Hallo ihr Lieben.
Ich hab mich entschlossen, mal wieder einen kleinen Ausschnitt aus meinem Projekt zur hoffentlichen Debatte frei zu geben. Es handelt sich, wie gesagt, um eine Strassenbahnfahrt nebst Heimweg und betrifft einen jungen Mann namens Roland, in dessen Wohnung ein lila Elefant und ein Wolpertinger wohnen, die beide ihr Unwesen treiben und sich selbst, aber vor allem ihm, Schabernack spielen. Leider nicht nur frechfröhlichen, sondern primaer existenzbedrohenden, zersetzenden, bösartigen. Dennoch muss Roland den Elefanten (von dem er weiss) durchfüttern. Der Wolpertinger ist ein Depp, kein Wunder: er hat ein Fischgehirn. Aber zurück zum Text. Er ist recht progressiv geschrieben und ich mag den Schreibstil - was allerdings eine persönliche Einschaetzung ist und stark polarisierend diskutiert wird. Wie auch immer, ich wünsche ein angenehmes Vergnügen!
PS: als kleines Schmankerl hab ich etwas Zelda in die Suppe gemischt, ich glaub, es ist legitim. Aber passt schön dazu, find ich.
Den Brentano würde Hören und Sehen vergehen, denkt Roland im blauen Schalensitz. 15:13 Uhr schlägt's, der Weg zur Haltestelle wurde gerade so überlebt – ein Linienbus war's, den er fast über den Haufen gerannt hätte. Der hätte Augen gemacht, da kennt er nichts. Als ärmlicher décandant lauscht er nun dem Zischen des Ungetüms, macht sich breit hier, neben ihm die Donauwellen und der Kakao für den Elefanten: sorgsam eingepackt, auf dass keine Klagen kommen. Hör, wie's rattert: das sind die Gleise, hör, wie's schnattert: das ist die Darmfauna der Midgardschlange. Aber geklackert wird auch: da vorne wirft ein Lausbub seine Plastikflasche auf den Boden, klackerdiklack: sein Kumpane hebt sie auf. Grinst, wirft sie wieder hin, haha, klackerdiklack! Was ham die Kinderchen nur für einen Spaß, 's ist schön, wenn noch ein paar am Leben sind. Wie sie da rumhuschen im Viererabteil, kaum zu bändigen – kleine Revolutionäre: immer auf Achse, immer energetisch, nie tot. Plötzlich keift es von drüben: „Wenn ihr euch nicht benehmen könnt, setzt euch woanders hin.“ – Jesus Christus!, Roland dreht sich um, stiert durch den Gang, entdeckt etwas.
Haben wir's mal wieder: Hexenkrakehle, im Orkus hockt eine auf dem Ziegenbock und blafft die kleinen Genossen an – geteert und gefedert gehört die, 's ist ein Skandal: Sittenverfall, wenn Rentner Kinder domestizieren wollen; damals in HJ und BDM war alles noch viel einfacher.
„Hört nicht auf die, schmeißt der die Flasche an den Kopf!“, ruft Roland hinüber und – padauz! - dem Befehl wurde umgehend Folge geleistet. Von hinten hört er's noch fluchen und hetzen – gegen das Kastratenchorgekicher hat die keine Chance, no way. Das macht sie platt. Und's gibt kaum Schönres auf der Welt. Vielleicht Vogelzwitschern – aber das ist eher unmotiviertes Geplärre, können ja nix anderes. Was bleibt: keine Beulenpest dem Hexenrettich! Blauer Plüschbezug auf Straßenbahnsitzen ist recht angenehm, gute Investition der Stadt: mal nicht in irgendwelche Hubbel, wo du's Kotzen kriegst, wenn du drüber fährst.
"Nächster Halt: Domplatz. Bitte links aussteigen.", wird befohlen. Ei, das ist fein, die Hexe trollt sich, schwingt noch den Zauberstab, hat aber scheints kein Mana mehr im Tank: Sachen gibt's. Ein Spießer steigt zu, hat ein lahmes Bein, der gute Krüppel. Schwarzer Hut, Gleitsichtbrille, hinten verdreckter dunkler Mantel (dunkelgrau? na. eher: versautes Schwarz!), hitlernder Rotzfänger, braches Death Valley mit Hühneraugen drinne. Hüstelt provokant: hier bin ich der Boss, alles hört auf mein Kommando! - man kann ihm die Idiome von den Gehirnwindungen ablesen.
1) herankrüppeln, 2) mustern & ausmustern des Fahnenflüchters. Soweit, so vertraut. Doch nun der liebe Fehler: die Geste, Sakra, das war der Fehler! Eine ausgestreckte Hand, die dem Senioren Weisung gibt, seinen Gehfehler nicht weiter zelebrieren zu müssen sondern den Dreckarsch der Schale einzuverleiben: gilt allg. als freundlich. Findet der da aber nicht, findet stattdessen einen roten Fleck auf dem Sitz, vllt. 3cm² groß, vermutlich Ketchup, Türkenblut, wwi, jedenfalls längst eingetrocknet. Schon geht’s Gekeife los: „Aha. Und da soll ich mich hinsetzen.“ - „Ja, wieso nicht?“, generiert die gute Kinderstube Zank & Zwist – präadoleszentes Advokatieren: Fleck nicht mal bemerkt! Doch „Alles versaut hier.“, spuckt der Heini fast drauf. „War'n Sie das?“ - „Nein, wie kommen Sie darauf? Ich würd nie...“ - „Auch noch für dumm verkauft wird man hier. Saubermachen!“, befiehlt der General - denkste: „Nein, tu ich nicht!“ - was der Alte natürlich völlig ignoriert, der begutachtet stattdessen die Sitze, klopft drauf: paar Staubfussel hüpfen hoch. „Weil ihr immer die Füße auf die Sitze legt.“; also das geht ja wohl auf keine Elefantenhaut! „Nein, nicht weil wir immer die Füße auf die Sitze legen, eher weil ihr euch immer mit euren dreckigen Pennerjacken draufsetzt.“
Oha – Widerworte, bissig noch dazu: sofort massakrieren!
„Ich hol den Zugführer (Führer passt zu dir, Arschloch.), ich hol den Zugführer, der setzt Sie wegen Ihrer Frechheiten direkt mal raus!“ - „Das will ich sehen. Bis du vorne bist, bin ich schon 3 mal ausgestiegen.“
Der Alte verwelkt motiviert, dann macht er sich (der wird doch wohl nicht?! - doch, er wird.) auf zur Schnauze des Riesenviehs. Ein Einsiedlerkrebs nebst Wohnmobil hätte ihn auf 800m 4 mal überrundet. Roland schüttelt fassungslos den Kopf: Sachen gibt's.
„Nächster Halt: Frummelviertel. Bitte links aussteigen!“, verarscht das Band den Veteranen. Die Midgardschlange keucht und sabbert noch ein wenig, verdaut kurz darauf: Hihihi, Roland schnappt sein Beutelchen, macht sich aus dem Staub: „Ey!“, ruft er dem Alten zu – der dreht sich um - „Weitermachen!“ Der Alte: fällt fast auf die Schnauze. Glück ab.
Von den Pflastersteinen der Haltestelle perlen Schnürregentropfen im Rinnsal gen Süden, aus der Straßenschlucht hinaus wird ein Blick hinauf gen Firmament geworfen: Wolkenburgenbombardement. Die Kapuze über den Kopf gezogen, die Beute unter aufgeweichten Cord geklemmt; heimwärts lenken ihn die Schritte. Nicht auf den Gleisen ausgeglitscht; er läuft einfach so drüber, hüpft die Bordsteinkante hoch – nicht in die tiefe Pfütze reingelatscht; besinnungslos passiert. Schaufenster sind leis besprenkelt, im Himmel rumpelt's, als sei einer vom Stuhl gefallen. Alles grau da vorne und wässrige Schneeflocken trüben die Sicht - er biegt in eine Seitengasse ein; Schillerstraße: ein Migrationshintergrund nach dem anderen. Bei schönem Wetter tollen die Araberkids auf dem Gehweg herum und verlangen Wegezoll, doch im Regen sieht man, wo sie hausen: ästhetisch unter den Teppich gekehrt und unsichtbar in wohlwollender Herabwürdigung. Alter Putz wird die Straße hinuntergespült, Franks Rollgitter ist heruntergelassen: Frank ist krank, hat wohl die Magendarmgrippe. Die Seele möcht' er sich auskotzen, wie jeder andere auch, der hier wohnt. Aber sein Laden hat was, viele Frummler schauen gern bei ihm vorbei: FRANK'S BOMBENSHOP steht auf einem bleichen Blechschild überm Eingang. 5 Bomben kosten 35€, 10 Bomben kosten 70€. Mit der Großen Bombentasche (250€) kannst du bis zu 30 Bomben mit dir führen. Neben dem Eingang stehen 3 Keramiktöpfe. Zerschlägst du sie mit deinem Schwert, findest du mit etwas Glück satt Schotter darin oder eine Fee, die du mit einer leeren Flasche einfangen kannst. Die Hymne des Sturms seuselt liebliche Libretti.
Schon wieder geschlossen, grämt sich Roland. Leider leider: wird sich ärgern müssen, der gute Elefant, denn Bomben isst der parasitäre Pachyderme besonders gerne: eine nach der anderen schlonzt er sich mit dem Rüsselchen in den Pans, lässt sie im Dickdarm bumm machen und ist mir wohlgesonnen. Aber die Donauwellen: puh. Gefallen – sicher auch. Wie Rasputin der Zarenhof, so Roland Frankens Bombenshop: kraxel, kraxel, Karriere; wie Draculs Vlad der Türkenkrieg, so Roland alles auf der Welt: dran, drauf, drüber; wie Gryphius die Vanitas, so Roland: drauf geschissen. Mitunter liegen Menschen mit heruntergelassener Hose zwei Wochen lang tot in ihrer Wohnung, ohne dass es jemand bemerkt. Derweil kochen die Mutanten drunten im Kanalsystem ihre Süppchen - 's riecht man durch die Gullideckel bis hoch in den Dritten, wo fette Leute im Ascheregen ihres Substitutionsfickens aus den Fenstern lehnen: keine Türken zu beschimpfen, dafür Frummelbrühe allah carte: wer hier noch nicht mutiert ist, dem stinkts – doch's legt sich mit der Zeit und i-wann ist alles freundlich wohlwollend verbunden.
Man sieht nicht weit. Man sieht tote Blätter, wie sie umherirren, schwirren – mal hierhin, mal dorthin – und betrachtet sie mit der Gewissheit, dass sie das einzige Organische sind, das sich hier noch regt. Man selbst steckt mittendrin und stielt sich durch die Gassen, während Forsetis Kinder an Haut und Haaren zerren. Das Gefühl – die Sensibilität. Ahorn streift seine Hosenbeine, plitsch: von Wasser besprenkelt. Mist. Aus der Ferne klappern Rolläden hinüber, sind kaum zu hören, kaum zu deuten. Genau wie die Szenerien, die sich hinter ihnen abspielen – mittags, so um vier, fünf Uhr herum: Privatfernsehen zeigt dir das Leben der anderen. Du schaust zu. Und freust dich: ulkig, dieser Asi-Voyeurismus – oder aber: geteiltes Leid ist halbes Leid, denn wenn's einem dreckig geht – dann ist' befriedigend, Leute zu sehen, denen es noch dreckiger geht. Hier gibt’s diese Perspektive nicht, hier gibt’s – Identifikation: ein halbverhungerter Fenrir auf dem Boden wird vom feingerippten Bacchus in die Nieren getreten und Bergbaubabsi reliktiert verstaubend auf einem fahlen Spitzendeckchen in der Ecke, die rotgefärbte, abgehalfterte Dauerwellendürre mit dem vollen Aschenbecher wartet seit Dekaden auf ihren Adonis und wird Nacht für Nacht von ziegenböckigen Faunen bestiegen – du schaust dir's halt an. Aber Wasser gefriert auf der Haut – draußen, vor dem Fensterverschliss. Doppeltverglastes Konfetti darunter: einen Steinwurf weit entfernt.
Im Himmel annihilieren himmlische Heerscharen: 's düstert, und Nacht bricht herein – so Sonnenlicht die Wege flutete, könnte man den allabendlichen Niedergang mit Passion verfolgen, denn die Sonne ist das Schönste hier im Frummelviertel – aber was ist, wenn sie im Sterben liegt? Und es trotzdem i-wie unergründliches Hell schafft, diesen Mortalliberalismus visuell zu kokettieren – will sagen: zu inszenieren? Dann ist alles grau und nass und der zeitweise erhöhte, zeitweise triste Dreck füllt den Frummler mit Unmut und Vergessen. Denn was will man hier anderes tun als zu vergessen? Jeder vergessene Tag ist ein erlebter, jeder wahrgenommene ist Regen, Sturm und Seelenmord. Mais vive la nui et gloria sit matri noctium: Totentanz der Sinne – moonlight shadow ftw.
Am Kurisositätenladen läuft er vorbei, dem Fundbüro des Frummelviertels: wenn etwas verlustig ging, taucht es über kurz oder lang hier wieder auf; der Eigner kann es dann gegen ein geringes Entgeld zurückerwerben. Circle of life und alle sind mehr oder weniger glücklich damit, besonders Inhaber Lars, der in freundlicher Besorgnis die Wünsche der Kundschaft aufnimmt und bald seine Mitarbeiter instruiert, den gesuchten Gegenstand schnellstmöglich aufzutreiben. Ab und an bleibt natürlich etwas über, meist Abstruses, desöfteren regelrecht Garstiges: so auch Leviathan, den Roland unter der Ladentheke erstand: nettes Geschäft, fairer Preis bei angewandter Sachkenntnis. Lars ist eines der Herzstücke des Frummelviertels: ohne ihn wären Frust & Verzweiflung eminenter denn... ach, lassen wir's. Ist eh alles gleich. Man weiß es nicht. Oft lösen sich Dinge verschiedenster Art in Luft auf: einfach so. Man weiß es nicht. Und niemand will es wirklich wissen – dies sind die Regeln, der Kodex des Frummelviertels. So man aber Lars besucht, Vermisstes erspäht und das nötige Kleingeld nicht zur Hand hat, muss man nur eins um die Ecke gehen: Raoul der Geldverleiher hilft gerne aus und gibt Kredite. Aber Obacht: er katalogisiert den Handel überaus tüchtig und schafft man Geld & Zins nicht fristgemäß bei, sendet er seine Kompagnons aus; Überredungskunst zelebriert: zack, zerrt der Kunde dann an allen Hebeln, um seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Deshalb gibt es auch keine Banken im Frummelviertel. Nicht mehr. Auch die Beamten in Zivil sind seit geraumer Zeit spurlos verschwunden.
Roland zieht den Kopf ein und Schneeregenflocken bewohnen seine Jacke. Tapfer flieht er im Stechschritt zur Badstraße, paar Ecken sind's noch, dann ist er zu Hause. Spitzbergener Luft durchpflügt die Gassen. Hoffentlich... friert er nicht, denkt Roland. Aber halt: soweit ich mich erinnere, hm, soweit ich mich erinnere, habe ich die Heizung aufgedreht – 22 Grad: Wohlfühltemperatur. Ach, ich denk: das geht in Ordnung. Er wird... nicht! mit mir hadern...
Über die Pfütze gehüpft: Glück gehabt, gesprayter Expressonismus säumt den Weg. → Badstraße. Hier steht das Wasser fast phallisch in der Luft, die Windsbraut jault. Roland fliegt vom spitzen Kopf die Kapuze. Paar Meter noch: geschafft! - Doch nirgends Licht, das Schritte lenken könnte. Wenn ich mich jetzt ablege und mir was tu, denkt Roland, könnt ich die olle Stadt verklagen: fahrlässige Körperverletzung weil kein Licht. Im Erdgeschoss der Hexenladen: kurz stiert er noch hinein, alles dunkel da drinnen, wo Hexe Erna Feuerkraut und Apfelkorn vertickt; schlimmer noch: sie bildet eine Praktikantin in Kräuterkunde aus. Roland pocht gegen die Scheibe, schaut hinein wie ein Koboldmaki: ist wirklich niemand da. Zur Zeit wohl kein Frummler aktiv, wie's scheint – gibt Schlimmres im Leben. Steif und übernächtigt stielt er sich in den Hauseingang und macht mit leisem Klicken hoch das Tor zur Zwischenwelt.
Ich hab mich entschlossen, mal wieder einen kleinen Ausschnitt aus meinem Projekt zur hoffentlichen Debatte frei zu geben. Es handelt sich, wie gesagt, um eine Strassenbahnfahrt nebst Heimweg und betrifft einen jungen Mann namens Roland, in dessen Wohnung ein lila Elefant und ein Wolpertinger wohnen, die beide ihr Unwesen treiben und sich selbst, aber vor allem ihm, Schabernack spielen. Leider nicht nur frechfröhlichen, sondern primaer existenzbedrohenden, zersetzenden, bösartigen. Dennoch muss Roland den Elefanten (von dem er weiss) durchfüttern. Der Wolpertinger ist ein Depp, kein Wunder: er hat ein Fischgehirn. Aber zurück zum Text. Er ist recht progressiv geschrieben und ich mag den Schreibstil - was allerdings eine persönliche Einschaetzung ist und stark polarisierend diskutiert wird. Wie auch immer, ich wünsche ein angenehmes Vergnügen!
PS: als kleines Schmankerl hab ich etwas Zelda in die Suppe gemischt, ich glaub, es ist legitim. Aber passt schön dazu, find ich.

„Alles ist freundlich wohlwollend verbunden.“
Den Brentano würde Hören und Sehen vergehen, denkt Roland im blauen Schalensitz. 15:13 Uhr schlägt's, der Weg zur Haltestelle wurde gerade so überlebt – ein Linienbus war's, den er fast über den Haufen gerannt hätte. Der hätte Augen gemacht, da kennt er nichts. Als ärmlicher décandant lauscht er nun dem Zischen des Ungetüms, macht sich breit hier, neben ihm die Donauwellen und der Kakao für den Elefanten: sorgsam eingepackt, auf dass keine Klagen kommen. Hör, wie's rattert: das sind die Gleise, hör, wie's schnattert: das ist die Darmfauna der Midgardschlange. Aber geklackert wird auch: da vorne wirft ein Lausbub seine Plastikflasche auf den Boden, klackerdiklack: sein Kumpane hebt sie auf. Grinst, wirft sie wieder hin, haha, klackerdiklack! Was ham die Kinderchen nur für einen Spaß, 's ist schön, wenn noch ein paar am Leben sind. Wie sie da rumhuschen im Viererabteil, kaum zu bändigen – kleine Revolutionäre: immer auf Achse, immer energetisch, nie tot. Plötzlich keift es von drüben: „Wenn ihr euch nicht benehmen könnt, setzt euch woanders hin.“ – Jesus Christus!, Roland dreht sich um, stiert durch den Gang, entdeckt etwas.
Haben wir's mal wieder: Hexenkrakehle, im Orkus hockt eine auf dem Ziegenbock und blafft die kleinen Genossen an – geteert und gefedert gehört die, 's ist ein Skandal: Sittenverfall, wenn Rentner Kinder domestizieren wollen; damals in HJ und BDM war alles noch viel einfacher.
„Hört nicht auf die, schmeißt der die Flasche an den Kopf!“, ruft Roland hinüber und – padauz! - dem Befehl wurde umgehend Folge geleistet. Von hinten hört er's noch fluchen und hetzen – gegen das Kastratenchorgekicher hat die keine Chance, no way. Das macht sie platt. Und's gibt kaum Schönres auf der Welt. Vielleicht Vogelzwitschern – aber das ist eher unmotiviertes Geplärre, können ja nix anderes. Was bleibt: keine Beulenpest dem Hexenrettich! Blauer Plüschbezug auf Straßenbahnsitzen ist recht angenehm, gute Investition der Stadt: mal nicht in irgendwelche Hubbel, wo du's Kotzen kriegst, wenn du drüber fährst.
"Nächster Halt: Domplatz. Bitte links aussteigen.", wird befohlen. Ei, das ist fein, die Hexe trollt sich, schwingt noch den Zauberstab, hat aber scheints kein Mana mehr im Tank: Sachen gibt's. Ein Spießer steigt zu, hat ein lahmes Bein, der gute Krüppel. Schwarzer Hut, Gleitsichtbrille, hinten verdreckter dunkler Mantel (dunkelgrau? na. eher: versautes Schwarz!), hitlernder Rotzfänger, braches Death Valley mit Hühneraugen drinne. Hüstelt provokant: hier bin ich der Boss, alles hört auf mein Kommando! - man kann ihm die Idiome von den Gehirnwindungen ablesen.
1) herankrüppeln, 2) mustern & ausmustern des Fahnenflüchters. Soweit, so vertraut. Doch nun der liebe Fehler: die Geste, Sakra, das war der Fehler! Eine ausgestreckte Hand, die dem Senioren Weisung gibt, seinen Gehfehler nicht weiter zelebrieren zu müssen sondern den Dreckarsch der Schale einzuverleiben: gilt allg. als freundlich. Findet der da aber nicht, findet stattdessen einen roten Fleck auf dem Sitz, vllt. 3cm² groß, vermutlich Ketchup, Türkenblut, wwi, jedenfalls längst eingetrocknet. Schon geht’s Gekeife los: „Aha. Und da soll ich mich hinsetzen.“ - „Ja, wieso nicht?“, generiert die gute Kinderstube Zank & Zwist – präadoleszentes Advokatieren: Fleck nicht mal bemerkt! Doch „Alles versaut hier.“, spuckt der Heini fast drauf. „War'n Sie das?“ - „Nein, wie kommen Sie darauf? Ich würd nie...“ - „Auch noch für dumm verkauft wird man hier. Saubermachen!“, befiehlt der General - denkste: „Nein, tu ich nicht!“ - was der Alte natürlich völlig ignoriert, der begutachtet stattdessen die Sitze, klopft drauf: paar Staubfussel hüpfen hoch. „Weil ihr immer die Füße auf die Sitze legt.“; also das geht ja wohl auf keine Elefantenhaut! „Nein, nicht weil wir immer die Füße auf die Sitze legen, eher weil ihr euch immer mit euren dreckigen Pennerjacken draufsetzt.“
Oha – Widerworte, bissig noch dazu: sofort massakrieren!
„Ich hol den Zugführer (Führer passt zu dir, Arschloch.), ich hol den Zugführer, der setzt Sie wegen Ihrer Frechheiten direkt mal raus!“ - „Das will ich sehen. Bis du vorne bist, bin ich schon 3 mal ausgestiegen.“
Der Alte verwelkt motiviert, dann macht er sich (der wird doch wohl nicht?! - doch, er wird.) auf zur Schnauze des Riesenviehs. Ein Einsiedlerkrebs nebst Wohnmobil hätte ihn auf 800m 4 mal überrundet. Roland schüttelt fassungslos den Kopf: Sachen gibt's.
„Nächster Halt: Frummelviertel. Bitte links aussteigen!“, verarscht das Band den Veteranen. Die Midgardschlange keucht und sabbert noch ein wenig, verdaut kurz darauf: Hihihi, Roland schnappt sein Beutelchen, macht sich aus dem Staub: „Ey!“, ruft er dem Alten zu – der dreht sich um - „Weitermachen!“ Der Alte: fällt fast auf die Schnauze. Glück ab.
Von den Pflastersteinen der Haltestelle perlen Schnürregentropfen im Rinnsal gen Süden, aus der Straßenschlucht hinaus wird ein Blick hinauf gen Firmament geworfen: Wolkenburgenbombardement. Die Kapuze über den Kopf gezogen, die Beute unter aufgeweichten Cord geklemmt; heimwärts lenken ihn die Schritte. Nicht auf den Gleisen ausgeglitscht; er läuft einfach so drüber, hüpft die Bordsteinkante hoch – nicht in die tiefe Pfütze reingelatscht; besinnungslos passiert. Schaufenster sind leis besprenkelt, im Himmel rumpelt's, als sei einer vom Stuhl gefallen. Alles grau da vorne und wässrige Schneeflocken trüben die Sicht - er biegt in eine Seitengasse ein; Schillerstraße: ein Migrationshintergrund nach dem anderen. Bei schönem Wetter tollen die Araberkids auf dem Gehweg herum und verlangen Wegezoll, doch im Regen sieht man, wo sie hausen: ästhetisch unter den Teppich gekehrt und unsichtbar in wohlwollender Herabwürdigung. Alter Putz wird die Straße hinuntergespült, Franks Rollgitter ist heruntergelassen: Frank ist krank, hat wohl die Magendarmgrippe. Die Seele möcht' er sich auskotzen, wie jeder andere auch, der hier wohnt. Aber sein Laden hat was, viele Frummler schauen gern bei ihm vorbei: FRANK'S BOMBENSHOP steht auf einem bleichen Blechschild überm Eingang. 5 Bomben kosten 35€, 10 Bomben kosten 70€. Mit der Großen Bombentasche (250€) kannst du bis zu 30 Bomben mit dir führen. Neben dem Eingang stehen 3 Keramiktöpfe. Zerschlägst du sie mit deinem Schwert, findest du mit etwas Glück satt Schotter darin oder eine Fee, die du mit einer leeren Flasche einfangen kannst. Die Hymne des Sturms seuselt liebliche Libretti.
Schon wieder geschlossen, grämt sich Roland. Leider leider: wird sich ärgern müssen, der gute Elefant, denn Bomben isst der parasitäre Pachyderme besonders gerne: eine nach der anderen schlonzt er sich mit dem Rüsselchen in den Pans, lässt sie im Dickdarm bumm machen und ist mir wohlgesonnen. Aber die Donauwellen: puh. Gefallen – sicher auch. Wie Rasputin der Zarenhof, so Roland Frankens Bombenshop: kraxel, kraxel, Karriere; wie Draculs Vlad der Türkenkrieg, so Roland alles auf der Welt: dran, drauf, drüber; wie Gryphius die Vanitas, so Roland: drauf geschissen. Mitunter liegen Menschen mit heruntergelassener Hose zwei Wochen lang tot in ihrer Wohnung, ohne dass es jemand bemerkt. Derweil kochen die Mutanten drunten im Kanalsystem ihre Süppchen - 's riecht man durch die Gullideckel bis hoch in den Dritten, wo fette Leute im Ascheregen ihres Substitutionsfickens aus den Fenstern lehnen: keine Türken zu beschimpfen, dafür Frummelbrühe allah carte: wer hier noch nicht mutiert ist, dem stinkts – doch's legt sich mit der Zeit und i-wann ist alles freundlich wohlwollend verbunden.
Man sieht nicht weit. Man sieht tote Blätter, wie sie umherirren, schwirren – mal hierhin, mal dorthin – und betrachtet sie mit der Gewissheit, dass sie das einzige Organische sind, das sich hier noch regt. Man selbst steckt mittendrin und stielt sich durch die Gassen, während Forsetis Kinder an Haut und Haaren zerren. Das Gefühl – die Sensibilität. Ahorn streift seine Hosenbeine, plitsch: von Wasser besprenkelt. Mist. Aus der Ferne klappern Rolläden hinüber, sind kaum zu hören, kaum zu deuten. Genau wie die Szenerien, die sich hinter ihnen abspielen – mittags, so um vier, fünf Uhr herum: Privatfernsehen zeigt dir das Leben der anderen. Du schaust zu. Und freust dich: ulkig, dieser Asi-Voyeurismus – oder aber: geteiltes Leid ist halbes Leid, denn wenn's einem dreckig geht – dann ist' befriedigend, Leute zu sehen, denen es noch dreckiger geht. Hier gibt’s diese Perspektive nicht, hier gibt’s – Identifikation: ein halbverhungerter Fenrir auf dem Boden wird vom feingerippten Bacchus in die Nieren getreten und Bergbaubabsi reliktiert verstaubend auf einem fahlen Spitzendeckchen in der Ecke, die rotgefärbte, abgehalfterte Dauerwellendürre mit dem vollen Aschenbecher wartet seit Dekaden auf ihren Adonis und wird Nacht für Nacht von ziegenböckigen Faunen bestiegen – du schaust dir's halt an. Aber Wasser gefriert auf der Haut – draußen, vor dem Fensterverschliss. Doppeltverglastes Konfetti darunter: einen Steinwurf weit entfernt.
Im Himmel annihilieren himmlische Heerscharen: 's düstert, und Nacht bricht herein – so Sonnenlicht die Wege flutete, könnte man den allabendlichen Niedergang mit Passion verfolgen, denn die Sonne ist das Schönste hier im Frummelviertel – aber was ist, wenn sie im Sterben liegt? Und es trotzdem i-wie unergründliches Hell schafft, diesen Mortalliberalismus visuell zu kokettieren – will sagen: zu inszenieren? Dann ist alles grau und nass und der zeitweise erhöhte, zeitweise triste Dreck füllt den Frummler mit Unmut und Vergessen. Denn was will man hier anderes tun als zu vergessen? Jeder vergessene Tag ist ein erlebter, jeder wahrgenommene ist Regen, Sturm und Seelenmord. Mais vive la nui et gloria sit matri noctium: Totentanz der Sinne – moonlight shadow ftw.
Am Kurisositätenladen läuft er vorbei, dem Fundbüro des Frummelviertels: wenn etwas verlustig ging, taucht es über kurz oder lang hier wieder auf; der Eigner kann es dann gegen ein geringes Entgeld zurückerwerben. Circle of life und alle sind mehr oder weniger glücklich damit, besonders Inhaber Lars, der in freundlicher Besorgnis die Wünsche der Kundschaft aufnimmt und bald seine Mitarbeiter instruiert, den gesuchten Gegenstand schnellstmöglich aufzutreiben. Ab und an bleibt natürlich etwas über, meist Abstruses, desöfteren regelrecht Garstiges: so auch Leviathan, den Roland unter der Ladentheke erstand: nettes Geschäft, fairer Preis bei angewandter Sachkenntnis. Lars ist eines der Herzstücke des Frummelviertels: ohne ihn wären Frust & Verzweiflung eminenter denn... ach, lassen wir's. Ist eh alles gleich. Man weiß es nicht. Oft lösen sich Dinge verschiedenster Art in Luft auf: einfach so. Man weiß es nicht. Und niemand will es wirklich wissen – dies sind die Regeln, der Kodex des Frummelviertels. So man aber Lars besucht, Vermisstes erspäht und das nötige Kleingeld nicht zur Hand hat, muss man nur eins um die Ecke gehen: Raoul der Geldverleiher hilft gerne aus und gibt Kredite. Aber Obacht: er katalogisiert den Handel überaus tüchtig und schafft man Geld & Zins nicht fristgemäß bei, sendet er seine Kompagnons aus; Überredungskunst zelebriert: zack, zerrt der Kunde dann an allen Hebeln, um seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Deshalb gibt es auch keine Banken im Frummelviertel. Nicht mehr. Auch die Beamten in Zivil sind seit geraumer Zeit spurlos verschwunden.
Roland zieht den Kopf ein und Schneeregenflocken bewohnen seine Jacke. Tapfer flieht er im Stechschritt zur Badstraße, paar Ecken sind's noch, dann ist er zu Hause. Spitzbergener Luft durchpflügt die Gassen. Hoffentlich... friert er nicht, denkt Roland. Aber halt: soweit ich mich erinnere, hm, soweit ich mich erinnere, habe ich die Heizung aufgedreht – 22 Grad: Wohlfühltemperatur. Ach, ich denk: das geht in Ordnung. Er wird... nicht! mit mir hadern...
Über die Pfütze gehüpft: Glück gehabt, gesprayter Expressonismus säumt den Weg. → Badstraße. Hier steht das Wasser fast phallisch in der Luft, die Windsbraut jault. Roland fliegt vom spitzen Kopf die Kapuze. Paar Meter noch: geschafft! - Doch nirgends Licht, das Schritte lenken könnte. Wenn ich mich jetzt ablege und mir was tu, denkt Roland, könnt ich die olle Stadt verklagen: fahrlässige Körperverletzung weil kein Licht. Im Erdgeschoss der Hexenladen: kurz stiert er noch hinein, alles dunkel da drinnen, wo Hexe Erna Feuerkraut und Apfelkorn vertickt; schlimmer noch: sie bildet eine Praktikantin in Kräuterkunde aus. Roland pocht gegen die Scheibe, schaut hinein wie ein Koboldmaki: ist wirklich niemand da. Zur Zeit wohl kein Frummler aktiv, wie's scheint – gibt Schlimmres im Leben. Steif und übernächtigt stielt er sich in den Hauseingang und macht mit leisem Klicken hoch das Tor zur Zwischenwelt.
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