Der Selbstmörder & Ich

    • Der Selbstmörder & Ich

      Ich hab mal eine Geschichte angefangen, in der diese zwei Charas vorkamen. Ist 'n altes Ding, ich würd sie gerne mal neuscheiben (und vollenden).
      Das hier hätte eventuell der Prolog werden können -- würde ich die Story denn nochmal aufgreifen.



      Der Selbstmörder & ich

      Es war eine sternenlose, bitterkalte Nacht, so spät, dass es fast wieder Morgen war.
      Ich war angetrunken und hatte Kopfschmerzen. Meine Kumpel hatten es wiedermal geschafft. Eigentlich mochte ich diesen Zustand des Benebeltsein nicht. Mir war schlecht, und ich bekam kaum Luft; mein Atem hing in warmen, feuchten Wolken vor meinem Mund, als ich mich, die klammen Hände in den Taschen meiner Lederjacke, nach Hause schleppte.
      Um diese Zeit war es still in der Stadt. In der Ferne fauchten zwei Katzen in einem blutigen Kampf um ihr Revier. Ich hörte leise den Fluss plätschern, die Straßenlaterne am Ende der Straße flackerte etwas.
      Ich fühlte mich miserabel und wollte nur noch nach Hause.
      Die Brücke über dem Fluss war ungeschützt und ein kräftiger Wind wehte. Wenn doch wenigstens Schnee läge... Aber es war einfach nur eine verdammt kalte Dezembernacht. Hier, weitab von der Einkaufsstraße, war von vorweihnachtlicher Stimmung nichts zu entdecken.
      Zwei Schuhe, die am Rande der Straße standen, ließen mich anhalten.
      Es waren weiße Turnschuhe, kaum benutzt. Als ich mich über die Schuhe beugte, sah ich, dass sie von Nike waren, vielleicht die teuersten, die es momentan auf dem Markt gab.
      Wer würde ein kaum getragenes Paar Schuhe mitten in der Nacht auf dem Bürgersteig einer Brücke stehen lassen?
      Verwirrt sah ich mich um, und in dem Moment hörte ich ein Platschen. Sofort war ich am Geländer und starrte in die schwarzen, reißenden Fluten unter mir. Nichts zu sehen...
      Ich stieß mich wieder vom Geländer ab, blieb aber einen Moment unentschlossen stehen. Hatte ich mir das eingebildet, oder war tatsächlich gerade jemand von der Brücke in den sicheren Selbstmord gesprungen?
      Noch während ich darüber sinnierte, sah ich, dass ein Körper ans Ufer nur ein paar Meter weiter angeschwemmt wurde.
      Ohne Nachzudenken schnappte ich mir das Schuhpaar und lief los.
      Im Schlamm des Ufers lag der Körper eines jungen Mannes, in dunklen Kleidern, einer alten Jeans und einem schwarzen Sweater. Das Haar des Selbstmörders war lang, braun und im nassen Zustand ein wenig gelockt. Die Augen des Mannes waren weit geöffnet; auch die Augen waren von einem dunklen Braun. Ich stand ein paar Schritt von dem Körper entfernt, die Schuhe in der rechten Hand, und sah den Körper an, wie er da im Matsch lag, die Beine bewegten sich ein bisschen in den Wellen.
      "He", sagte ich. Der Mann war nicht tot, er atmete, ziemlich regelmäßig sogar.
      keine Reaktion.
      Ich ging einen Schritt näher,
      "He", sagte ich nochmal. "Deine Schuhe", fügte ich dann hilfreich hinzu und hiet das Schuhpaar etwas nach vorne.
      So schnell hatte ich noch nie jemanden aufspringen sehen. In Sekunden war der junge Mann auf die Beine gekommen, seine dunklen Socken waren braun vom Matsch, sein Gesicht und seine Kleidung genauso. Er starrte mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben an. Ich lächelte unsicher.
      "Müssen teuer gewesen sein", sagte ich, weil mir nichts besseres einfiel. Der Mann starrte mich an. Ich hielt ihm tapfer die Schuhe hin. "Bei solchen Schuhen muss man sich doch nicht umbringen, oder?", fragte ich.
      Langsam streckte der Mann die Hand aus und nahm mit nassen, blaugefrorenen Fingern die Schuhe an. Das Wasser troff von seinen langen Haare auf das weiße Leder. Ich sagte nichts, sondern stand nur da.
      Auf einmal stieß der Mann einen Schrei aus und warf mit den ersten Schuh an den Kopf, der andere traf mich in der Magengrube.
      "Scheiße, Scheiße, Scheiße!!", schrie der Fremde.
      Ich rieb mir die Stirn. Das würde sicherlich eine Beule geben. Eine Schmerzensträne rann über meine Wange.
      "Gefickt nochmal!", schrie der junge Mann. "Was für eine beschissene Welt! Was für ein Dreckloch! Ich hasse es so!"
      "Hey, hey", murmelte ich. "Komm wieder runter. Was ist denn los?"
      "Was ist das für eine Welt, in der man sich nicht mal mehr umbringen kann?!", fauchte der Mann mich an. "Und dann kommst du und... und bringst mir auch noch meine beschissenen Schuhe!!"
      "Na ja, du hast sie oben stehen gelassen", verteidigte ich mich etwas verletzt.
      Der Mann schnaubte und sah etwas verwirrt drein. Dann schüttelte er den Kopf und wischte sich mit einer Hand die nassen Haare aus der Stirn. Ich konnte sehen, dass er zitterte.
      "Hey", sagte ich langsam. "Es gibt immer einen Grund, weiterzuleben."
      Ein stechender Blick aus tiefen, braunen Augen traf mich. Der Fremde war recht attraktiv, groß und schlank, vielleicht etwas drahtig, mit einem feinen Gesicht und sehr dunklen Augen. Aber er sah krank aus, hatte Ringe unter den Augen, seine Wangen waren eingefallen, seine Kleidung zu abgewetzt, sein Blick zu melancholisch, sein Körper zu dürr.
      "Nicht, wenn du ein Leben hast wie ich", sagte er. "Wer hat wen erschlagen; Kain Abel oder Abel Kain?", wechselte er urplötzlich das Thema.
      Ich schrak zusammen, weder war ich bibelfest, noch auf diese Frage gefasst. "Ich weiß es nicht", gab ich zu.
      "Kain hat Abel erschlagen", sagte der Fremde und nahm seine Schuhe aus dem Morast, wischte mit dem Saum seines Sweaters den Matsch flüchtig fort. "Meine Mutter hat mich Kaine genannt, weil sie mich schon seit dem Tag meiner Geburt für eine Missgeburt gehalten hat. Ich bin nicht geboren worden, ich bin ins Leben geschissen worden -- und genau nach dem prinzip ist mein Leben gewesen. Und nun kann ich mir nicht einmal ein Ende setzen. Ganz schön beschissen."
      Ich sah Kaine an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
      Kaine erwiderte meinen Blick und strich sich mit zwei Fingern ein paar dünne, nasse Haarsträhnen aus den Augen. "Wie sieht's aus... Fünf Dollar, und du kannst mich haben."
      "Wa-...?" Ich starrte ihn an, dann errötete ich. Kaine musste einer der männlichen Prostituierten der Stadt sein; in diesem Viertel der Stadt gab es so viele Bordelle, dass man sich vorkam wie im Mittelalter. Die Frauen flanierten auf den Straßen mit ihren grellen Klamotten und ihrer auffälligen Schminke. Die meisten von ihnen waren drogenabhängig, billig und vollkommen lebensmüde -- im wahrsten Sinne des Wortes, Kaine schien da, obwohl männlich, keine Ausnahme zu sein. Ich bildete mir ein, unter dem Sweater in seiner Armbeuge einstiche von feinen Nadeln zu sehen.
      "N- nein, danke, ich...", stammelte ich und schüttelte verlegen den Kopf. "Ich bin hetero."
      "Oh, ach so, schade." Es hörte sich sehr gleichgültig an. Kaine zuckte die Schultern. "Ich auch."
      Ich sah ihn an, als er sich seine teuren Schuhe anzog. Wahrscheinlich hatte er sich, ehe er seinem Leben ein Ende setzte -- setzen wollte --, einmal in seinem leben ein bisschen Luxus leisten wollen. Nun war er wahrscheinlich pleite und musste anschaffen gehen, um zu überleben.
      Ich blieb am Flussufer stehen und sah Kaine nach, als er, sehr langsam und etwas schwankend, in der Dunkelheit verschwand.
      Næhmachinery
      Premonitions in the rising wind; tonight the stars will fall.
      The world in a cyclone, pouring out.
      No escape, but hey, who cares? Just go with the flow.
    • Gefällt mir gut. Der einzige Fehler, der mir aufgefallen ist, ist eine Wortwiederholung mit "Mann" an der Stelle, wo der Besoffene zu ihm hingeht.
      Bisher find ich das ganze schon mal ziemlich interessant. 1. Person als Erzählperspektive passt gut, nimmt der Lage aber irgendwie den Ernst... zumindest, wenn die erzählende Person besoffen ist. :D Auch die emotionalen Stellen sind dir relativ gut gelungen, also wie der Selbstmörder wütend ist usw.
      Bin schon gespannt was da weiterhin kommen mag. Schreib weiter dran!

      Da Höd
      Nichts war je genug,
      Und nichts wird so wie früher sein!
      Die Hoffnung stirbt zuletzt,
      Doch vor ihr stirbt aller Glaube.
      Wir atmen Zug um Zug
      Den fernen Tag der Rache ein:
      Die Sonne, die die Schatten hetzt
      Wird uns das Letzte rauben!

      Wie laut muss das Schweigen sein,
      Damit das Flehen wird erhört?
      Wie leise soll ich schreiben,
      Damit Dich mein Leben immer noch betört?


      - Samsas Traum, Tineoidea
    • Mmh, gefällt mir gut ^^ Ist mal was anderes, sehr interessant =D
      Also von mir aus kannst du gerne weiterschreiben, du sollst sogar, bitteschön ^^
      Was mich nur irritiert hat war das der Mann erst "in den sicheren Selbstmord gesprungen" ist und dann aber noch lebt... vielleicht solltest du das n bissl ändern, aber ansonsten sehr gut, wirklich *thumbs up* weiter so ^^
      www.dachterrasse.net - Rock die Scheiße fett! *Rhyme*

      Der Bach - ach.

      Heinz Erhardt

      Mein Gruß geht an: Tayalein, Nayrufan, Lothy, Sirius, Ulyaoth, Anju, braised_akinna, FoWo und des weiteren alle die mich kennen ^^