Das Begräbnis
Kay ging über den Friedhof. Es fand gerade eine Beerdigung statt und er setzte sich auf eine Bank und sah in die Gesichter der Menschen: Enttäuschte, traurige, weinende und auch einige, die starr auf den Boden, aber auch starr nach vorne schauten.
Als Kay aufstand, bemerkte er ein Mädchen in seinem Alter, das auf den Knien vor einem Grabstein bitterlich weinte. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und sie sah sich erschrocken um. Ihr braunes Haar fiel wild über ihre Schultern und ihre blauen Augen waren rot unterlaufen und voll mit Tränen. Sie schluchzte noch.
„Ich weiß, es geht mich ja nichts an, aber...warum weinst du?“, fragte Kay. Darauf das Mädchen: „Ich bin auf nem Friedhof, vor nem Grab, ist es dort verboten zu weinen?“ – „Das habe ich nie behauptet, aber warum zur Hölle weinst du?“ – „Das geht dich gar nichts an! Auf Wiedersehen!“ Das Mädchen stieß Kay zur Seite und ging fort.
Tage vergingen, ohne, dass sie sich wiedersahen. Schließlich trabte Kay durch die Stadt. Er bemerkte plötzlich das Mädchen, wie sie mit ihren Freundinnen durch die Geschäfte zog. Kay wartete ab, bis sie nach Hause ging. Auf dem Weg kam er aus dem Gebüsch: „Hey, na du? Warum hast du nun geweint? Erzähl doch mal!“ – „Ich habe dir schon mal gesagt, dass dich das nichts angeht!!!“ – „Übrigens: Ich heiße Kay!“ – „Schön für dich! Warum bist du mir gefolgt?“ – „Na ja, du meintest doch vor ein paar Tagen auf dem Friedhof ´auf Wiedersehen´. Und das hab ich halt ernst genommen...“ – „Du kannst echt nerven, weißt du das? Auf NIMMERwiedersehen!!!“ Das Mädchen stapfte davon.
Wieder vergingen Tage und die beiden sahen sich nicht. Dann war wieder eine Beerdingung. Kay war wieder dort. Und er sah wieder das Mädchen, wie es schluchzend vor dem Grab kniete. Kay ging zu ihr hin und sprach sie erneut an: „Du weinst doch echt immer wieder, oder?“ Das Mädchen drehte sich um und gab ihm eine Ohrfeige: „Was geht dich das denn an?!?“ Kay gab ihr eine Ohrfeige zurück. „Gar nichts, na und?“ – „Ich hab dir dich auf Nimmerwiedersehen gesagt...“ – „Denkst du echt, ich lass´ mich von dir rumkommandieren?“ – „Mit dir hat es doch echt keinen Sinn zu reden, oder?“ – „Nö.“ Das Mädchen setzte sich auf ne Bank. Kay gab ihr ein Taschentuch. “Du kannst a richtig charmant sein.“, bemerkte das Mädchen. Kay legte einen Arm um ihre Schulter: „Wie heißt du eigentlich?“ – „Klarissa“, sagte das Mädchen und rutschte von Kay weg. Sie, die aus einer reichen Familie kam, war es nicht gewohnt, neben einem schwarz gekleidetem Jungen mit langen Haaren zu sitzen.
„Sag schon...warum hast du geweint?“ – „Nun ja...Weißt du, da liegt meine Oma. Und vor kurzem starb mein Opa. Und heute wurde meine andere Oma begraben...“ – „Na und? Warum weinst du dann?“ – „Bist du so blöd oder tust du nur so?“ – „Bist DU so blöd oder tust du nur so?“ – „Was meinst du?“ Klarissa sah erschrocken auf. „Na, denk doch mal nach!“, erwiderte Kay, „Täglich sterben sehr viele Menschen. Aber kümmert es uns? Wir trauern nur über die, die dort unten liegen und zu uns gehören. Vielleicht starben andere viel trauriger? Außerdem...dort mag vielleicht deine Oma liegen, dort dein Opa und da drüben deine andere Oma, aber...warum trauerst du nicht über die lebenden?“ – „Wie meinst du das?“ – „Deine Eltern sterben früher als du, wenn es nach dem natürlichen Tod geht. Also warum trauerst du weder um sie und warum genießt du auch nicht jede einzelne Sekunde mit ihnen? Wenn sie weg sind, was soll´s, aber trauern kannst du immer noch genug, wenn du selbst einmal kurz vor dem Tode stehst und weißt, was du alles vergessen hast. Aber jetzt schon zu trauern bringt doch nicht, du musst nach vorne sehen. Du hast es jetzt einige Zeit ohne deine beiden Omas und deinen Opa ausgehalten. Also schaffst du´s auch weiterhin, oder?“ – „Ich halte es vor Trauer aber kaum aus. Sie sind tot...“ – „Dann trauere auch über die, die dir noch bleiben, denn irgendwann verlierst du sie sowieso alle! Wenn du ständig nur trauern willst, dann tue es, aber ich würde dir empfehlen, das Leben zu genießen. Ich habe...ich tue es!“ – „Du bist seltsam...“ – „Wieso?“ – „Wenn man dich so sieht, denkt man gar nicht, dass du auch so reden kannst...so...einfühlsam...verständnisvoll halt...“ – „Och, das denken die wenigsten von mir...“
Das Mädchen stand auf. Sie liefen beide auf einen Steinvorsprung, von wo aus man den Sonnenuntergang sehen konnte.
„Hast du dir schon mal Gedanken über den Tod gemacht, Kay?“ – „Na ja...viele...ist er nun Erlösung oder Unheil? Man entflieht der Welt, in der man lebt, aber man ist dann völlig abgeschottet von dieser Welt. Und man bereut es vielleicht, gestorben zu sein.“ – „Warum? Man hat sich doch ganz sicher dafür entschieden, oder?“ – „Ja, aber im Jenseits merkt man, was man verpasst. Man beginnt, zu vermissen, nachzudenken und man möchte einfach nur wieder leben.“ – „Woher willst du das wissen?“ – „Da schau, Klarissa! Der Sonnenuntergang! Ist er nicht wunderschön?“ Beide sahen hinaus auf den Horizont. Klarissa rückte ein Stückchen näher zu Kay, der sie bald in den Arm nahm. Und als die Sonne komplett untergegangen war, küssten sich die beiden im fahlen Licht einer Laterne.
„Es war wirklich schön mit dir,“, sagte Kay, „aber nun muss ich gehen...“ – „Warte! Wo wohnst du?“ – „Wo ich wohne...? Auf...auf der anderen Seite...“ – „Auf der anderen Seite von was?“ – „Machs gut!“ Kay rannte davon.
Als Klarissa nach ein paar Tagen das Altpapier rausbringen sollte, war sie mit ihren Gedanken ganz bei Kay. Wie in den Tagen davor. Als die den Container öffnete, bemerkte sie einen Artikel: „Jungendlicher aus der Region beging Selbstmord.“ Klarissa las den Artikel und ihre Augen weiteten sich. Sie rannte zum Friedhof und las alle Inschriften auf den Gräbern. Schließlich fand sie eines, auf dem ein Name geschrieben stand, der ihr bekannt vorkam. In der Zeitung war sein Bild. Er hatte sich wegen zu viel Stress mit seinen Freunden umgebracht. Seine Eltern starben bei einem Autounfall. Und hier wurde er begraben, vor mehr als einem halben Jahr: Kay.
Kay ging über den Friedhof. Es fand gerade eine Beerdigung statt und er setzte sich auf eine Bank und sah in die Gesichter der Menschen: Enttäuschte, traurige, weinende und auch einige, die starr auf den Boden, aber auch starr nach vorne schauten.
Als Kay aufstand, bemerkte er ein Mädchen in seinem Alter, das auf den Knien vor einem Grabstein bitterlich weinte. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und sie sah sich erschrocken um. Ihr braunes Haar fiel wild über ihre Schultern und ihre blauen Augen waren rot unterlaufen und voll mit Tränen. Sie schluchzte noch.
„Ich weiß, es geht mich ja nichts an, aber...warum weinst du?“, fragte Kay. Darauf das Mädchen: „Ich bin auf nem Friedhof, vor nem Grab, ist es dort verboten zu weinen?“ – „Das habe ich nie behauptet, aber warum zur Hölle weinst du?“ – „Das geht dich gar nichts an! Auf Wiedersehen!“ Das Mädchen stieß Kay zur Seite und ging fort.
Tage vergingen, ohne, dass sie sich wiedersahen. Schließlich trabte Kay durch die Stadt. Er bemerkte plötzlich das Mädchen, wie sie mit ihren Freundinnen durch die Geschäfte zog. Kay wartete ab, bis sie nach Hause ging. Auf dem Weg kam er aus dem Gebüsch: „Hey, na du? Warum hast du nun geweint? Erzähl doch mal!“ – „Ich habe dir schon mal gesagt, dass dich das nichts angeht!!!“ – „Übrigens: Ich heiße Kay!“ – „Schön für dich! Warum bist du mir gefolgt?“ – „Na ja, du meintest doch vor ein paar Tagen auf dem Friedhof ´auf Wiedersehen´. Und das hab ich halt ernst genommen...“ – „Du kannst echt nerven, weißt du das? Auf NIMMERwiedersehen!!!“ Das Mädchen stapfte davon.
Wieder vergingen Tage und die beiden sahen sich nicht. Dann war wieder eine Beerdingung. Kay war wieder dort. Und er sah wieder das Mädchen, wie es schluchzend vor dem Grab kniete. Kay ging zu ihr hin und sprach sie erneut an: „Du weinst doch echt immer wieder, oder?“ Das Mädchen drehte sich um und gab ihm eine Ohrfeige: „Was geht dich das denn an?!?“ Kay gab ihr eine Ohrfeige zurück. „Gar nichts, na und?“ – „Ich hab dir dich auf Nimmerwiedersehen gesagt...“ – „Denkst du echt, ich lass´ mich von dir rumkommandieren?“ – „Mit dir hat es doch echt keinen Sinn zu reden, oder?“ – „Nö.“ Das Mädchen setzte sich auf ne Bank. Kay gab ihr ein Taschentuch. “Du kannst a richtig charmant sein.“, bemerkte das Mädchen. Kay legte einen Arm um ihre Schulter: „Wie heißt du eigentlich?“ – „Klarissa“, sagte das Mädchen und rutschte von Kay weg. Sie, die aus einer reichen Familie kam, war es nicht gewohnt, neben einem schwarz gekleidetem Jungen mit langen Haaren zu sitzen.
„Sag schon...warum hast du geweint?“ – „Nun ja...Weißt du, da liegt meine Oma. Und vor kurzem starb mein Opa. Und heute wurde meine andere Oma begraben...“ – „Na und? Warum weinst du dann?“ – „Bist du so blöd oder tust du nur so?“ – „Bist DU so blöd oder tust du nur so?“ – „Was meinst du?“ Klarissa sah erschrocken auf. „Na, denk doch mal nach!“, erwiderte Kay, „Täglich sterben sehr viele Menschen. Aber kümmert es uns? Wir trauern nur über die, die dort unten liegen und zu uns gehören. Vielleicht starben andere viel trauriger? Außerdem...dort mag vielleicht deine Oma liegen, dort dein Opa und da drüben deine andere Oma, aber...warum trauerst du nicht über die lebenden?“ – „Wie meinst du das?“ – „Deine Eltern sterben früher als du, wenn es nach dem natürlichen Tod geht. Also warum trauerst du weder um sie und warum genießt du auch nicht jede einzelne Sekunde mit ihnen? Wenn sie weg sind, was soll´s, aber trauern kannst du immer noch genug, wenn du selbst einmal kurz vor dem Tode stehst und weißt, was du alles vergessen hast. Aber jetzt schon zu trauern bringt doch nicht, du musst nach vorne sehen. Du hast es jetzt einige Zeit ohne deine beiden Omas und deinen Opa ausgehalten. Also schaffst du´s auch weiterhin, oder?“ – „Ich halte es vor Trauer aber kaum aus. Sie sind tot...“ – „Dann trauere auch über die, die dir noch bleiben, denn irgendwann verlierst du sie sowieso alle! Wenn du ständig nur trauern willst, dann tue es, aber ich würde dir empfehlen, das Leben zu genießen. Ich habe...ich tue es!“ – „Du bist seltsam...“ – „Wieso?“ – „Wenn man dich so sieht, denkt man gar nicht, dass du auch so reden kannst...so...einfühlsam...verständnisvoll halt...“ – „Och, das denken die wenigsten von mir...“
Das Mädchen stand auf. Sie liefen beide auf einen Steinvorsprung, von wo aus man den Sonnenuntergang sehen konnte.
„Hast du dir schon mal Gedanken über den Tod gemacht, Kay?“ – „Na ja...viele...ist er nun Erlösung oder Unheil? Man entflieht der Welt, in der man lebt, aber man ist dann völlig abgeschottet von dieser Welt. Und man bereut es vielleicht, gestorben zu sein.“ – „Warum? Man hat sich doch ganz sicher dafür entschieden, oder?“ – „Ja, aber im Jenseits merkt man, was man verpasst. Man beginnt, zu vermissen, nachzudenken und man möchte einfach nur wieder leben.“ – „Woher willst du das wissen?“ – „Da schau, Klarissa! Der Sonnenuntergang! Ist er nicht wunderschön?“ Beide sahen hinaus auf den Horizont. Klarissa rückte ein Stückchen näher zu Kay, der sie bald in den Arm nahm. Und als die Sonne komplett untergegangen war, küssten sich die beiden im fahlen Licht einer Laterne.
„Es war wirklich schön mit dir,“, sagte Kay, „aber nun muss ich gehen...“ – „Warte! Wo wohnst du?“ – „Wo ich wohne...? Auf...auf der anderen Seite...“ – „Auf der anderen Seite von was?“ – „Machs gut!“ Kay rannte davon.
Als Klarissa nach ein paar Tagen das Altpapier rausbringen sollte, war sie mit ihren Gedanken ganz bei Kay. Wie in den Tagen davor. Als die den Container öffnete, bemerkte sie einen Artikel: „Jungendlicher aus der Region beging Selbstmord.“ Klarissa las den Artikel und ihre Augen weiteten sich. Sie rannte zum Friedhof und las alle Inschriften auf den Gräbern. Schließlich fand sie eines, auf dem ein Name geschrieben stand, der ihr bekannt vorkam. In der Zeitung war sein Bild. Er hatte sich wegen zu viel Stress mit seinen Freunden umgebracht. Seine Eltern starben bei einem Autounfall. Und hier wurde er begraben, vor mehr als einem halben Jahr: Kay.
Es sind üblicherweise die, die die, die die die, die nichts wissen, aber im Gegensatz zu diesen glauben, zu wissen, im Wissen, dass sie wissen, belehren können.