Kreatives / Kurzes.

    • Kreatives / Kurzes.

      Hallo, ihr Lieben. <3

      Im Rahmen einer Welle von Schaffensdrang beanspruche ich an dieser Stelle ein Stückchen Forum für mich. :3 Dieser Thread ist als generelle "Lest mein kurzgeschichtenähnliches Gedöns!"-Angelegenheit gedacht, also keine zusammenhängende Riesenstory... zumindest heute noch nicht.

      Ich beginne mal ganz naiv mit 'nem kleinen Geschichtchen, in dem viel von mir steckt. Ich bin mir mit dem Titel nicht ganz sicher, obwohl ich ihn recht sympathisch finde-- naja, was soll's. Es ist aber davon auf jeden Fall weniger erfunden, als man meinen möchte. ;D
      Kurzdisclaimer: Alles meins, sofern nicht anderweitig gekennzeichnet, und total jugendfrei (das glaubt ihr doch selbst nicht).


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      Ein fragwürdiger Begleiter

      Ich habe einen Begleiter.
      Außer mir sieht ihn niemand. Und doch ist er da. Er begleitet mich an alle Orte der Welt, ganz egal, wie es um mich steht. Er ist wie ein Schatten. Ein Schatten, der mir folgt, mich nicht aus den Augen lässt. Der es nicht lassen kann, mir nachzustellen.
      Eine feste Form hat er nicht. Er sieht immer anders aus, verschwimmt in dem Zwielicht, in dem er stets bleibt. Manchmal folgt er mir als ein kleiner, dicklicher Mann mit glühend roten Augen, manchmal folgt er mir als ein Vogelmensch, groß und ehrfurchtgebietend, an anderen Tagen als ein Kind mit einem Teddybär. Es wechselt ständig. Ich habe oft versucht, ein Muster in den Veränderungen zu erkennen, doch es gibt keines. Sie geschehen einfach.
      Er greift nicht ein. Er beobachtet nur. Zu Beginn hielt ich ihn für die Folgen einer durchzechten Nacht.
      Reine Einbildung, doch er blieb. Ich habe nie jemandem von ihm erzählt, es würde mir niemand glauben, dessen bin ich mir sicher.
      Es kam die Zeit, da ich mich an ihn gewöhnt hatte. Ich nahm ihn als einen Teil meines Alltags war. Ich beobachtete ihn meinerseits, wartete darauf, dass er irgendetwas tun würde. Mich anfallen und auffressen, oder einfach verschwinden. Doch er blieb einfach nur da und beobachtete mich. Wenn ich am Computer saß, stand er in der Ecke des Raumes, zwischen Fenster und Vorhang. Wenn ich schlief, hockte er im hinter meinem Tisch, neben der Lampe. Wenn ich mir Kleidung aus meinem Schrank suchte, stand er hinter meinem Schreibtisch. Wenn ich frühstückte, hockt er hinter meinem alten Reisekoffer an der Heizung. Ich sah nie, wie er seinen Standort wechselt. Er ist einfach mit einem Male nicht mehr da und taucht in der nächsten Sekunde an einem anderen Platz wieder auf.
      Es ist nicht immer einfach mit ihm. Ich bin kein mutiger Mensch, daher hat er es das eine oder andere Mal geschafft, mich zu erschrecken. Vor allem in dem langen Flur, der zu meiner Wohnungstür führt, ist es sehr bedrückend, weil er dann immer in einem der anderen Türrahmen steht und verschwindet, sobald ich diesen passiere. Wenn ich mich dann umdrehe, steht er in einem anderen, an dem ich bereits vorbeigegangen bin.
      Ich habe in den Jahren, in denen er mich nun schon begleitet, verschiedene Dinge festgestellt. Das Auffälligste ist, dass er sich nie ganz, in seiner vollen Größe, zeigt, sondern sich immer hinter irgendetwas versteckt und nur hervorlugt. Seien es Häuserwände, Tischbeine, Türen, Baumstämme oder einfach nur schattige Ecken, in denen er kaum noch auszumachen ist.
      Auch festgestellt habe ich, dass er, sogar gegen Abend, wenn es sowieso dunkel wird, immer einen gewissen Abstand hält. Ich habe oft vermutet, dass er sehr scheu ist. Oder mich verunsichern will.

      Heute gehe ich eine Straße entlang. Keine große Straße, nur ein kleines Seitengässchen, das kaum jemand benutzt.
      Ich schaue mich um, um zu sehen, wo er ist. Ich entdecke ihn, wie er hinter einem Müllcontainer hervorschaut. Er ist heute wieder der Vogelmensch. So mag ich ihn am liebsten, er gibt mir durch seine Größe ein Gefühl von Sicherheit.
      Mir kommt der Gedanke, ihn anzusprechen. Eigentlich ein banaler Gedanke, und dennoch. Ich habe ihn seit Jahren an meiner Seite, aber nie ein Wort mit ihm gewechselt. Ich habe es nicht für nötig gehalten, denn worüber sollte ich mit einer wabernden Schattengestalt auch reden? Ich weiß nicht einmal, ob sie mir überhaupt antworten würde. Wahrscheinlich habe ich mir deswegen nie die Mühe gemacht.
      Ich drehe mich um, zu ihm gewandt, und öffne langsam meinen Mund.
      „Warum folgst du mir?“, frage ich.
      Er antwortet mir nicht.
      „Warum folgst du mir ständig?“, frage ich nochmal.
      Er kommt hinter dem Müllcontainer hervor. Langsam, aber bestimmt. Er steht mir gegenüber und ich sehe ihn zum ersten Mal in seiner ganzen Pracht.
      Er setzt einen Fuß vor den anderen. Er geht auf mich zu.
      Etwas in mir möchte meine Augen schließen, doch ich widerstehe. Ich möchte sehen, was geschieht.
      Als er direkt vor mir steht, schaue ich zu ihm hoch, tief in seine schwefelgelben Augen. Der Blickwechsel hält einige Zeit an.
      Dann zerfällt er, binnen einer Sekunde, zu Nichts.

      Ich hatte einen Begleiter.
      Außer mir hat ihn nie jemand gesehen, und doch war er da. Er hat mich überall hin begleitet, an die seltsamsten Orte, in den fragwürdigsten Zuständen. Er war wie ein Schatten, ja, ein Schatten, der mir folgte und mich nicht aus den Augen ließ. Der es einfach nicht lassen konnte, mir nachzustellen.
      Es ist einsam ohne ihn.

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      Um Anregungen und Meinungen wird gebeten.

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    • Zu später Stunde und nach so einem Tag sollte ich das vielleicht nicht tun, aber ich kann nicht schlafen. ._.

      Also... ich mag's nicht so. Es hat mir zu wenig Aussage und zu viel Pathos, dazu neigst du ja. ^^;
      Außerdem widersprichst du dir an manchen Stellen oder drückst dich zumindest widersprüchlich aus. Wie kann es eine formlose Gestalt sein, die in der Gestalt eines Kindes/Mannes/Vogels daherkommt? Geht nicht. Da du von Zwielicht und Schatten redest, haben mich die roten Augen auch eher aus der Bahn geworfen.

      Du sagtest zwar, es hätte viel von dir (ich hoffe aber, allzu autobiographisch ist es dennoch nicht o_O;), trotzdem würde ich die Wohnung doch etwas, äh, ändern. Für jemanden, der deine Wohnung kennt, ist das doch etwas zu krass. :B (Auch wenn ich die einzige im Board bin, bei der das der Fall ist.)

      Das Verschwinden des Viechs ist mir auch etwas zu random. Etwas mehr Grund, oder wenigstens Spekulation, hätte nicht wehgetan. So isses einfach zu... random?

      Sprachlich find ich es sehr angenehm und leicht zu lesen. Ganz untypisch verlierst du dich mal nicht in ellenlangen, komplizierten Schachtelsätzen, sondern benutzt etwas modernere, kurzgeschichtenartige Sätze, das passt soweit ja ganz gut.
      Nur der Pathos... aber das ist wahrscheinlich auch Geschmackssache.

      Na ja. Immerhin schreibt man, was?
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    • @Flurry:
      Danke. :3 Wir hatten uns ja schon anderweitig unterhalten diesbezüglich. Schön, dass es dir gefällt. ^^

      Original von FoWo
      Zu später Stunde und nach so einem Tag sollte ich das vielleicht nicht tun, aber ich kann nicht schlafen. ._.

      Da simmer schon zwei. .__.

      Original von FoWo
      Außerdem widersprichst du dir an manchen Stellen oder drückst dich zumindest widersprüchlich aus. Wie kann es eine formlose Gestalt sein, die in der Gestalt eines Kindes/Mannes/Vogels daherkommt? Geht nicht. Da du von Zwielicht und Schatten redest, haben mich die roten Augen auch eher aus der Bahn geworfen.

      Naja, es ist... "unscharf", sozusagen. Es wabert hin und her, hat keine Konturen, keine wirklichen Umrisse. So... Venat-mäßig, falls dir das hilft. Und es wechselt halt die Formen, in denen es auftaucht, inklusive der Augenfarbe.
      Ich wollte nicht zu viele Informationen über es geben, damit ein wenig Phantasie übrig bleibt.

      Original von FoWo
      Du sagtest zwar, es hätte viel von dir (ich hoffe aber, allzu autobiographisch ist es dennoch nicht o_O;), trotzdem würde ich die Wohnung doch etwas, äh, ändern. Für jemanden, der deine Wohnung kennt, ist das doch etwas zu krass.

      Inwiefern zu krass? Ich habe sie mir zumindest in Details anders vorgestellt, als sie eigentlich ist - oder was genau meinst du? Den Punkt versteh' ich nicht so recht.
      Oder meinst du, dass du ab jetzt in meiner Wohnung Angst haben musst? oo;

      Original von FoWo
      Das Verschwinden des Viechs ist mir auch etwas zu random. Etwas mehr Grund, oder wenigstens Spekulation, hätte nicht wehgetan.

      Naja, es gibt eben Dinge, die sich überraschend schnell in Wohlgefallen auflösen, wenn man endlich bereit ist, sich ihnen zu stellen. Kennst du diese Heimwerker-Werbung, wo ein Mann von seinem sehr montrös dargestellten alten Badezimmer verfolgt wird? This.

      Original von FoWo
      Sprachlich find ich es sehr angenehm und leicht zu lesen. Ganz untypisch verlierst du dich mal nicht in ellenlangen, komplizierten Schachtelsätzen, sondern benutzt etwas modernere, kurzgeschichtenartige Sätze, das passt soweit ja ganz gut.

      Dankesehr. ^^
      Und was den Pathos angeht - wtf Pathos. D: Ich sag's mal so, wenn ich pathetisch schreiben will, schreibe ich GANZ anders. Ganz ehrlich, ich seh' da nicht besonders viel. Das ist für mich davon relativ meilenweit entfernt. xD Aber gut, Pathos finde ich in deinen Werken teilweise auch recht viel, wo du ihn wahrscheinlich nicht siehst, vermutlich ticken wir diesbezüglich einfach unterschiedlich.

      Original von FoWo
      Na ja. Immerhin schreibt man, was?

      Da sagste was. Seufz. (Aber hey, zu was man an einem Single-Abend nicht alles kommt.)

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    • Doppelpost, wuhu.
      Um hier mal wieder etwas Leben reinzubringen. Ein wenig experimentell, ein wenig... alltäglich. Erschreckend normal. Um Kritik wird gebeten!



      Kneipengespräch

      Ich heiße Christian und sitze in einer Kneipe.
      Mir gegenüber sitzt Volker, ein Jugendfreund. Wir haben uns nach vielen Jahren über eines dieser neuen Online-Netzwerke wiedergefunden und festgestellt, dass wir noch immer in derselben Stadt wohnen. Er bot mir einen gemütlichen Abend in einer nahegelegenen Kneipe an. Bis jetzt eine herbe Enttäuschung. Wir haben beide ein Bier bestellt.
      „Und Chris, ich sag dir, da geht noch was. Das ist nicht einfach mal eben so von heute auf morgen, ne? Rom wurd’ ja auch nicht an einem Tag erbaut.“
      „Stimmt, Volker.“
      „Aber, Chris, und auch das sag ich dir, das kann so einfach nicht weitergehen. Da muss mal einer mit der Faust auf den Tisch hauen, sonst läuft da einfach nichts. Ich meine, von nix kommt nix, oder? Da muss man schon, ich sag mal, ordentlich die Kacke am Dampfen haben, bis da was unternommen wird. Ansonsten sitzen die ja nur rum.“
      „Ja, Volker, seh’ ich genauso.“ Ich nicke und trinke einen Schluck von meinem Bier. Mmh, lecker. Weitaus interessanter als Volker. Wer schon so heißt. Naja. Ich entschließe mich dazu, es ihm nicht übel zu nehmen. „Bist du noch verheiratet?“, frage ich ihn.
      „Irgendwie schon, aber nicht so richtig“, antwortet Volker. Ich will fragen, wie er zu diesem Schluss kommt, aber hey, er redet eh schon von ganz allein weiter. „Die hat eh kein Interesse mehr an mir. Wir sind nur noch wegen unserer Tochter zusammen, sagtse immer. Dabei lieb’ ich sie immer noch, aber ich bin halt viel auf Arbeit. Da kommt man ja auch zu nix mehr in Sachen Liebe, verstehste? Inner Kiste is’ schon lange tote Hose deswegen. Besser wird das nicht, das sag ich dir.“
      „Tut mir leid für dich, Volker.“

      „Bei dir wird’s aber auch nicht besser, oder?“ Er nippt am Bier. Jau, denke ich, recht hatter. Allerdings antworte ich nur mit einem wenig enthusiastischen „Och, könnte schlimmer sein“. Ich kann mit ihm einfach nicht mehr reden. Was sagt der denn? Phrasen. Die krieg ich auch im Fernsehen. Und im Supermarkt ist das Bier sowieso günstiger.
      „Weißt du was?“, fragt Volker mich. Ich verneine. „Weißt du“, beginnt er mich aufzuklären, „ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bald wieder Krieg haben. Hier in der Heimat. Ich sag’s dir, lang is’ das nicht mehr hin. Die politische Spannung zwischen den Nationen, weißte, die is’ hochgradig gespannt. Irgendwann macht das einfach Bums und dann fliegen uns hier wieder die Bomben um die Ohren. Bundeswehr im Inneren, das ist bald wieder alltägliches Bild. Weißte?“
      „Ja, Volker, das könnte sein“, antworte ich.
      Er nickt bedeutungsschwanger. Dann setzt er wieder an: „Ich sag’s dir, der Untergang des Abendlandes, der steht bevor. Der is’ praktisch schon da. Da müssen wir gar nicht lange nach suchen. Nur mal umgucken müssen wir uns. Umgucken, verstehste?“
      Ich schaue ihn, während er redet, mit möglichst teilnahmsvollem Blick an und nicke dabei die ganze Zeit leicht, werfe hin und wieder mal ein bestätigendes „Mh“ ein. Wie man das eben so macht bei diesen Gesprächen.
      „Sag mal“, frage ich, „hast du deinen Job eigentlich noch? Bei dieser Reinigungsfirma?“
      „Nö“, antwortet er mit größtmöglicher Gelassenheit. „Pleite. Ich sag’s ja, die Wirtschaftskrise. Die kriegt uns alle. Sei bloß froh, dass du beim Finanzamt bist. Deine Anstellung ist zumindest gesichert. Aber auf uns gehense immer drauf, auf die kleinen Arbeiter, den Mann von der Straße. Der kann ja eh nichts machen, weißte? Der is’ ja hilflos.“
      „Ja“, sage ich, „so’n kleiner Mann hat’s schon nicht leicht.“

      Wir trinken beide einen Schluck. „Volker“, setze ich an, „gehst du dieses Jahr eigentlich wählen?“
      Im gleichen Moment wurde mir klar, dass das eine dumme Frage war.
      „Ja Chris, natürlich wähl’ ich! Wo kämen wir da denn hin, wenn die Leute nicht wählen würden? In Teufels Küche wären wir, und zwar schon lange!“
      „Ja, Volker, aber findest du nicht auch, dass die Alternativen allesamt ziemlich mager sind?“
      „Das stimmt allerdings!“ Volker scheint voll und ganz meiner Meinung zu sein. „Ich meine, gut, selbst wenn man als Bürger jetzt nur die Wahl zwischen Not und Elend hat, immerhin hat man die Wahl noch, ne? Kann alles schlimmer sein, verstehste? Schau dir andere Staaten an, da wählense nicht. Da is’ dann einfach einer an der Macht und fertig. Ich meine, ich will ja nun nicht das Kind mit dem Bade auskippen oder so, weißte, aber mal ganz im Vertrauen gesagt – wenn die Wahlbeteiligung so niedrig bleibt, dann sind wir davon auch nicht mehr weit weg. Dann is’ hier Diktatur, weißte? Dann is’ das wieder wie bei unseren Großeltern damals. Ich sach immer, lieber mal ’nen Idioten wählen als ’nen Wahnsinnigen.“
      „Stimmt, Volker, das ist natürlich wahr“, antworte ich.
      „Und da hört’s ja nicht auf! Ich meine, was haben wir hier denn. Totale Überfremdung, heißt es immer. Millionen von Arbeitslosen und ich armer Teufel gehöre dazu. Unzureichendes Bildungssystem, schwindende Renten, weißte, da krieg ich Angst vor der Zukunft. Da schlottert’s mir, Chris, das kannste glauben.“
      Ich stimme Volker durch ein Kopfnicken zu.
      „Ich sag mal“, setzt er fort, „wenn sich da nicht bald was tut, dann sitzen wir am Ende alle im selben Boot. Und das sinkt, mein Guter, das sag ich dir, und das nicht zu knapp. Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich— weißte?“
      Ja, Volker, denke ich. Ich weiß. Ich trinke den Rest meines Bieres in einem Zuge und entschließe mich währenddessen dazu, diesen Schluck Heinrich Heine zu widmen. Der hat’s verdient. Volker würde ich nie einen Schluck Bier widmen. Dafür ist er mir zu uninteressant.

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    • Äh. Also, ich sag mal so... haben Kurzgeschichten nicht normalerweise die Eigenschaft, eine Pointe zu haben? Ein Ergebnis? Das bleibt hier alles weg, bedauerlicherweise. Wenn da irgendwann mal ein Knackpunkt wäre, wäre das schon entschieden besser, aber es passiert ja einfach nichts.
      Ja, du wolltest eine erschreckend normale Geschichte schreiben, aber momentan ist sie vor allem erschreckend langweilig, und das kann nicht in deinem Sinne liegen. (Ich bin momentan auf einem Gernhard-Trip, zugegeben, aber ernsthaft: Tu dir mal seine Kurzgeschichten an. Da hast du interessante, erschreckend normale Geschichten.)

      Volker find ich an sich wunderbar. Er ist mir unglaublich unsympathisch. Chris ist irgendwie... niemand. Überhaupt nicht profiliert, nix. Schade igentlich, aber da du Volker so angenehm ätzend charakterisiert hast -- fast schon etwas zu sehr, denn seine Sprechweise ging mir so auf den Senkel dass ich mich zusammenreißen musste, um weiterzulesen --, bleibt Chris vollkommen außen vor.

      Was mich stilistisch gestört hat, ist das dauenrde beim-Namen-nennen -- das tut keiner in einer gesprochenen Konversation.
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    • Noch ein Stückchen, wo ich schon dabei bin.
      Es ist aus einer unfertigen Kurzgeschichte und, nun ja, ich möchte eigentlich nur wissen, ob es Potential hat.
      Der Arbeitstitel ist "Kaffee-Kuchen-Plausch bei Familie Gott" und ist entstand aus einem sehr produktiven Gespräch über Religion.
      Im Grunde geht's darum, dass ein Typ im Starbucks halt Gott begegnet und dieser ihn zu sich auf 'n nettes Gespräch ins Himmelreich einlädt, weil da der Kaffee besser ist. Die Grundidee stammt nicht von mir, aber ich hatte ein Rieseninteresse daran, sie mal zu verschriftlichen. Jetzt stagniere ich allerdings, weil ich mir nicht mehr sicher bin, ob der eingeschlagene Weg aufgeht.

      Daher praktisch ein Trailer an dieser Stelle, ungefähr aus der Mitte der gannzen Angelegenheit. Spart nicht an Nörgeleien. xDb

      Benutz mich und beschmutz mich!

      „Käffchen?“, fragt er mich. Ich bejahe per Kopfnicken, obwohl ich gar keine Lust auf Kaffee habe, aber wer lehnt schon einen Kaffee von Gott ab? Ich jedenfalls nicht. Der Gute macht auf mich einen wahnsinnig entspannten Eindruck. Ich könnte das gar nicht. Ich meine, du liebe Zeit – die Schöpfung Damit wäre ich überfordert.
      „Zucker?“, fragt er. Ich bejahe wiederum. „Drei Löffel“, ergänze sich mit vorsichtiger Stimme. „Nur?“, kommentiert er meinen Wunsch und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er sich einen Löffel nach dem anderen in seine Tasse schüttet. Nein, der schläft nicht viel, denke ich mir.
      (...)
      „Wie heißt du?“, frage ich, in Erwartung einer Antwort, die mich von den Socken haut und vollkommen baff zurücklässt.
      „Keine Ahnung“, bekomme ich zurück. Ja, wie jetzt, keine Ahnung. Ich bin spontan ein wenig verstimmt und davon überzeugt, dass der das weiß.
      „Ich hatte im Laufe der Zeit so viele Namen, dass es mir mittlerweile völlig egal geworden ist, wie ich heiße.“
      Ich schlucke ehrfürchtig.
      „Klingt mir persönlich in der Formulierung zu bedeutungsschwanger, trifft allerdings die Sache im Kern.“
      Ich atme aus unerfindlichen Gründen auf.
      „Frag weiter, wir haben Zeit,“ fordert er mich auf und schiebt sich, etwas ungeschickt, noch ein Stück Erdbeertorte auf den Teller.
      „Bedeuten dir Menschen etwas?“, frage ich in Ermangelung eines ansprechenden Themas.
      Er lächelt und stochert mit seiner Gabel im Tortenstück herum. „Nein“, antwortet er schließlich, „die sind für mich Schall und Rauch. Das ist nicht böse gemeint, das ist Gewohnheit. Das Leben ist im Prinzip langweilig, und das der Menschen erst recht.“
      „Heißt das, dass du sie einfach leben lässt, ohne weitere Kontrolle?“, frage ich ihn, deutlich interessierter als noch wenige Minuten zuvor.
      „Hauptsächlich“, antwortet er und trinkt einen Schluck Kaffee, der ihm ganz offensichtlich mundet.
      „Manchmal muss man sie in die richtige Richtung schubsen, aber mittlerweile fehlt mir die Motivation dafür. Insgesamt würde ich sie als gescheitertes Experiment bezeichnen.“
      Ich bin in Ehrfurcht versteht, wieder einmal. Wahnsinn, wie der Mann mal eben so in nur einem Satz die Menschheitsgeschichte zum Fehlschlag erklärt hat.

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    • Abgesehen vom Titel, bei dem ich mir gern alle Haare ausreißen würde -- und das willst du sicherlich nicht -- finde ich, dass es schon Potential hat. Das lässt sich natürlich am besten sagen, wenn man alles gelesen hat, aber sagen wir mal... wäre ich lektörin und würdest du das bei mri einschicken wäre ich durchaus daran interessiert, den rest zu lesen und zu bekritteln. ;3

      Gefällt mirzumindest entschieden besser als das davor. xD
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    • Endlich komme ich auch mal dazu hier zu kommentieren D|


      Zu "Ein fragwürdiger Begleiter":

      Wie Flurry gefällt mir dieses Teilchen besonders auf inhaltlicher Ebene. Für mich drückt es aus, was geschieht, wenn man etwas, was schon lange da ist und was man lange einfach duldete/akzeptierte, plötzlich in Zweifel zieht und mit diesen Zweifeln letztlich kaputt macht, unwiderruflich. Und dann wünscht man sich, man hätte niemals begonnen zu zweifeln.
      Das ist das, was ich daraus ziehe, und das gefällt mir :3


      Zu "Kneipengespräch":

      Der Anfang gefällt mir. Volker wird gut als nervige, aber gleichzeitig langweilige und "hohle" Figur charakterisiert. Leider tut sich zur Mitte hin da nicht wirklich etwas, Volker labert nervig weiter, aber Chris zieht keine Konsequenzen daraus. Es ist nicht verständlich, warum er nicht einfach sein Bier unter einem Vorwand zahlt und geht. Was hält ihn da?
      Am Rande bemerkt, finde ich es etwas eigenartig, dass Chris darüber nachdenkt, dass er Volkers Namen komisch findet. Ich meine, sie waren Jugendfreunde, der Name ist kein Novum für Chris. Das wirkt ein bisschen seltsam auf mich.
      Mit dem Schlussteil kann ich nicht wirklich etwas anfangen, er wirkt auf mich irgendwie undurchdacht. Mir ist nicht ersichtlich, warum Chris einen stillen Toast auf Heine ausbringt statt (wie oben ja schon erwähnt) einfach diesem langweiligen Typen eine vor den Latz zu knallen, auf irgendeine Weise. Hier muss ich also FoWo zustimmen, es passiert eindeutig zu wenig bzw. zu wenig Interessantes. Falls "Deutschland in der Nacht" eine allgemein bekannte Redewendung ist, so kenne und verstehe ich sie nicht, ich verstehe also auch nicht, worauf Volker mit seinem bei der Hälfte abgebrochenen Satz hinauswill.


      Zum dritten Stückchen (ist das im Spoilerdingens der Titel? ^^"):

      Dieser kleine Trailer hat irgendwie etwas Niedliches und Sympathisches, schon allein weil die Situation so absurd und für den Protagonisten prekär ist und man zwangsläufig mit ihm mitfühlt. Lediglich der Teil mit der Menschheit als gescheitertem Experiment findet bei mir nicht so starken Zuspruch, weil ich persönlich diese Thematik irgendwie ausgelutscht finde. Aber ich weiß eben nicht, worauf das letztendlich alles hinauslaufen könnte, vielleicht entwickeln sich daraus ja noch ein paar mehr nette Ansätze :3
    • Original von Kaktustussi
      Falls "Deutschland in der Nacht" eine allgemein bekannte Redewendung ist, so kenne und verstehe ich sie nicht, ich verstehe also auch nicht, worauf Volker mit seinem bei der Hälfte abgebrochenen Satz hinauswill.

      Ist ein Gedicht von Heine... daher auch der Toast. xD
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    • Danke für die Kritik, Kaktustussi. :3

      Schön, dass dir die erste Geschichte gefallen hat. Du hast es recht richtig erkannt. :3 Wobei ich allerdings auch darauf hinaus wollte, dass man es nur zuerst vermisst und später, über das Ende der Geschichte hinaus, vielleicht erkennt, dass es einem nur lästig war.

      Was den Schnipsel betrifft: Nein, das ist nicht der Titel. xD Lustigerweise wollte ich genau den Teil, den du kritisiert hast, ebenfalls wieder kürzen, weil er mir nach mehrmaligem Lesen auch zu lahm vorkam.

      ~
      So, liebe Kinder, es gibt Nachschub. Diesmal in Form einer Spoken Word Performance, im Original dargeboten von Samsas Traum. Das Stück heißt "Angst", dauert 3 Minuten und 41 Sekunden und ist eine kleine Hommage an das Original und die mit ihm verbundenen Platten.

      Wünsche "frohes" Hören. ;)

      Angst
      file-upload.net/download-1817673/Sirius---Angst.mp3.html

      © "Angst", (Konzept, Text, Duschsound) by Samsas Traum
      © "Rundtgåing av den transcendentale egenhetens støtte" by Burzum

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    • Original von MC Flurry
      Kneipengespräch...

      Sprachlich simpel, aber elegant. Die Sprache ist in Ordnung.
      Was mich hier stört ist dass Chris wirklich langweilig ist - das liegt daran, dass man nichts über ihn weiß und er sehr eindimensional wirkt. Die Geschichte wäre reizvoller, könnte man sich mehr unter Chris vorstellen. Volker ist meiner Meinung nach ein zu großes Klischee, das könntest du abschwächen indem du ihn etwas normaler sprechen lässt und nicht mit "is'", "weißte" und so weiter. Er hätte so imo besser gewirkt - immer noch sehr unysmpathisch, darauf hast du es ja angelegt, denke ich, aber auf eine angenehmere Art und Weise. Das Ende finde ich ganz okay - aber wenn es Jugendfreunde sind, finde ich es etwas komisch dass er jetzt SO schlecht über ihn denkt, auch wenn er langweilig geworden ist. Es war ja nicht so dass Volker immer so war, denke ich.

      Ich denke nicht dass eine Art Endpointe notwendig ist, aber schaden würde sie auch nicht.

      Ich hoffe, dass dir diese Kritik weiterhilft : )



      Ich glaube, dass du's dir hier zu einfach machst mit der Interpretation, denn m.M.n. darf die Sprache gar nicht anders sein. Niemand spricht in der Kneipe so, wie Thomas Mann schreibt. Wenn man literarisch schreiben will und authentisch sein will, muss man Dinge so darstellen, wie sie wirklich sind. Ein sprachliches Foto machen, sozusagen. Ein Beispiel: keiner, dem sein Geldbeutel gerade in die Pfütze gefallen ist, würde sagen: "Oh schade, mein Portemonnaie! Es fiel in die Pfütze, ist nun gaenzlich gewaessert! Es ging regelrecht baden, es ist ein Spiegel, eine Allegorie des ganzen fortfolgenden Tages! Auch er faellt ohne Frage ins Wasser! Schade!"

      Das würde niemand tun. Man brüllt stattdessen wie am Spiess, schmeisst mit Faekalausdrücken um sich, weil der Fuffie, den man für das Date mit seiner neuen Liebschaft von der Bank abgehoben hatte, nun vollkommen im Eimer ist. Daher sind auch die Apokopen sehr, sehr gelungen. Ohne sie würde es enorm aufgesetzt wirken - und ich persönlich finde, dass Volker ganz und gar nicht unsympathisch auf mich wirkt. Volkers Wesen könnte man als den Zeitgeist deuten, denke ich. Das, was er sagt, ist für jeden oder jedenfalls für viele, viele Menschen akutell.
      Die Enttaeuschung von der Politik, das soziale Drama (sowie die dröge Routine innerhalb einer Ehe als auch das fremdbestimmte berufliche Schicksal, die schleichende Spur der Apokalyptik in den Köpfen vieler, die Angst vor dem Krieg. All dies laesst Volker nicht oberflaechlich, sondern als fast tiefgründige Metapher der Gesamtsituation in Deutschland auf mich als Leser wirken. Auch dass das Gespraech in einer Kneipe stattfindet, ist, glaub ich, auch kein Zufall - denn wo sonst kann der "kleine Mann" (Zitat aus dem Text) seinem Unmut freien Lauf lassen? Auf die Strasse gehen und demonstrieren? Schaut euch um in Deutschland!
      Nein, die Hilflosigkeit treibt in Kneipen. Ich merk es ja immer, ich geh selbst öfters mal in die Dorfkneipe. Die Stimmung hat sich in den letzten Monaten gewandelt, die politische Lage in der Welt und in Deutschland findet ihren Einzug. Hier wird sie sozusagen kanalisiert und mit einem grossen Schluck hinunter gespült. Nein, Volker ist für mich nicht unsympathisch, vielmehr ist er von dir, Si, gut gemacht und bietet grosses Identifikationspotenzial.

      Der Unsympath ist ganz wer anders. Naemlich Chris, der Protagonist. Waghalsiger Gedankengang: Christian -> christlich -> Kirche -> Opium für's Volk / des Volkes? Opium für...Volk-er? Naja.
      Jedenfalls arbeitet er beim Finanzamt, also bei der Institution, die von Volkers Elend indirekt profitiert und wohl auch massgeblich dazu beigetragen hat. Volker - der Name ist sowas von sprechend - repraesentiert, oha, das Volk bzw die Bürger an sich. Den "kleinen Mann", obwohl er das nur lakonisch am Rande erwaehnt.
      Chris hingegen Staat (und ganz vielleicht Kirche). Auch seine Unterbrechung des systemkritischen "Denk ich an Deutschland in der Nacht / dann bin ich um den Schlaf gebracht." spricht Baende, sowie sein wachsendes und - für mich ziemlich unertraegliches - Desinteresse an Volker: hier wird die Distanz zwischen Regierendem und Regierten deutlich gemacht, sogar auf den Punkt gebracht. Der Heine ist geschickt verpackt, denn nach der Maerzrevolution 1848 (auf die Heine hinarbeitete, er war immerhin ein sog. "Vormaerzler") waren Staat und Volk erstmal "Freunde", um im Bild zu bleiben, da es erstmals so war, dass der Staat wirklich für die Bürger da sein sollte. Nun sind sie nur mehr "Jugendfreunde", was man als totale Entfremdung in der Gegenwart ansehen kann. Gut gemacht!

      Die Geschichte wirkt auf mich jedenfalls komplett polysem (weisst ja, was ich mein xD ), daher findet man nicht den besten Zugang zu ihr, wenn man sie oberflaechlich betrachtet. Glaub ich zumindest.
      Wenn ich nun zu viel hinein interpretiert habe, tut's mir leid. Wenn du's aber in etwa so angedacht hast, find ich den Text superstark.

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    • Nachdem ich heute feststellte, dass meine Sorgen, ich könnte den mir vermeintlich unbekannten Spoken Word-Stil nicht mögen, unbegründet sind, da ich bereits solcherlei Stücke kenne und sie sehr schätze und bloß nicht wusste, dass ebendies zu Spoken Word zählt, fühlte ich mich imstande mir mal dein kleines Werk anzuhören Bandwurmsatz.

      Ich kenne das Original von SAT nicht und kann darum nicht beurteilen, inwieweit es eine Hommage ist. Darum beurteile ich es für sich alleinstehend.

      Mir gefallen besonders die Seufzer im Hintergrund, das Klopfen und Kratzen, deine melancholische, leicht verächtliche Stimme - allgemein dieses "Unruhige", Unentspannte in dem ganzen Stück. Der Anfang gefällt mir besonders, hier merkt man die Anspannung richtig - zum Ende hin wurdest du etwas schneller oder zumindest hatte ich das Gefühl, es wäre so. Das nahm die Anspannung für mich etwas raus.
      Toll fand ich auch, wie man durch die Geräusche den beschriebenen Aktionen folgen konnte (Weckerklingeln, Wassereffekte..).
      Zudem kann ich mich -zumindest momentan- mit der Thematik vollständig identifizieren.
      Es war ungefähr so:
      "Existenzängste und Geldnöte" --> Nicken
      "Beziehungskrisen" --> Nicken
      "unfreundlichen Mitmenschen" --> heftiges Nicken
      "bürokratiegetränkten Behördengängen" --> verzweifeltes Nicken
      und so weiter. Also voll meinen Nerv getroffen.


      Nun würde mich noch eine Sache interessieren, eben weil ich das Original nicht kenne: Hast du den Text selbst geschrieben, dir die Situation selbst ausgedacht?
      (Ok, nochmal nachgelesen. da steht Konzept, Text von SAT oo" Will's trotzdem genau wissen.)

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    • Neuer Stoff. Weniger allegorisch gestaltet, eher schriftgewordener Befindlichkeitspop. Vielleicht gefällt's ja wem.

      Enstanden auf einer Bahnfahrt von, wer hätte es gedacht, Essen nach Osnabrück.
      Der Drogentrip-Soundtrack zu diesem Werk ist der Kultschlager, dessen Refrain sich auch im Titel des Textes wiederfindet und den ich als Kind im Nähzimmer meiner Großmutter so oft gehört habe, dass es mir irgendwann zu den Ohren rauskam und zynischerweise fand der schlimmste Tag in meinem Leben auf dem Zugweg nach Osnabrück statt. Zufälle gibt's, die gibt's gar nicht.

      In diesem Sinn: Lass uns Liebe machen im ICE nach Aachen...
      ~

      Ich fand das ganz große Glück

      „Achtung, meine Damen und Herren! Wir bitten um ihre Aufmerksamkeit! Die WFB39714 Richtung Osnabrück über Lengerich wird mit etwa 25 Minuten Verspätung eintreffen. Ich wiederho—“ Ich schalte auf Durchzug. Meine Aufmerksamkeit können sie haben, aber um mein Verständnis zu bitten ist spontan zu viel verlangt. 25 Minuten? In der Zeit könnte ich auf dem Bahnhofsklo masturbieren oder auf dem Bahnhofsvorplatz fremden Frauen ungeniert an die Brüste fassen. Gedanken, die man hat, wenn man seit Wochen keinen Sex mehr hatte. Ich entscheide mich, mir der Umstände bewusst, stattdessen für den Kauf einer mittelmäßigen Mahlzeit. Die Bude da sieht gut aus.
      Schon eine Minute vergangen durch das Nachdenken. Das geht schnell.

      Der Mann, aufgrund seines Berufes nennen wir ihn Pizza, schaut mich an. Er hat eine lustige Pudelfrisur. Zweifuffzigsinnasdann, sagt er eilig zu mir. Ich halte ihm einen Fünfer hin, er schmeißt mir das Wechselgeld an den Kopf. Nächster Kunde. Eile, eile, und vor allem raste nicht, kleiner Fertigpizzenverkäufer! Der Konsument harret deiner! Ich sehe es kommen und sehe es zu spät: Schei— Meine Abneigung kennt keine Grenzen. Eine junge Frau, die nach mir dran war, dreht sich nach dem Bezahlvorgang, während ich noch arglos herumstehe wie Falschgeld und mir wieder die geliebte Mussick ins Ohr stecke, mit ihrem frisch erworbenen Café Crema Spéciale hastenichgesehn auf dem Absatz um und rennt, natürlich, volle Kanne in mich rein, klatsch, der ganze Mist auf mir, meiner Tasche, meinem Koffer. Da is’ empfindliche Elektronik drin, denke ich mir und außerdem noch so etwas wie Dämliche Kacktussi!, nach außen hin gebe ich ein verärgertes Brummen von mir; mein Kaffeengel stammelt nur „Oh, sorry, ’tschuldigung“ und tippelt von dannen. Dass Pizza mir ein paar Servietten zum Trocknen rüberreicht, ist alles, was mich davor bewahrt, zu Ausdrücken zu greifen, die ich als Kind selbst nie mochte.
      Es verbleiben 22 Minuten, sagt mir nach ein wenig unmotiviertem Abtrocknen meiner Siebensachen die große, alles sehende Uhr, die über den aktuellen Zugfahrzeiten hängt. Ich werfe einen Blick auf meine Verbindung, denke Lästig, in diesem Moment macht der Zeiger ernstlich Tock, 21 Minuten verbleiben. Was tun, sprach Zeus. Gute Frage, Zeus— was tun? Ich drehe mich um und bemerke rechts hinter mir eine Buchhandlung. Stopfe das Pizzastück in mich hinein, bah, schmeckt bestenfalls mäßig, und gehe hinein. Mit irgendwas muss man sich die Zeit ja vertreiben. Das denken anscheinend auch all die Leute, die eh schon dort drin rumlaufen. Freizeit und was man draus machen kann. Ich wage einen Schritt hinein, mir steht der Sinn nicht nach den aktuellen Bestsellern, die angepriesen werden. Wenn alle es lesen, kann es nicht besonders interessant sein. Hartes Urteil, sagt eine innere Stimme zu mir. Aber ein korrektes, würge ich sie gnadenlos ab. An den Reiseführern (Reiseführer? Reiseführer im Bahnhof? Wo gibt’s sowas denn?) vorbei bewege ich mich zum Zeitschriftenregal und sehe die aktuelle Ausgabe der konkret, die ich mir prompt heraufische. Bei Meinhof, ich dachte, das Blättchen gibt’s gar nicht mehr! Ich habe mich anscheinend getäuscht und beginne mit dem Überfliegen der Artikel. Kapital, Bildung, Tagespolitik: Alles scheiße! Grob derselbe Inhalt wie vor gut dreißig Jahren. Das Probe-Abo wirbt damit, dass man sich schnell an den rauhen Umgangston gewöhne, was mich zum Schmunzeln bringt.
      Daneben entdecke ich eine Sonderausgabe von irgendwas, vielleicht Spiegel oder GEO. Es geht um Hitler, surprise. Ich rümpfe abschätzig die Nase angesichts der x-ten medialen Verwurstung des ollen Fööhrers, werfe einen Blick auf ein Hinweisschild. Es sagt so viel wie: „Erst zahlen, dann lesen – gestundet wird nicht!“, ich fühle mich ertappt, nicht zu knapp und tapere von dannen.

      Draußen Abenddämmerung. Es verbleiben 14 Minuten. Da steh’ ich, chic und charmant, weiß gar nicht, was ich anfangen soll mit all meiner Zeit. Leute beobachten klingt gut. Ich fange damit an und mein Blick fällt auf einen älteren Herrn. Der macht gar nichts, der steht nur rum (wie alte Leute das zumeist zu tun pflegen). Langweilt mich zunehmend und ich sehe mich weiter um. Ein kurzer Blick nach rechts, ich denke JACKPOT. Am Süßwarenkiosk steht die schönste Frau der Welt, sogar noch schöner als die schönste Frau der Welt, die ich vorhin im Regional-Express beobachtet habe. Ich denke, was man so denkt, wie harmonisch ihre endlos langen Beine mit ihren mindestens ebenso endlos langen Haaren korrespondieren und so weiter und so fort. Habe ich ein Beuteschema? Die Antwort lautet Ja.
      Du hast eine Beziehung, du Chauvinist. Meine innere Stimme nervt wieder rum. Ich nicke ihr bestätigend zu und überlege, mich ans Gleis zu stellen. Das Konzept überzeugt mich, aber ich komme nicht umhin, mir vorher nochmal was bei Pizza zu kaufen. Diesmal ohne Gratis-Kaffee. Hier, zwei fünfzig, passt so, schönen Tag noch, frohes Neues, tschüss!
      Bin wieder unentschlossen, gehe trotzdem zum Gleis. Die allsehende Uhr sagt: In neun Minuten fährt dein Zug. Ich gebe nach und rolle meinen Koffer durch den Gang, wuchte ihn anschließend die Treppen hoch. Auf meinem Weg Plakate; eines verspricht Bessere Zeiten werden kommen. Irgendwas von den Jesuiten. Bessere Zeiten klingen gut. Ihr Pfeifen.

      Treppe hoch, check. Koffer da, check. Handgepäck, sowieso. Mich kann nichts mehr aufhalten in meinen faustschen Reisedrange. „Achtung! Achtung! Die WFB39714 Richtung Osnabrück über Lengerich, planmäßige Abfahrt um 17:40 Uhr, wird jetzt auf Gleis 8 bereitgestellt!“ So schallt es von den zugeschneiten Dächern und so wird es geschehen. Neben mir mittlerweile irgendeine Frau. Könnte auch die schönste Frau der Welt sein. Meine Freundin sieht trotzdem viel besser aus, denke ich mir und freue mich meines Lebens. Die schönsten Frauen der Welt sahen heute alle gleich aus. Alle drei. Achtung, Reisewarnung! In Münster gibt's gar keine Unterschiede! Zitiert's mein Kopf und ich stimme ihm zu. Der albern aussehende Bummelzug juckelt gemächlich ans Gleis. Jetzt ist Aktionismus gefragt, ohne Sitzplatz ist der Passagier gefickt, es möcht' kein Hund so leben. Menschen steigen aus, Menschen steigen ein. Ich steige auch ein. Ein großes Hin und Her und ich mittendrin. Alle einsteigen! Und los geht’s. Tschuuu-tschuuu.

      ~
      Um Kritik/Feedback wird gebeten. o/
      Danke für's Lesen.

      dead girls dry each others eyes
      and pretend for a while
      that we're still alive.


      ________

      Twitter | DIE BASIS
    • "Ich faaand das gaanz groooße Glück - mit dir im Zug nach Osnabrück" *träller* x'D
      Mal abgesehen davon, dass das eines der vielleicht grausigsten Lieder (und Videos) ist, die ich kenne, mag ich deinen Text, Si ;3

      Und obwohl du sagst, dass es weniger eine Allegorie als deinem Befinden entsprungen ist, kann man natürlich totzdem genug finden, worüber man sich gesellschaftskritisch auslassen könnte (wie auch anders, ist ja im Prinzip ein Abbild, wenn du so willst). Eigentlich sogar grade. Witzig, du legst es nicht darauf an und man hält den Leuten umso extremer einen Spiegel vor. Erschreckend, wie leicht das geht. O.o
      Spontan sind mir auch keine sprachlichen Schwächen aufgefallen, also überspring ich den Punkt gleich mal. (vielleicht kommt ja noch was nach, aber ich denke, das überlasse ich anderen).
      Mir gefiel jedenfalls diese eine Stelle...:
      Text
      "Am Süßwarenkiosk steht die schönste Frau der Welt, sogar noch schöner als die schönste Frau der Welt, die ich vorhin im Regional-Express beobachtet habe."

      Einfach klasse, ein subtiler Gag, der dir sehr gut gelungen ist. :3

      Am Ende kommt der Erzähler inmitten des größten Chaos zu sich selbst, das gefällt mir. Er wird sich bewusst, dass er vielleicht doch glücklicher ist, als erst angenommen, oder seh ich das falsch? Kommt jedenfalls so rüber ("Meine Freundin sieht trotzdem viel besser aus (...) und freue mich meines Lebens")
      Man könnte natürlich auch mehr in die Tiefe gehen als das, was nur dasteht - allerdings denke ich nicht, dass du das beabsichtigt hattest, wenn es "Befindlichkeitspop" ist, oder? ^^


      Dein Schreibstil liest sich jedenfalls sehr flüssig, Humor beinhaltet der Text auch, was angesichts eines miesen Tages wichtig ist.
      Für mich ein klares Top <3

      "Heirs of Miraika"
      Fantasy, Steampunk, LGBT+

      "Dreaming of Dawn"
      Fantasy, Psychological, Depression


    • Und zwar deswegen, weil ich a) wie bereth keine sprachlichen Maengel finde, mir b) der Song debilerweise gut gefiel und c) im Grunde das zu finden war, was ich an Texten sehr mag: Gegenstaende.
      Das ist naemlich der Punkt: du bist ziemlich dicht dran an deiner Umwelt, schilderst die Dinge, die du siehst, sehr genau. Gegenstaende machen Texte lebendig. Ein Beispiel: man schreibt, man fahre gerade eine Rolltreppe hinauf. Okay. Zum Vergleich: man schreibt, man fahre gerade eine Rolltreppe hinauf, an der Wand nebendran haengt ein buntes Plakat mit allerlei Idiotischem darauf.
      Klar, dass die 2 Version besser waere - eben weil man als Leser mehr mitbekommt und mehr erlebt. So kann auch die gaehnigste Langeweile - wenn also nichts bis wenig Spektugalles geschieht - zu einem spannenden Text werden. Der Teufel liegt im Detail.
      Auch das Tempus ist gut gewaehlt: durch das Praesens bleiben dir sperrige analytische Praeteriumsformen erspart, du bist also schneller und dadurch, wie gesagt, auch wieder dichter dran.
      Die Erzaehlerperspektive verstaerkt den Effekt noch: durch die 1. Person kannst du sogar auf die erlebte Rede verzichten, die man im personalen Erzaehlstil unbedingt benötigt, um das Ambiente vom subjektiven Standpunkt der Person aus zu beschreiben. Schön ist auch, dass im Text sehr viel reflektiert wird - über Zeitungen, Menschen, Liebe, Bürokratie, Bücher und so weiter und so fort. Die Bahnhofsbuchhandlung samt des darin stattfindenden Spiegel-Bahnhofsbestseller-Aergers sind richtig gut geworden, mir geht's da sehr aehnlich, wenn ich dort drin herumlaufe. Nur dass ich mir die konkret auch kaufe. ;)

      Alles in allem eine sehr nett dargestellte deutschbahnhöfige Langeweile, durchsetzt mit den prinzipiell frustrierenden Formen des Zeitvertreibs, die ihr entgegen wirken sollen, aber nicht so recht können. Vielleicht einer meiner Lieblingstexte von dir - gut, du weisst, dass mein Geschmack ein kruder ist, aber hier wird im Grunde genau das umgesetzt, was ich bei anderen Texten hier im Board immer so zeternd fordere.

      Wie gesagt:
      Endurteil
      Lob.

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