Sprachwandel vom Akademiker zum gemeinen Mann

    • Was erwartet Ihr? Teilweise wird man ja heutzutage schon nicht mehr verstanden, wenn man die Grammatik richtig anwendet, das muss noch nicht einmal "akademisch" sein.

      Letztens hatten wir das Thema Kindesentführung. Es ging dabei um ein Ehepaar, das einen Jungen entführte, woraufhin ich sagte: "Das Ehepaar entführte den Jungen, der fortan bei ihm leben musste." Kaum einer verstand den Satz, wobei doch eigentlich klar ist, dass es bei "das Ehepaar" nun einmal "ihm" heißen muss und damit das Ehepaar und nicht der Junge gemeint ist.
      Ähnliches Beispiel: "Das Mädchen und seine Eltern ..." Ich musste mir insgesamt viermal anhören, dass es doch "ihre Eltern" heißt, weil es sich ja um ein Wesen weiblichen Geschlechts handle. Dass das der deutschen Grammatik aber schnuppe ist, weiß der Durchschnittszuhörer heute wohl nicht mehr.


      Man muss nicht vom "abjudizierenden Kaiser" sprechen, wenn er doch auch einfach "abgedankt" haben kann. Und wenn ich eine Person bewundere, muss ich nicht von ihr als etwas "Admirables" sprechen. Aber wenn ich stinknormales Deutsch spreche, und zwar mit richtiger Grammatik, und ich dann nicht verstanden werde, sollte uns das zu denken geben.

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    • Das ist ein Problem, das ich glücklicherweise nicht habe, da ich eine wunderbare Mischung aus etwas "gehobenerem Akademiker-Deutsch" (Nein, nicht in den Ausmaßen wie bei Titania. ;)), Wiener Dialekt (Nein, nicht in den Ausmaßen von Mund'l & Co.) und etwas Hochdeutsch spreche, und je nach Bedarf das Eine oder Andere stärker betone. So kann ich mich mit so ziemlich jedem verständigen, ob's jetzt ein besoffener Wiener Prolet ist, oder ein "Gebildeter".

      Ich finde auc hnicht, man sollte da Wertungen vornehmen, und Dialekt bzw. Umgangssprache als "schlechter" oder "niedriger" bezeichnen, denn mir gefällt die Wiener Mundart sehr, und hab absolut nichts gegen sie. Andererseits finde ich sog. "Akademiker-Deutsch" auch nicht arrogant, und hat natürlich auch seine Vorteile und Eigenheiten.
      Wie so oft im Leben gilt: Die Waage halten ist immer am Besten.


      Top 4™ Bruno
      Think original.

    • Original von Phael

      denn mir gefällt die Wiener Mundart sehr, und hab absolut nichts gegen sie.


      Jaaa! Wenn ich mir eine kurze Bemerkung noch gestatten darf: Wr. Mundart liebe ich so sehr, verdammtnocheins, die mundelt mir hervorrgandend.

      Ich würde überhaupt sagen, dass die Erhaltung einer gewissen Dialektdiversität sehr, sehr wertvoll ist. Ob nun flach bis platt(-Deutsch), mauschelnd oder vollmundelig im Abgang. ;)
      when in doubt, do it.

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    • Original von Titania
      Ich würde überhaupt sagen, dass die Erhaltung einer gewissen Dialektdiversität sehr, sehr wertvoll ist. Ob nun flach bis platt(-Deutsch), mauschelnd oder vollmundelig im Abgang. ;)


      Ich find's auch herrlich. Wenn man einen Dialekt perfekt beherrscht, kommt's fast einer "Fremd"sprache gleich, in die man zwar hineingeboren wird, aber die dennoch anders ist als das herkömmliche Deutsch. Und das Schöne ist ja, dass jeder Mensch "seinen" Dialekt versteht. Bei mir weicht das Saarländische auch im Alltagsgebrauch mittlerweile jedoch einem mehr oder weniger sauberen Hochdeutsch, woran sich aber niemand stört, da ich natürlich immer noch fließend und fleißig Saarländisch spreche, ich nehme mal an, so "schroh" wie kaum jemand anderes. Es gibt so wundervolle und herrliche Worte!
      Zum Beispiel:
      "raulisch" - übel, befremdend, schlecht, eklig, etc
      "Arschmatz" - Baby
      "aus'm Reich" - aus Deutschland (xD!), das hat übrigens mit der zeitweisen Souveränität des Saarlandes zu tun, das dann vom "Reich" geschluckt wurde.
      "Hoorische" - Nudeln
      "hinnerforzisch" - hinterhältig
      "kloor" - lustig, gewitzt, schelmisch, intelligent. ("Kloor" ist mit das positivste Attribut, das dem Saarländer verliehen werden kann. Wer im Vorstellungsgespräch "kloor" genug ist, hat fast schon gewonnen.)
      "Owwerlafooz" - Chef (auch im "offiziellen" Gebrauch!)
      "grimmelwiedisch" - griesgrämig
      "Knoddel" - dicker Mensch

      Zudem haben wir herrliche Anleihen aus dem nahen Frankreich:
      "Allabonnär" - Prima
      "Trottwa" - Bordstein (in der achten Klasse fragte ein Mitschüler ohne Quatsch: "Frau Feß, wat heischt Trottwa uff Franzeesisch?")
      "Allegebodd" - immer
      und so fort.

      Aber dieser kleine Exkurs entfernt sich wohl etwas weit vom Ausgangstopic. Doch er soll demonstrieren, dass Dialekt hochästhetisch sein kann, dass es Spaß macht, wie "das Volk" zu sprechen und dass es keinen Mangel an Intelligenz bedeutet, wenn der Mensch dieses dann tut. Auch soll es das allgemeine Sprachverständnis zum Differenzieren anhalten, denn Sprache ist zu 90% alleiniges Mittel der Kommunikation, und wenn jemand im Saarland ist und das Saarländische nicht versteht, ist es vorerst sein eigenes Problem, denn der Saarländer drückt sich gewählt und nach bestem Wissen und Gewissen aus, schließlich ist er im Regelfall sehr freundlich und keineswegs dumm. Leider gibt's solche und solche und in meinem Fall hauptsächlich "solche", aber das ist keine Frage der Sprache, vielmehr eine der allgemeinen Weltanschauung, aber das ist hier jetzt gänzlich uninteressant.

      Und wenn sich das Sprachverständnis erst einmal relativiert hat, hin zu mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber anderen und hin zu dem Willen, sein eigenes Potenzial, sich bestmöglich verständlich zu machen, auszureizen, ist schon viel geschehen. Dann erkennt man, dass jedes Wort eine Bedeutung hat, so profan es auch klingen mag. Und dass Worte dazu da sind, sich auszutauschen und jeder genug Worte kennt, sich dem anderen verständlich zu machen. Er muss es nur wollen. Zudem muss ein weiteres Umdenken erfolgen: Wenn mich jemand nicht verbal nicht versteht, so liegt es nicht an dessen geringem Bildungsstand oder seinem begrenzten Vokabular, sondern schlicht an meiner eigenen Unfähigkeit, mich verständlich auszudrücken. Wenn man das erkennt, hört man auf, auf sein Recht auf Formulierungsfreiheit zu pochen, sondern lässt gerne zu, dass man darin beschnitten wird um einer konstruktiveren Kommunikation willen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Acrobat reader ()

    • Über Dialekt muss man sich mit mir nicht unterhalten, schließlich spreche ich privat nichts anderes. Und das Bairische hat eine äußerst dehnbare Grammatik, was ebenfalls sehr liebenswert ist, wenn man Sätze liest, wie der folgende: "Des Mädl, des wo i gesdan gsäng hob, hod si an Habara gsuacht." (Hochdeutsche Ausschrift: Das Mädchen, das wo ich gestern gesehen habe, hat sich einen Haberer gesucht.)

      Das Problem ist nur, dass heutzutage kein Mensch mehr zwischen Dialekt, deutscher Hochsprache und Fremdsprachen unterscheidet. Die (hoch)deutsche Grammatik wird benutzt wie in den urigsten Dialekten, während die Orthographieregeln, vor allem bei der Kommasetzung, bei manchem Zeitgenossen sehr an das Englische erinnern.


      Wenn ich mit jemandem Dialekt spreche (und das tue ich die meiste Zeit des Tages), erwarte ich nichts Großes und leiste es auch selbst nicht. Wenn man aber Hochdeutsch spricht, so finde ich, sollte man schon imstande sein, gut zu sprechen und vor allem sein Gegenüber auch zu verstehen (verwiesen seien auf die Satzbeispiele meines vorherigen Beitrags).
    • Original von Acrobat reader
      Wenn wir hier schon angelangt sind: Wie wär's mit einem schönen Thread im OT, worin ein jeder den bei ihm geläufigen Dialekt vorstellen darf und wo über Dialekte im Allgemeinen diskutiert wird? Könnte sich jemand dafür erwärmen?

      Das ist schon mal ein guter Ansatz und allemal besser, als das Thema dieses Threads hier zu verbiegen. ;)

      Wenn ich das bisherige "Ergebnis" umreißen darf: Es scheint in Sachen Sprache und Kommunikation wohl eine schwer überbrückbare Grenze zwischen den "Intellektuellen" und den "Normalos" (die ich hier mal so nennen möchte) zu geben, die entsprechende Schwierigkeiten mit sich bringt. Vor allem scheint den Normalos etwas an den Intellektuellen generell nicht zu gefallen, während diese das ganze eher mit Gleichmut aufnehmen.

      Nun wieder zu "meinem" Problem: Selbst wenn ich hinnehme, dass ich nicht der Angesehendste bin, wie könnte ich die anderen noch verstehen, ohne jedes Mal wegen Details nachzufragen?

      @(alle): Dieser Thread scheint ja vorrangig die intellektuelle Schicht anzuziehen ... gibt es vielleicht noch ein paar Normalos, die sich hier äußern könnten? :)

      Ark
    • (Man entschuldige meinen Doppelpost, ich kenne sonst keine Möglichkeit, Neues in einem Thread als solches auch kenntlich zu machen. Das oben genannte gilt natürlich weiterhin. ;))

      Ich bin gerade durch Zufall auf einen Wikipediaartikel gestoßen, der gefährlich genau den Kern des Themas trifft:
      Original aus der Wikipedia
      Forschung und Produktion von Kunst im Elfenbeinturm bezeichnet einen Intellektuellen, der einzig für seine Aufgabe lebt und sich nicht um die gesellschaftlichen Folgen seiner Tätigkeit kümmert, sondern einzig nach wissenschaftlicher und künstlerischer Wahrheit sucht. In dieser Verwendung mischt sich in dem Ausdruck Spott über einen weltabgeschiedenen Gelehrten mit der Bewunderung für einen Menschen, der sich mit all seiner Kraft einer edlen Aufgabe (deshalb Elfenbein) widmet.

      Heute überwiegt der negative Beigeschmack des Begriffs. Dieser bezieht sich auf einen akademischen Habitus von Forschern oder Wissenschaftlern beliebiger Disziplinen, der darin besteht, dass die innerhalb der Disziplinen herrschende extreme Spezialisierung in Bezug auf die nicht-akademische Außenwelt nicht als kommunikatives Problem erkannt wird.

      Ich möchte dazu sagen, dass ich mich nicht als "weltabgeschieden" sehe; ich bin "nur" der Meinung, dass vor allem mit der westlichen Welt (Kultur und Gesellschaft) etwas fundamental Wichtiges nicht stimmt, weshalb ich mich ihr stellenweise wirklich nicht beugen möchte.

      Ark