lebt die Szene und auch, wenn sie im realen Leben der Meisten nur einen Bereich ausmacht, der nicht den Alltag, sondern eher ein abgesondertes Hobbie, darstellt, betrachte ich sie unter anderem als einen großflächigen Versuch, die Schönheitsideale, welche in Anime und Manga vermittelt werden, auf das reale Leben und real existierende Menschen zu übertragen.
      Und damit wären wir auch beim Kern dieses Threads angelangt, denn ich möchte von euch wissen, inwieweit euch Anime und Manga hinsichtlich eurer persönlichen Schönheitsideale – sei es vorrangig in Bezug auf euer eigenes Erscheinungsbild oder auf das von anderen Menschen – beeinflussen.

      Wünscht ihr euch manchmal eine blauhaarige Freundin mit großen funkelnden Augen und niedlicher Stimme?

      Oder habt ihr aufgrund der Bishônen, die uns im Bereich Anime-/Manga ständig vor Augen gehalten werden, vermehrt das Verlangen, einen äußerlich sehr feminin wirkenden Mann mit „Emo“-Frisur kennenzulernen?

      Steht ihr selbst vielleicht morgens, angekurbelt von einer Anime-Serie, des Öfteren vor dem Spiegel und überlegt euch, wie ihr einem Charakter aus der zuletzt angeschauten Serie ähnlicher werden könnt? Wenn ja: Wie habt ihr das konkret versucht umzusetzen?

      Habt ihr vielleicht schon einmal erlebt, wie Menschen aus eurem Bekannten-/ Freundeskreis in hohem Maße versucht haben, sich den Idealen aus diversen Serien anzunähern oder gar aufgrund der Serien den Sinn für ein real greifbares Schönheitsideal verloren haben?

      Was glaubt ihr, ist ausschlaggebend für das Entwickeln neuer Ideale auf Basis von Anime-/Manga-Serien?


      Nur, um einmal ein paar diskussionsanregende Fragen in den Raum zu werfen. Videospiele können übrigens gerne auch miteinbezogen werden.



      Ich äußere mich später zu dem Thema, wobei ich vorweg schon sagen kann, dass mich im Laufe meines Fandaseins einige Charaktere so sehr fasziniert haben, dass ich ihnen letztlich auch ähnlich werden wollte.

      Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von Ren ()

    • Sauerei, dass dieses großartige Topic so wenig Anklang findet. o___o
      Ich orientiere michl für dieses Posting hauptsächlich an den Leitfragen, die Ren in den Raum geworfen hat, da sie imho exakt auf die richtigen Punkte abzielen.
      Langer Beitrag ahead.

      Persönlich kann ich sagen, dass ich (glücklicherweise) über dieses Schönheitsideal oder auch diese Identifikationsphase "hinweg" bin.
      Freilich konsumiere ich diese Medien nach wie vor, bin auch diversen Charakteren, die darin vorkommen, sehr zugetan. Aber auf Biegen und Brechen so aussehen wollen, sich so stylen, sich gar so fühlen? Kritisch. Dass man nichtsdestotroz ein gewisses Fandom hinsichtlich gewisser Figuren entwickeln kann und sich freut, wenn diese auftauchen bzw. Screentime haben. Völlig zurecht zudem. Ein populärkulturelles Medium, das zur Unterhaltung dient, darf auch gut und gerne einfach mal schlicht "cool" gefunden werden, dies gilt natürlich auch für die enthaltenen Charaktere und ihren Stil, ihre Handlungsweisen, ihre Motivation.
      Doch, wie so oft in jungen Jahren, möchte man beim Bewundern nur ungern Halt machen. Die Phantasie ist beflügelt und es dürstet nach mehr. Ich habe mir vor allem früher viele Gedanken gemacht, wie genial es wäre, Charakter XY persönlich zu kennen und oder ihn einfach mal in der Eisdiele (whatever...) zu treffen, ein wenig Smalltalk zu halten-- zumal gerade in der weiblichen Besetzung des Japano-Universums ja auch manch unerfüllter feuchter Traum des Nerds von nebenan sein Unwesen treibt. ;)
      Es ist immer auch dieses "Ich wäre gern so wie..." und da wird's interessant, denn diese identitätsstiftende Wirkung kommt überhaupt erst dadurch zustande, dass man jeden noch so episch-heldenhaften Charakter mit Alltagsproblemen konfrontiert sieht, die jeder kennt und mit deren Bewältigung er mannigfaltige Probleme hat. Ich führe mal Usagi Tsukino als Beispiel an-- Welt retten im heißen Outfit schön und gut, aber SO verpeilt möchte ich nie (wieder) sein. Eben diese "slice of life"-Geschichte. Wenn ein Charakter zu sehr Idealbild bzw. Typus ist und zu wenig Eigenpersönlichkeit besitzt, geht diese Möglichkeit verloren-- möchte man meinen. So erfreut sich beispielsweise ein Neon Genesis Evangelion, in dem die Charakterisierung der Figuren fast schablonenhaft gewollt erscheint und Ich-Auflösung ein zentraler Punkt der Geschichte ist, durchaus großer Beliebtheit.
      Doch bleibt es verhaftet in der Vergangenheit-- ich meine eine Entwicklung erkennen zu können, denn zumindest mir kommt es so vor, als wäre der Typ des Helden oder Antihelden, zumeist ausgestattet mit tragischer Vorgeschichte und zerrütteter Persönlichkeit (Final Fantasy VII grüßt all seine Fans), fast zu einem Relikt geworden in der Branche, die sich immer mehr darauf verlegt, dass auch die Helden der erzählten Geschichten so etwas wie einen Alltag benötigen, um glaubhaft zu wirken und ein breiteres Maß an Facetten zu entwickeln. Um es für den Konsumenten, der nach Identität sucht (dazu später mehr), so einfach wie möglich zu machen, gibt es eben auch Genres wie z.B. school drama, in dem meist eine überzeichnet-kitschige Liebesgeschichte im Vordergrund steht, mit der man sich als Jugendlicher, der selbst noch zur Schule geht, natürlich 1A identifizieren kann.
      Nach einer Freundin, die dem Anime-/Manga-Idealbild der Weiblichkeit entspricht, habe ich mich, wie ich zugeben muss, nie gesehnt, ganz so verzweifelt bin ich anscheinend doch nie gewesen. :) Allerdings habe ich von Bekannten & Freunden schon öfter mal Aussagen dieser Art gehört, von denen ich natürlich nicht einschätzen kann, inwieweit sie ernst gemeint sind, aber einigen würde ich's zutrauen, um mal nicht zu viel zu sagen.

      Zu der Suche nach Identität noch etwas: Es ist ja vor allem die Jugendzeit, also 11 - 20 Jahre (ich lege das mal ganz bewusst so breit an), in denen man auf der Suche nach sich selbst ist, seinem Platz in der Gesellschaft. Man probiert vermutlich herum, man merkt, was umsetzbar ist und was nicht und orientiert sich dabei auch schon mal an fiktiven Charakteren, von denen man denkt, dass ihre Moral oder ihre Verhaltensweise "alltagstauglich" sind oder gar eine wichtige Lektion für's Leben. Das impliziert noch nicht, exakt so sein zu wollen (was sich in vielen Fällen als problematisch in der Umsetzung erweist), sondern erst einmal nur, dass ein oder mehrere Charaktere sich hier in einer Vorbildfunktion befinden. Doch nach einer Weile, in der man sich selbst besonders cool fühlt aufgrund des Wissens über diese Charaktere und sie auf welche Weise auch immer zu imitieren versucht (Gesten, Sprechweisen), kommt man irgendwann auf den Trichter, dass man sich in vielen Punkten von seiner Wunschfigur unterscheidet: Verdammt, ich habe gar keine tragische Vorgeschichte, geschweige denn Superkräfte, sogar meine Eltern leben noch, von Schwertkampf weiß mal so gut wie gar nichts und wuchs zudem noch auf in einem westdeutschen Reihenhaus, so weit entfernt von Abenteuer und Mystik wie nur menschenmöglich. Gut, das Problem mit dem Schwertkampf ließe sich noch lösen, aber beim Rest wird's schon grenzwertig.
      Nun kenne / kannte ich durchaus Leute, die nicht nur in besonders penetrantem Maße ihre Interessen an Charakteren bekunden, sondern auch solche, bei denen die Identifikation mit selbigen so weit geht, dass sie mehr oder minder jeglichen Bezug zur Realität verlieren, da sie sich dem Schönheits- und Verhaltensideal der bunten Japano-Welt dermaßen hingegeben haben, dass man durchaus vom berüchtigten Luftschloss reden kann. An dieser Stelle zitiere ich daher ganz bewusst: "Wenn mein Leben ein Pokémon-Spiel wäre, würde ich immer auf 'Flucht' drücken."
      'nuff said.
      Der ausschlaggebende Punkt für diese neuen Idealbilder bzw. ihre in horrendem Maße stattfindende (auch ästhetische) Rezeption ist meines Erachtens schlicht ihre Existenz. Dass man in der Pubertät sich seine Helden sucht, ist eine völlig normale Entwicklung und nichts Neues. Dass der Markt sich in der heutigen Zeit stärker darauf ausrichtet als nur mit dem Verkauf beweglicher Actionfiguren bei Karstadt, ist hingegen das neue und entscheidendste Element. Verknappt gesagt: Der Jugendliche möchte Helden und der Japaner hat's gemerkt.
      Das schier unüberschaubare Angebot an Merchandise fördert zudem den Eindruck eines geschlossenen Universums, in dem eigene Gesetze gelten.

      ...und letztenendes bleibt auch, wenn man erwachsen ist, immer diese gewisse Faszination erhalten, die man schon im zarten Kindesalter verspürte. Und wenn ich morgens vorm Spiegel stehe & mir überlege, dass ich eigentlich nur genau einem Manga-/Anime-Charakter überraschend ähnlich sehe (und das sogar mit wenig Stylingaufwand), dann bin ich damit schon ganz zufrieden und kann anschließend mit einem schelmischen Schmunzeln meinen Tag in der Realität beginnen. :)

      dead girls dry each others eyes
      and pretend for a while
      that we're still alive.


      ________

      Twitter | DIE BASIS
    • Hm ich bin ja leidenschaftliche Cosplayerin.. von daher:

      Bei mir ist es nicht wirklich der Gedanke: "Ich will so sein wie XYZ" der mich dazu antreibt. Viel eher sind es einfach die Klamotten. Wenn ich bei einem Charakter einen Mantel sehe den ich cool finde (tatsächlich vorgekommen), dann schneidere ich mir diesen Mantel nach und mach mir halt noch ein Cosplay der Person dazu. xD Nur um einmal so einen coolen Mantel getragen haben zu können :D Ich liebe Mäntel.

      Generell finde ich es einfach cool mal ne andere Haarfarbe zu haben ohne mir die Haare zu färben >>> Cosplayperücke.

      Vllt ist das meine Art meine Jugend auszuleben. xD Aber ich liebe Kostüme und Kleidung im Anime ist oftmals wunderschön ausgefallen <3

      Ja ich glaube dass Anime / Manga / Games einen großen Einfluss auf mein Schönheitsideal hatten. Leider auch insofern, dass ich meine Oberweite zu klein finde xD Aber ich würd sie mir niemals vergrößern!

      Wünscht ihr euch manchmal eine blauhaarige Freundin mit großen funkelnden Augen und niedlicher Stimme?


      Der Gedanke ist interessant, aber ich kann mit vielen weiblichen CHarakteren nichts anfangen, weil sie mich aufregen wenn sie nur rumflennen oder so weich sind. xD So "weiblich" halt...
      Aber ich finde niedliche Stimmen zum Knuddeln <3 Aber in RL eine solche Freundin haben wollen.. naja, da spielt der Charakter mit. Ich suche mir meine Freunde nicht nach Aussehen aus.

      Oder habt ihr aufgrund der Bishônen, die uns im Bereich Anime-/Manga ständig vor Augen gehalten werden, vermehrt das Verlangen, einen äußerlich sehr feminin wirkenden Mann mit „Emo“-Frisur kennenzulernen?


      Nein. Ich suche mir meine Partner nicht nach aussehen aus. Mein letzter Freund war auf dem linken Auge so ziemlich blind. (Einaugenprinzip :ugly:)

      Nee also.. ich hätte lieber nen Kerl als Freund xD Ich finde diese feminin wirkenden Männer nicht hässlich, aber das ist nicht das ausschlaggebende Kriterium und ich träume auch nicht von solchen Kerlen.

      (sondern von Alucard... :ugly:)

      Steht ihr selbst vielleicht morgens, angekurbelt von einer Anime-Serie, des Öfteren vor dem Spiegel und überlegt euch, wie ihr einem Charakter aus der zuletzt angeschauten Serie ähnlicher werden könnt?


      Ich hatte nie Vorbilder für mein Äußeres. Nur einmal wollte ich ganz gerne meine Haare kürzer haben, weil ich Cosmas (Golden Sun) Haarschnitt so hübsch fand.
      Ich denke nur darüber nach, wenn ich an einem Cosplay arbeite. Ein Animecharakter als Vorbild fürs Äußere ist doch irgendwie einfallslos. Wenn schon als "Animefigur" durch die Gegend laufen, dann selber was kreieren. :D Ich schreibe meine eigene Geschichte in meinem eigenen Leben. xD

      Wenn ja: Wie habt ihr das konkret versucht umzusetzen?


      Wenn ich ein Cosplay plane, dann suche ich mir das Outfit aus, dass ich tragen möchte und wenn nötig eine passende Perücke. Das Outfit wird dann nach und nach selbstgenäht in liebevoller Kleinarbeit und die Perücke wird auf ebay bestellt.

      Habt ihr vielleicht schon einmal erlebt, wie Menschen aus eurem Bekannten-/ Freundeskreis in hohem Maße versucht haben, sich den Idealen aus diversen Serien anzunähern oder gar aufgrund der Serien den Sinn für ein real greifbares Schönheitsideal verloren haben?


      Nein. Habe ich noch nicht erlebt.

      Was glaubt ihr, ist ausschlaggebend für das Entwickeln neuer Ideale auf Basis von Anime-/Manga-Serien?


      Dadurch dass die Figuren einem so symphatisch sind und man sich entweder mit ihnen identifizieren kann oder sie als Vorbild nimmt, versucht man seinen "stars" so nah wie möglich zu sein. Da sie aber nicht in der realen Welt existieren, versucht man dieses Defizit auszugleichen in dem man sich selbst verändert.

      Wäre eine Möglichkeit.


      Ich habe lange Zeit Akane aus Ranma 1/2 bewundert, aber ich habe schnell festgestellt dass ihr Verhaltensmuster nur in die von Rumiko Takahashis Welt passt. Denn in der realen Welt versagt man damit.

      Aussehenstechnisch bin ich eig nur total kleinlich, wenn ich cosplaye. Im normalen Alltag laufe ich eher langweilig rum. xD finde ich. Aber manchmal ist selbst das anderen Leuten zu auffällig...


      Cosplay bedeutet für mich zwar AUCH einen Charakter nachzuahmen bzw wie er auszusehen. Aber mir geht es um die Menschen die ich dort regelmäßig kennenlerne und treffe. Man wird akzeptiert, mit "du" angesprochen und lacht zusammen, obwohl man voneinander eig nichts weiß.
      Wenn man aber eine Figur so abgöttisch anbetet dass man sich dafür gaaanz viele Sachen antut dann finde ich, dass das etwas zu weit geht.

      Irgendwie bin ich mir nicht ganz sicher ob ich das Thema richtig beantwortet habe, aber egal.
    • Original von Sirius
      Zu der Suche nach Identität noch etwas: Es ist ja vor allem die Jugendzeit, also 11 - 20 Jahre (ich lege das mal ganz bewusst so breit an), in denen man auf der Suche nach sich selbst ist, seinem Platz in der Gesellschaft. Man probiert vermutlich herum, man merkt, was umsetzbar ist und was nicht und orientiert sich dabei auch schon mal an fiktiven Charakteren, von denen man denkt, dass ihre Moral oder ihre Verhaltensweise "alltagstauglich" sind oder gar eine wichtige Lektion für's Leben. Das impliziert noch nicht, exakt so sein zu wollen (was sich in vielen Fällen als problematisch in der Umsetzung erweist), sondern erst einmal nur, dass ein oder mehrere Charaktere sich hier in einer Vorbildfunktion befinden. Doch nach einer Weile, in der man sich selbst besonders cool fühlt aufgrund des Wissens über diese Charaktere und sie auf welche Weise auch immer zu imitieren versucht (Gesten, Sprechweisen), kommt man irgendwann auf den Trichter, dass man sich in vielen Punkten von seiner Wunschfigur unterscheidet: Verdammt, ich habe gar keine tragische Vorgeschichte, geschweige denn Superkräfte, sogar meine Eltern leben noch, von Schwertkampf weiß mal so gut wie gar nichts und wuchs zudem noch auf in einem westdeutschen Reihenhaus, so weit entfernt von Abenteuer und Mystik wie nur menschenmöglich. Gut, das Problem mit dem Schwertkampf ließe sich noch lösen, aber beim Rest wird's schon grenzwertig.


      Da sprichst du einen wichtigen Aspekt an: die Suche nach der Identität im jugendlichen Alter. Man weiß in jungen Jahren oft selbst nicht so recht, wo man hingehört und wo man hingehören möchte, so dass man sich dann letztlich Vorbilder sucht, bei denen man sagt "Hey, das Leben von dem gefällt mir und zudem sieht er auch noch verdammt toll aus - ja, so möchte ich auch gerne sein".
      Bei mir war das beispielsweise vor allem in Hinblick auf mein Äußeres der Fall. Ich hatte keinen wirklich eigenen Stil, wurde kaum großartig beachtet und auch, wenn ich Spaß am Leben hatte, fehlte doch das gewisse Etwas. Um das allmählich zu ändern, habe ich mich dann letztlich unter anderem an Anime-Charakteren orientiert, deren Erscheinung ich als erstrebenswert angesehen habe. Angetrieben dazu haben mich zudem auch der generelle Hype, welcher damals vorgeherrscht hat, sowie die Schwärmerei, die einige Leute aus meinem damaligen Freundeskreis in Hinblick auf diverse Charaktere an den Tag gelegt haben.
      Als damals 14-jähriger dienten mir dabei Charaktere aus X, wie zum Beispiel Kamui oder Subaru, die ich aufgrund ihres Erscheinungsbildes sowie Auftretens toll gefunden habe, als Vorbilder. Ich habe dann schließlich versucht, mich ihnen optisch etwas anzunähern, wozu ich meine Haare, die vorher immer ziemlich kurz waren, wachsen lassen und gefärbt habe. Das hat mir aber dann auch schon vollkommen ausgereicht und ich war zufrieden. Es war nie mein Ziel, diesen Charakteren genau zu entsprechen oder zu einer Anime-/Manga-Figur zu werden, solche Charaktere waren für mich lediglich Inspirationsquellen, die dabei geholfen haben, das eigene Erscheinungsbild weiterzuentwickeln. Und genau das ist denke ich ein Aspekt, der häufig relevant ist: man sieht beim Konsumieren eines Mediums gewisse Dinge, welche einen auf eine bestimmte Art und Weise faszinieren und überlegt dann, wie man sie im realen Leben umsetzen oder wiederfinden kann.

      Man sollte dazu bedenken, dass die in Anime und Manga vermittelten Ideale nicht von ungefähr kommen und ihren Ursprung mitunter auch in der real existierenden Gesellschaft haben. Daher kommt es eben dazu, dass für viele Konsumenten bestimmte Merkmale, wie zum Beispiel die großen Augen, welche in einigen asiatischen Ländern zum Schönheitsideal zählen, durch Anime/Manga an Bedeutung gewinnen und dann schließlich unter anderem versucht wird, diese Merkmale bei realen Menschen wiederzufinden. Ich habe beispielsweise, seit ich mich intensiv mit Anime befasse und viele Serien schaue, ein Faible für Augen. Vor allem große bzw. gut betonte Augen sprechen mich oft sehr an und wenn ich einen Menschen betrachte, dann achte ich zu allererst auf seine Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Vorliebe aufgrund meines Anime-Konsums entwickelt habe, aber ich halte es keineswegs für abwegig.
      Bishônen sind auch so eine Sache. Sie sind, ähnlich wie die Augen, kein Ideal, das erst durch Anime aufgekommen ist, sondern spiegeln ein asiatisches bzw. in diesem Fall explizit japanisches Schönheitsideal wider, das schon vor hunderten von Jahren auf Basis von Literatur und Theater entstanden ist. In Anime und Manga wird dieses Ideal also quasi nur wiederverwertet und teilweise auch auf die Spitze getrieben. Und wenn nun jemand aufgrund von Anime und Manga eine Vorliebe für androgyn aussehende Männer oder Ähnliches entwickelt, sehe ich daran nichts Verwerfliches - denn auch im realen Leben gibt es durchaus Männer mit solchen Zügen und solch ein Ideal vor Augen zu haben bedeutet ja nicht, dass man all jene, die diesem Ideal nicht entsprechen, gleich hässlich findet. Die Extremfälle, welche völlig den Sinn für reale Menschen verlieren, weil sie die virtuellen Figuren so toll finden, sind zum Glück (noch) überschaubar und da spielen dann wohl meist auch noch andere Probleme von größerem Ausmaß eine Rolle.



      Um noch einmal auf die Cosplay-Szene zurückzukommen:
      Cosplay kann Vieles sein. Für die Einen ist es purer Spaß, bei dem die Gemeinschaft und das Herumalbern im äußergewöhnlichen Outfit im Vordergrund steht; für die Anderen ist es eine Art Schöneheitswettbewerb oder Mittel zur Selbstdarstellung auf öffentlichen Veranstaltungen, doch eines ist meiner Meinung nach klar:
      Die Szene ist in diesem Ausmaß nur entstanden, weil viele Menschen die Optik der Anime-, Manga- und Videospiel-Charaktere über ein gewöhnliches Maß hinaus faszinierend sowie ansprechend finden und sich zumindest einmal annähernd wie ein solcher Charakter fühlen oder einem derartigen Charakter gegenüberstehen möchten. Ich sehe mir auch heute noch gerne Cosplays an und wenn ich ein gutes Cosplay, wie zum Beispiel einen Link, der dem Link auf einem Artwork sehr ähnlich sieht, vor Augen habe, dann empfinde ich das als ziemlich beeindruckend.