Das die Medien Probleme mit der Jugendgewalt gerne mal auf Videospiele schieben, ist ja schon lange nichts neues mehr. Am 9.11. bei Frontal 21 kam mal wieder ein unsinniger, von Leuten die vom Spielen offensichtlich keine Ahnung haben, recherchierter Bericht hinzu:
Nicht oft ist es der Fall, dass unserem Hobby in den Massenmedien Beachtung geschenkt wird. So zappt man gerne mal bei ZDF rein, wenn das renommierte Magazin Frontal21 über das „Video-Gemetzel im Kinderzimmer“ berichtet. Denn bei einem sind wir uns alle einig: Video-Gemetzel hat im Kinderzimmer ebenso nix verloren, wie miserabel recherchierte Berichte in einem renommieren TV-Magazin eines öffentlich-rechtlichen Senders.
Rainer Fromm - Frontal21: «"Doom 3" ist eines der brutalsten Computerspiele. Es gibt nur ein Ziel: Töte Deine Gegner! Das Horrorspiel ist nicht indiziert und gilt als nicht jugendgefährdend, und das mit staatlichem Stempel!» (Anmerkung von mir: Einen Augenblick nach diesem Kommentar wird im Bericht dieses Bild gezeigt:
[Blockierte Grafik: http://mitglied.lycos.de/link002/doom.jpg] Ein Blick in das Register der USK zeigt: Doom 3 wurde mit „keine Jugendfreigabe“ eingestuft. Nach geltendem deutschem Recht ist der Verkauf eines solchen Titels an unter-18-jährige strafbar:
Jugendschutzgesetz: «Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 oder nach § 14 Abs. 7 vom Anbieter gekennzeichnet sind, dürfen
einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden,
nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen, oder im Versandhandel angeboten oder überlassen werden.»
Eine Einschränkung, welche der Staat zweifelsfrei deshalb erlassen hat, weil er Titel wie Doom 3 nicht als Gefahr für unsere Jugend einschätzt!? Oder nur eine Aussage eines Redakteurs, der sich nicht mit den entsprechenden Gesetzen befasst hat?! Gut, indiziert ist der Titel damit noch lange nicht – der Staat schaut also doch Tatenlos zu! An dieser Stelle will ich gerne mit etwas Recherche aushelfen, um was es sich bei einer „Indizierung“ handelt:
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften: «Die Indizierung hat nicht das generelle Verbot eines Mediums zur Folge. Sie will lediglich verhindern, dass Kinder und Jugendliche mit jugendgefährdenden Medien in Berührung kommen. Deshalb sind die Vorschriften des § 15 JuSchG nicht als absolute Verbreitungsverbote konzipiert, sondern es handelt sich um Beschränkungen der Verbreitung an Jugendliche. Während Jugendlichen also der Zugang verwehrt ist, haben Erwachsene weiterhin die Möglichkeit, indizierte Medien zu beziehen.»
Wieso sollte also eine Indizierung von Nöten sein, wenn der Staat via Jugendschutzgesetz und Einstufung durch die USK bereits den Verkauf und die Weitergabe an Minderjährige per Gesetz untersagt hat? Dies erkannte auch der Gesetzgeber: Spiele, welche von der USK eine Einstufung erhalten haben (dazu gehört auch „Keine Jugendfreigabe“) können infolge nicht mehr Indiziert werden – der Steuerzahler wird es durch die verminderten Kosten von weniger Bürokratie danken!
Frontal21: «Im Amt herrscht Selbstzufriedenheit. Jürgen Hilse, Vertreter der Länder im USK sagt: "Man kann über einzelne Sachen immer diskutieren, man kann immer unterschiedlicher Auffassung sein. Aber ich denke, dass sich die Freiwillige Selbstkontrolle in diesem Bereich absolut bewährt hat."
Sie soll sich bewährt haben? Ein Hohn bei Spielen wie "Hit Man Contracts": Sinnloses Morden im Sanatorium ist hier Spielinhalt. Eine Vorgängerversion hat die damals zuständige Bundesprüfstelle noch indiziert, das heißt, es konnte nicht offen gekauft werden, das Spiel gab es nur unter der Ladentheke.»
Tja, da sind wir leider wieder beim Punkt Recherche angelangt. Seit per 1. April 2003 das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten ist, dürfen Titel wie Hitman (USK: „Keine Jugendfreigabe“) nur noch an Erwachsene verkauft werden. Die Indizierung wurde damit sinnlos, die Jugendlichen haben keinen Zugang mehr – in der Theorie: Prompt schickt Frontal21 einen 14-jährigen Jugendlichen als Lockvogel ins Kaufhaus. Minuten später bezahlt der Jugendliche an der Kasse sein Doom 3 (USK: „Keine Jugendfreigabe“) – kein Problem für das Verkaufspersonal. Wir erinnern uns: «Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet sind, dürfen einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden». Ohne Zweifel wird die Frontal21 Redaktion gleich beim Verkaufspersonal nachhacken, wieso es trotz eindeutigen Vorschriften zum Verkauf kommen konnte? Nein, sie wenden sich lieber vorwurfsvoll an die USK Stelle:
Rainer Fromm: «Aber die Spiele werden in genau den Zeitschriften beworben, die primär von Jugendlichen gelesen werden. Die Spiele liegen in den Geschäften aus. Und man kann nicht den Verkäuferrinnen zumuten, dass sie die Arbeit leisten, die eigentlich der Jugendschutz leisten müsste.»
Da will ich doch gerne mal übersetzen: „Kann man den Verkäuferrinnen zumuten, dass sie sich an die Vorschriften halten, welche ihnen vom Staat auferlegt werden?“ Oder: Kann man von einem TV-Magazin erwarten, dass es wenigstens rudimentäre Recherche betreibt und nicht nach Lust und Laune die Fakten verdreht? In der heutigen Zeit scheinbar nicht mehr… Aber zum Glück sieht es nur bei den Medien so düster aus – die verantwortlichen Politiker werden sich doch sicher differenzierter äußern!?
Frontal21: «Mit den Frontal21-Recherchen konfrontiert, sind mehrere Innenminister alarmiert. Brandenburgs Ressortchef Jörg Schönbohm erklärt: "Dass nunmehr durch die unabhängige Selbstkontrolle Filme und solche Spiele nicht indiziert und damit verboten werden, ist nicht akzeptabel. Was umso schwieriger ist, wenn man sich überlegt, dass die Vorgängerspiele von einer ähnlichen Brutalität und Grausamkeit schon von der Bundesprüfstelle verboten wurden und jetzt nicht. Hier muss eingegriffen, hier muss etwas geändert werden."»
Leider sieht es hier ebenso düster aus: Herr Schönbohm kennt ebenso nicht den Unterschied zwischen Indizierung und Verbot (=Beschlagnahmung) solcher Spiele – noch scheint er darüber informiert zu sein, was per 1. April 03 mit dem neuen Jugendschutzgesetz in Kraft getreten ist und was zuvor der Praxis entsprach. Aber Brandenburgs Herr Schönbohm ist in guter Gesellschaft:
Frontal21: «Der bayerische Innenminister Günther Beckstein sagt dazu: "Wir brauchen Herstellungsverbote. Denn die Technik hat sich so entwickelt, dass der einzelne Träger dieser Spiele nicht mehr sehr viel kostet, so dass der Preis für Verleihen und Verkaufen nicht mehr sehr unterschiedlich ist. Wenn etwas auf dem Markt ist, dann wird es immer von Jugendlichen erworben und dann auch schwarz kopiert und weiter vertrieben."»
Da hat der Gute doch sicher Recht: Tabakwaren und harte Spirituosen sind ebenso auf dem Markt vertreten – und wir wissen doch: «Wenn etwas auf dem Markt ist, dann wird es immer von Jugendlichen erworben [...]». Ich bin überzeugt, Herr Beckstein wird sich ebenso überzeugt für Herstellungsverbote von deutschem Bier und Spirituosen einsetzen, wie das bei Videospielen der Fall ist – alles zum Wohle des Jugendschutzes – Lang lebe das Oktoberfest mit nem kühlen Maß Cola und Weißwurst!
Rainer Fromm: «Die USK sollte den Jugendschutz verbessern, das Gegenteil ist der Fall: mehr brutale Gewaltspiele statt weniger.» «Herstellungsverbote, das klingt gut. Bis jetzt schafft es die Politik aber noch nicht einmal, bestehende Gesetze anzuwenden: ein Armutszeugnis.»
Zum Thema Armutszeugnis und Recherche ließen sich an dieser Stelle auch einige Aussagen machen – doch kehren wir lieber zum Thema zurück. Jugendschutz soll den Zugang zu nicht geeigneten Medien für Minderjährige regulieren – nicht die Anzahl erhältlicher Spiele, die nur für Erwachsene geeignet sind. Hier wird klar, worauf Rainer Fromm von Frontal21 hinaus will: Er wünscht sich eine Zensur – die Bevormundung des volljährigen Staatsbürger unter dem Deckmantel des Jugendschutzes – statt konsequenter Umsetzung der Gesetzgebung zum Wohle der minderjährigen Medienkonsumenten!
Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: «Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.»
BPjM: «Allerdings sind auch der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt, und zwar immer dort, wo gleich schützenswerte Rechte durch sie beeinträchtigt werden können: So kann die Meinungsfreiheit im Widerspruch zu Artikel 2 des Grundgesetzes stehen, der das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit betont. Denn bei Kindern und Jugendlichen beinhaltet der Schutz ihrer Persönlichkeit eben auch, dass Einflüsse ferngehalten werden, die ihren Reifungsprozess negativ beeinflussen können.»
Eine Bevormundung des mündigen Bürgers sieht das Grundgesetz also nicht vor - Zensur: Nein! Ebenso ist klar, dass man die Jugendlichen vor gewissen Inhalten schützen sollte - Jugendschutz: Ja! Es stellt sich also die Frage, wieso trotz klarer Gesetzgebung und Einstufung der USK, weiterhin Spiele die nicht für Jugendliche geeignet sind, ihnen zugänglich gemacht werden. Das wären die Punkte, welche man von einem objektiv fundierten Bericht erwarten könnte – weil Herr Fromm dazu nicht gewillt war, möchte ich sie gerne nachreichen:
Mängel bei den Verkaufsstellen: Obwohl der Gesetzgeber es vorschreibt, dass beim Verkauf von Videospielen das Alter nachgewiesen und mit der Freigabe verglichen wird, zeigt sich das Personal in Deutschlands Kaufhäusern nonchalant. Es fehlen Kontrollen, welche den Warenhäusern auch den entsprechenden Druck auferlegen, sich an die Gesetze zu halten.
Der Online-Versandhandel wurde diversen Restriktionen unterzogen, um eine Jugendgefährdung auszuschließen – gleiches Engagement darf man im üblichen Handel erwarten, wo weit mehr Spiele (und damit auch für Jugendliche ungeeignete Titel) verkauft werden.
Formate wie Frontal21 hätten die Möglichkeit auf solche Misstände aufmerksam zu machen – sie verschließen aber lieber die Augen davor und polemisieren. Aber auch die zuständigen Minister geben kein gutes Bild ab – statt dafür zu sorgen, dass die bestehende Gesetzgebung eingehalten wird, verlangen sie lieber härtere Maßnahmen und Bevormundung der mündigen Bürger.
Fehlende Sensibilität bei den Erziehungsberechtigten: Selbst wenn vom Verkaufspersonal die bestehende Gesetzgebung konsequent umgesetzt wird, nützt das ganze nichts, wenn die Erziehungsberechtigten nicht ausreichend sensibilisiert sind. Wenn Papi dem 15-jährigen Tim sein Doom 3 kauft, dann ist der Gesetzgeber machtlos. Die Verantwortung endet hier vor der Haustür und wird da den Erziehungsberechtigten übergeben:
Jugendschutzgesetz: «[...] sind nicht anzuwenden, wenn eine personensorgeberechtigte Person das Medium einem Kind oder einer jugendlichen Person anbietet, überlässt oder zugänglich macht. Dies gilt nicht, wenn die personensorgeberechtigte Person durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglich machen ihre Erziehungspflicht gröblich verletzt.»
Kann es die Lösung sein, Spiele wie Doom oder Hitman zu verbieten, nur weil gewisse Erziehungsberechtigte es für richtig halten, dass klein-Tim Doom 3 spielt? Es liegt am Staat und den Medien, die Eltern kompetent zu informieren – „Videospiele sind böse und sollten verboten werden“ hilft da als Botschaft nicht weiter.
Wir leben leider in einer Zeit, in der Medien lieber mit schlecht oder gar nicht recherchierten Themen Quote machen wollen, statt die Konsumenten differenziert und fundiert zu informieren. Minister haben ein größeres Interesse an neuen Reglungen, ohne den Alten jemals zu Nachdruck verholfen zu haben, damit diese auch umgesetzt werden.
Quelle:Gu-Videogames
Den Lifestream der Reporage findet ihr [URL=http://www.zdf.de/ZDFmt/mediathek/0,3496,MT-2211992,00.html]hier[/URL] auf der ZDF-Homepage.
Nicht oft ist es der Fall, dass unserem Hobby in den Massenmedien Beachtung geschenkt wird. So zappt man gerne mal bei ZDF rein, wenn das renommierte Magazin Frontal21 über das „Video-Gemetzel im Kinderzimmer“ berichtet. Denn bei einem sind wir uns alle einig: Video-Gemetzel hat im Kinderzimmer ebenso nix verloren, wie miserabel recherchierte Berichte in einem renommieren TV-Magazin eines öffentlich-rechtlichen Senders.
Rainer Fromm - Frontal21: «"Doom 3" ist eines der brutalsten Computerspiele. Es gibt nur ein Ziel: Töte Deine Gegner! Das Horrorspiel ist nicht indiziert und gilt als nicht jugendgefährdend, und das mit staatlichem Stempel!» (Anmerkung von mir: Einen Augenblick nach diesem Kommentar wird im Bericht dieses Bild gezeigt:

[Blockierte Grafik: http://mitglied.lycos.de/link002/doom.jpg] Ein Blick in das Register der USK zeigt: Doom 3 wurde mit „keine Jugendfreigabe“ eingestuft. Nach geltendem deutschem Recht ist der Verkauf eines solchen Titels an unter-18-jährige strafbar:
Jugendschutzgesetz: «Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe” nach § 14 Abs. 2 von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 oder nach § 14 Abs. 7 vom Anbieter gekennzeichnet sind, dürfen
einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden,
nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen, oder im Versandhandel angeboten oder überlassen werden.»
Eine Einschränkung, welche der Staat zweifelsfrei deshalb erlassen hat, weil er Titel wie Doom 3 nicht als Gefahr für unsere Jugend einschätzt!? Oder nur eine Aussage eines Redakteurs, der sich nicht mit den entsprechenden Gesetzen befasst hat?! Gut, indiziert ist der Titel damit noch lange nicht – der Staat schaut also doch Tatenlos zu! An dieser Stelle will ich gerne mit etwas Recherche aushelfen, um was es sich bei einer „Indizierung“ handelt:
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften: «Die Indizierung hat nicht das generelle Verbot eines Mediums zur Folge. Sie will lediglich verhindern, dass Kinder und Jugendliche mit jugendgefährdenden Medien in Berührung kommen. Deshalb sind die Vorschriften des § 15 JuSchG nicht als absolute Verbreitungsverbote konzipiert, sondern es handelt sich um Beschränkungen der Verbreitung an Jugendliche. Während Jugendlichen also der Zugang verwehrt ist, haben Erwachsene weiterhin die Möglichkeit, indizierte Medien zu beziehen.»
Wieso sollte also eine Indizierung von Nöten sein, wenn der Staat via Jugendschutzgesetz und Einstufung durch die USK bereits den Verkauf und die Weitergabe an Minderjährige per Gesetz untersagt hat? Dies erkannte auch der Gesetzgeber: Spiele, welche von der USK eine Einstufung erhalten haben (dazu gehört auch „Keine Jugendfreigabe“) können infolge nicht mehr Indiziert werden – der Steuerzahler wird es durch die verminderten Kosten von weniger Bürokratie danken!
Frontal21: «Im Amt herrscht Selbstzufriedenheit. Jürgen Hilse, Vertreter der Länder im USK sagt: "Man kann über einzelne Sachen immer diskutieren, man kann immer unterschiedlicher Auffassung sein. Aber ich denke, dass sich die Freiwillige Selbstkontrolle in diesem Bereich absolut bewährt hat."
Sie soll sich bewährt haben? Ein Hohn bei Spielen wie "Hit Man Contracts": Sinnloses Morden im Sanatorium ist hier Spielinhalt. Eine Vorgängerversion hat die damals zuständige Bundesprüfstelle noch indiziert, das heißt, es konnte nicht offen gekauft werden, das Spiel gab es nur unter der Ladentheke.»
Tja, da sind wir leider wieder beim Punkt Recherche angelangt. Seit per 1. April 2003 das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten ist, dürfen Titel wie Hitman (USK: „Keine Jugendfreigabe“) nur noch an Erwachsene verkauft werden. Die Indizierung wurde damit sinnlos, die Jugendlichen haben keinen Zugang mehr – in der Theorie: Prompt schickt Frontal21 einen 14-jährigen Jugendlichen als Lockvogel ins Kaufhaus. Minuten später bezahlt der Jugendliche an der Kasse sein Doom 3 (USK: „Keine Jugendfreigabe“) – kein Problem für das Verkaufspersonal. Wir erinnern uns: «Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet sind, dürfen einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden». Ohne Zweifel wird die Frontal21 Redaktion gleich beim Verkaufspersonal nachhacken, wieso es trotz eindeutigen Vorschriften zum Verkauf kommen konnte? Nein, sie wenden sich lieber vorwurfsvoll an die USK Stelle:
Rainer Fromm: «Aber die Spiele werden in genau den Zeitschriften beworben, die primär von Jugendlichen gelesen werden. Die Spiele liegen in den Geschäften aus. Und man kann nicht den Verkäuferrinnen zumuten, dass sie die Arbeit leisten, die eigentlich der Jugendschutz leisten müsste.»
Da will ich doch gerne mal übersetzen: „Kann man den Verkäuferrinnen zumuten, dass sie sich an die Vorschriften halten, welche ihnen vom Staat auferlegt werden?“ Oder: Kann man von einem TV-Magazin erwarten, dass es wenigstens rudimentäre Recherche betreibt und nicht nach Lust und Laune die Fakten verdreht? In der heutigen Zeit scheinbar nicht mehr… Aber zum Glück sieht es nur bei den Medien so düster aus – die verantwortlichen Politiker werden sich doch sicher differenzierter äußern!?
Frontal21: «Mit den Frontal21-Recherchen konfrontiert, sind mehrere Innenminister alarmiert. Brandenburgs Ressortchef Jörg Schönbohm erklärt: "Dass nunmehr durch die unabhängige Selbstkontrolle Filme und solche Spiele nicht indiziert und damit verboten werden, ist nicht akzeptabel. Was umso schwieriger ist, wenn man sich überlegt, dass die Vorgängerspiele von einer ähnlichen Brutalität und Grausamkeit schon von der Bundesprüfstelle verboten wurden und jetzt nicht. Hier muss eingegriffen, hier muss etwas geändert werden."»
Leider sieht es hier ebenso düster aus: Herr Schönbohm kennt ebenso nicht den Unterschied zwischen Indizierung und Verbot (=Beschlagnahmung) solcher Spiele – noch scheint er darüber informiert zu sein, was per 1. April 03 mit dem neuen Jugendschutzgesetz in Kraft getreten ist und was zuvor der Praxis entsprach. Aber Brandenburgs Herr Schönbohm ist in guter Gesellschaft:
Frontal21: «Der bayerische Innenminister Günther Beckstein sagt dazu: "Wir brauchen Herstellungsverbote. Denn die Technik hat sich so entwickelt, dass der einzelne Träger dieser Spiele nicht mehr sehr viel kostet, so dass der Preis für Verleihen und Verkaufen nicht mehr sehr unterschiedlich ist. Wenn etwas auf dem Markt ist, dann wird es immer von Jugendlichen erworben und dann auch schwarz kopiert und weiter vertrieben."»
Da hat der Gute doch sicher Recht: Tabakwaren und harte Spirituosen sind ebenso auf dem Markt vertreten – und wir wissen doch: «Wenn etwas auf dem Markt ist, dann wird es immer von Jugendlichen erworben [...]». Ich bin überzeugt, Herr Beckstein wird sich ebenso überzeugt für Herstellungsverbote von deutschem Bier und Spirituosen einsetzen, wie das bei Videospielen der Fall ist – alles zum Wohle des Jugendschutzes – Lang lebe das Oktoberfest mit nem kühlen Maß Cola und Weißwurst!
Rainer Fromm: «Die USK sollte den Jugendschutz verbessern, das Gegenteil ist der Fall: mehr brutale Gewaltspiele statt weniger.» «Herstellungsverbote, das klingt gut. Bis jetzt schafft es die Politik aber noch nicht einmal, bestehende Gesetze anzuwenden: ein Armutszeugnis.»
Zum Thema Armutszeugnis und Recherche ließen sich an dieser Stelle auch einige Aussagen machen – doch kehren wir lieber zum Thema zurück. Jugendschutz soll den Zugang zu nicht geeigneten Medien für Minderjährige regulieren – nicht die Anzahl erhältlicher Spiele, die nur für Erwachsene geeignet sind. Hier wird klar, worauf Rainer Fromm von Frontal21 hinaus will: Er wünscht sich eine Zensur – die Bevormundung des volljährigen Staatsbürger unter dem Deckmantel des Jugendschutzes – statt konsequenter Umsetzung der Gesetzgebung zum Wohle der minderjährigen Medienkonsumenten!
Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: «Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.»
BPjM: «Allerdings sind auch der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt, und zwar immer dort, wo gleich schützenswerte Rechte durch sie beeinträchtigt werden können: So kann die Meinungsfreiheit im Widerspruch zu Artikel 2 des Grundgesetzes stehen, der das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit betont. Denn bei Kindern und Jugendlichen beinhaltet der Schutz ihrer Persönlichkeit eben auch, dass Einflüsse ferngehalten werden, die ihren Reifungsprozess negativ beeinflussen können.»
Eine Bevormundung des mündigen Bürgers sieht das Grundgesetz also nicht vor - Zensur: Nein! Ebenso ist klar, dass man die Jugendlichen vor gewissen Inhalten schützen sollte - Jugendschutz: Ja! Es stellt sich also die Frage, wieso trotz klarer Gesetzgebung und Einstufung der USK, weiterhin Spiele die nicht für Jugendliche geeignet sind, ihnen zugänglich gemacht werden. Das wären die Punkte, welche man von einem objektiv fundierten Bericht erwarten könnte – weil Herr Fromm dazu nicht gewillt war, möchte ich sie gerne nachreichen:
Mängel bei den Verkaufsstellen: Obwohl der Gesetzgeber es vorschreibt, dass beim Verkauf von Videospielen das Alter nachgewiesen und mit der Freigabe verglichen wird, zeigt sich das Personal in Deutschlands Kaufhäusern nonchalant. Es fehlen Kontrollen, welche den Warenhäusern auch den entsprechenden Druck auferlegen, sich an die Gesetze zu halten.
Der Online-Versandhandel wurde diversen Restriktionen unterzogen, um eine Jugendgefährdung auszuschließen – gleiches Engagement darf man im üblichen Handel erwarten, wo weit mehr Spiele (und damit auch für Jugendliche ungeeignete Titel) verkauft werden.
Formate wie Frontal21 hätten die Möglichkeit auf solche Misstände aufmerksam zu machen – sie verschließen aber lieber die Augen davor und polemisieren. Aber auch die zuständigen Minister geben kein gutes Bild ab – statt dafür zu sorgen, dass die bestehende Gesetzgebung eingehalten wird, verlangen sie lieber härtere Maßnahmen und Bevormundung der mündigen Bürger.
Fehlende Sensibilität bei den Erziehungsberechtigten: Selbst wenn vom Verkaufspersonal die bestehende Gesetzgebung konsequent umgesetzt wird, nützt das ganze nichts, wenn die Erziehungsberechtigten nicht ausreichend sensibilisiert sind. Wenn Papi dem 15-jährigen Tim sein Doom 3 kauft, dann ist der Gesetzgeber machtlos. Die Verantwortung endet hier vor der Haustür und wird da den Erziehungsberechtigten übergeben:
Jugendschutzgesetz: «[...] sind nicht anzuwenden, wenn eine personensorgeberechtigte Person das Medium einem Kind oder einer jugendlichen Person anbietet, überlässt oder zugänglich macht. Dies gilt nicht, wenn die personensorgeberechtigte Person durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglich machen ihre Erziehungspflicht gröblich verletzt.»
Kann es die Lösung sein, Spiele wie Doom oder Hitman zu verbieten, nur weil gewisse Erziehungsberechtigte es für richtig halten, dass klein-Tim Doom 3 spielt? Es liegt am Staat und den Medien, die Eltern kompetent zu informieren – „Videospiele sind böse und sollten verboten werden“ hilft da als Botschaft nicht weiter.
Wir leben leider in einer Zeit, in der Medien lieber mit schlecht oder gar nicht recherchierten Themen Quote machen wollen, statt die Konsumenten differenziert und fundiert zu informieren. Minister haben ein größeres Interesse an neuen Reglungen, ohne den Alten jemals zu Nachdruck verholfen zu haben, damit diese auch umgesetzt werden.
Quelle:Gu-Videogames
Den Lifestream der Reporage findet ihr [URL=http://www.zdf.de/ZDFmt/mediathek/0,3496,MT-2211992,00.html]hier[/URL] auf der ZDF-Homepage.
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