Staendige Aufarbeitung literarischer Werke

    • Staendige Aufarbeitung literarischer Werke

      Ein Thema, was mich momentan komplett fertig macht.

      Sicherlich haben viele von euch Goethes "Die Leiden des jungen Werther" gelesen und im Literaturunterricht behandelt.
      Meiner Meinung nach ja ein sehr intensives Werk, das Lesen macht nicht unbedingt Spaß, aber es erscheint recht lehrreich.

      Was nun mein großes Problem ist, und ich hoffe, ich bin nicht die einzige, die sich darueber stundenlang aufregen koennte (und es manchmal tut), dass hochwertige Werke wie eben dieses (gilt als Bsp.) immer wieder neu, und immer wieder schrecklicher neu bearbeitet werden!

      Gerade nun zum Werther sitze ich seit Tagen an schriftlichen Ausarbeitungen div. Persiflagen, Parodien und Balladen, die anscheinend alle nur den Zweck erfuellen, den Werther zu verunstalten!

      Nehmen wir bspw. Ulrich Plenzdorf - in der DDR in vielen Klassen Pflichtlektuere (anstatt des Originals!) - und sein angebliches Meisterstueck "Die neuen Leiden des jungen W." . Gibt es etwas Schmerzlicheres fuer Literaturliebhaber, als einen 17 Jaehrigen Verrueckten, der von zu Hause abhaut, dann in einer Gartenlaube lebt und dort Goethes "Werther" als Ersatz fuer Toilettenpapier benutzt? Und schließlich noch die Rezeption des jungen Knaben, der meint, Werther sollte sich nicht solche Gedanken um seine Geliebte machen, er haette ja noch ein Pferd.

      Was soll das eigentlich? Es gibt noch einen Haufen anderer Literatur, die den Werther immer wieder neu hervor bringt, was mich langsam wirklich rasend macht.
      Es gibt eMails einer jungen, angeblichen Literatin, die den Briefroman Goethes als ePost in jugendlicher Sprache wieder gibt, Lotte (Werthers Geliebte) wird hier als Powerfrau, heiße Braut und weißderTeufel was noch bezeichnet.

      Dazu kommt noch Nicolai (der zwar Goethe nicht verunstaltet), der aber in seinem grausigen Schriftstil ein Buch komplett neu bearbeitet.

      Thackery (glaube ich, bin mir des Namens nicht allzu sicher) hat ein Gedicht mit Namen "Werther had a love for Lotte" geschrieben, in Amerika und Großbritannien bekannter als der Orignal - Werther.


      Was ich hier, im ZeldaFansBoard, damit anfangen will.. Ich wuerde gerne mit Menschen darueber diskutieren, ab wann es nicht mehr noetig ist (auch zum Wohle der allgemeinen Bevoelkerung), ein Werk immer wieder neu (auf gut deutsch) heraus zu kotzen :mpf:
      Kennt ihr also einige Buecher, die bis zum Erbrechen neu ueberarbeitet werden? Was ist allgemein eure Meinung dazu?

      Hat Goethe denn keinen Anwalt? ;_;
    • Goethe war selbst Anwalt BTW :).

      Ein diffiziles Thema, denke ich. Einmal muss man sich fragen, inwiefern Goethes Werk einen gewissen Grundschutz genießen sollte. Der Werther ist sicherlich ein Buch, das man als gebildeter Mensch gelesen haben sollte. Ich habe es, zugegeben, nicht getan, weil es mich an sich eher wenig interessiert, ich aber vor allem im Rahmen des Deutsch-LK ein themenverwandtes Werk durch genommen habe, nämlich Freund Hein von Emil Strauß, das ungelich weniger übertrieben pathetisch ist als Goethes Version des Stoffes. Ähnlich verhält es sich mit Faust: Es gibt Goethes berühmte Version, aber auch eine von Christopher Marlowe, die weniger dramatisch daher kommt, dafür aber näher am Original ist (und von der Goethe teilweise abgepinnt hat). Mit anderen Worten hat Goethe also als solches sicherlich keinen Einzigkeitsbonus bei manchen seiner Werke.

      Das hält niemanden davon ab, Schmähschriften oder Parodien zu schreiben. So etwas finde ich aber eher armselig. Besonders viele solcher Schriften, vor allem Gegenschriften, gab es ja zu "Im Westen nichts Neues", was aber lediglich die geistige Armut seiner Urheber dokumentiert.

      Übrigens trifft es nicht imemr nur klassische Literatur. Die Harry Potter-Parodien oder die zum Herrn der Ringe sind ja eine Sache, aber es gibt z.B. auch eine ernst gemeinte, aber völlig sinnfreie und geschmacklose Fortsetzung zu Gaston Leroux' Phatom der Oper.
    • Also ich hab sowohl Goethe's Werther als auch das Buch von Plenzdorf vor ner Weile gelesen ... ich kann dazu nur sagen, dass Plenzdorf's Buch eigentlich eine eigenstaendige Handlung ist und nicht irgendein Werther-Abklatsch... gut, es gibt einige Parallelen und Goethe's Werther kommt drin vor, wird zum Teil sogar zitiert.. aber das war's dann auch schon.
      Klar, es ist ziemlich herablassend gegenueber Goethe's Version .. aber eine nette Zwischenunterhaltung.

      Nja, hab selbst nur die zwei gelesen, kann also nix zu den anderen Sachen sagen (wir haben nur mal kurz eine Parodie angesprochen) .. aber wenn man zig Versionen und Abklatsche durchkauen muss/"darf", wundert's mich nicht, dass es dir inzwischen ziemlich auf die Nerven geht.
      Wobei wir uns ja immer noch damit einig sind, dass die Version von Goethe eindeutig die bessere (und niveauvollere) Version ist.

      Ansonsten faellt mir spontan kein anderes Bsp ein ...
      それでも未来 吹いてい
      感じ 生命息吹 Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ
    • Ich finde, man sollte ein Werk "ruhen" lassen, das heißt, man sollte es nicht wieder aufarbeiten.
      Am meisten stört mich aber eigentlich, daß die Schriftsteller damals selbst ihre Werke sooft änderten. So gibt es von Heinrich von Kleists "Germania an ihre Kinder" insgesamt drei Versionen - von der fünften Strophe, die ich auch in der Signatur habe, kenne ich alle drei:

      1. Version:
      Wer, in nie gefühlten Wunden
      Dieser Franken Hohn empfunden,
      Brüder! jeder deutsche Mann
      Schließe unsern Reih'n sich an.
      Alle Triften, alle Städte,
      Färbt mit ihren Knochen weiß,
      Welchen Rab und Fuchs verschmähte,
      Gebet ihn den Fischen preis!
      Dämmt den Rhein mit ihren Leichen,
      Laßt gestaucht durch ihr Gebein,
      Schäumend um die Pfalz ihn weichen,
      Und ihn dann die Grenze sein.

      2. Version:
      Wer in unheilbaren Wunden
      Dieser Fremden Hohn empfunden,
      Brüder, wer ein deutscher Mann,
      Schließe diesem Kampf sich an!
      Alles, was ihr Fuß betreten,
      Färbt mit ihren Knochen weiß,
      Welchen Rab und Fuchs verschmähten,
      Gebet ihn den Fischen preis!
      Dämmt den Rhein mit ihren Leichen,
      Laßt, gestäuft von ihrem Bein,
      Ihn um Pfalz und Trier weichen,
      Und ihn dann die Grenze sein.


      Auch bei Goethe, usw. gibt es da viele Beispiele. So etwas regt mich dann mehr auf, als wenn irgendwer heutzutage einen Stoff neu aufarbeitet.
    • Da es die Philosophie des Fachabiturs ist, möglichst viel Kultur auszulassen um einen besser auf die Wirtschaft vorzubereiten, kenne ich leider kein großes Werk von Goethe. Der Werther und der Goetz stehen allerdings schon fest auf meiner Liste für unbedingt noch zu lesene Bücher.(Freiwillig ist das sowieso besser)
      Die neuen LEiden des Jungen Werthers mit dem arbeitslosen hobbyelektroniker habe ich allerdings damals noch in der 10. Klasse gelesen. Nun, ich finde auch dieses Buch orientiert sich mehr an Goethe als das es ihn kopieren will. Goethe kommt eben drin vor und um das ganze noch etwas interessanter zu machen gibt man ihm halt noch einen lustigen Titel. Aber so schlecht fand ich das Buch nicht. Parodien sind manchmal ganz lustig(wenn es nicht gerade diese Märchen auf "Kanackisch" sind, die hasse ich wie die Pest), z.B. Der Herr der Augenringe.
      Vom Fachmann für Kenner:

      Book: Terry Pratchett – Voll im Bilde
      Music: KMfdM - Tohuvabohu
      Game: Pac Man
      Politician: Evo Morales

      Zitate für die Welt:

      Not anyone turns into the same as his parents. I mean, look at me. My parents were honest hard working people.
      Fry, Futurama

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Pyta ()

    • Ist doch genauso dieselbe Geschichte mit Shakespeare und Romeo und Julia welches rauskam unter neuaufarbeitung Romeo und Julia auf dem Dorfe *lol*

      Wobei ich das letztere glücklicherweise nie gelesen habe. Bei Goethe jedoch habe ich jedoch neben dem Original auch die Version von Ullrich Plenzdorf gelesen, die meines Erachtens gar nicht mal so schlecht ist!

      Aber man sollte eins bedenken:
      Wenn Klassiker neuaufgegriffen werden, zeugt das doch gerade davon, wie gut das Original eigentlich ist!!

      Genauso wie halt bei Musik eine Welle von Covers uns erschlägt! Ich erwähne nur mal als Beispiel das derzeitig grauenerregende Cover von San Francisco ...

      Oder diverse klassische Musiken in Hip Hop Songs als Maintheme.

      Aber man kann halten was man davon will ... für den einen sind die Originale heilig und sollten unantastbar sein - für den anderen wird man gerade dadurch erst auf das Original aufmerksam und findet es gut!
    • Im großen und ganzen hast Du recht, doch um Scott McKenzies Ehre zu verteidigen:
      das, was zur Zeit von den "Global Deejays" unter "Sounds of San Francisco" angeboten wird, hat mit dem Original nichts zu tun! Nur ein paar Textstellen, durch nervende Verzerrungen verunstaltet, sind dieselben. Doch das Original ist wahrlich um 1000 % besser, als dieser nachgemachte Scheiß!
      Das gehörte zwar wirklich nicht zum Thema, mußte aber einfach mal gesagt werden!